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2K7 und die zerschossenen Füße betrachtete, in die schon der kalte Brand getreten war; nicht einmal sein Auge zuckte als ob es in seinem Her zen dumpf und öde wäre, — und doch war es sein Sohn, sein einziger, geliebter Sohn, der dort mit dem Tode rang und unter so fürchterlichen Schmerzen sein armes Leben enden sollte! — Und noch gestern, da war Alles anders, da hatte er noch einen Sohn und war mit ihm hinausgegangen in den Wald, freilich nur heimlich-ver stohlen, die Büchse im Arm, ein Wild zu erjagen, wenig ahnend, daß er seinen eignen, tödtlich-verwundeten Sohn auf seinem Rücken in die Hütte tragen würde. Jetzt schloß der Sohn auf einen Augenblick die Augen und schien zu entschlummern. — Der Alte setzte sich erschöpft auf den am La ger stehenden Stuhl und ließ die düsteren Bilder der vergangenen Nacht an seinem Auge vorübergehen. Oft fuhr der alte Mann mit der Hand über die Äugen, als könne er damit das Vergangene in Etwas wcgwischen, dann blickte er wieder auf das Jammerbild sei nes Sohnes und in seinem harten, wettergebräunten Gesicht malte sich ein wilder, verzweifelter Schmerz. Er drückte seine derben Fäuste in die brennenden, trocknen Augen und sah sich wieder im Walde, mit dem Ausweiden eines Rehes beschäftigt. Es ist ein fürchterliches Wetter, der Sturm rüttelt an den hohen alten Bäumen, daß sie wie leichte Gerten sich hin und her bewegen; einzelne schwere Regentrop fen beginnen bereits zu fallen und ein starkes Gewitter rollt mit sei nem Donner in gewaltigen, fürchterlichen Schlägen über die Wipfel der Bäume und nur von Zeit zu Zeit reißt ein Blitzstrahl in die düstre Nacht eine Lücke und erleuchtet auf Momente das düstre Waldesschweigcn. Ein solcher Blitzstrahl zeigte dem alten Wilddieb dunkle, näher rückende Gestalten, er flüsterte seinem Sohne zu: „Wir müssen fort!" — Zu spät! Derselbe Blitz hat auch schon die Gruppe mit dem Reh beleuchtet; es fällt ein Schuß und der Sohn bricht in die Knie noch ein tückischer Blitz zuckte hernieder, um den Männern da hinten den Kopf des Sohnes zu zeigen und mit dem Rollen des Donners vermischte sich noch einmal der Knall einer Büchse und der Sohn bricht jammernd vollends zusammen. In wilder, besinnungsloser Wuth ergreift der alle Wilddieb das Gewehr und feuert in die Nacht hinaus; dann steht er düster, hochaufgerichtet dort, auf seine eigne Doppelflinte gestützt, um sich und den Leichnam seines Sohnes zu Vertheidigen, den er für todt hält. „O, wären sie nur gekommeNj!" murmelte der alte Wilddieb und ballte die Fäuste. Sein Gesicht verzerrte sich von wilder Wuth; die Vorgänge der letzten Nacht stehen so lebhaft vor seiner Seele, daß ihm das Herz still zu stehen droht. — Aber die Jäger glaubten genug gethan zu haben, und der Alte sieht bei einem Aufleuchten des Blitzes ihre rückgängige Bewegung, hörte noch ein heiseres, höhnisches Lachen und dann sind sie ver schwunden. O, der finstere Wildschütz kennt dieses Lachen und wie Wetterleuchten fliegt cs jetzt bei dessen Erinnerung über sein Gesicht; er mußte aufstehen, denn seine Brust droht zu zerspringen, er hört wieder das heisere Lachen, seine Faust ballt sich, die bleicher gewor denen Lippen murmeln eine finstere Verwünschung, in seinem Herzen loht die Brandfackel der Rache und der finstere Gedanke auf, mit Blut zurückzuzahlen — dies heimtückische heisere Lachen. — Aber der Verwundete jammerte und stöhnte wieder, und dies reißt den Alten aus seinen finstern Gedanken auf einen Moment heraus. Das Schmerzgestöhn des Unglücklichen ging schon in Phantasien über, die vielleicht das Mondlicht beförderte, das auf dem bleichen Gesicht auf und nieder zitterte und gewissermaßen mit Behagen über diese mit dem Tode ringenden Züge glitt. (Forts, folgt.) Vermischtes. * Enttäuschung. Bekanntlich hielt sich der preußische Mini sterpräsident Graf Bismarck, wie in diesem, so auch in vorigem Jahr lange Zeit auf seinem Gute Varzin, im Kreise Rummelsburg in Pommern, auf. In dieser Gegend giebt es unzählige große Ritter güter, und mancher der Herren Besitzer beeilte sich, dem Grafen seine Aufwartung zu machen. Doch um zu vielen Belästigungen