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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.12.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-12-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190812288
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19081228
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19081228
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-12
- Tag 1908-12-28
-
Monat
1908-12
-
Jahr
1908
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BezugS-Prelt tr Lri»4>- Äororl« durch u«1»r« LrLger und Lpedtteurr in» Hau» gebracht r UV nonatl.. t.70 »ureelildrl. Bei unjerniZUiale» u Aunadmellrllen abgehalti IS H niauatl. >.tS - eruljilirl. Lurch di« »oft: mierhal» Deutschland« u»b der deutschen lkslonien »iertrlitbrl. U.ev monatl. I.r» au.Ichl PoNdellellacld. ferner tu Belgien, Tinemark, den Tonauslaaten, Italien. Luxemburg, Niederlande, Nor- wenen Letlerreich Ungarn, Rudland, kchwcben, schtveitt a. Spanien. In allen übrigen Ltaalen nur direkt durch bi« i»e>chi'«»>ieUe de« Blatte» erdi-llich. Da» Leipziger Tageblatt erlcheini wöchent lich < mal und zwar Margen«. klbonnenienr-Ännadme i BuguNn-viatz 8, bei unteren Trögern, Filialen, Spediteuren und Äiinabmektellen. iowie Poslimter» und Briet trügern. Di» einzelne Nummer kotiei Iv -lz. Redaktion und Getchäftdllelier Iobanni^galie 8. Fernsprecher: I4lM, >48!», >4694. Mp)igcr TagclilM Handelszeitung Nmtsbfatt -es Males und -es Nolizeiamles -er Lla-t Leipzig. L«zeige«.PreiS chr Acherake <ui« Leipzig und Umgebung »te Saelvalten, Petitzeile 2b tinanzielii «lnzelgen 30 ltieklamen l »» auewöri« 3V Reklamen l.löü »»m Lir«land 50^, tinauz. Anzeigen 7ü^z. Reklamen I.SV Inserate». Behörden m amtlichen Teil4i)^t. Beila,egebübr b p. Tausend exkl. Poll' gebühr. Gcschiii«anzeigen an bevorzugte Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tari JesterieUte Au'tröge können nicht zurück gezogen werden. Für da« scheinen an bestimmten Tagen und Plötzen wird kein« Garantie übernommen Anzeigen-Annahme: Sugulludplatz 8, bei simtlichen Filialen u. allen Annoncen ltlpeditionen de« In- und Ausländer. Haupt-Filiale verli»: Carl Tu ncker, Herzogl. Bapr. Hofbuch Handlung, Lüvowstr-ße i(I. cr-I-vb°n VI. Nr. 4M3). Hauvt-Filtale Dresden: kecitragc 4,1 (Telephon 46.'i-. Montag 28. Dezember 1W8. ist? Jabrqang. Dns wichtigste. * Ueber ein Attentat auf den Präsidenten Falliäres wird aus Paris, 25. d. M., wie folgt berichtet: Als Präsident Fallt «res heute vormittag in Begleitung des Generalsekretärs Pamondo n und seines Adjutanten Oberst Lasson spazieren ging, wurde er auf der Place de l'Etoile von einem Kasscekellner namens Jean Mattis angesprochen. Mattis ergriff plötzlich den Präsidenten beim Hals und versuchte ihm den Bart abzureiben, wurde aber sofort von den Herren Ramondou und Lasson fest, genommen. sS. d. Les. Art.) * Der frühere Reichstagsabgeordnete Racke in Mainz ist von seinem eigenen Sohn ermordet worden. sS. Bcrm.) * Der russische Minister des Aeußern I s w o l s k i hat am 25. d. M. seine große, mit Spannung erwartete Redenberdieintcrnatio» n a l e L a g e in der Reichsdnma gehalten. sS. d. des. Art.) * Tic Präsidentschaft des früheren Vizepräsidenten Gomez von Venezuela ist vrm ganzen Lande ohne Blutvergießen anerkannr worden. * Aus San Francisco wird gemeldet: Der Zucker- Grobindustrielle Spreckels ist gestorben. Das Attentat. Ter Präsident Jallii-rcs ist übersatten worden. Wer ihm schmeicheln will, tann sagen, ein „Bube" — das 'st in solchen Fällen der technische Ausdruck — habe ein Attentat auf ihn verübt. Ein Kellner — so mcloet dec Droht — hat den Präsidenten während eines Spazierganges am Halse gcpucki und hat versucht, ihm den Bart