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239 lich zuhörte. Bald wurde sie von dem Inhalt ihrer Warte selbst hingerissen und mit ganzer Wärme erzählte sie von Georgs Qualen, wie er ja nicht anders gekonnt, als sich Luft machen, nach einem solch' empörenden Druck, wie er düster und schwcrmüthig gewesen und dem Elenden diese Qualen habe heimzahlen muffen und es ohnehin so schrecklich sei, unschuldig angeklagt zu werden, geschweige denn unschuldig vor einem boshaften und nichtswürdigen Richter zu stehen. Der Landesfürst war erschüttert. „Welch eine Tragödie," ries er bewegt, „der Mensch ist unschuldig auch an dem zweiten Morde, laßt ihn frei, er ist begnadigt!" Marianne sank sprachlos zur Erde, sie wollte die Kniee des milden Fürsten umfassen, er war schon durch die nächste Thür ver schwunden. Laut schluchzend vor Freude und Rührung eilte sie da von. Noch ehe Marianne in die Heimath zurückgekehrt, war die Begnadigung Georgs »„gelangt. Zum zweiten Male frei! — Und jetzt ohne Last, ohne finstere, schwarze Gedanken. Frei und Leben. Seine Wange färbte sich wieder roth, seine Augen begannen von neuem zu leuchten, die gebeugte Gestalt richtete sich wieder auf, nur das Weiße Haar blieb ihm als Erinnerung an jene Tage. Die Liebenden hatten sich wieder und noch eine große Freude sollte ihnen kommen, als wollte das Geschick nun alle geschlagenen Wunden heilen. Mariannens Vater war von diesen Ereignissen zu tief erschüttert, um nicht noch lebhafter den Drang zu fühlen, sich mit feiner Tochter auszusöhnen. Daß sie selbst beim Landesfürsten gewesen, ihn gesprochen, daß Marianne so viel „Kourage" gehabt, schwellte doch mit Stolz sein väterliches Herz; man sprach wieder gut von ihr im Dorfe und bestaunte ihre That, bedauerte den armen Georg, daß er unschuldig gelitten und unschuldig gewesen wie sie sichs wohl gedacht, wenn auch nicht gesagt hatten. Wie hätte sich der Vater versagen können, eine solche Tochter un Hause.zu haben und einen solchen Schwiegersohn! Er kam selbst, Mariannen heim zuholen und hielt nicht wie damals auf dem ersten Flur an, sondern stieg festen Schrittes hinauf und als sie gesagt: „ich komme nicht ohne Georg," da hatte er ruhig geantwortet, als verstehe sich das von selbst: „Georg soll die Wirthschaft übernehmen, ich werde doch bald alt und mürbe." Das gab eine Freude und nach langen, langen Wintertagen zog Heller Sonnenschein in ihre Herzen, die geprüft genug, uni nicht auch im Glücke, was doch nicht immer das Schwerste, völlig glücklich sein zu können. Der gutmüthige Protokollführer feierte die Hochzeit mit seinen Freunden zu gleicher Zeit und er wurde wenige Monate darauf in einer andern Stadt als Kreisgerichts-Salarien-Kosseukontroleur an gestellt. Welch' ein Triumph für seine Frau, der dieser Titel außer ordentlich gefiel mid die von ihrer Freundin Marianne nicht oft ge nug Briefe erhalten konnte, nm sich an der Aufschrift dieses außer ordentlichen Titels zu erfreuen. Rose war in ihre Dienste gezo gen und, wie die Frau „Koutroleur" schrieb, jetzt folgsam und be scheiden. Der Maurer und sein Vetter büßten ihren Doppelmord mit dem Tode. Der erstere bestieg reumüthig und zerknirscht das Schaffst, der Letztere verlor in diesem Augenblick die so lange keck behauptete Fassung und gewährte in seiner feigen Todesfurcht ein klägliches Schauspiel. Er, der jeden geistlichen Zuspruch abgewiesen, rief jetzt verzweifelt: „Wartet, ich will noch ein Vaterunser beten, aber feine zitternden Hände vermochten sich nicht zum Gebet zu schließen, die bleichen Lippen murmelten gedankenlos „Vater unser", mehr ver mochte er in der Todesangst nicht hervorzuslammeln — da riß dem Nachrichtcr die Geduld — ein Blitz — ein Aufschrei