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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 30.12.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-12-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190812304
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19081230
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19081230
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-12
- Tag 1908-12-30
-
Monat
1908-12
-
Jahr
1908
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Adrian Beier nicht!) einen besseren Chronisten al» diesen gefunden habe, »wenn man darunter einen gewissenhaften, fleißigen, aber niemals ab- ichweisenden Berichterstatter versteht . Wie ein roter Faden zieht e» sich durch diese Berichte de» Thronisteu, daß die Studentensreibeit in Jena immer »auf dem Damme" war. Von Tumulten und Gewalttaten ist des Erzählens kein Ende. DaS Leben muß die ganze Nacht hindurch wach gewesen sein. „Am Sonntage Estomihi des Jabres 1613", meldet z. B. die Chronik, „ward ein Patent anS Bretb geschlagen wider die Jastnachtsmummerey, wider daS Nachl- schreyen und Schwermen, wider die unzüchtige Kleidung und Bezeigung, dadurch daS. Wetbsvolk geärgert werde, und scheinet, die Mummerey sei jetzo recht Mode worden." So ging die Mummerey von den F.stnacht- telern naturgemäß auS, aber 1621 wird schon notiert, daß solche Mum meretz auch an den Jahrmärkten geübt wurde, „srembde und einheimische Leute zu beleidigen". Es werden immer wieder Patente und Edikte da gegen erlassen, aber stetS —wie der Chronist bemerkt — ohne Erfolg. Spä ter nimmt die Belästigung der Philister noch andere Formen an, wie denn anno 1762 verboten werden muß, „weiter in die Weiberstühle zu sitzen, die Hochzeiter in der Kirch zu molestiren"; man drang in die Hochzeitshäuler, machte den Hochzeltern allerlei Verdruß und trieb Possen mit ihnen. Man zwang auch auf der Straße alleweil ganz Unbe kannte, die Hüte abzunehmen, erschien bei Tisch im Hemd oder im Schlaf rock, waS 1692 ausdrücklich durch Mandat verboten werden mußte. Die obrigkeitlich erlassenen Kleiderordnungen sind in den Wind gesprochen, die Obrigkeit der Stadt ist ebenso machtlos wie die Obrigkeit der Uni versität; es wird geschossen, gestochen, der Degen gewetzt, Philister an- aerannt und angegriffen und jede Erhöhung deS Bierpreiies mit einem. Tumult beantwortet. Ueberhaupt gab es Tumulte mehr als friedliches Vorgehen. Wollten sich die Herren iLtudenten den Examina nicht unterwerfen, gab's einen Tumult; batten Professoren einen wissenschaftlichen Streit, wie in dem Falle deS Flacius und ähnlichen, ergriff man Partei und machte einen Tumult; paßte ihnen ein erlassenes Patent, das ihnen Verhaltungs maßregeln gab, nicht, so antworteten sie durch einen Tumult. Und da ging es saßt nie ohne einige Tote ab. Einmal — 1614 — stürmten sie das Schloß, ein andermal — 1697 — wird ein Tumult wie folgt erzählt: „Als am 9. Nov. die Verlobniß zwischen dem Herzog zu Weißenfels, Johan Georg und der Eisenachischen Prinzessin Friderica geichehen, hierauf am 11. dito im Schloß allerhand Lustbarkeit angestellt worden, dazu aber niemand Frcmbdes durfte admittirt werden, mithin die Stu denten auch nicht, diese Herrn aber meynetcn, das sey wider rhre Studen- ten-Freyheit, so erregten sie die Nacht drauf einen greulichen Tumult, untertnischt mit Scbreyen, Schimpfen, Fenstereinwcrfen ufw. Allein da ihrem Unfug Gewalt entgegengesetzet wurde, sind sie mit blutigen Köpfen auseinandcrgestimbert worden. Die Bürgerschaft wurde aufgebothen, auf die Studenten zu schießen, und ist auch einer in die Achsel getroffen worden; der Forstmeister, welcher die Studenten bey dem Schloß ab mahnen wolle, wurde von einem Bürger unvorheraesebens in