Volltext Seite (XML)
WochcMM für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Sievenlehn und die Umgegenden. Amlsölatt -für das Königliche Gerrchtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 28. Dienstag, den 8. April 1873. Tagesgeschichte. Wilsdruff, 7. April 1873. Die Examen hiesiger Bürgerschule sind nun beendet und gewiß jedcrMesucher hat Gelegenheit gefunden, sich über die Leistungen der Schulen zu freuen, ja sie bezeugten uns so recht die aufopfernde Thätigkeit ihrer tüchtigen Lehrkräfte, nur schade, daß man in den ersten Elasten immer noch Zeichnen und Geometrie vermißt. Könnte, da gerade diese Stunden ein Bedürfniß der Jetztzeit ge worden, ja, man möchte wohl sagen, ein Erfordernis; sind, nicht die geehrte Schulinspection resp. Schulvorstände dahin wirken, daß wenigstens in den ersten Elasten je wöchentlich eine Stunde einge schaltet wird? — Am 31. v. M. Nachmittags sind die am Rothschönberger Stölln bei Rothschönberg befindlichen fiscalischen Gebäude: die Berg schmiede und das Dampfkessel-, Maschinen-, und Treibhaus zum Theil gänzlich niedergebrannt. Die Maschine ist nicht unbedeutend beschädigt worden. In der Schmiede war seit 4 Jahren nicht gear beitet worden und sollte der Betrieb am 1. April wieder eröffnet werden. Man vermuthet, daß angebrannter Ruß auf die trockenen Schindeln gefallen ist und den Brand veranlaßt hat. — Am gestrigen Abend in der 9. Stunde hat sich der Pachter des Gasthofes zu Herzogswalde auf dem Oberboden des Gasthofes erhenkl; mißliche Vermögensverhältniffe werden uns als muthmaß- liches Motiv der That genannt. Der Dredner Presse theilt man aus Dresden aus glaubwür diger Quelle Folgendes mit: „Eine starke Krähe, die sich unbeachtet glaubte, flog in das offen stehende Fenster eines in der dritten Etage gelegenen Logis, sah sich vorsichtig in der Stube um, hüpfte auf den Tisch, auf welchem ein Glasballon stand, packte im Nu einen der Fische mit dem Schnabel und flog mit ihrer Beute schleunigst auf und zum Fenster hinaus." Die constitulionelle Zeitung berichtet aus Dresden vom 29. März: „Eine sehr unangenehme Mittheilung erhielt die gestrige General versammlung des Spar- und Vorschußvereins zu Dresden durch den jetzigen Director L. Brüchner, dem das Verdienst der endlichen Ent deckung der jahrelang geübten Unterschleife des früheren Leihkassen- kassirc'rs Pfund zuzuschrciben ist, über die Betragshöhe dieser Dieber eien. Dieselben betragen hiernach mehr als 100,000 Thlr. Doch ist Hoffnung auf theilwcise Deckung durch entsprechende Verwerthung eines ersatzweise erlangten werthvollen Grundstückes vorhanden, und glaubt man, das Deficit auf 34,500 Thlr. abmindcrn zu können. Trotzdem ist es auch in diesem Jahre möglich geworden, 7 Proc. Dividende zur Vertheilung zu bringen." Die „Dr. N." berichten aus Dresden: Die auf Sachsens An-, thcil kommende Beute an großen Positionsgeschützen aus dem letzten französischen Kriege ist jetzt zum Theil hier angelangt und vom Bahnhofe aus nach dem Zeughause geschafft worden. Im Hofe desselben lagerten gestern bereits einige 20 Stück lange Vierundzwanzig- pfünder auf Holzuuterlagen an derselben Wand deS Haupt-Zeughaus- gebändes, wo bis vor kurzem eroberte französische Feldgeschütze und Munitionskarren in einer langen Reihe gestanden haben. Die Zahl der auf. Sachsens Antheil kommenden dergl. Festungsgeschützrohre soll sich auf ca. 200 Stück belaufen und sind dieselben zum Theil in Straßburg, zum Theil in Metz erbeutet worden, jenen beiden bedeu tendsten Waffenplätzcn Frankreichs vor dem Kriege. Für die 53,000 Unteroffiziere im deutschen Reichshcere werden 2 Mill. Thaler mehr verlangt. Der Reichstag findet das nichts we niger als zu hoch; es kommen auf den Kopf nicht ganz 40 Thlr. oder 3'/, Sgr. täglich. Freilich sollen von 1875 an auch Verbesser ungen in Bezug auf Kleidung, Verpflegung und Kasernirung hinzu- treteu. Bedenklich kann die Errichtung besonderer Speiscanstalten für Unteroffiziere erscheinen. Wird erst für diese eine besondere Menage eingerichtet, so dürften die wehrpflichtigen Soldaten oft schlecht weg