Volltext Seite (XML)
282 die er an die Umgebung richtete: man möge ihn todtschlagen, er könne es nicht mehr aushalten. Bei der Sectivn der Leiche soll sich herausgestellt haben, daß sie im Innern wie ausgekocht ausqesehen habe. Einem Anderen ist die Nase weggerissen und das Gesicht so sehr beschädigt worden, daß auch an seinem Aufkommen gezweifelt wird. Hoffen wir, daß derartige Katastrophen sobald nicht wieder kehren. Die Eisenbahnbeamten im Subalterndienst haben schon an und für sich einen schweren Dienst und dabei noch immer die trau rige Aussicht, einen so schweren Tod zu erleiden. Für die Hinterlaßenen der im Plaucnschen Grunde verunglückten Bergleute sind von Sr. Mas. dem König weitere 500 Thlr. gespen det worden. Von dem Wiener Hilfskomitee sind jetzt über 14,000 Gulden eingegangen, darunter von einem Commerzienrath Simnndt 1000 Guld. mit dem Weilern Anerbieten, 2 Waisen erziehen zu lassen. Der berühmte Fabrikbesitzer Reichsrath von Maffei in München hat für die Hinterlassenen der im Plauenschen Grunde Verunglückten die Summe von 1000 Gulden gespendet. Der preußische Commer- zienrath Krupp in Essen gab, wie schon früher erwähnt, 2000 Thlr. Dies sind schlagende Beweise, wie sehr man auch im Auslande be strebt ist, das Elend der Bergmannsfamilien zu lindern. Lichtenstein. Aus der letzten Stadtverordnetensitzung ist die Anzeige Les Stadtraths zu erwähnen, daß die Stadträthe einstimmig sich dem wiederholten Antrag der Stadtverordneten angeschlossen haben: bei dem Fürsten Otto von Schönburg, als Patron, um Ver setzung des Oberpfarrer Naumann zu bitten. Dem vom Stadtrathe zu diesem Behuse vorgelegtcn Petitions-Entwürfe wurde mit einigen Abänderungen beigestimmt. Der Oberpfarrer gehört der strengern kirchlichen Richtung an. (CH. Tgbl.) Die Juristen werden sich wieder einmal in den Ruf böser Chri sten bringen, aber mit Unrecht. In Heidelberg haben sich neulich 700 Mann hoch für Einführung der obligatorischen Civilehe aus gesprochen. Das heißt auf deutsch, sie verlangen, daß Jeder, der eine Frau nimmt, sich mit dieser zuerst vor der bürgerlichen Behörde zusammengcben laßen muß. Die Einwilligung der bürgerlichen Be hörde genügt zur vollen Giltigkeit einer Ehe. Sie wollen so die Eingehung einer Ehe, die eine bürgerliche Einrichtung ist, unabhängig machen von den erschwerenden Bedingungen der Kirche, z. B. bei ge mischten Ehen, und setzen voraus, daß sich christliche Eheleute dennoch den Segen der Kirche am Altäre erbitten. In Sachen des Moabiter Klosters bringt die „Spen.-Ztg." noch einen offiziell mitgetheilten Artikel, worin der Minister v. Mühler scinerzeits alle Beziehungen zu der Angelegenheit zurückweisen läßt. Es heißt darin: „Es ist dieser Niederlassung weder die stattliche Ge nehmigung ertheilt, noch von Seiten der Regierung irgend eine Un terstützung oder Förderung durch Geld oder in anderer Weise zu Theil geworden. Dieselbe ist vielmehr von den Betheiligten selbst, ohne Vorwissen und Mitwirken des Ministeriums der geistlichen An gelegenheiten, auf Grund des freien Vereinigungsrechts ins Leben gerufen, entbehrt der bürgerlichen Rechtsfähigkeit und unterliegt den Bestimmungen des Vereinsgesetzes vom 11. März 1850, sofern ihre Mitglieder eine Einwirkung auf öffentliche Angelegenheiten bezwecken sollten. Auch sind die letzteren sonst in zeder Beziehung den Staats- gcsetzen unterworfen. Von der Einweihung des fraglichen Klosters hat der Herr Minister der geistlichen Angelegenheiten gar keine Keunt- niß gehabt. Die von mehreren Blättern verbreitete Behauptung, daß der Ministerial-Director Ür. Krätzig der gedachten kirchlichen Feier- erlichkeit und der damit verbundenen Procession beigcwohnt, ist un wahr. Der geistliche Rath Müller, welcher die Einweihungsrede ge halten, steht nicht im Staatsdienste und zu dem Ministerium der geistlichen