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250 der Nachrichten, die uns bis zum Schluß unsrer heutigen Nummer privatim und durch Zeitungsnotizen zugegangen sind. Die beiden fraglichen Schächte der von Burgk'schen Stcinkvhlenwerke, der Hoff nungs-Schacht und Segen-Gottes-Schacht liegen bei Niederhäslich und Klein-Naundorf, ganz in der Nähe von Potschappel. Am Montag früh fuhren nach einer directen Meldung aus Potschappel 446 Berg leute an. Durch die große Hitze der vvrhergegangenen Tage sollen sich in der Tiefe der beiden mit einander in Verbindung stehenden Schächte Gase (böse Wetter) angcsammelt haben, die auf bis jetzt nicht ermittelte Weise unter fruchtbarer Detonation explodirten, Zim merung und Grubengestänge aus den Schächten herausschleuderten und wohl theilweise die Gruben in Brand setzten, denn bis Dienstag früh war man nur im Segen-Gottes-Schachte eingedrungen und hatte erst 12 Todte herausbeföröern können, während der Zugang zum Hoffnungs-Schacht der entzündeten bösen Wetter halber unmöglich war. In der ersterwähnten Grube ist sehr viel vernichtet, die bis jetzt herausgeschafften Leichen sind theilweise sehr verstümmelt. Hoff nung, daß einige mit dein Leben davon gekommen seien, dürfte gar nicht vorhanden sein. Die Bestürzung unter der Bevölkerung der dortigen Gegend ist unbeschreiblich, die Angehörigen der dortigen Bevölkerung haben sich an der Stätte der Catastrophe eingcfunden und jammern nach dem Ernährer, denn der größte Theil der Todten war vcrheirathct. Schon das Unglück in der neuen Fundgrube bei Lugau war entsetzlich und betraf viele Familien, man vergegenwärtige sich aber, daß hier die Zahl der Opfer eine vierfach größere ist. Durch die Behörde wurde die Umgebung der Schächte vermittelst von Dresden requirirten Mi- litairs abgesperrt, da der Zudrang so ungeheuer war, daß das Ar beiten zur etwa noch möglichen Rettung behindert wurde. Einem Extrablatt des Freib. Anz. entnehmen wir noch folgende Einzelheiten: „Die Bergleute waren wie gewöhnlich früh 4 Uhr an gefahren und schon gegen 5 Uhr erreichte sie die Katastrophe, durch welche ungefähr 1000 Wittwen und Waisen den Tod ihrer Versorger beweinen. Die Explosion ist so gewaltig aufgetreten, daß sie sämmtliche sogenannte Blendenthüren, welche die Ventilation bezwecken, durch schlagen haben muß, weil es nur dadurch möglich sein konnte, daß sich die schlagenden Wetter in beiden Schächten so rasch verbreiteten, und infolge dessen mit Bestimmtheit anzunehmcn ist, daß bei sämmt- lichen Unglücklichen sofort der Tod eintrat. Daß von einer Rettung irgend Lebender nach menschlicher Berechnung nicht die Rede sein kann, geht schon daraus hervor, daß infolge der Explosion beide Schächte zertrümmert und eingestürzt sind. An der Unglücksstättehö ren wir, daß auf der sogenannten Tagesstrccke durch den Luftdruck Förderhunde herausgeschleudert und ihre 1^ Zoll starken eisernen Achsen ganz verbogen aufgefunden worden sein. Von den angefah- rcncn Bergleuten ist es nur dreien gelungen, dem Tode zu entgehen, und zwar drei Bergjungcn. Dieselben waren nämlich, als das Un glück hereinbrach, der schon erwähnten Tagesstrecke am nächsten. Sie sprangen in der Angst ihres Herzens dem Ausgange zu; unweit des selben saß ein völlig ermatteter Steiger, welcher den Fliehenden zu rief: „Nehmt mich auch mit!" Doch die Jungen, nur an ihre eigene Rettung denkend, eilten vorüber. Später fand man gedachten Steiger an derselben Stelle kauernd, ein Kuittelende vor dem Mund haltend, todt auf, vor sich noch das brennende Grubenlicht. Bis jetzt vermag man nur die Namen der mitverunglückten Beamten anzugeben. Es sind deren zwei Obersteiger, Namens Schurig und Schaffer, und vier Untcrsteiger, nämlich die drei Brüder Bär und Schenk. Wie groß die Zahl derer