auszurcißen. Sonderbarer Schwärmer! Fattieres kann, was diesen „kostbarsten Schmuck des Mannes" oubctrisst, nicht mit Hermann Sudermann oder mit dem Gras'» Posodowsky konkurrieren. Ter Attentäter ist verhaftet worden, uno man hat bei ihm ein Bildnis des Generals Mercier', ein Exemplar der „Patrie Fran^aise" und einen Aufruf für den Herzog von Orleans voigcsunden. Der Rowdy ist also zum politischen Verbrecher gestempelt. Er hat es augenscheinlich für nobel gehalten, den Häschern dos Staates von vornherein durch eine vielsagende Symbolik den richtigen Begriff von seiner eigenen Wichtigkeit beizubringen. Seine politische Einsicht ist nicht gerade verblüffend. Der Gedanke, den Präsidenten Fattieres zu übersatten, diesen wackeren Mann, dessen Großvater ein Hufschmied war und der nun in biederster Bürgerlichkeit den demokratischen Staat re präsentiert, ist nicht anders zu beurteilen wie ein Shawscher Einfall. Der Attentäter hat augenscheinlich die revolutionäre Institution des Attentats durch seine Handlung ins Lächerliche ziehen wollen. Als er dem Lraatschef den Bart zauste, hat er sagen wollen: „Seht ihr nicht, ihr Attentäter aller Länder, wie abgeschmackt euer Betragen ist? Glaubt ihr denn wirklich daß irgendetwas sich im Wesen des Staates ändert, wen:: ihr einem Repräsentanten der herrschenden Gesellschaft ein Haar trümmt?!" Die heutige Menschheit ist Attentaten gegenüber skeptisch geworden und übrigens ließ sich ja schon Fiesko zu politischen Zwecken vom Mohren den Aim ritzen. Indessen es ist unerfindlich, warum die jetzige Re gierung in Frankreich eines Attentates dringend bedürfen sollte. Elemenceau hat in den letzten vierzehn Tagen zweimal den Ansturm seiner Gegner in der Kammer abgeschlagen und das Ministerium lst nicht in Gefahr. Man muß daher annehmen, daß der wilde Mann auf eigene Faust gehandelt hat. Vielleicht war er ohne Stellnng und suchte eine wirksame Reklame. Er kann, wenn er eine — vermutlich sehr ge ringfügige — Strafe verbüßt hat, in einem nationalistischen Cafö an- gestellt werden nnd wird sich dort sicherlich einer nachhaltigen Berühmt heit erfreuen. Es hat für die Stammgäste einen eigenen Reiz, sich das Aperitif von einem Manne servieren zu lassen, der notorisch den Staats, ches gewürgt hat. Es ist aber auch durchaus nicht ausgeschlossen, daß dieser wackere Vorkämpfer der guten Sache im Nahmen der antirepubli kanischen Parteien ein Pöstchen findet, das lukrativer ist als sein bis heriger Beruf. Jedenfalls sind die Chancen des genialen Mannes vor- trefflich, gleichviel, ob er ein Kabarett „Zum erdrosselten Präsidenten" aufmacht oder ob er die Moritat in weniger künstlerischem Geiste fruktifiziert. Den herrschenden Gewalten wird der Vorfall nicht unbequem sein. Er beweist jenen Naiven, die nicht alle werden, daß die Republik immer noch „gerettet" werden muß. Das kann gar nicht oft genug bewiesen werden. Der rußige Bürger — diese Lieblingsfigur des verstorbenen Hohenlohe — existiert ja in Frankreich noch ausgeprägter als bei uns — wird sich bekreuzigen und das Geschick segnen, das einen Elemenceau anS Ruder gebracht hat. Der Präsident ist zufrieden, denn jedes Alten, tat hebt die Popularität, die gekrönten Kollegen gratulieren, und der Draht verbreitet über den Erdkreis, daß der Angegriffene nicht einen Augenblick feine Kaltblütigkeit verloren habe. sAuch dieser Zug gehört zum Bilde: ein gewöhnlicher Mensch kriegt natürlich einen Todesschreck, wenn ihm am Hellen lichten Tage Unter den Linden ei» Strolch an die K<hle springt; ein Staatsoberhaupt verliert nie die Haltung, so will es die Monarwenlcgende.) Der Herzog von Orleans sieht, daß er noch einen Getreuen sein nennt, der bereit ist, ihm, wie man in Wien sagt, mit