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2- den. Dem Kaiser hat man von gewissen Seiten her Vorwürfe ge macht, daß er sich zu Concessionen verstanden habe. Allein er hat geantwortet: „Die kaiserliche Regierung widersteht den Drohungen der Straße, aber den weisen Rathschlägen der öffentlichen Meinung gibt sie immer nach. Herächt und gerichtet. eine Lors- und Sriminalgcschichlt von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) Die Freisprechung Georgs konnte Niemand unangenehmer berüh ren, als den Justizrath. Er hatte so lange, so scharfsinnig und rück sichtlos inquirirt und sich dennoch vergriffen. Das war ein Stachel, der sich tief verwundend in seine ehrgeizige Jurister.seele drückte. Und wenn inan seine Härte, ja, seine Grausamkeit an das Licht zog, wenn man höher» Ortes die Untcrsuchungsakten einforderte und da raus seine Voreingenommenheit, sein blindes Zutappen ersah, konnte das nicht böse Folgen für ihn haben? Doch der Justizrath war kein Mann, der sich von solchen Dingen einschüchtern ließ, er hatte sich schon durch manche Disciplinaruntersuchung glücklich durchgewunden und dieser Fall war dagegen unbedeutend. Pah, ein Bauernjunge, ob dessen dickes Fell mehr oder weniger durchgegerbt worden, was verschlug das? Aber die ganze Stadt war von Unmuth erfüllt über das bekannt gewordene Verfahren des Justizrathes, man begann sich für den unschuldig Angeklagten zu interessiren, Sammlungen wurden veranstaltet, den Unglücklicyen sür seine schwere Leidenszeit etwas zu entschädigen, ja, der Assessor erbot sich, ein Bittgesuch an den Lan- dcsherrn zu fertigen, damit dem Armen irgend eine öffentliche Eh renrettung würde. Georg schlug Alles aus und entzog sich den eben so herzlichen, wie theilnehmenden Beweisen des Mitgefühls völlig. Er blieb in aller Stille bei dem gutmüthigen Protokollführer, der ihm sein kleines Stübchen als Asyl angeboten. Man erfuhr jetzt erst die schonungslose Behandlung des Angeklagten, wie er nur aus Verzweiflung ein Schuldbekenntniß abgelegt, und man verur- theilte dafür den Justizrath um so Hürter. Jeder wußte von ihm einen schlechten Zug anzustthren. Alle waren darin so einig, daß der Mann durch diese Brutalität von seinem Posten kommen müsse, und seine besten Freunde, mit denen er manche Flasche ausgestochen, manchen „Robber" gemacht, brachen über ihn, wie das ja immer geschieht, am schonungslosesten den Stab. Dieses Brausen des allgemeinen Unwillens gewahrte der Justiz rath bald und er mußte wenigstens in seinen Hauptströmen besänftigt werden. Der alte praktische Jurist verzog sein dürres, ausgelcbtes Gesicht in höhnische Falten, ging mit hastigeren Schritten im Zim mer auf und ab, rieb sich dann, als ob ihm ein Einfall gekommen, vergnügt die Hände und murmelte vor sich hin: „Es wird freilich etwas tosten, es muß diesmal was Ausgesuchtes sein, Trüffeln, — Gänseleber, — Tokayer — aber dann bm ich wieder das alte Ju- stizräthchen, kein Menschenfresser, kein Kannibale mehr — wie mich schon die Dienstmädchen am Brunnen heißen — sie schütteln mir wieder die Hände, die alten Freunde, und wenn erst der Champag ner anrückl, dann sagt doch Jeder, das ist ein guter Kerl und hat noch viel zu human und christlich gehandelt. —Meine armen Trüffeln, meine Weine!" — jammerte er und nahm mit bedenklicher Miene eine Prise — „verd. — Geschichte das, aber es muß sein." — r Wirklich gab wenige Tage darauf der Justizrath ein glänzendes Souper, die Honorationcn der Stadt waren eingeladen und selbst diejenigen, die sich noch so entrüstet über den Justizrath ausgelassen, die von Untersuchung und Kassation gesprochen und nie wieder mit dem herzlosen Manne Gemeinschaft haben wollten, sie kamen doch, die edlen Seelen und Alle hatten dafür ihre Mründe. Die Einen wollten nicht augenblicklich brechen, die andern doch sehen, wie der alte Fuchs sich benehmen