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vergangenen Sonntag von heiliger Stätte herab in Gegenwart von Verschiedenen Fremden der ganzen Gemeinde ins Gesicht geschleuderte Beleidigung mit aller Entschiedenheit hiermit öffentlich zurückzuweisen, da wir der festen innern Ueberzeugung sind, daß wir uns noch nicht zu schämen gebraucht haben, wenn es gegolten hat, Gutes zu thun und wahre Christenliebe zu üben. In Stötteritz bei Leipzig hat sich ein Zimmermann, Namens Eule, nachdem er zuvor seinen 9jährigen Sohn und sich selbst durch Schnitte in den Hals zu tödten versucht hatte, durch Erhängen ent- lc st. Der Knabe soll nicht lebensgefährlich verletzt sein. Mit der 77. königl. sächs. Landeslotterie soll die Zahl der Loose um 10,000 vermehrt und die Gesammtzahl der Letzteren sonach auf 95,000 gebracht werden. Unter Festhaltung des zeitherigeu Verhält nisses der Gewinnste zur Loosfrage (5 Prvcent) wird es künftig auch 5000 Gewinne mehr als bisher geben; diese neuen Gewinne sind in folgender Weise vertheilt: 1 Gewinn zu 10,000, 5 zu 5000, 100 zu 1000, 52 zu 400 52 zu 200, 124 zu lOO THlr.; das übrige sind die bekannten kleinsten, wo der Spieler, wie man sagt, „mit dem Gelde herauskommt." Eisenach, 7. August. Der heute hierselbst zusammengetretene allgemeine deutsche Arbeitercongrcß ist sowohl von der Bebel'schen Partei wie von den Anhängern Schweitzers stark besucht. Von Be- oel'scher Seite ist beschlossen worden, daß nur nach Prüfung der Mandate, Zutrittskarten ertheilt werden sollen. Eine von Bebel, Becker und Geip unterzeichnete Proklamation fordert die Parteige nossen auf, Alles zu vermeiden, was zu Störungen führen könnte.— Die erste Versammlung des Congresses findet heute Abend 8 Uhr im Gasthofe „zum Löwen" statt, wo etwa 150—200 Anhänger Bebels versammelt sind. Im Gasthof „zum Schiff" tagen fast eben so viel Anhänger Schweitzers. Die Vermittlungsversuche zwischen beiden Parteien sind bisher gescheitert; die Anhänger Schweitzers bestehen aüf Zulassung ohne vorherige Prüfung der Mandate. Von Seiten Bebels ist für den Fall von Gewaltthätigkeiten die Hilfe der Polizei requirirt, dieselbe hat zugesagt. — Weiter wird berichtet: Kurz vor Beginn der ersten Sitzung des Arbciter-Congresses erschienen die An hänger Schweitzers und erhielten nach Vorzeigung ihrer Mandate Eintrittskarten. Gleich die erste Frage der Geschäftsordnung, ob die Prüfung der Mandate vor oder nach der Wahl des provisorischen Vorstandes erfolgen sollte, führte zur Sprengung des Congresses. Die Schweitzerianer protestirten gegen die Giltigkeit der kommenden Abstimmungen und begannen die Marseillaise (Lassallehymne) zu singen, worauf der Vorsitzende Geip die Versammlung schloß. Die Anhänger Bebels wollen morgen gesonderte Berathungen beginnen. Aus Berlin hat man lange nicht so viel Erbauliches und Be schauliches vernommen, wie in diesen Tagen. Soeben ist in einer Vorstadt bei den Moabitern, den Dominicanern und Franziskanern eine neue prächtige Kirche errichtet und geweiht worden. Der Fest redner, geistlicher Rath Müller, verglich die Mönche mit dem Salz der Erde und rühmte, die frommen Söhne des weiland heiligen Do minicus und Franziscus hätten sich in dem himmelstürmenden Babel noch einmal die Hände zum h. Werke gereicht. Er rühmte, daß die Dominikaner und Franziskaner den beschaulichen Orten angehören und erzählte auch, womit sie sich beschäftigen zum Wohle der Welt: die einen mit Abbetung des Rosenkranzes, die andern mit Betrachtung der 5 Wunden Christi. Jetzt wiro doch Pastor Knak wenigstens an die Drehung der Stadt Berlin glauben, in der vor ein paar Jahr zehnten Schelling der Philosophie eine Burg bauen wollte. Professor Schenkel giebt die Zahl der neu errichteten Klöster in Preußen auf 700 