Bracchialgewalt zum Thron zu verhelfen. Der General Mercier sann von nun an bis zum Bewoise des Gegenteils annebmen, daß ,jeder gute Franzose sein Bild im Busen trägt. Tie „Patrie Franyaise" aber wird den Vorfall zu einer Polemik von mindestens dreißig Leitartikeln benutzen. Selten hat wohl ein Attentat so auf allen Seiten aufrichtig« Zufriedenheit hervorgcrufen, wie dieser Ueberfall auf den alten FalliereS, der sich seitdem wie ein richtiggehender Monarch vorkommt, l'ius ga <chaug;s, plus o I» wsna» abosa. O - V Der Ueberfall. Ueber das Attentat auf den Präsidenten Fälliges, das sich am ersten Weihnachtsfeiertag zutrug, wird aus Paris unterm 25. De zember wie folgt berichtet: Als Präsident Fallt er es heute vormittag in Begleitung des Generalsekretärs Ramondou und seines Adjutanten Oberst Lasson spazieren ging, wurde er aus der Place de l'Etoile von einem Cafe- Kellner namens Jean Mattis angesprochen. Mattis ergriss plötzlich den Präsidenten beim Hals und versuchte, ihm den Bart auszureißen, wurde aber sofort von den Herren Ramondou und Lasson fest genommen. Man sand bei ihm eine Medaille mit dem Bildnis des Generals Mercier, eine Medaille der „Patrie srancaise". die Karte eines gelben Syndikats und eine Sammlung Marken mit dem Bildnis des Herzogs von Orleans. Es heißt, daß der Ueberfall auf den Präsidenten so heftig war, daß der Stock Aalliöres entzweibrach. „Doch verlor der Präsident keinen Augenblick seine gewöhnliche Ruhe nnd Kaltblütigkeit." Er setzte seinen Spaziergang fort und kehrte um IlN/z Uhr ins Elys'c zurück. Der Attentäter. Ferner wird hierzu aus Paris gemeldet: Der Kellner Mat tis erklärte beim Verhör, er habe den Angriff auf den Präsidenten nach vorheriger Ueberlegung ausgeführt; er be- daure die Tat nicht und habe das Bewußtsein, eine Pflicht erfüllt zu haben. Eine weitere Depesche meldet: Der Kellner Mattis, der den Ueberfall auf den Präsidenten Fattieres verübt hat, hatte schon seit mehreren Monaten Beziehungen zu royalistischen Komitees. Seine Wirtin, die nichts von seinen politischen Beziehungen wußte, erklärte, Mattis lebe in geordneten Verhältnissen, bezahle regelmäßig seine Miete und suche Arbeit. Offizielle Entrüstnngskundgebungen. Ueber offizielle Entrüstungskundgebungen anläßlich des „Attentats" wird aus Paris gemeldet: Sämtliche Minister und das Präsidium der Kammer begaben sich nach dem Elysse, um dem Präsidenten Fattieres ihre Entrüstung über den Ueberfall auszusprechen. Tic meisten Botschafter, Gesandten und Geschäfts träger sprachen ebenfalls im Elysde vor. Der deutsche Botschafter Fürst Radolin begab sich nach dem Ministerpräsidium, wo er, da Ministerpräsident Elemenceau ab wesend war, dem .Kabinettschef seine Entrüstung über den Ueberfall auf den Präsidenten und seine Sympathie für diesen ousdrückte. Dann sprach Fürst Radolin noch auf dem Ministerium des Aeußern vor. Bange machen gilt nicht! (Ein Beitrag zur Frage der Schiffahrtsabgaben.) Man muß es den Freunden der Schiffahrtsabgaben lassen, betrieb sam sind sie, und ein besonders empfindliches Gewissen haben sie auch nicht. Vor kurzem erst wußten Mittelspersonen des preußischen Mini steriums der össenilichen Arbeiten die Notiz in die Prelle zu lancieren, Preußen habe sich entschlossen, von einer weiteren Verfolgung deS Schifsahrtsabgabenprojektes abzusehen, da es im Bundesrate nicht da mit durchzudringcn erwarte, und um den Ursprung dieser Notiz zu verschleiern, wyrdc gleich darauf eine zweite losgelassen, des Inhalts, es seien jetzt nur noch Sachsen und Baden Gegner dieser Abgaben. Der Zweck der beiden sich inhaltlich vollkommen ausschließcndcn Mit teilungen war der gleiche- der Widerstand der Abgabengegner sollte ein- geschläfert