würde, die Dritten, um ihm das Gift des Mitleids in das Herz zu träufeln; aber wohl angelockt von der an gekündigten Güte und Trefflichkeit des Soupers, und wirklich ließ es, wie das ganze Arrangement, nichts zu wünschen übrig, und um seinen Gästen etwas Besonderes zu bieten, hatte es der Justizrath in seinen großen Garten verlegt, der jetzt, von vielen Lampen und Lichtern erhellt, einen ungemein belebten und reizenden Anblick bot. Ein Souper im Freien, in einer solch weichen, warmen Sommer nacht, das war etwas Neues in der kleinen Stadt und stimmte bald zu Lust und Scherzen. Es wurde fleißig gespeist und gebechert und Mancher, der beim Eintritt noch eine gewisse Kühle und Entfremdung hatte vorwalten lassen, wurde wieder gefügiger und hißte die alte Freundschaftsflagge auf. Der Justizrath merkte die von feinem Wein erzeugte glückliche Stimmung uno brachte selbst mit einem kühnen Anlauf das Gespräch auf das vermiedene Ereigniß des Tages. „Ja Freunde! stoßt an auf mein Wohl," sagte er spottend, „ich muß mir schon meine Äugen im Wein baden, denn diese nichtswürdige Untersuchung hat sie mir doch etwas getrübt," und er rieb sich nut dem rolhseidenen Taschentuch über das erhitzte Satyrgesicht. „Wir haben Sie sehr bedauert," begann der stets wie ein Gummiball beweglich hin- und herhüpfende Apotheker der kleinen Stadt. „Was hat man für Allarm geschlagen, als wären Sie ein Vampyr, Sie sind doch unser alter witziger Nath." „Dessen Weine stets vortrefflich, wenn er nur einmal die hin tersten Reihen lichtet — die alten Garden!" bemerkte ein schon grau gewordener Doctor, der trotz seiner Jahre noch etwas Burschikoses zur Schau trug. „Ja, der Kerl hat mich was geärgert, ich armer, alter Mann hätte des Todes sein können, er müßte gehängt werden, schon weil er auf mich einen Mordanfall begangen." Ein eigenthümliches Geräusch, wie das Zerbrechen eines Astes, folgte dieser übermüthiqen Rede und weckte die Aufmerksamkeit der luftigen Gesellschaft. — „Was war das?" rief der Apotheker und sprang erschrocken von seinem Stuhle. „Bleiben Sie ruhig sitzen, alter Freund, der Wind hat einen Ast heruntergeschüttelt," bemerkte der Justizrath. „Gott bewahre, es regt sich ja kein Lüftchen," warfen Mehrere ein. „Alte Aeste, die endlich brechen," beruhigte der Justizrath, „'s wird uns auch einmal so gehen," setzte er mit einem Anfluge wein seliger Melancholie hinzu. „Nein, nein, das ist etwas Anderes, sehen wir nach!" rief auch der Doctor und wollte fort. „Ach, vom süßen Wein fortlaufen, Doctor! Dieses Kriminal verbrechens hätte ich Sie nicht fähig gehalten," und damit hielt ihn der Justizrath zurück. „Aber Justizrath! mir ahnt nichts Gutes," sagte der Apotheker, „wenn nur der nichtswürdige Kerl der Georg — heißt er nicht so?" „Pah, den hab ich mürbe gemacht, den Hund, der wagt nicht mehr zu beißen, nein, nein, beruhigt Euch, Freunde, es sind nur alte Aeste, die brechen . . . ." Da plötzlich knallte ein Schuß durch die Stille des Gartens und hallte an den Mauern gespenstisch wie der. Alles sprang entsetzt auf von den Stühlen und umringte den Justizrath, der mtt dem Ausruf: „Mein Gott!" zusammengebrochen und aus dessen Brust ein Blutstrom hervorquoll. Hier in der Stille des Gartens, beim vollen Becher und unter grünen Bäumen hatte die ganze Scene etwas Schauerliches. „Ein Streifschuß," bemerkte der Doctor in seiner gewohnten Ruhe, der lebhafte Apotheker rief sogleich: „Er ist todt, das ist der Georg, der ihn erschossen. (Schluß folgt.) Vermischtes. * In dem Dorfe Kruppa bei Kempen, dessen Feldmark an die schlesische Grenze stößt, kam es vor einigen Tagen in der Schenke zwischen schlesischen und diesseitigen Bauern zu einer Schlägerei. Die schlesische» Bauern waren überlegen und warfen die andern mit blutigen Köpfen zur Schenke hinaus, gingen aber leider in ihrer Wuth so weit, über die Frau des