Angelegenheiten nicht in geringster Beziehung." In Kassel hat sich der König von Preußen die wackere Tur nerfeuerwehr vorstellen lassen, die bei dem Brande der Schmidt'schen Kunstmühle sich neulich ausgezeichnet hat. Dem Feuerwehrmann Zahn, der mit eigner Lebensgefahr die Familie ».Bardeleben gerettet hatte, redete der König mit den Worten an, den schönsten Lohn sei ner That werde er in seiner Brust tragen, aber auch er habe ihm etwas mitgebracht, was er sich zur Erinnerung lind Andern zur Nachahmung tragen möge. Damit überreichte er ihm die silberne Medaille für Rettung aus Lebensgefahr. Unter dem donnernden Hoch der erfreuten Feuerwehr und der umstehenden Menge stieg er in den Wagen. Die Postexpediteure im Norddeutschen Buirde bitten ihren General-Postdircctor 1) um einen auskömmlicheren Gehalt und 2) um Ausnahme unter die ordentlichen Postbeamten und in die Pen- sionscasse. Die Postexpediteure sind zwar nicht examinirt, aber auch verantwortlich, können jederzeit entlassen werden lind haben meist nur 130—300 Thlr. Gehalt. Für die kleinen Städte und das Land vermittelü sie den ganzen Postverkehr. Napoleon hat schon manche schwere Frage studirt, die römische und die türkische, die polnische und die deutsche, aber jetzt studirt er die ernsteste aller Fragen: wie wird es nach meinem Tode aussehen? Alles drängt ihm diese Frage unbarmherzig auf, sein körperlicher < Zustand, seine Leibärzte, die Aufregung der Pariser und aller Bör senplätze. Es weiß es, daß er dieser Tage in Paris todt gesagt wurde und das eine telegraphische Depesche nach Berlin kam: Er ist todt! — Er leidet allerdings schwer an Hüftweh und an dem ge fährlichen Uebel, an dem sein Marschall Niel gestorben, er hat oft Ohnmächten und die Wundärzte Nelaton und Chelius kommen nicht viel aus St. Cloud, wo er wohnt, fort; er liegt nicht zum Tode nieder, er kann sogar im Park spazieren gehen, aber weder fahren noch reiten, noch nach Paris kommen, um die Gerüchte zu widerle gen. Schon muß er viele und wichtige Dinge von Andern thun taffen, obgleich bei ihm alles auf fein Selbstregiwent gestellt ist: er mußte an dem größten Feiertage seiner Dynastie seinen Sohn zu den Generälen und Soldaten nach Chalons schicken; er muß Frau Eu genie nach Corsika, Constantinopel und zur Einweihung des Suez kanals schicken; er muß es, weil er nicht anders kann. Jst's ein Wunder, wenn sich ihm die schwere Frage aufdrängt: wie wirds nach Dir mit Deinem Geschlechte aussehen? Seine Dynastie ist nicht be festigt, weder im Heere, noch im Volke, sein einziger Sohn ist ein Knabe, seine Frau energisch, aber nicht populär, seine Herrschaft schwankt täglich zwischen Krieg und Frieden, seine Gegner, ja Feinde sind zahlreich und kühn, seine talentvollsten und treusten Freunde sind todt, sein Stern ist im Sinken. Wird ihm der Tod Zeit lassen, sein Regiment und sein Haus mit der Freiheit zu versöhnen? Durch viele tausend Familien in England geht ein großes Wehklagen. Die große Lebensversicherungsgesellschast Albert hat plötzlich Bankerott und viele Tausende unglücklich gemacht. Zahl reiche Familienväter hatten der Bank ihre säuern Ersparnisse anver traut, um sich ein Halbwegs sorgenfreies Aller zu verschaffen oder ihren Kindern ein kleines Erbe zu hinterlassen. Das ist nun vorbei und der Schrecken um so größer, als der Schlag blitzschnell gefallen ist; nur sehr Wenige hatten eine Ahnung, daß die Verwaltung faul war. Auf der Jagd. Erzählung von Ludwig Habicht. Drittes Kapitel. Der einzige Freund. (Fortsetzung und Schluß.) In dem Garten des Irrenhauses zu P. spielten zwei Irre harm los mit einander und schienen recht gute Freunde zu sein. Es wa ren schon alte Männer; der Eine groß und stark, ein wahrer Riese, der Andere kürzer und untersetzter. Beide mußten aber in früheren Zeiten dem edlen Waidmannswcrk