werden. Glücklicherweise merkte man au' feiten der Abgaben, ocgner aber den Pferdefuß rechtzeitig heraus, und so dürften die beiden Morphiumpulver wirkungslos geblieben sein und den Widerstand gegen diese Abgaben nur verschärft haben. Das ist nicht allein ans volkswirtschaftlichen Gründen sehr er wünscht, sondern auch deshalb, weil Preußen dann einmal recht nach drücklich der Grundsatz zu Gemüte geführt werden kann, daß die mittleren Bundcsstaotcn nicht dazu da sind, nm von Preußen majorisiert zu werden. Ter preußischen Vorlage über eine anlhentische Interpretation des Art. 54 der Reichsoerfassung im Bundesrat kann man mit ziemlicher Ruhe entgegensetzen. Es ist noch längst nicht gesagt, daß alle die Bundes- staaten, die mit der Einführung von Schiffahrtsabgaben einverstanden sind, auch der Ansicht sind, daß diese schon unter dem geltenden Rechte eingeführt werden können. Preußen selbst dürfte sich doch nachgerade davon überzeugt haben, daß nach Ausfassung der großen Mehrzahl der Bundesstaaten die Einführung von Schiffahrtsabgabcii nur möglich ist nach Abänderung des Art. 54 der Neichsversassung. Alle die Staaten, die diese: Ansicht sind, müssen ober bei der Abstimmung über die Jnter- prctationsvorlage gegen Preußen stimmen, so daß hier die Zahl der Opponenten weit größer sein wird, als bei der Abstimmung über die Abgabcnvorlaoe selbst. Der wohlausgesonnene Plan Preußens, auf dem Wege einer authentischen Interpretation der Neichsversassung um die Klippe der Verfassungsänderung tzcrumzukommen, kann danach schon heute als gescheitert gelten, wenn die übrigen Regierungen nur einiger» maßen die Augen aufmachen. Aber nehmen wir einmal selbst an, er wäre geglückt: was wäre damit für Preußen erreicht? So gut wie gar nichts. Selbständig cinfüh.eu könnte es dann die Schisfahrtsabgaben nur auf der Weichsel und der Oder, nnd auf beiden Flüssen ist der Verkehr nicht derartig, daß er eine solche Belastung ertragen könnte, ohne daß sich ein empfindlicher Rück schlag geltend machte. Die Weser scheidet hier vollkommen anS der Be trachtung aus, denn auf ihrer unteren Strecke bis Bremen besteht bereits auf Grund des RcichsgesetzeS vom 5. April 1886 eine Vesahrungsabgabc, die aber, wie hier nochmals betont sei, zum Vergleich mit den Schiss- fahrtscbgaben nach Petersschcm Modell nicht yerangezogen werden kann Denn die Abgabe auf der Unterweser wird nur von See schissen erhoben die insular der Nntcrweserkorrcktion bis Bremen sstatt früher nur his Bremerhavens hinausgelangen können. Die Empfänger der betreffenden Ladungen sparen dadurch die Bahnfracht für die 62 Kilo- meter lange Eisenbahn streck« Bremerhaven—Bremen, ziehen also, da die Ucberiee'rachten nach Bremen die gleichen sind wie nach Bremerhaven sund anderen Nordseehäfen, wie Antwerpen. Rotterdam, Emden, Ham burgs, trotz der Abgabe noch immer einen bedeutenden Vorteil aus der Unterweserkorrektion. Im Binnenschiffahrtsverkehr ken-nt man aber eine solche Gleichheit der Frachtsätze nur in ganz beschränktem Umfange, so daß die geplanten Abgaben eine direkte Mehrbelastung bilden würde». Für die obere Weserstrccke Bremen—Minden ist im Anschluß an den Rhein-Hannover-Kanal ein« Kanalisierung geplant, deren Kosten s42,5 Millionen Mark) von Bremen übernommen werden und natürlich durch eine Abgabe der verkehrenden Schiffsgüter verzinst und getilgt werden sollen. Aus diesen Tatsachen haben die agrarischen Abgabcu- srcuudc das Märchen erzählt, Bremen gehöre zu den Freunden dec Schiffahrtsabgaben! Von den großen deutschen Flüssen, die hier weiter in Bctrachl kommen, bleiben also übrig der Rhein und die Elbe. Auf beiden Strömen wird Preußen aber, selbst wenn cs im Bundesräte mir seinen verkchrsfcindlichcn Plänen