einen Kruppaer Bauern, welche, ein 2jähriges Kind auf dem Arme tragend, dem Kampfe zusah, her- zufallc» und das kleine schreiende Kind todtzuschlagen. Der Unter suchungsrichter hat bereits die nöthigen Recherchen am Orte der That angestellt; welcher unter der großen Anzahl von Bauern der eigentliche Thäter war, wird sich wohl herausstellen. * Am 13. Juli, Nachmittags zwischen 2 und 3 Uhr erschoß sich in Köln ein anscheinend dem Arbeiterstaude angehöriger Mann im Dome gerade vor dem Hochaltar. Nachdem die Leiche weggeschafft worden war, wurde die Kirche sofort geschlossen: dieselbe wird nun- mehr, bevor wieder Gottesdienst in derselben gehalten werden kann, eingeweiht weroen müsse». — Weiter wird über diese» Vorfall un- term 14. Juli Folgcudcs berichtet: Die persönlichen Verhältnisse des Mannes, der gestern Nachmittag im Dome sein Leben mittels eines Carabinerschusses freiwillig endete, sind noch nicht ermittelt und fest- gestellt. Papiere, die hierüber hätten Aufschluß geben könnnen, wur den nicht bei ihm gefunden. Er trug ein kleines Büchschen mit Zünd hütchen und ei» Portemonnaie, das, wie cs heißt, 7—8 Thlr. ent hielt. Eine Unterbrechung des Gottesdienstes im Dome hat der be dauerliche Vorfall nicht zur Folge, denn die nach den Vorschriften der Kirche nöthig gewordene Wiedereinweihung des Domes ist be reits heute früh uni 4 Uhr durch den Weihbischof Baudri vollzogen worden. — Nachträglich wird darüber gemeldet: Es konnte später amtlich festgestellt werden, daß der Mann, welcher sich vorgestern im Dome entleibte, ein Schiffer vom Oberrhem (Speier) gewesen ist, der mit seinem Schiffe seit einiger Zeit im Hafen lag, ohne Ladung zu finden, und hierdurch, wie man annimmt, gemüthstrank wurde. * Ein Negerprediger sagte zu seiner Gemeinde: „Meine Brüder! Als der erste Mensch, Adam, gemacht wurde, da wurde er von Wei chei» Thon gemacht und zum Trocknen an den Zaun gestellt." — Einer seiner schwarzen Brüder unterbrach ihn mit der Frage: „Mei nen Sie, daß Adam von weichem Thöne gemacht und an den Zaun gestellt wurde um zu trocknen?" — „Ja, mein Herr!" —„Wer hatte den Zaun gemacht?" — „Setzen Sie sich, Herr", sagte der Prediger, „solche Fragen würde» jedes theologische System umstoßen." * Die in Loudon erscheinende med. Zeitung „Lancet" bringt in einer ihrer Nummern eine interessante Statistik über die Sterblich- keitsverhältnissc der 3 Weltstädte. In der Anfangswoche des Juli betrug die Anzahl sämmtlicher Todesfälle in Paris 840, was im Vergleich der Gesammtbevölkerung eine jährliche Sterblichkeit von 23 pr. 1000 ergiebt, die Sterblichkeit für London während dersel ben Woche war 20 pr. 1000, in Berlin 34 pr. 1000. Und zwar starben an den Blattern in voriger Woche in London 4 Personen, in Paris dagegen 16 (Impfung?), an Scharlach und Masern in Paris 12 Personen, in London 97, an akuten Brustkrankheite» in Paris 101 Personen, in London 146, am Croup 7 Personen i» beide» Städte». Die gegenwärtige Bevölkerung von Paris ist be rechnet auf 1,889,842, von London auf 3,170,745. * In Straßburg saßen am 13. Juli Abends drei Soldaten vor dem Wachthaus an der Nheinbrücke unter den Kastanienbäumen. Ein schweres Gewitter zog über den Rhein; plötzlich schlug der Blitz ein und traf die drei Soldaten. Zwei derselben wurden auf der Stelle getödtet, der dritte, ein Corporal, wurde durch die Erschütterung hef tig zu Boden geworfen; allein er hatte nur wenig Brandflecken und konnte in die Caserne zurückgebracht werden. Die Leichname der beide» ander» wurden ins Mititairhospital getragen. Der Blitz hat keine Spur als ein Loch unten am Baume, der unbeschädigt blieb, zurückgelassen. Der Tzschako des einen der getödteten Soldaten wurde vom Blitze dem Soldaten vom Kopfe gerissen und einem von dem Mauthwächtern, der 10 Schritte weit vom Orte stand, wo der Blitz einschlug, ins Gesicht geschleudert.