kommen, ganz abgesehen von den soziale» Schattenseiten etwaiger Untervsfizierkasinos. (Die monatliche Löhnung soll erhöht werden für Feldwebel von 15 Thlr. auf 20 Thlr., für Staatshautboisten von 9 auf 15 Thlr., für Sergeanten von 10'/, auf 12 Thlr., für Unteroffiziere auf 8'/, Thlr. Auch die Erziehung ihrer Söhne soll den Unteroffizieren erleichtert werden.) Hinsichtlich des neuen Münzgesetzes erfährt man Folgendes: Es sollen in Scheidemünzen ausgeprägt werden 10 Mark pro Kopf, also 400 Millionen Mark Silbermünzen und zwar 50 Millionen in 5- Markstücken, 100 Millionen in 1-Markstücken, 100 Millionen in '/,- Markstücken und 150 Millionen in '/«-Markstücken, im Ganzen also 860 Millionen Stück. Die Nickel- und Kupfermünzen im Betrage von 100 Millionen und zwar 45 Millionen in 10-Pfennigstücken, 30 Millionen in ö-Pfennigstücken, 15 Millionen in 2-Pfennigstückcn und 10 Millionen in 1-Pfennigstücken, also im Ganzen 2800 Millionen Stück; dazu die Silbermünzen, macht 3660 Millionen Stück. Wenn man davon ausgeht, daß die bisherigen Goldprägungen in der Hälfte ihrer Höhe aufrecht erhalten werden sollen, daß die Plättchen für Nickel- und Kupfermünzen in Privatfabriken, für Silbermünzen in den Münzen selbst hergestellt werden sollen, so würde von den bis herigen deutschen Münzen die Aufgabe, vorläufig ungefähr 500 Mill. Stück Scheidemünzen zu prägen, in 2'/, Jahr gelöst werden können, da die Leistungsfähigkeit derselben auf 200 Millionen Stück pro Jahr veranschlagt werden kann. Der Abgeordnete Bamberger hat ferner hervorgehoben, daß die Lücke zwischen I- und 5-Markstück zu groß sei und 2'/2-Markstücke Vorschlägen. In Norddeutschland werden schon längere Zeit keine '/,-Thalerstücke mehr geprägt und die Lücke zwischen '/«- und 1-Thalerstücken ist niemals im Verkehr empfunden worden. (Die Süddeutschen verlangen nachdrücklich die Ausprägung eines 2-Markstückes — 1 fl. 10 kr., das geeignet sei, den österreichi schen Gulden zu ersetzen, der sich im Verkehr durch seine Unentbehr lichkeit tief eingebürgert habe.) * Das deutsche Reich wird im Innern immer weiter ausgebaut. Die Reichs competenz wird auf das gesammte Civilrecht, arrf das Strafrecht und die Gerichtsverfassung ausgedehnt. Der Reichstag hat diesen oft wiederholten Antrag Laskers angenommen und der Bundesrath wird fast einstimmig zustimmen, wie Kanzler Delbrück erklärte. Der Letztere fügte hinzu, daß demnächst auch mit der Ab fassung eins für ganz Deutschland gemeinsamen deutschen Civilgesetz- buches begonnen werden soll. Am 1. April hat Fürst Bismarck seinen 58ten Geburtstag ge feiert und viele Zeitungen haben ihm mit Leitartikeln gratulirt. Sein Name ist selber ein Leitartikel für Freund und Feind. Der Mann hat viele alte Größen gestürzt und vor allen Dingen das alte^ bedenkliche Renommo des 1. April; denn daß Deutschland mit ihm angeführt wurde, wird kein guter Deutscher behaupten. Fürst Bismarck erzählte neulich seinen Gästen ein Stücklein aus Frankreich. Eines Abends kam er von vielstündigem Ritt müd und hungrig in dem Nvthschildschen Schlosse Ferneres an. Der Hofmeister begegnete den bescheidenen Wünschen des deutschen Gastes nach Speise, Trank und Lager mit hochfahrenden französ. Redens arten, die darauf hinaus liefen, daß für die Herren Offiziere nichts vorhanden sei. Bismarck erkannte in dem wohlbeleibten Diener Rothschilds einen Sohn Frankfurts und fragte ihn deutsch, ob er wisse, was ein Strohbündel sei. Der Frankfurter sah ihn verblüfft an, worauf Bismarck sagte: Sehen Sie, auf solchen Strohbündel werden ungezogene Haushofmeister mit dem Rücken in die Höhe ge bunden und das andere ergiebt sich von selbst. — In einer Viertel stunde war alles Gewünschte da. In Bayern bestehen 1004 Feuerwehren mit einem Gesammt- bestand von 102,211 Mann und mit 3138 Löschmaschinen. Der russischen Kaiserin haben die Neapolitanischen Banditen bei einem Ausfluge nach Sorrent eine Gesellschaftsdame weggeschnappt. Sie verlangen 100,000 Francs Lösegeld. Die ganze Polizei ist auf den Beinen, denn es gieht ein gutes Trinkgeld zu verdiene» und ein Leben zu retten.