an, die Zahl der Ordensleute auf 7000. Jesui tenklöster giebts 13. Bayern hat ;o eben die Auflösung der Jesui tenschule in Regensburg ungeordnet. Das Frankfurter Journal berichtet: „Ein Opfer der Wiesbade ner Spielhölle wurde am 4. August an einem Baume an der Straße des Dorfes Zahlbach bei Mainz erhängt gefunden. In einer der Taschen der an einem Stückchen Packschnur baumelnden gutgekleideten Leiche fanden sich auf der Rückseite eines preußischen Steuerzettels die mit Bleistift geschriebenen Worte: „Am 30. Juli verspielte ich in Wiesbaden mein ganzes Geld. Ich wohne in Berlin und hinterlasse dort eine Frau und 4 Kinder im größten Elend." Der Unglückliche gehört dem Kaufmannsstande an. Wien, 9. August. In der heutigen Volksversammlung wurde folgende Resolution angenommen: „In Erwägung, daß die Klöster kein Erforderniß des Christenthums, daß sie deu Staatszwecken ent gegen sind, sind sie aufzuheben. 5000 Personen waren anwesend. Die Socialdemokratcn erklärten wiederholt, daß sie in politischen Fragen mit den Bürgern zusammenhalten. Der Bericht der Auswanderungscommissäre für den Staat Newyork vom Jahr 1868 ist erschienen. Ein interessantes Resultat giebt die Statistik des letzte» Jahres: die deutsche Einwanderung, die im Jahre 1867 auf die Höhe von 117,591 gestiegen war (die höchste Ziffer seit 1854), ist wieder auf 101,989 im vorigen Jahre gefallen. Fast sämmliche Staaten Europas haben in den Jahren 1866 und 1867 einen auffallend raschen Zuwachs der Auswanderer geliefert, aber Deutschland weist die stärkste Ziffer auf. Auch die Schweiz Hal 1867 die größte Zahl geleistet. England erreichte im Jahre 1866 sein Maximum (36,186), aber auch England ist 1868 auf 29,695 zurückgegangen. Nur Irland macht eine Ausnahme; es ist verhältnißmäßig seit dem Jahre 1863 gefallen. Eine rapide Stei gerung der Auswanderung zeigt Schweden. Der „Monde" meldet nach Briefen aus Mexiko vom 26. Juni: Ein schrecklicher Unfall hat sich auf der mexikanischen Eisenbahn zu Pachuca ereiguet. Eiu Wolkenbruch hatte auf der Bahn ein tiefes Loch gewühlt, in welches die Maschine und die nächsten Wagen ' 258 stürzten. 50 Paffagiere des Zugs wurden getödtet und 25 schwer verwundet. Attentat auf einen Prediger während des Gottesdienstes in der Domkirche in Berlin. Im Dome zu Berlin hat sich am Sonntag der unerhörte Fall zugetragcn, daß gegen den Prediger vor dem Altäre ein Terzerol abgefeuert wurde. Während der Prediger, ein Candidat der Theo logie Namens Heinrici, vor dem Altäre stand und die Lithurgie ver las, drängte ein junger Mann durch die nach dem Altar führende Gitterthür, schob den dort postirten Küster zur Seite und zog in dem Moment, als der Prediger das Glaubensbekenntniß vortrug, bei den Worten: „Ich glaube an Gott" ein Terzerol hervor, das er unter dem lauten Ausruf „Du lügst" auf den Prediger abfeuerte. Für den Augenblick war alles still; so sehr entsetzt war man über die uner hörte That; dann fing man an, sich nach vorn zu drängen, wo der junge Mann mit dem Terzerol in der Hand stand, ohne Miene zu machen, sich durch die erschrockene Menge einen Weg zur Flucht zu bahnen. Umstehende bemächtigten sich sofort feiner Person und führ ten ihn geräuschlos zur Ausgangsthür, wo er den draußen stehenden Schutzleuten übergeben wurde. Inzwischen hatte Heinrici, welcher trotz des in unmittelbarster Nähe vor ihm abgefeuerten Schusses un verletzt geblieben war, seine Geistesgegenwart wiedergewonnen; mit erhobener Stimme las er seinen Text zu Ende und verließ dann erst den Altar, um sich nach der Sacristei zu begeben. Der Gottesdienst nahm darauf seinen ungestörten Fortgang, und die durch die Gewiß heit, daß Heinrici unverletzt sei, beruhigte Menge verweilte in der Kirche, bis der Prediger, Ur. Kögel, seine