und Alles war vorüber. Der Justizrath war außer sich über die Begnadigung Georgs. — „Man kann also doch alte verdiente Jufiizrüthe gcmüthlrch todtschießen, das schadet nichts." — Aber noch mehr war er entrü stet, als bald seine Versetzung in den Ruhestand und die Ernen nung des jungen Assessors in sein Amt erfolgte. Das war die Ne mesis,, die sich an seine Ferse geheftet, sich «n ihm gerächt und ihn gerichtet! Vermischtes. * Rüdesheim, 16. Juli. Die Traubenblüthe ist vorüber. Die winterlichen Junitage ließen zwar für den diesjährigen Ertrag des Weinstocks, da die Blüthe aufgehallen wurde, nicht Viet Gutes hoffen, aber die im Juli eingctretene Wärme und der durchdringende warme Regen haben viel wieder gut gemacht. Der Weinstock steht recht gut und die Beeren entwickeln sich recht schön. * Alte Liebe rostet nicht. Das hat sich an einem Brautpaar in Frankfurt am Blain köstlich bewährt. Vor 33 Jahren ließ sich ein Echneidcrgeselle in Frankfurt nieder, arbeitet heule noch bei demsel ben Meister und ist a lch bei seiner ersten Liebe treu geblieben. Das Paar wird sich jetzt trauen lassen, da die polizeilichen Beschränkun gen weggefallen sind. * Der „Nat.-Ztg." schreibt man aus Frankfurt a. M.: „Ein junger Frankfurter Bürgersohn hat gestern einen andern auf offener Straße mit einem Stilet erstochen. Eifersucht soll das Motiv der grausigen That gewesen sein; das Opfer war gleich todt, der Thäter befindet sich in Gewahrsam. * Das Velocipede als Scheidungsgrund. In Paris hat eine Frau um Scheidung ihrer Ehe angesucht, indem sie behauptet, ihr Mann sei geisteskrank. Als Beweis für diese Behauptung führt sie an, daß derselbe vom frühen Morgen bis zum späten Abend —auf dem Velocipedes hcrumsahre! Wer seine Zeit so zubringt, folgert sie, gebe den deutlichsten Beweis von seiner Geistesabwesenheit. * Die heutigen Heere Europas. Frankreich hat jetzt 1,350,000 Mann Soldaten, Norddeutschland 1,028,946, Süddeutschland 200,171, Oestreich und Ungarn 1,053,000, Rußland 1,467,000, Italien 480,461 Mann; im Ganzen in diesen 6 Reichen 5,580,000 Menschen Solda ten!!! 2695 Stück Rind sind nöthig, nm jedem Mann dieser Heere ein Viertelpfund Fleisch zu geben! — Das ist der Frieden der Weisheiten!!! * Beim Abschiede von Berlin wurden von dem enthusiasmirten Publikum dem Musikdirector Wagner und seinem Chore je ein Lor beerkranz überreicht, welcher folgende Inschrift trug: „Dem königl. sächs. Stabstrompeter des Garde-Rciter-Regiments Herrn Friedrich Wägner beim Abschied von Berlin. So zieht es Dich, den Meister, wieder Zurück zum schönen Heimathsort; Dein Name tönt, wie Deine Lieder In jedem Herzen dauernd fort! — Doch nimm als ein Erinnerungszeichen Den Lorbeer, den Berlin Dir wand, Ja, dankerfüllt muß es ihm reichen Dem Meister aus dem Sachsenland. Zur Erinnerung dem ausgezeichneten Trompeterchor des königl. sächs. Garde-Neiter-Regiments bei ihrem Abschiede aus Berlin. * Ein entsetzliches Unglück ereignete sich am 16. Juli bei Zer- bau in der Nähe von Glogau in Schlesien. Beim Hauen eines Roggenfeldes fand der 16jährige Dienstjunge Liepelt eine Granate welche er auf Veranlassung des Bauer Buckenauer bei Seite legen mußte. Später beschäftigte sich Liepelt wiederum mit der Granate, indem er versuchte, das in derselben befindliche Pulver herauszu schütten. Der anwesende Obergefrcite Michalke von der 3. Comp. des niederschl. Festungs-Art.