Volltext Seite (XML)
Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebenlchn uud die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Dtadtrath daselbst. Dienstag, den 17. August 1869. Bekanntmachung. Infolge eines von den: 20. dieses Monats an beginnenden Umbaues der auf dem Wilsdruff-Sachsdorfer Commu- nicationswege befindlichen, über die Saubach führenden Brücke kann von dem genannten Tage an diese Brücke^bis auf Weiteres von Fuhrwerk nicht passirt werden, was zur Nachachtung andurch bekannt gemacht wird. Dresden, am 5. August 1869. Königliche Amtshauptmannschaft. von Vieth. Voigt. Tagesgeschich te. Wilsdruff, am 16. August 1869. Für das am 8. d. M. abgehaltene Kinderfest waren an baa- rem Gelde 62 Thaler 11 Ngr. 1 Pf. eingegangen; die Ausgaben dagegen beliefen sich nur auf 61 Thaler 6 Ngr. 9 Pf., so daß sich ein Ueberschuß von 1 Thlr. 4 Ngr. 2 Pf. ergeben hat, welcher in hiesiger Sparcasse niedergelegt worden ist. In Oschatz findet in den Tagen des 26., 27. und 28. August d. I. die II. General-Versammlung des bienenwirthschaftlichen Haupt- Vereines statt. Auf den Königl. Staatsbahnen genießen die vom 26. August an gelösten TourbiLets bis 31. August, auf Leipzig- Dresdner Eisenbahn alter und neuer Linie die gclöseten Tagesbillets bis mit 29. August freie Rückfahrt bei allen Zügen mit Ausnahme der Schnell- und Courirzüge. Es muß jedoch Jeder bei Lösung sol cher Fahrkarten und auf der Rückfahrt seine Mitgliedskarte vorzeigen. Ein Corrcspondent des „CH. Tgbl." schreibt aus Döhlen vom 12. August, Abends 8 Uhr: Soeben komme ich vom Segen-Gottes schacht, wo man mit der Herausforderung des 252. Todten beschäf tigt war. Die Förderung findet ununterbrochen statt, und man hofft, daß die Leichname sämmtlicher Verunglückten binnen 2 Tagen auf gefunden sein werden. Eine sehr trübe Erscheinung bildet die in der Dresdner Gegend auftauchende Bettelei von an der Catastrophe ganz unbetheiligten Gesindel. Man möge ja ein wachsames Auge hierauf haben, denn kein Angehöriges der Nachgelassenen braucht zn betteln. Alle erhalten Unterstützung sowohl von der Verwaltung der von Burgk'schen Werke, sowie dem Albertverein und dem Hilfscoinitee, ebenso empfangen die Angehörigen der Verunglückten vor der Hand noch vom Herrn Baron von Burgk das volle Schichtlohn. Bettelei kann also gar nicht Vorkommen. Der Bergbeamte Paul, Welcker bei einem Rettungsversuche in den Hoffnungsschacht fiel und erst nach 24 Stunden glücklich wieder herausgebracht ward, befindet sich auf dem Wege der Besserung. Einem Berichte des I)r. Pfaff im Dr. I. über die Grubcnexplo- siou im Plauenschen Grunde entnehmen wir noch Folgendes: Die Hauptarbeit in beiden Schächten ist jetzt als beseitigt zu betrachten, behufs der Aufwältigung der massenhaften Felsen- und Kvhlenbrüche beginnt wieder der regelmäßige bergmännische Betrieb. Mit Aus nahme nur einiger weniger der Verunglückten haben die an den bei den Schächten am 2. August angefahrenen Bergleute einen plötzlichen und leichten Tod gehabt. Ein kleines Häuflein der Unglücklichen näm lich suchte sich unter Anführung des Steigers Bähr in einer links omn Hoffnungsschachte gelegenen Flügelstrecke vor dem furchtbaren An drange der brandigen Wetter und irrespirabeln Gase zu retten. Sie waren nicht hinter Brüchen lebendig in einem großen Grabgewölbe begraben, wie man meinen sollte: nein, die ganze bruchfreie Wetter strecke und der Weg zur Tagesstrecke des Hvffuungsschacktes stand ihnen offen, allein diese Strecken enthielten so concentrirce irrespirable Gase, daß sie dieselben zu ihrer Rettung nicht betreten konnten. Einige Verwegene haben es gewagt, wahrscheinlich im schnellen Laufe, zur Tagesstrecke zu gelangen. Umsonst: sie bezahlten ihr Wagstück mit dem schnellen Erstickungstvde. Man