zu entgehen, nahm der Ministerpräsident von vorn herein auch nieyt einen einzigen Besuch an; dagegen suchte er von Zeit zu Zeit die Spitzen des Adels auf ihren Gütern auf. Kaum war dies unter dem Adel bekannt geworden, als ein Herr von N. in die größte Verlegenheit gerieth. Auf seinem herrschaft lichen Sitz waren in sämmtlichen Zimmern die Oefen derart in Un ordnung, daß er darin unmöglich einen solchen Gast empfangen konnte, und täglich mußte er den Besuch des Grafen erwarten. Schleunigst schickte er nach der Stadt N. und ertheilte einem dortigen Töpfer den Auftrag, unverzüglich und so schnell als möglich nach dem Gute heraus zu kommen. Der Töpfer, ein leichtsinniger Mensch, machte sich zu Fuß auf den Weg, ging aber unterwegs an dem Ort einer Poststation in den Krug und bezechte sich derart, daß er unfähig war, weiter zu wan dern. Völlig berauscht, fiel ihm der strenge Befehl des gnädigen Herrn ein; er taumelte zuin Posthause, bestellte sich Extrapost und fuhr dann dem Gute des Letzteren zu. Eine Extrapost ist für die ländlichen Bewohner des Kreises N. immer schon ein Ereigniß, das Beachtung verdient. Kaum hörte der Herr v. N. den muntern Ton des Posthorns in der Nähe des Ge höftes erschallen, als er die feste Ueberzeugung in sich aufnahm, der Herr Ministerpräsident beeile sich schon, ihm zu nahen. Theils bestürzt und in Verlegenheit, aber auch voll Stolz über die Ehre, Einer der Ersten zu sein, dem der Minister seine Aufwar tung mache, warf er sich mit der größten Eile in den Sonntagsrock und eilte athemlos vor die Thüre, um sogleich den Grasen zu em pfangen. Mit eignen Händen öffnete er den Wagenschlag, eine tiefe Verbeugung machend. Aber wie groß war seine Enttäuschung und sein Zorn, als ihm statt des Herrn Ministerpräsidenten der sinnlos betrunkene Töpfer in die Arme fiel. Irren wir nicht, so wartet er noch auf den Besuch des Ersteren. (Sonntagsbl.) Das Bergmanns-Kind.*) Noch deckt die Nacht der Erde Kreis, die Sternlein sind verblichen, da kommt von seinem Lager weg der Bergmann leis' geschlichen. Leb' wohl, mein Weib, leb' wohl, mein Kind, spricht er zu sich, der Fromme, „Gott geb', daß ich zu euch zurück nach meiner Arbeit komme!" Drauf wandert er zum Zechenhaus, die Blende leuchtet Helle, er betet hier und steigt hinab an jene dunkle Stelle, wo munter er das Fäustel schwingt, um Stein von Stein zu spalten; er pocht und hämmert, nimmer läßt den Eifer er erkalten. Sieh' hin! er setzt den Bohrer ein in ries'ge Felsenwände; jetzt ist der Schuß hineingesenkt, er zündet ihn behende. Krach, krach! da springt der Fels entzwei, und unter seinen Wänden muß er, der treue Knappe, schnell das Erdenleben enden. „O Mutter" — spricht daheim das Kind — „wo bleibt der Vater heute?" da tritt der Bote ein und spricht: „er ist des Todes Beute! Da bricht das Kind in Thränen aus, die kleinen Lippen beben; und ach! der kranken Mutter raubt der Schrecken auch das Leben. Und einsam steht das Bergmanns-Kind als Weise nun auf Erden; verlassen ist es in der Welt, kann nimmer glücklich werden. Drum Herz voll Mitleid rege dich! O theil' mit dieser Waise du, der du froh und glücklich bist, in deiner Kinder Kreise! *) Dieses Gedichtchen, im Jahre 1848 zu Gunsten der Waisen einer kleinen Bergstadt erschienen, hat schon manche Liebesgabe hcr- beigebracht, vielleicht hilft es auch jetzt mit sammeln. Kirchennachrichten aus Wilsdruff. Am 13. Trinitatis-Sonntage predigt Vormittags: Herr Pastor Schmidt. Nachmittags: Herr Diaconus Ficker. Amtliche Bekanntmachungen und Anzeigen vermischten Inhalts. Bekanntmachung. Geschehener Anzeige zufolge ist das von der Verwaltung der Sparkasse zu Wilsdruff auf den Namen Ernestine Emilie Regenstein in Burkhardtswalde Nr. 13627 ausgefertigte Einlegebuch der Einlegerin verloren gegangen. Mit Hinweisung des für genannte Sparkasse geltende Regulativs wird der etwaige Inhaber dieses Einlegebuchs hierdurch aufge fordert, seine Ansprüche an demselben, wenn er solche zu haben vermeint, bei Verlust derselben binnen drei Monaten vom Tage der Bekanntmachung an gerechnet, in der Expedition der hiesigen Sparkasse anzuzeigen. Wilsdruff am 17. August 1869. Der S t a d t r a t h.