abgelegen haben, denn ihre ge meinsamen Spiele richteten sich nur hierauf. Sie hatten für ihre Spielstunden einen Raum im Garten abgesteckt erhalten, den sie nun wild und chaotisch mit Sträuchern bepflanzten, und dort standen sie oft stunden lang auf dem Anstand, mit einem Stecken in der Hand, und jede Katze, jeder Vogel, alles lebende Gethier, das sich irgend in ihrer Nähe blicken ließ, wurde unerbittlich todtgeschossen; dann zeigten sie sich ihre vermeintliche Beute, lächelten sich zu und ginaen, scelenvergnügt über die glückliche Jagd, in ihre Zellen. So hatten es die beiden Irrsinnigen schon lange Zeit getrieben, ohne mit einander zu sprechen; aber sie läcbelten stets, wenn sie sich sahen, als ob sic sich schon lange gekannt Hütten, und so mochte cs wohl auch sein; — es lag jedoch eine lange, lange Zeit dazwischen und das Gedenken daran war von der Scelentafel ihrer Erinnerungen völlig weggcwischt. Der Oberförster hatte längst schon hier ein Asyl gefunden. Er hatte keine Verwandten, keine Freunde; Niemand mochte den alten verrückten Mann bei sich aufnchmen, der eigentlich keinen Menschen etwas zu Leide that, denn er beschränkte sein Jagdrevier auf die Stube; aber er war doch in einer Hinsicht gefährlich: er konnte Nie mand mehr lachen hören und wenn es doch geschah, dann gerietst er in die höchste Wuth, ergriff das Erste, Äeste, was ihm in die Hände fiel, stürzte auf den Lachenden zu und wenn dieser nicht cm- floh, oder ih-NZucht eiligst Hülfe kam, war er gewiß seines Lebens rächt sicher. So hatte man cS schnell bewirkt, den Oberförster für verrückt zu erklären und ins Irrenhaus zu bringen, und der junge Bräutigam, der trotz seiner damaligen Verzweiflung Anna rasch ver geßen hatte und durch die Heirach mit der Tochter eines reichen Be amten und durch den Einfluß des Schwiegervaters zu einer guten Stelle gekommen war, that nicht das Mindeste für den armen Irr sinnigen, obwohl er durch sein unbesonnenes Auftreten so viel ver schuldet; — nur der junge Förster Kuntz, der am Polterabend die Perlen gebracht und dessen Herz vor überqueilendcr Lustigkeit damals fast gebrochen, behielt ein wärmeres Interesse für den alten Ober förster und zahlte, als er in bessere Stellung gekommen war, be trächtliche Summen zur bessern Pflege des Unglücklichen. Der Wildschütz war anfangs in das Jnquisiwriat abgcführt worden. Es war nicht viel aus dem zusammengcbrochenen Manne herauszufragen, der ewig über seinen erschossenen Sohn und über das Lachen im Walde klagte, und sich immer tiefer in seine düsteren Träumereien verlor, die endlich, nach Bescheinigung der Acrzte, in stillen Wahnsinn übergingen, der bereits, nach ihrer Versicherung, bei Ausübung seiner That vorgewaltct haben müsse, so daß er jeden falls nicht criminalisch bestraft werden konnte. So wanderte der Wildschütz, statt auf das Schaffot, wie man erwartet hatte, in das einzige Irrenhaus der Provinz. Besonders konnte sich das Heimath- dors über diese schreckliche Humanität nicht zufrieden geben, weil ihm damit ein ohnehin so seltenes Schauspiel wie das einer Hinrichtung, > auf das man sich nicht wenig gefreut hatte, plötzlich entzogen wor den war. Anfangs hatte man gefürchtet, die beiden Irrsinnigen, die eine sonderbare Verflechtung des Geschicks hier wieder zusammengeführt, mit einander in Berührung zu bringen; im Laufe der Zeit aber war weniger darauf geachtet worden, und als sich die beiden Irrsinnigen zum ersten Male von Ferne sahen, betrachteten sie sich ruhig; man fand eine weitere Annäherung nicht gefährlich und der stille melan cholische Wildschütz war bald der einzige Spielgefährte, der dem Oberförster zugetheilt werden konnte, während ihn mit andern Irr sinnigen in Berührung zu bringen, höchst gefährlich blieb; denn so bald einer derselben lachte, und diese unglücklichen lachen so gern,