Predigt beendigt hatte, in welcher er mit einigen Worten des Dankes gegen Gott des soeben vor Aller Augen verübten Attentats gedachte. Nach Schluß der Kirche fanden sich Staatsanwalt und Untersuchungsrichter in Begleitung von Criminalpolizeibeamten an Ort und Stelle ein, um den Thatbestand festzustellen. Ueber die bisherigen Ergebnisse der Untersuchung kann die „Trüb." Folgendes mittheilen: Der Thater ist ein junger Mann von 18 Jahren/Namens Bieland, aus dem Dorfe Lanke finNieder- Barnimschen Kreise; er ist der Sohn des dortigen Schmiedcmeisters dieses Namens und hatte hier in Berlin das Gymnasium besucht, auf welchem er es bis Secunda brachte. Sein Vater hatte ihn für den geistlichen Stand bestimint, gegen welchen er eine unüberwind liche Abneigung zeigte. Der etwas excentrische junge Mann wollte durchaus Schauspieler werden und der Vater verweigerte seine Ein willigung hierzu. Am Sonnabend war er von Hause abgereist, angeb lich uin sich, wie es der Vater bestimmt hatte, nach Potsdam zu be geben, wo er in das dortige Prcdigerseminar eintreten sollte. An statt nach Potsdam war er indessen nach Berlin gereist, wo er die Nacht vom Sonnabend zum Sonntag bei einem Bekannten zubrachte. Der Umstand, daß man gleich nach der That vergeblich nach einer Kugel oder nach der Spur einer solchen suchte, hatte Anfangs zu der Vermuthung geführt, daß das Terzerol nur blind geladen ge wesen sei, obgleich der Thäter selbst das Gegentheil behauptete. Die Richtigkeit seiner Behauptung ist jetzt außer allen Zweifel gestellt. Die Kugel ist über dem Kopfe des Predigers hinweggegangen und hat ihren Weg nach dem Chor genommen, auf dem sich die Sänger befanden. Wie ein Loch der hölzernen Brüstung dieses Chors zeigt, hat sie dieselbe durchschlagen und ist an der gegenüberliegenden Wand ermattet. Beinahe wäre dem Attentat ein Menschenleben zum Opfer gefallen. Die Kugel hat nämlich, nachdem sie die Brüstung durch drungen und schon stark ermattet war, die rechte Wange des dem Domchor angehörigen 13jährigen Knaben Oscar Fiscyer, Sohn des in der Münzstraße wohnhaften Leistenfabrikanten Fischer, gestreift, demselben eine leichte Contusion beigebracht. Der Knabe ist bereits als die ersten Verhöre in dieser Angelegenheit stattfanden, vernom men worden; ein Herr, dem die Kugel nach Aussage mehrerer Zeu gen das Haar gestreikt haben soll, hat bis jetzt nicht ermittelt werden können. Der bedauernswerthe Vater Bielands ist auf die Kunde der unseligen That sofort nach Berlin gekommen. Das Motiv der That ist lediglich in dem excentrischen Character des jungen Mannes zu suchen. Er erklärte, daß er die Kugel selbst gegossen habe, um den ersten Prediger, welcher ihm begegnen würde, niederzuschicßen. Er sei ein Feind aller Pfaffen, da man bei ihnen nur Heuchelei, Lug und Trug fände. Sein Haß gegen diesen Stand habe sich noch dadurch gesteigert, daß er wider seinen Willen gezwungen werden sollte, Theologie zu studiren. Der Folgen seiner That sei er sich wohl bewußt. Ein ebenso überspannntes, excentrisches Wesen wie bei seiner ersten polizeilichen Vernehmung, hat Bieland auch nachher gezeigt; er zeigt kein» Spur von Reue, vielmehr schien er stolz auf seine That zu sein und bedauerte nur, daß er fehlgeschossen habe. Zu spät. Skizze von Ludwig Habicht. Erst jüngst in die kleine Stadt S. gekommen, suchte ich, meiner alten Neigung folgend, einsame Spaziergänge auf, und so wanderte ich eines Tages wieder hinaus, um auf einem Höhepunkt eine freund liche Aussicht zu gewinnen. Dunkle Kiefern umsäumten den Berges abhang und rauschten düster-gedankenvoll zur Erde, während ans der andern Seite die Landstraße sich hinzicht, auf der schwer beladene Wagen langsam vorüber kamen. Weiterhin tönt aus einem Garten Musik. Es athmet Alles