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Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Sicbculchn iiiid die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gcrichtsamt Wilsdruff und den Dtadtrath daselbst. Z1. Freitag, i»cn 2. Juli 1868. Tag esgeschichte. Wilsdruff, den 1. Juli 1869. Die Divcesanversammlung der Dresdner Ephorie II wurde ain Johannistage in Dresden in Meinholds Hotel abgehalten. Nach Eröffnung der Versammlung durch Gesaug, Gebet und Ansprache des Hrn. Sup. Or. Meier, theilte derselbe mit, daß zu folge dec bereits bekannten Cultusministerialvcrordnuug bei Ab stimmungen jeder Kirchenvorstand nur 2 Stimmen, und zwar eine geistliche" und eine weltliche haben solle, worauf im Auftrage einer Anzahl freisinniger Kirchenvorstände verschiedener Parochicn Hr. Adv. Sommer aus Wilsdruff unter Bezugnahme auf Z 31 der Kirchenvor- standsorduung erklärte, falls mau sich nicht blos auf Meinungsaus tausch beschränken und von Abstimmungen ganz absehen wolle, daß dann eine Anzahl Vertreter verschiedener Parochicn gegen den vom CultuSministerium angeordneten Abstimmungsmvdus zu protestiren, und die Versammlung zu verlaffen entschlossen seien. Hr. Sup. Or. Meier erklärte hierauf, daß, wenn er nicht an die Cultusministerielle Verordnung gebunden wäre, er jedem Kirchenvorstande das Stimm recht cinräumcn würde. Hierauf erklärte Hr. Oberbürgcrmstr. Pfotenhauer, daß bei Ve- rathung der Kirchenvvrstaudsordnung in der ersten Kammer man all gemein der Ansicht gewesen sei, daß bei Diöcesanversammlungcn je des KirchcnvorstandSmitglied stünmberechtigt sei, und daß er deshalb die fragliche Verordnung als unbegreiflich und unrechtmäßig bezeich nen müsse. Nach diesen gewichtigen Worten einer so hochgeachteten Persönlichkeit schlug nun auch Hr. Sup. I)r. Meier vor, daß man von Abstimmungen ganz absehen möge, wogegen nunmehr kein Wi derspruch erfolgte. Hr. Pfarrer Römisch aus Döhlen rcferirte nun nach Form und Inhalt vortrefflich über den ersten Punkt der Tagesordnung: „Was haben die Kirchenvorstände zu thun, zur Förderung gottesdienstlichen Wesens, speciell zur Hebung der Nebengottesdienste? Von liberaler Seite wurde mehrfach geltend gemacht, daß an dem hier und da vorkonnnenden zu schwachen Besuche des Gottesdienstes wohl auch das Verhalten, insbesondere die Unduldsamkeit des betreffenden Geistlichen die Ursache sei. Namentlich wolle man durchaus keinen Zwang zum Besuche der Katechismusexamen angcwendet wissen. Von mehreren Seiten wurde das Offenlassen der Kirchen an gewissen Tagesstunden empfohlen. Als darauf in die Berathung des zweiten Punktes der Tages ordnung, die von der Pastoral-Eonserenz zu Hohenstein-Oberlung witz angeregten 4 Thesen, und zwar u über die Zusammengehörigkeit von Schule und Kirche, eingetreten werden sollte, erklärte Hr. Sladt- ralh Engelmann aus Wilsdruff, daß er die Versammlung zur Be rathung dieser Frage nicht für befugt halte, weil diese Frage weit mehr eine Angelegenheit der Schule als der Kirche sei und die Kir- chcnvorslandsvrdnung ausdrücklich bestimme, daß die Kirchenvorstände ihre Wirksamkeit nicht auf die Schule auszudehnen Hütten. Er halte auch die Versammlung schon um deswillen nicht für dazu geeignet, da ein Theil der Anwesenden wohl nicht mit der nöthigen Unbefan genheit und Unpartheilichkeit in die Berathung dieser Frage eintrüte. Derselbe ersuchte deshalb den Vorsitzenden, diesen Punkt von der Tagesordnung abzusetzen, wozuHr. Sup. Ur. Meier sich jedoch nicht geneigt zeigte. Das darauf vorgeleseue Referat des Hrn. Pfarrer Weber aus Hosterwitz über die 4 Thesen blieb bei dem schwachen Organe des Referenten fast sämmtlichen Anwesenden ganz unverständlich und war deshalb für dieselben höchst langweilig. Ein mehrseitig unterstützter Antrag auf Vertagung der Debatte bis zur künftigen Versammlung, nachdem inzwischen das Referat in Druck gegeben und den Kircheu- vorständcn dadurch verständlich gemacht worden sei, fand beim Vor- sttzcnden keinen Anklang und ließ derselbe darauf die Debatte begin- uen. Eine Anzahl Redner, allerdings fast ohne Ausnahme Geistliche, Machen sich für Zusammengehörigkeit von Schule und Kirche aus; doch erklärten sich auch mehrere Redner für Selbstständigkeit der Schule. Hr. Adv. Sommer erklärte, daß eine Debatte über diese Frage ganz üb.rflüfsig fei, da die Welt schon zu Gunsten der Trennung gerich- ict