Podex ge schoßen. Eine Nachricht spricht, e» sey auch eine Magd und ein Student todt geschoßen worden/ Ungefährlich war eS also damals nicht, in Jena zu studieren; daß Studenten erstochen oder erschoßen werden, das tst an so vielen Stellen berichtet, daß man sich über jeden wundert, der „mit gesundem Leib" wieder von der Universität zurückkam. Und waS das schönste ist: Täter werden fast nie erwischt; so berichtet der Chronist ganz trocken: „sticht ihn sogleich über den Haufen und laufet davon", oder: „der Thäter kam glücklich davon", oder: „ohne daß man den Thäter Habhaft werden oder nur entdecken können"; so kehrt die löbliche Wendung immer wieder. Wer nicht im Nachtscharmützel oder im Duell fiel, konnte im Mühltal dicht bei der Stadt von Wölfen gefressen werden, wie eS noch 1600 einem Studenten passierte. Und mancher fiel in die Saale oder tat im Wirts haus „einen harten Fall". Diese „Fälle", die oft in der Chronik wiehxr- kehren, haben etwas besonders Ergötzliches. Neben anderen sehr ein gehenden Nachrichten über Wein und Bier sprechen gerade sie für die feuchtfröhlichen Exzesse des freiheitlichen Studentenlebens in Jena. Da fand man einmal einen Magister im „Goldenen Engel" tot in seinem Bette liegen, „nachdem er sich in der Vollheit niedergeleaet", und ein andermal wird erzählt, daß die Studenten den Bauern das Bier ge nommen und eS auf dem Markt auS den Hüten „ausgezechet und gesoffen '-oben, weil daS Bier vor 4 Pfennige ausaeruffen gewesen." Wie der Student seinen „Jungen", den Fuchs behandelte, wie er in der Zeit der Renommisterei aus der Roheit der Gewalttaten einen Sport, auS dem Bummelleben eine Tugend zu machen suchte und wie er auf der Bude, wie iu den Gasthäusern, dem Spiel und dem Weibe, dem Trnak und dem Degen hold war, das wissen wir auS anderen Quellen, über jene dunkle und interessante Zeit der Hochschulcn-Kultur leidlich genau; auch die bekannten Bilder in den Jenaer Stammbüchern haben darüber wertvolle Aufschlüsse geliefert. Das vorliegende Buch nun gibt, gerade weil e» sich um eine als recht zuverlässig anzusprechende Chronik bandelt, wichtige Ergänzungen, und obschon wir eine Geschichte über die Jenaer Hochschule gerade snr das 16. und 17. Jahrhundert noch immer sehr entbehren, sind wir über die Eigenart des studentischen Lebens in lener Zeit leidlich gut unterrichtet. Und mögen die Dinge, die dabei zu- tage treten, durchaus nicht immer erfreulich sein, so zeugen sie doch von einer jugendlich kräftigen Entwickelung, durch die die studentische Freiheit hat notwendigerweise bindurchueben müssen, und es gilt von die sen Dingen wirklich: „Es ist ein groß Ergötzen, sich in den Geist der Zeiten zu versetzen." * * Ka-tlä» AmnndsenS neue Polarsahrt. Ter bekannte norwegische Polarforscher Kapitän Amnnbsen, ehemals der Leiter der berühmten (Ma- Expedition, die zuerst daS Problem der Nordweslpassage löste, hat jetzt der Geographischen Gesellschaft in Chrisliania seinen Plan zu einer neuen arktischen Expedition vorgelegt. Amundsen beabsichtigt fünf oder sechs Fahre lang im I Schsteu Norden zu bleiben, um hier die Ozeanographie deS nördlichen Polar- beckenS zu s'ndieren. Die erforderlichen Mittel für die Mission werden vom norwegischen Volke aufgebracht; da- KönigSpaar Hai bereits 22 400 X gestiftet. Als Fahrzeug wird Amundsen die neunmgebaute „Franc" benutzen, mit der Nansen bekanntlich in den Jahren 189'!