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Wochenblatt "für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Sicbcnlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 72. Dienstag, den 1t. September 1868. Tagesgeschichte. In Meißen hat am 6. d. M. eine Besprechung des linken Elb- ufereiscnbahnprojects von 55 Interessenten, Abgeordnete der an der Route liegenden Städte und Industriellen, stattgefunden. Es hat sich hierfür ein Comitee constituirt, welches für die Ausführung der Bahn wirken wird. Die Leipziger Zeitung enthält in ihrer wissenschaftlichen Beilage einen umfänglichen Artikel: „Das Staatsschuldwesen des Königreichs Sachsen," worin eine aus amtlichen Quellen stammende Darstellung der Entwicklung der sächsischen Staatsschulden, sowie ihres jetzigen Standes, gegeben wird. Darnach betrug die sächsische Staatsschuld am Schlüsse des Jahres 1868 die Summe von 91,171,732 Thlrn. 19 Nar. 5 Pf. Dem stand aber gegenüber das Anlage- und Be triebskapital der sächsischen Staatsbähnen mit etwa 68,759,000 Thlr., wonach sich die gesammte Staatsschuld Ende 1868 auf 22,412,700 Thlr. beschränkt. Hiervon befanden sich gegen 9,400,000 Thlr. in verzinslichen Staatspapieren unter den Effectenbeständen der Finanz- Hauptkasse und 12,000,000 Thlr. als unverzinsliche Cassenbillets im Umlaufe. Die Administration der Freiherrlich von Burgk'schen Werke ver öffentlicht im „Dr. I." folgendes Eingesandt: Ein Theil der Presse sowohl, als zumal Aeußerungen in der jüngst stattgehabten Volks versammlung haben eine scharfe und tadelnde Kritik der auf den Burgker Werken bestehenden Einrichtungen und jetzigen Maßnahmen geübt. Wenn Seiten des Besitzers der Werke und der unterzeichneten Administration bis jetzt von einer Widerlegung nnd Abwehr jener Angriffe abgesehen worden ist, so geschah dies aus dem Grunde, weil man den Bericht und das Unheil der vom königl. Finanzmini sterium bestellten bergamtlichen Commission und das Ende der ge richtlichen Untersuchung abwarten zu müssen glaubte. Auch jetzt noch und trotz allen neuhervorgetretenen Angriffen werden wir von dem gefaßten Entschlusse nicht abweichen, müssen jedoch so viel er klären, daß die aufgestellten Vorwürfe und Beschuldigungen eine große Unkenntniß sowohl der lokalen Verhältnisse und Einrichtungen als der getroffenen Maßnahmen an den Tag legen. Aus dem Plauenschen Grunde wird den Dr. Nachr. berichtet, daß die diesjährige Burgker Bergpredigt mit Parade für den 25. d. M. in Aussicht genommen sei und wahrscheinlich der große Trauer- gottcsdienst am bekannten Riesengrabe hiermit verbunden wird. Am 7. September hat sich der fieberkranke Bergarbeiter Hahn in Potschappel in einem unbewachten Augenblicke durch Erhängen selbst entleibt, nachdem er kurz zuvor noch seine häuslichen Ange- jegenhciten geordnet. Die Dresdner „Pfandleih-Aktien-Gcsellschaft" hat den Namen „Sächsische Lombard-Bank" angenommen. Auch der König von Bayern hat zur Unterstützung derHinter- lassenen der im Plauenschen Grunde verunglückten Arbeiter einen Beitrag von 500 fl. aus der Cabinetskasse bewilligt. Die Dr. N. berichten aus Dresden: Am vergangenen Diens tag ist wieder einmal eine alte Geschichte neu geworden, durchweiche leider ein hiesiger Hotelier geprellt worden ist. Ein ziemlich elegant gekleideter Mann erschien in dem Speisesaal eines in der Nähe des Altmarktes belegenen Hotels mit zwei kleinen Kindern und verlangte Uls ck'üote zu speisen. Das Menu bestand aus dem Besten, was geboten werden konnte. — Alles schmeckte prächtig, selbst Hochheim's Rebensaft mundete vortrefflich. Nach dieser fetten Sitzung trat der ! Fremde einen Geschäftsweg an, der allerdings sehr lang gewesen sein muß, da die Rückkehr bis jetzt noch nicht erfolgt ist. Die als Pfand und Geißel zurückgelassencn Kinder crwicderten auf die Frage des Oberkellners, ob ihr Vater nicht bald wieder kommen würde: „Das is nich unser Vater, den kennen wer gar nich." Jedenfalls halte der Gourmand die Kinder auf der Straße aufgcgriffen und sie, ihnen eine gute Mahlzeit versprechend, als Mittel zu dem Zwecke benutzt, unendgeltlich diniren zu können. Mögen diese Zeilen dazu dienen, um der Tafelrunde dieses Hotelreiters ein baldiges Ende zu machen. Ausgemusterte Dienstpferde der Reiterei, Artillerie und des Trains werden den 15. S.ptembcr in