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^5 71. 186». Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rvffen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Dtadtrath daselbst. Tagesgeschichte. Wilsdruff, am 9. September 1869. (Zur Berichtigung eingcsaudt.) Bezüglich der in der letzten Nummer dieses Blattes erwähnten Petition an den Landtag, die Einführung des obligatorischen Turn unterrichts in den sächsischen Volksschulen betreffend, ist die aus an deren Blättern auch in das hiesige Wochenblatt übergegangene falsche Angabe zu berichtigen, daß diese Petition vom Turngauvcrbande der sächsischen Mittelelbe (Dresden w.) ausgeht, da sie in Wirklich keit vom Turngauverbande der sächsischen Nicderelbe, welcher aus den Turnvereinen zu Meißen, Großenhain, Oschatz, Riesa, Radeburg, Wilsdruff, Mügeln, Strehla, Dahlen, Elsterwerda und Ortrand be steht, ausgeht, und zugleich zu bemerken, daß die fragliche Petition bei der am letzten Sonntage in Großenhain stattgefundenen vierstün digen Berathung derselben, der Einsender als Vertreter für Wilsdruff bcigewohnt hat, endgiltig festgestellt wurde, wobei Punkt ä., die An stellung von Bczirksturnlchrern betreffend, wegen zu großer Mei nungsverschiedenheit gestrichen und dieser Punkt dem Gesetzgeber überlassen wurde. Mit Abfassung der fraglichen Petition war vom Gauverbande der sächsischen Niedcrclbe auf dem Gauturntage zu Oschatz im Mai d. I. Herr Rathsrefcrendar Weber in Großenhain betraut worden, welcher dieselbe mit großem Flciße sehr eingehend moüvirt und über zeugend ausgearbeilct Halle. Der bekannte Ein- und Ausbrecher Heinrich wurde heute früh von Dresden aus unter starker Bedeckung hier durchgefahren, jeden falls seinem neuen Bestimmungsort, dem Zuchthause zu Waldheim, zu überliefern. — Heinrich hatte sich in letzter Zeit in seinem Ker ker in Dresden sehr hohen Besuchs zu erfreuen. Nachdem nämlich das Justizministerium durch einen besondem Commissar die Art und Weise der Einkerkerung Heinrichs batte prüfen lassen, war auch Se. Exc. der Justizministcr in eigener Person in dessen Zelle erschienen, um sich von der hinlänglichen Sicherung des berühmten Gefangenen zu überzeugen. Nach einer Zusammenstellung der bisher an den drei Hauptsam melstellen (Dresden, Döhlen und die Dresdner Kreisdirection) zu- sammengeflossenen Gelder für die Hinterbliebenen der im Plauenschen Grunde Verunglückten beziffert sich die Gesammtsumme der bis zum 1. September eingesandten Beiträge auf 241,000 Thlr. Erfreulich ist außerdem, wie das „Dr. I." sagt, die rege Theilnahme, welche sich von vielen Seiten her hinsichtlich der Versorgung der hinterlasse nen Kinder der verunglückten Bergleute kundgiebt; sehr zahlreich ge langen Anerbietungen zur Uebernahme solcher Kinder, sei es an Kin desstatt, sei es als Lehrlinge re. an den Centralhilsscomitee, der sei nerseits dann mit den betreffenden Gemeindevorständen die gegensei tigen Verhältnisse stets näher erörtert und das Interesse der armen Waisen bestens zu wahren bemüht ist. Das neuste Justizministerial-Blatt enthält eine Verordnung des Justizministeriums, welche gegen den Gebrauch von Fremdwörtern gerichtet ist. Es ist nämlich wahrgcnommen worden, „daß in dem Strafverfahren mit Geschwornen und Schöffen von den bei demsel ben betheiligten Juristen, namentlich in den mündlichen Vorträgen, außerdem aber auch in den Protokollen und Erkenntnissen, sowie in den Entscheidungsgründen zu letzteren sehr häufig leicht vermeidbare, fremde, besonders lateinische, oder aus lateinischen Worten gebildete Ausdrücke verbraucht worden sind, deren gehöriges Verstündniß auf Seiten der Laien nicht hat vorausgesetzt werden können. Da nun durch ein solches ungehöriges Verfahren in derartigen Fällen nicht blos die Würde der gerichtlichen Verhandlung leidet, sondern auch - der hohen Aufgabe, der unter der Thetlnahme von Laien zu üben den Strafrechtspflege geradezu enlgegengcarbcitet wird," so findet das Justizministerium sich veranlaßt, „gegen die betheiligten juristi schen Beamten die Erwartung auszusprechen, daß sie künftig es sich ernstlich werden angelegen sein lassen, für die Verbannung des ge rügten Mißbrauchs aus den sächsischen Gerichtssälen mitzuwirken." Aus Meißen wird berichtet: Die Fröste der letzten Nächte ver gangener Woche haben zwar einigen Gartengewächsen und Blumen wehe gethan, den Weintrauben aber noch nicht geschadet. In Dresden hat am Sonntag eine große Volksversamm lung stattgefunden, in welcher nachstehende Resolutionen in Vorschlag gebracht und einstimmig angenommen wurden: „1 . Die Verunglückung von fast 300 Bergleuten in den Burgk'- schen Kohlenbergwerken des Plauenschen Grundes am 2. August, so wie auch die Verunglückung von Personen auf der sächsisch-schlesischen Staatsbahn am 23. August haben Veranlassung zu tiefem Mißtrauen in die Umsicbt und Gewissenhaftigkeit der betreffenden Verwaltung gegeben. 