fand sie einzeln in der Ta gesstrecke liegend vor und zwar unweit der letzten Zufluchtsstätte des Steigers mit seinen wenigen Getreuen. Bis gegen Mittag den 2. August haben einige gelebt, wie ans Dem hervvrgehl, was sie in ih rer letzten Noth noch bei dem mattbreunenden Grubenlichte niederge schrieben. Einige dieser Schriften sind schon bekannt. Der Bergar beiter Christian Schmidt hatte sich mittelst einer Stecknadel ein klei nes Stück Papier an den Brusttheil seines Bergkittels gesteckt, auf welchem mit fester Hand geschrieben war: „Meine lieben Angehörigen! indem ich vor Augen sehe, daß wir sterben müssen, erinnere ich mich noch an Euch. Lebt Alle wohl und ein frohes Wiedersehen. Das Andere muß ich Euch überlassen. Zwischen 9 bis 10 Uhr." Und auf der andern Seite des Zettels stand: „Liebe Frau! versorge die Marie gut. In einem Buche in der Kammer liegt ein Thaler Geld. Lebt wohl, liebe Mutter und Geschwister. Atif Wiedersehn! — Von 10 Uhr an haben die Verunglückten ihre Rechnung mit dem Him mel abgeschlossen. Wahrscheinlich sind in Folge des Umsichgreifens der giftigen Wetter die Grubenlichter ausgelöscht und in undurch dringlicher Finsterniß haben die Verlassenen des Engels gewartet, der ihre Seelen vor den Nichterstuhl des Höchsten leiten sollte. Die Ath- mung wird beengt, der Nachbar fängt an zu röcheln und spricht in Phantasien. Das Gas bringt einen heftigen Rausch hervor. Röch eln, Seufzen, Schluchzen folgt — und endlich wird ringsumher Alles still! Die Verunglückten liegen in Ohnmacht, die nach und nach ohne das Bewußtsein der Sterbenden in den Tod übergeht. Die Natur zerreißt die Bande nicht, die sie geknüpft hat: nein, sie löst sie auf wie mit sanfter, liebender Hand! — Mit der Herausförderung der 236 Leichen wäre denn der erste Act des herzergreifenden Trauer spiels vollendet. Das große Grab wird zugeschüttet und die später nachfolgenden Leichname sollen einzeln beerdigt werden. Die Sammlung für die verunglückten Bergleute an der Berliner Börse hat bis jetzt die Summe von 5300 Thaler ergeben. Bei der von der Berliner Vörsenzeitung veranstalteten Sammlung sind bis jetzt 2011 Thlr. eingegangen. Die Sammlung des „Dresdner Journals" für das Döhlener Hilfscoinitee belief sich bis Sonnabend Mittag auf 14,000 Thlr. Unter den beim Dresdner Journal eingegangenen Liebesgaben für die verunglückten Bergleute im Plauenschen Grunde befinden sich auch 120 Thlr. von dem Erzherzog Albrecht von Oestreich, 2000 Thlr. weiterer Ertrag der Sammlung in Frankfurt a. M. durch Herrn Generalconsul Ritter Gerson daselbst und 500 Thlr. als erste Ab sendung einer Sammlung in Stuttgart. Herr Friedrich Krupp in Essen, Besitzer der großen Gußstahl werke, hat dem Döhlener Hilfscoinitee eine Gabe von 2000 Thlr. gesendet. Leipzig, 14. Augusi. Student Großmann ward in heutiger Verhandlung zu 3^/, Jahr Gefängniß verurtheilt. Vertheidiger war Hofrath Klein;chmid. Ein neues Project zu einer dirccten Eisenbahn zwischen Dresden und Magdeburg, auf dem diesseitigen Elbufer durch Sachsen und weiter gehend und sonach unmittelbar die Stadt Meißen, ferner die Dörfer Zehreii, Haida, die Städte Riesa, Strehla, Belgern, Torgau, Dessau und Schönebeck berührend, ist aufgetaucht und es sind die betreffenden Pläne den verschiedenen betheiligten Ortsbehörden zur Einsicht und Unterstützung übersendet worden. In dem Zeiträume vom 1. Januar 1860 bis zum I. Januar 1865 sind in den jetzt zum norddeutschen Bunde gehörenden Staaten zusammen 228 Todesurtheile erkannt uud hiervon 44 vollstreckt wor den; davon wurden in Preußen 161 erkannt und 26 vollstreckt, in Sachsen 15 erkannt und 2 vollstreckt. Nach dem Entwurf eines Strafgesetzbuchs für den Nordd. Bund ist die Todesstrafe auf 3 Fälle beschränkt: Mord, Hochverrat!) und