-Reg. Nr. 5 aus Graudcnz, sowie Bucku- nauer warnten den Burschen, aber in demselben Augenblicke hatte- er auch schon die Granate mit beiden Händen erfaßt und auf einen Stein ausgeworfen. Die Granate explodirte, dem Liepelt wurden beide Arnie und der Hinterkvpf weggerissen, — er ist bereits gestor ben — Michalke erhielt eine leichte Fuß- und eine schwere Schulter verletzung, der Bauer Buckenauer trug leichte, der Stiefvater dessel ben, der 70jährige Starck, dagegen schwere Verletzungen an den un tern Extremitäten davon. * Ein zugereister Schwindler sitzt in einem Cafe der Leopoldstadt in W.ien, und denkt darüber nach, wie er Jemanden beschwindeln soll. Ein anderer Schwindler tritt ein, wirft rasch einen prüfenden Blick auf die Kaffechausgesellschaftj, tritt an den Zugereisten, in dem er zwar nicht den College», aber sofort den Fremden er kennt, streckt ihm schon von ferne die Hand entgegen und erklärt ihn für einen alten Pariser Bekannten. Der Zugereiste war nie in Pa ris , freut sich aber über den Jrrthum des Wiener College«, den er für einen Gentleman hält, nicht wenig. Man drückt sich die Hand, frühstückt zusammen, erneuert die alte Bekanntschaft und der Zuge reiste findet es ganz begreiflich, daß sein alter Bekannter als es zum Zahlen kommt, die Börse unangenehmer Weise vergessen hat nnd noch 5 fl. braucht. Der Zugereiste zieht sofort eine Fünfernote aus der Tasche und reicht sie dem alten Bekannten; man umarmt sich, man scheidet — der Wiener fühlt, daß ihm seine Uhr fehlt lind stürzt zurück — und Börse und Uyr werden wit einem höflichen Lächeln, das augenblicklich beweist, daß sich die Herren College» erkaimt, wieder ausgewechselt. So geschehen bei Fetzer am 5. Juli 1869, Nachmittags 3 Uhr. * Aus Sicilien wird gemeldet, daß dort in Folge der Verhee- rungcu der Seuche mehr als 300,000 L-tück Vieh umgekommcn sind. Die Weideplätze bliebe» ohne Ertrag und die dem Getreidebau noth- wendige thicrische Düngkraft ist vollständig unzureichend geworden. Die Preise von Milch und Fleisch sind beträchtlich gestiegen. Im Inner» der Insel fehlt letzteres gänzlich und in Palermo ist es ein Luxus-Nahrungsmittel geworden. Das Kilogramm wird auf dem Markt zu 2—3 Franken verkauft. Der Verbrauch hat allgemein ab genommen, da die nieder» und Mittelclaffen sich kaum noch der Fleischnahrung bedienen. . * Ein Reisender schildert das Zuchthaus für weibliche Strafge fangene in Mexiko folgendermaßen: „Zu unserm Erstaunen fanden wir hier viele der reichsten und elegantesten Damen, die vertraulich mit den Gefangene» spräche», ja dieselben nicht selten küßten. Die meisten der Gefangenen sind zu lebenslänglicher Haft verurtheilt, weil sie ihre Männer ermordet haben — ein in Mexiko sehr häufiges Verbrechen. Die Gefangenen waren sehr heiter und schienen sich so gar glücklich zu fühlen; Keine errölhete bei unserer Ankunft. Nie habe ich in einem aristokratischen Salon so viele schöne Frauen bei sammen gesehen, wie hier in dem Gefängmß; namentlich fesselte eine wahrhaft blendende Schönheit meine Aufmerksamkeit. Sie hatte, wie uns mitgetheilt wurde, ebenfalls ihren Gatten ermordet und unter die Dielen ihres Zimmers vergraben. Wie die meisten Männer, welche unter dem Dolche ihrer Frau gefalle», hatte er sich nichts weiter zu Schulden kommen lassen, als daß er seine schöne Frau, ihrer Meinung nach, vernachlässigte." * In Newcastle ist einem dortigen Blatte zufolge ein Mädchen am Aussatze »gestorben, den sie durch ihren Chignon erhalten hatte. Dieser gefährliche Putz war vermuthlich aus Haaren gefertigt, die von den Hospitälern und Kirchhöfen des Orients importirt sind. * Das einfachste Mittel gegen Insektenstich besteht darin, daß man möglichst bald »ach erfolgtem Stiche eine» Uhr- oder sonstigen Schlüssel mit einer Höhlung mit dieser auf den Stich drückt. Die von dem Jnsect unter die Haut gespritzte ätzende Flüssigkeit wird hier durch durch den Stichkanal wieder Herausgetrieben und Schmerzen und Geschwulst ganz vermindern. Rübensamen mpfichlt Heinrich Schneider, Scilcrmstr.