2. Eine strenge Untersuchung ohne Ansehen der Person hat festz- zustellen, wer die Schuld der beiden Verunglückungen trägt und eine gewisse Strafe muß über die mittelbar, wie unmittelbar Schuldigen verhängt werden. 3. Als bessere Sicherheit gegen die Wiederholung solcher Vor gänge muß eine ausgedehntere, schärfere Haftpflicht sowohl der Un ternehmer und Verwaltung, als auch der Beamten auf dem Wege der Gesetzgebung geschaffen, insbesondere der Grundsatz zum Gesetz erhoben werden, daß bei allen derartigen Unglücksfällen die Ver- muthung für das Verschulden der genannten Organe streiten und von ihnen Beweis der eignen Schuldlosigkeit geführt werde." Advokat Hendel nannte als ganz besondere Ursache derartiger Unglücksfälle die Geldcrsparniß, es sei daher auch der Geldbeutel ihrer Urheber pflichtmäßig und gesetzlich in Anspruch zu nehmen. Bergarbeiter Hähnel, der bereits 32 Jahr als solcher thätig ist, be sprach die Verhältnisse seines Standes, und namentlich derer, die in den Burgk'schen Werken obwalten. Er erörterte die traurige Behand lung der Bergarbeiter von Seiten der Vorgesetzten, den geringen Verdienst, die angestrengte Arbeit und betoiüc namentlich, daß die Explosion wegen des Fehlens der Ventilation jeden Tag vorauszu sehen gewesen und die untergeordneten Arbeiter sich darüber nicht aussprcchen durften, wenn sie nicht degradirt oder gar fortgeschickt werden wollten. Der Bergarbeiter Noack sprach sich in kerniger, volkSthümlicher Weise aus, während Kaufmann Gersch namentlich den Druck hervorhebt, unter welchem die Bergarbeiter stehen, indem er das Gesagte in Bezug auf die Burgk'schen Werke durch Beispiele belegt. Unter einem nicht enden »vollenden Beifallssturm empfahl I)r. Döhn die Annahme der Resolution, die Pflicht der Beamten in sehr gediegener Weise zu Herzen führend, vr. mock. Schumann und Bromme sprachen ebenfalls für die Resolutionen und deutete letzterer darauf hin, daß bei der Bergwcrkskatastrophe einige Arbeiter doch länger gelebt, als wir es bisher erfahren, wenigstens haben aufge fundene, aber später unterschlagene Inschriften im Schacht dies er geben. Das Dresdner Journal berichtet vom 4. Sept.: Bekanntlich hat das Finanzministerium sofort, nachdem der große Unglücksfall in den Burgker Kohlenwerken zu seiner Kennlniß gelangt war, eine besondere ans bergmännischen Sachverständigen bestehende Com mission niedergesetzt, theils um die zur Abwendung weiterer Gefahr erforderlichen Maßregeln schleunigst auzuordncn, theils um über die eigentliche Veranlassung des Unglücks sorgfältige Erörterungen an zustellen. Diese Maßregel erschien nothwendig, weil jenes große und tief beklagenswerthe Unglück — abgesehen von der vor die Criminal- behörde gehörigen und von ihr zu entscheidenden Frage, ob hierbei irgendjemand eine strafbare Verschuldung zur Last falle — auch der ObcraufsichtSbehörde über den Kohlenbergbau dringenden Anlaß zur Untersuchung der Frage bot, ob etwa bei dieser Gelegenheit in der Gesetzgebung oder in den bestehenden allgemeinen polizeilichen Vor schriften sich Mängel ergehen hätten, deren Beseitigung zur Abwen dung von Gefahren bei dem Kohlenbergbau für die Zukunft erforder lich sein würde. Diese Commission hat ihre Arbeiten sofort begonnen und zu dem Zweck nicht nur mehrfache Conferenzen an Ort und Stelle abgehalten und zahlreiche Befragungen von Werksbeamten und Ar beitern vorgenvmmen, sondern aucb die Grubenbaue selbst und zwar vor Beginn der Aufrälunungsarbeiten, während derselben und nach deren Vollendung zu wiederholten Malen befahren. Die Vollendung ihrer Arbeiten war also nicht eher möglich, als bis die Grube durch