habe." Hr. Stadtrath -Engelmann erkannte zwar den wohlthätigen Ein fluß au, den die Kirche auf die Volksbildung ausgeübt habe, erklärte jedoch unter längerer Motivirung, daß die Trennung für die Zu kunft uch nöthig mache. Derselbe bemerkte dabei, daß zum heutigen Betriebe von Gewerbe und Landwirthschaft, sowie für einen Bürger des heutigen Staates, um geeignet zu sein, Theil zu nehmen an der Verwaltung des Staats und der Gemeinde, sowie an allen öffentli chen Angelegenheiten noch andere Kenntnisse erforderlich seien, als das Auswendigkönnen der Bibel, des Gesangbuchs und weniges Le sen, Schreiben und Rechnen, daß heute auf eine größere menschliche Bildung, womit, um auch die sittliche Bildung nicht zu vernachlässi gen, die sittliche Bildung durch den Religionsunterricht nur Hand ich Hand zu gehen babe, in der Volksschule abgesehen werden müsse, und daß die Schule nicht nur tüchtige Himmelsbürger, sondern auch brauchbare, intelligente Bürger dieser Welt zu erziehen habe. Das sei aber nur möglich, wenn man die Leitung und Beaufsichtigung der Schule in die Hände von practischen, intelligenten Schulmännern lege. Im entgegengesetzten Sinne sprachen die Pastoren Rudel aus Constappel, Zehnte aus Prießnitz und Märker aus Pesterwitz. Wie derholt sprach auch Hr. Pastor Wehner aus Kesselsdorf. Zu erwäh nen ist noch, daß das sehr schwierige Amt des Protokollirens in dieser Versammlung Hr. Diac Ficker aus Wilsdruff übernommen halte und ihm in ebenso umfassender wie unpartheiischer Weise Genüge leistete. — Die Nachrichten über den Saatenstand in dem Königreiche Sach sen latiten bis jetzt ungewöhnlich günstig. Es fehlt zwar an Futter- gewächscn, namentlich am Klee, der infolge der vorigen Trockenheit sehr lückenhaft geblieben war, dafür stehen aber alle Halmfrüchte vortrefflich und lassen eine sehr ergiebige Ernte erwarten. Weil das Frühjahr zeitig begann, haben sich die Saaten auch im Erzgebirge in erfreulicher Weste entwickelt. Die letzten acht Tage haben zwar ihrer geringen Temperatur wegen (in den höhern Theilen des Erz gebirges ist sogar Schnee gefallen) das Wachsthum nur wenig be fördert, dafür aber durch reichlige Niederschläge den Boden getränkt und den Wirkungen einer bereits bemerkbaren Trockenheit auf län gere Zeit hinaus mit Erfolg vorgebeugt. Vor dem Leipziger Schwurgericht wurde eine Rabenmutter wegen Todtschlag zu 18 Jahren Zuchthausstrafe verurtheilt; es ist die Dienst magd Auguste Linna Nitzsche aus Ronneburg, die ihr Töchterlein, 2'/-r Jahr alt, mittelst Phosphor von Streichhölzern in Kaffee ver- gifiet und der Sicherheit des Erfolgs wegen mit dem Vergifteten Tranke zwei Stecknadeln mit verschlucken ließ. Als das arme Kind unter den heftigsten Schmerzen und Zuckungen den Geist aufgab, hat es die Möroeriu auch noch thätlich mißhandelt. Das Direktorium der Landständischen Bank zu Bautzen hat be schlossen, die 1860 emittirten, durch den Gebrauch abgenutzten Noten der Landständischen Bank in Appoints von 5 Thlr. einzuziehen, resp. gegen neue Noten st 10 Thlr., in so weit sie in deren Betrage auf- gchen, umzulauschen, und fordert daher die Inhaber von Fünf-Tha- ler-Nvten auf, dieselben bis zum 31. December 1869 zum Umtausch (in Leipzig bei der allgemeinen deutschen Creditanstalt, in Dresden bei Schie, in Bautzen bei der Casse der Bank, welche letztere auch deren Einlösung gegen baares Geld jederzeit bewirken wird) zu prä- senliren. Die bis zum 31. December 1869 nicht präsentirten Fünf- Thaler-Noten sollen dann für ungiltig erklärt werden. Aus Schöneck wird der „D. A. Z." in Bezug auf eine Mit- theilung mehrerer Blätter, daß es in dieser Gegend am 17. Juni geschneit habe und das Getreide mehrfach erfroren sei, bemerkt, daß hieran kein wahres Wort sei. WaS das Getreide anlangc, so stehe dasselbe in dieser Gegend gerade recht prächtig und lasse zur Zeit nichts zu wünschen übrig. Zu der am 25.—27. Zuli d. I. in Meerane stattfindenden Lchrerversammlung haben sich bereits nahe an 900 Lehrer gemeldet und es kann die Zahl leicht noch um 4—500 wachsen. Mit dem Familienglück eines kleinen Bauerngutsbesitzers in Böhlen bei Zwenkau scheint es der Himmel doch gar zu gut zu meinen: seine Frau hat ihn nämlich in voriger Woche zum fünften Male mit Zivillingen überrascht. Vor diesen ist die gute Frau drei Mal mit einzelnen Kindern gesegnet worden. Von den 13 Spröß- lingen befinden sich noch 9 am Leben.