ist, die ihrer Ernährer beraubt wurden, geht schon daraus hervor, daß nur in dem Dorfe Coschütz, wie man uns ver sicherte, außer 14 Wittwen, 42 Kinder Hinterlagen wurden und fer ner ein Mädchen in Potschappel ihren Vater, beide Brüder und Schwager verloren hat. Nach den Versicherungen von Beamten, kann Niemandem eine Schuld beigemessen werden, auch sollen die beiden Schächte immer in musterhaftem Zustande gehalten worden sein." Als weitere Mittheilungen über das Grubenunglück im Plauen- schen Grunde wird aus Dresden vom Nachmittag des 4. August ge meldet: Auf den v. Burgkschen Kohleuschächten dauert das Ausbrin gen der Leichen fort, ist aber wegen des schnell vorschreitenden Ver wesungsprozesses schon sehr schwierig. Bis heute Mittag waren ge gen 20 Leichen zu Tage gefordert, die meisten fast unkenntlich, ent stellt und verstümmelt. Die Nachricht, daß gestern im Augustus- Schacht abermals 11 Bergleute verunglückt, ist unbegründet. Aus Potschappel schreibt ein Correspondent, daß am 3. August Abends in: Gasthofe zur rothcn Schänke eine Versammlung behufs Gründung eines Comitee's stattgefunden hat, um den durch den Un glücksfall so hart Betroffenen, meistentheils sehr armen Calamitosen, so schnell als möglich eine wirksam unterstützende Hand zu bieten und die gesammte Menschheit zur lhätigen Theilnahme am Liebes werke aufzufordern. Die zu Tage geförderten Leichen der Verun glückten werden sehr bald beerdigt werden; man hat bereits damit begonnen, in der Nähe des Schachtes Gräber zu bereiten. Bis Mittwoch Nachmittag 3 Uhr sind 46 Verunglückte ans Ta geslicht befördert. Die letzten gänzlich unkenntlich. Man glaubt mit Gewißheit annchmcn zu können, daß die letzten noch in der Grube befindlichenMnglücklichen erst in etwa 3 Wochen in jedenfalls min destens halb verwestem Zustande herausgeschafft werden. Die Zahl ner Unglücklichen ist immer noch nicht destniliv sesigestellt und schwankt zwischen 350 bis 450. Heule wurden 30 der zu Tage geförderten auf dem Döhlener Knchhof, einige andere in Plauen und Pesterwitz beerdigt. Der Albertverein nimmt sich der Unglücklichen auf speci- ellen-Befehl I. K. Hoh. der Frau Kronprinzessin energisch an. Ebenso thun'das Hilfskomitee sowie der hiesige Frauenhilfsv»rein das Ihrige. Es wäre überflüssig, das furchtbare Elend, welches durch diese entsetzliche Katastrophe über Hunderte von armen Familien hereinge brochen ist, hier näher zu beleuchten, schnelle Hilfe thut jedenfalls Noth, und wenn auch die Mildthätigkeit in den beiden letztvcrgange- uen Jahren durch traurige Ereignisse mannichfacher Art sehr oft in Anspruch genommen worden ist, so dürften sich auch für die Hinter lassenen dieser unglücklichen Bergleute viele zur Spendung von Lie besgaben bereite Hände finden. Aus der Katur. Die Blumen stehn besprengt vom kühlen Thau Und duften Lieder süß zum Himmelsblau; Durchs Blättcrgrün sich Vöglein leise schwingen, Das Morgenlieb mit Inbrunst dort zu singen. Die Fliegen summen durstig hin zur Fluth, Die Biene eilt zur goldnen Blumengluth. Und Friede! Friede! murmelt leis die Quelle, Und Friede! Friede! rauscht im Fluß die Welle. Solche Empfindungen vermag ein schöner Frühlings- odcrSom- mcrmorgen in uns wach zu rufen. Wir finden den Frieden in der Natur, der unseren Herzen und unserem Völkerleben so oft abgeht. Wir hören — Kanonen donnern durch das stille Land; Um wilde Reiter stieben Staub und Sand. Verzerrt, entstellt und kalt im Felde bleichen, O Schande! Schande! deutscher Brüder Leichen. — Es scheint, als solle bec Mensch seiner bevorzugten Stellung nur mit dem Beigeschmäcke größerer Verantwortlichkeit eingedenk werden; froh kann er ihrer nicht werden, weil er seine Aufgabe nie erfüllt. Er kommt nie zum Frieden diesseits, darum setzte er den selben als Krone der