betr. ocr Schisfahrtsabgaben Glück gehabt haben sollte, nicht souverän mit Einführung solcher Abgaben Vorgehen können. Tenn hier stehen noch, wi- nr bereits vor einigen Tagen ausfntzrten, entgegen die Rhcinfchifst -is» und Elbschissahrtsakte, die beide ircie Schiffahrt aus den Strömen bis ans Meer vorsehen. Gegen eine einseitige Acuderung dieser beiden wichtigen Urkunden haben aber nicht nur die beteiligten Auslandsstaaten, also die Niederlande und Oesterreich, ein Einspruchsrecht, sondern überhaupt jeder einzelne der Staaten, die an dem Abkommen beteiligt sind. Auch hier gilt der Grundsatz, daß ein Vertrag nur geändert werden kann, wenn alle Kontrahenten damit einverstanden sind. Daraus folgt, daß Sachsen allein schon das Recht und die Möglichkeit hat, die Einführung von Schisfahrtsatz gaben aus der Elbe zu verhindern. IMiuistcr Dr. v. Rüger in der Ersten Kammer des sächsischen Land tages am 12. April 1904.) Es folgt weiter daraus, daß Preußen sich eines Bruches des Völkerrechts in aller Form schuldig machen würde, wenn cs gleichwohl im Verordnungswcge auf der preußischen Elbstrecke Schiffahrtsabgaben einsührcn sollte. Dieser Bruch des Völkerrecht? würde dadurch noch eklatanter, daß Preußen als Rechtsnachfolger des vormaligen Königreichs Hannover auch noch durch den sog. Stader Vertrag vom 22. Juni 1861 über die Aufhebung des sog. Stader oder Brunshauscner Zolles verpflichtet ist. „diesen Zoll vollständig und für inimer abzuschafsen, und ihn durch keine neue Abgabe, welcher Art sie auch sein möge, rücksichtlich der Ladung und der Schiffe, welche die Elbe stromauf oder stromab befatzren, zu ersehen." Es ist weiter nach demselben Vertrage verpflichtet, die Anstalten, die für die freie Schiff fahrt notwcnig sind, in der bisherigen Weise und dem bisherigen Um- sana zu unterhalten, und keine Abgabe an Stelle des aufgegebcncn Zolles als Gegenleistung für die Kosten solcher Arbeiten einzuführen. Dieser Vertrag, der ein sehr wichtiges Schutzmittel gegen neue Ab gaben bildet, wird anscheinend im sächsischen Ministerium seiner Be deutung nach noch nicht voll gewürdigt. Denn Minister Dr. v. Rüger äußerte in der Zweiren Kammer am 28. Oktober 1907: „Bezüglich der Auslegung dieser Bestimmung steht die preußische Negierung auf dem Standpunkte, daß der Vertrag über die Aufhebung des Stader Zolles die Frage der Einführung von Schiffahrtsabgaben auf der hier allein in Betracht kommenden oberen Elbe nicht berühre, da dieser Zoll sich nur auf die Stromstrccke unterhalb Hamburgs bezogen habe, auf dieser aber die Abgaben nicht eingeführt werden sollen. Der hannoversche Elbzoll, meint Preußen, Nir die Strecke oberhalb Hamburgs, sei auch nach dem Stader Vertrage unter Zustimmung Sachsens und aller an- deren Elbuferstaaten sorierhvben worden. Ich glaube, gegen diesen Standpnukt Preußens wird sich nichts cinwenden lassen/ Tatsächlich ist dieser. Standpunkt aber falsch, und demgemäß auch der der sächsischen Regierung. Denn der Stader Zoll hat sich keineswegs nur auf die Strecke unterhalb Hamburgs bezogen, sondern er war em Landes- zoll, galt für die ganze im Königreich Hannover liegende Elbstrecke bi? hinauf nach Schnackenburg, und konnte demnach auch durch Staats vertrag beseitigt werden. Daß er gerade in Stade bzw. Brunshausen san der Schwingemiindungi erhoben wurde, hatte lediglich seinen Grund darin, daß man bei einer Erhebung weiter oberhalb den bedeutenden, sich von der Unterelbc nach dem Stapelplatze Stade bewegenden Ver kehr nicht getroffen hätte. Uebcrdies Ivar die Gegend von Brunshausen in geographischer Hinsicht für die Erhebung eines Elbzolls am günstigsten. Tie auf der hannoverschen Elbstrecke später noch erhobenen Zölle ^gemeinschaftliches