Borna (Pferde von der Rei terei und Artillerie), den 16. in Grimma, den 17. in Rochlitz, dm 18. in Großenhain, den 20. in Oschatz, den 21. in Dresden (Artille rie- und Train-Pserde) öffentlich versteigert werden. In der Nacht des 8. September m der 11. Stunde ist in den zum Rittergutshofe des Grafen zur Lippe auf Döberlitz bei Bautzen gehörigen Wirthschaftsgebäudcn Feuer ausgebrochen und sind dadurch in kurzer Zeit Stallung und Scheune mit sämmtlichen Erntevorrüthen ein Raub der Flammen geworben. In den Ställen befanden sich auch eine Anzahl Pferde von der in den Mannövern in der Bautzner Gegend anwesenden 2. Eskadron des I. Reiter-Regiments; cs haben davon 1 Pferd des Major von Schreibershosen, 2 Pferde des Pre mierleutnants von Gutschmid, sowie 13 Dienstpferde den Tod in den Flammen gefunden. Plauen, 8. September. Ein jäher Todesfall bewegt seit ge stern Abend hier die Gemüther Vieler, namentlich auch der Jagd- sreunde. Es hatten sich nämlich gestern Nachmittag fünf Jagdfreundc aus Plauen auf ihrem Jagdrevier bei Oberpirk zum Vespcrbrod gelagert. Einer von ihnen, Advokat M. von hier, will beim Auf stehen sein doppelläufiges Gewehr, das hinter ihm liegt, heranziehen der Hahn wird dadurch aufgezogen, schlägt wieder zurück und beide Schüsse gehen dem Unglücklichen in die Brust, der aufspringt und alsbald wieder niederstürzt. In den späten Abendstunden brachte man der beklagenswerlhen Familie, die aus Fran und vier kleinen Kindern besteht, den tobten Gatten und Vater, der gesund die Sei nen verlassen. Die Leipziger Nachrichten schreiben: „Nachdem in diesem Jahre das erste und älteste preußische Infanterieregiment seine vor einem Vierteljahrtausend erfolgte Errichtung festlich begangen hat, befindet sich mit dem nächsten Jahre das sächsische Leib-Jnfantcriere- regiment, gegenwärtig Nr. 100 der norddeutschen Armee, in der Lage, die Feier seines 200jährigen Bestehens zu begehen. Der Ur sprung dieyes Regiments dürfte im Alter dem jenes andern jedoch wahrscheinlich nicht nachstehen; denn 1670 wird dasselbe bereits als das sächsische Leibregiment aufgeführt, nnd es unterliegt keinem Zweifel, das sein Stamm noch weiter zurück verfolgt werden könne. Der Springer auf dem Schachbrette bewegt sich immer vorwärts und seitwärts zugleich. Der menschliche Geist ist auch so ein Sprin ger. Die Philosophen und manche andere Leute glaubten, über das Tischrücken, den Storchschnabel und das Citiren der Geister sei man im 6. Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts glücklich hinüber, die Leipzi ger aber belehren uns eines Besseren. Unter ihnen sind Spiritistc n aufgetaucht, gebildete und ungebildete Leute, welche in dem Glauben übereinstimmen, sie können Geister citiren und von ihnen Aufschluß über die schwersten Streitfragen der Religion, Politik, Medizin re. erlangen und zwar mit Hilfe eines Storchschnabels, durch welchen der angerufene Geist seine Meinung telegraphirt. Ein Mitglied die ser Seele läßt sich von Martin Luther die Offenbarung Johannis erklären, ein anderes quält den seligen Raphael um guten Rath zur Ausführung eines Gemäldes; sie treiben ihre Sache mit heiligem Ernst und sehen die Zahl ihrer Anhänger wachsen. Armer Humboldt, in diesen Tagen feiern sie dein 100jähriges Jubiläum. Die „Tribüne" berichtet aus Berlin: Die Börsenpanik hat die Gemüther der Nächstbctheiligten so erhitzt, daß Ohrfeigen und Faust kämpfe zur Tagesordnung gehören. Die Speculanteu sind gegen einander mißtrauisch, keiner traut dem andern von Mittag bis zum Abend. Wer jetzt noch solvent ist, kann durch die nächste Depesche von Paris oder Wien zum geschlagenen Mann gemacht werden. Da her kommt cs, daß Mancher schon vor Ankunft der Depeschen „zum geschlagenen Mann" wird, und die Börsenältesten werden, wenn die Krisis noch lange anwährcn sollte, mit der Zeit das Standrecht proklamiren müssen. Einstweilen ist ein sonst ganz respektabler Mann zweiter Ordnung bedeutet worden, daß ihm eine unzeitig verabreichte Ohrfeige auf 14 Tage vom Börscnbesuch excludiren wird. Diese Strafe ist härter, als der Laie sich vorstellt; der Geldverlust, der daraus erwächst, kann sich unter Umständen auf Tausende von Tha lern erstrecken. Der Württemberger Staatsanzeiger dementirt die Mittheilungen verschiedener Zeitungen über angebliche Verhandlungen wegen den