Belohnungen ins Jenseits. Doch wie ein heiteres Gesicht oft nur der Deckmantel verborge ner schwerer Traurigkeit ist — so ist auch der Frieden der Natur nur ein scheinbarer. Sieg oder Tod! ist auch ihr Losungswort; Ge walt vor Recht! der älteste Rechtssatz der Unvernünftigen. Unfrieden und Vandalismus immer wiederkehrend, alltäglich. — Ueberall ist die Natur bestrebt, das etwa Ueberflüssige hinweg zuräumen. Der Stärkere lebt auf Kosten des Schwächeren, den Refrain jener Fabel als Entschuldigung im Munde: „Denn ich bin groß und du bist klein." Und sicher würde die schwächere Gattung endlich ganz ausgerottet werden, wäre ihr nicht gerade eine fabel hafte Vermehrungsfähigkeit eigen. Neulich untersuchte ich mikroskopisch den ungefähr 4 Zoll langen Eingeweidewurm eines jungen Hundes. Außer dein einfachen Darm- kanate, der durch den ganzen Körper lief, trug er vier Eierstränge bei sich. Der 24. Theil einer Linie, ungefähr so viel wie V» Hirst-- korn, ergab bei der Zählung 500 Eier, so daß man den einen Sirang mit einer halben Million Eier, alle 4 mit 2 Mill, nicht überschätzt hatte. Nun zählte ich in diesem Thier 15 ausgewachsene, eimrag- ende Würmer. Er war von ihnen gctödtet worden. Dieselben tru gen also 30 Mill. Eierchen bei sich, welche, wären dieselben alle zur Entwicklung gelangt, in zweiter Generation, bei gleicher Vermehrungs fähigkeit mit ihren werlhen Erzeugern das Sümmchen von 6 Bill. 30 Mill. Individuen ausgemacht hätten. Um sie zu beherbergen, würde ein Raum von wenigstens 6000 Mill. Kubikellen nöthig zein. Wie viel mußte hier die Natur durch Pflanzensäfte hinwegräumcn! Um dieses Zweckes halber sehen wir junge Hunde so häufig Gras fressen. In noch größerem Maaßc vermehren sich die Blattläuse, kleine Thierchen, die häufig unter dem Namen „Mehlstaub" bekannt sind. Von Farbe sind sie sehr verschieden. Während die auf den Rosen grün aussehen, findet man auf Pfaffenhüttchen- und Drossclbeer- sträuchern schwarze, auf Nesseln uno Ampfer dunkelbraune, auf Wei den und Hollunder dunkelgraue, auf Rübengewächsen schmutzig hell graue. Mit Hilfe eines zierlichen Rüffels saugen sie die occupirten Pflanzentheile aus, um diesen bittern Saft in den süßesten Honig zu verwandeln, welchen sie durch zwei dünne Röhren auf der Hinter hälfte ihres Rückens absondern tonnen. Diese merkwürdige Einrich tung ist besonders den Ameisen bekannt. Von Natur Freunde aller Süßigkeiten, kommt es ihnen weniger darauf an wie, sondern woher sie selbige erlangen. Und da zeigt'uns die Natur ein reizendes Bitd. Wer hat nicht die Ameisen Bäume auf- und abkletlern gesehen? Sie klettern eben nach den Blattläusen, welche ihre Milchkühe abgeben. Bedächtig wandeln sie zwischen den Blattläusen, um hier oder da mit ihren Fühlern eine zu streicheln, was denselben so sehr gefällt, daß sie dankbar zwei klare Honigtropfen aus ihren Röhren entlassen, welche die Ameise gierig aufsaugt und dann bei einer zweiten und dritten das Experiment forlsetzt, bis ihr Appetit gestillt ist. Stets verkehren.nur Ameisen eines Stammes auf einem Baume; jeder fremde Eindringling wird verjagt oder getödtet. Sieht ein Ameisen volk den 'Nießbrauch einer Blattlauscolonie gefährdet von dem bös willigen Nachbarvolke, so rückt eines Tages die ganze krästige Mann- schast aus, jeder packt eine Blattlaus, und fort gehl es mit denselben auf einen dem Haufen näheren, ungefährdeten Baum. Die rothen Ameisen halten sich sogar unterirdisch welche, indem sie dieselben neben den Haufen an die bloßgelegten Wurzeln setzen. So gern die Ameisen Blattläuse auch haben mögen, den Pflan zen sind sie, um ihrer unglaublichen Vermehrung halber, höchst schäd lich. Binnen einigen 'Monaten kann ein Blattlauspärchen 2 Billi onen Nachkommen haben. Dieser Vermehrung bescheidenere Grenzen