hannoversches, dänisches und mecklenburgisches Elbzollamt in Wittenberge") waren Lokalzölle und verschwanden durch das Bundesgesetz vom 11. Juni 1870 ohne Entschädigung, wäh rend die mecklcnbnrgiichcn und anhaltischen Landeszöllc gegen Ent- tchädlgung abgeschafst wurden. Folglich hat Preußen nicht dos Recht, aus der innerhalb der Provinz Hannover liegenden Elbstrecke irgend eine neue Abgabe cinzuführen, ganz abgesehen davon, daß es auch noch durch die Elbschissahrtsakte und den Vertrag mit Oesterreich vom 22. Juni 1870 daran gehindert ist. Es wäre sehr aut, wenn man auch an offizieller «stelle in Sachsen diesen Standpunkt immer aufs neue und mit allem Nachdruck verträte, damit Preußen einsehen lernt, daß ss df?. gegenüber» den ostelbischen Agrariern voreilig eingegangcnen Verpflichtungen eben nicht einlösen kann. Der ivahre Charakter der Hrager Exzesse. Wien, 27. Dezember. Wer die letzten Prager Unruhen von Anbeginn verfolgt hat, dem war cs von vornherein klar, daß hier Tendenzen mit im Spiele seien, die nicht auf ihrem heimischen Boden gewachsen sind. Die Unruhen bc- gannen mit einer Sympathiekundgebung für Serbien, bei welcher vor dem Palais des Ministers des Aeußeren demonstriert wurde, und dieser Ton ist auch während der weiteren acht Wochen den Prager Exzessen treu geblieben. Immer wieder mußte man aus der Menge den Ruf „Hoch Serbien!" hören, und die Tatsache, daß sich an den Vorgängen in Prag auch die hier studierenden scrbnchen Studenten beteiligten, ver stärkt nur den üblen Eindruck dieser Vorgänge. Im übrigen hat .Herr Klofac aus den Sympathien, die er für Serbien hegt, kein Hehl gemacht: seine letzte Rede im österreichischen Abgeordnetenhaus,: gelegentlich der Budgetdebatte ließ über seine wahre Gesinnung keinen Zweifel übrig. Nachträglich werden nun noch etliche Details bekannt, welche das Bild dieser Vorfälle ergänzen und neuerlich bestätigen, daß tatsächlich hinter der amorphen Form der Prager Vorgänge, bei denen die deutschen Studenten nur als Folie dienten, doch eine staatsdcstruierendc und anti- militaristische Propaganda steckt. Es ist nämlich schwer glaublich, daß all' die Dinge, die jetzt in die Leffcntlichkeit gelangen, Zufall sein sollten. So wird jetzt bekannt, daß seit Oktober die Kasernen der tschechischen Regimenter in Böhmen mit Flugblättern überschwemmt wurden, welche die Disziplin in der Armee — die Flugblätter weisen aus die Gefabren eines serbischen Krieges in nicht mißzuverstehcnocr Weise hin — zu untergraben sich bemühen. Ein weiteres, sehr interessantes Detail ist. daß in Prag größere Summen angckommen sind, die englischen und ser bischen Ursprungs sind. Darüber hat kürzlich m der polnische Lands mann-Minister Abrabamovics sehr deutliche Anspielungen gemacht, obnc daß von irgendeiner Seite aus diese schwerwiegende öffentliche Anklage irgendwie geantwortet worden wäre. Die gegen die Fundamente des Reiches uno der Armee gerichteten Agitationen haben auch unter der tschechischen Bergarbeiterschast NordwcstböhmenS Eingang und günstigen Boden gesunden. Alle diese destruktiven Bestrebungen gehen von der Partei des Herrn Klofac aus, der mit seinem Anhang gewissenloser Demagogen planmäßig darauf hinarbeitet, dem Staate gerade in diesem kritischen Momente möglichst viel Verlegenheiten zu bereiten. Wie wir aus zuverlässigster Quelle erfahren, soll der Thronfolger von allen diesen Vorgängen Kenntnis erhalten haben und sie mit erregtem Interesse ver folgen. Tie Behörden sind angewiesen, jeden Versuch der Klofaciancr. neuerlich Ausschreitungen gegen die Deutschen hervorzurufcn, um im truiben fischen zu können, mit den schärfste,- Maßnahmen entgegenzu treten. . -
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