—96 sein? große Reise machte und die sich noch in ausgezeichneter Verfassung befindet. Der Plan deS Unternehmens sieht eine vollkommene Ausrüstung und Verproviantierung iür sieben Jahre voraus: zu Beginn des JavreS 1910 soll die Expedition Edristiania verlassen und über das Kap Horn .Kurs nach San Francisco nehmen. Nach Ergänzung der Kohlenvorräte in San Francisco geht die „Franc" sofort nach dem nördlichsten Punkte Amerikas, der Barrowchitze, wo Amundsen im Juli oder August einzutressen bösst. Hier soll die Mannschaft bi§ auf zehn aus- gewählte Leute entlassen werden; mit dein Rest beabsichtigt Amnndsen so weit als möglich nach Norden vorzustoßen, bis daS Fahrzeug vom Eise ergriffen wird und einfriert. Die „Franc" wird dann voraussichtlich 4—5 Jabre im Esse treiben und wahrscheinlich dabei einen Weg nehmen, der ein gut Teil nördlicher parallel mit der Route Nonsens verläuft. Gegenüber dem Korre spondenten eine- englischen BlatteS bat sich Amnndsen über seine Pläne anS. gesprochen: „Meine Exvedition ist nicht in erster Linie geographisch und es ist nicht mein höchster Ehrgeiz, den Nordpol zu erreichen. Selbstverständlich wer den alle Länder, denen wir vielleicht begegnen, erforscht und tartogcapbisch ans- genommen. Je weiter unS LaS Treibeis nach Norcen führt, um io besser. Cs ist keineswegs ausgeschlossin, baß ich dann einen direkten Vorstoß nach dem Nordpol versuche und mit efner Echlittenexpedition daS Schiff verlasse." Amundsen batte ursprünglich beabsichtigt, als Zugtiere für die Schlitten üott der üblichen Eskimohunde gezähmte Eisbären zu verwenden, die ungleich stärker und ausoanernder sind als die Hunde. Mehrere Eisbären waren auch Hagenbeck in Hamburg zur Abrichtung übergeben worden, aber die Er ziehung schritt nur langsam voran nnd erfotdcrte Jahre. Dabei akklimatisieren die Eisbären sich an Las südlichere Klima und verlieren die Fähigkeit, wieder in den arktischen Regionen zu leben. Zwar wird die Dressur der Lic-bären fort- gesetzt, aber lümnnbien rechnet doch damit, schließlich aus die.Hunde zurückgreisen zu müssen. „Der Hauptzweck der Expedition ist die Ersorichung des großen tiefen PolarbeckrnS. Während früher eine Anzahl von Expeditionen auszog, di» sich die Entdeckung und Erforschung neuer Landstriche zur Hauptaufgabe gestellt hat, sind seit der Mitte des veigangencn Jahrhundert? mehrere Missionen ausgejandt worden, die die Erforschung der MeereSuerhältnisie zu ibrem Hauptziel erwählt hatten. Auch die erste Expedition der,.Fram" hat auf vielem Gebiete Ausgezeichnetes geleistet. Wenn eS Nansen trotzdem nicht gelang, alle Rätsel deS Polarbaisins zu lösen, so lag da« zum großen Teil an den damals noch unvollkommenen ozeanographischen Arbeitsmethoden nnd an der beschränken Leistungsfähigkeit der Instrumente. An die Erfahrungen meiner Vorgänger anknüpfend und mit den ausgezeichneten Apparaten, dir mir zur Verfügung sieben, hoffe ich vieles aufzuklären, was unS bislang noch unbekannt geblieveu ist. Wir werden sowohl die Form als auch die Diese des Meeres erforschen. Nansen erwartete eine verhältnismäßig flache seichte See zu finden, aber fein Schiss passierte Tiefen von über 4000 m. Wir, die wir einen andern Kurs nehmen, werden vielleicht auf noch größere Tiefen stoßen und dabei möglicherwesse Intel« nnd größere Landstriche vocfinoen. Die Ränder des Polarveckens sind ähnlich denen der Nordsee, sehr steil nnd abschüssig. Zwilchen den Meeresgrenzen und dem Lande liegen oft flache Bänke von wechselnder Breite. Bemerkenswert ist vor allem der große Landstreifen gegen das nördliche Sibirien; hier sind die flachen Meeresstellen von größerer Ausdehnung als in jedem anderen Dell der Welt. Die dem nördlichsten Amerika zustrebcnden Landteile sind noch völlig unerforscht. Nausen vermutet eine» großen unterseeischen Grat vocr Klippen zwischen dem nordöstlichen Grönland uud Epchberoeu, der ds» tief«« Stell« der »-etlichen und der Polarmrrn trennt. Alle diese Fragen soll« genau untersucht werden, wie auch die Flutverhältnisie nud die Meeresströmungen und der Einfluß der El-Verhältnisse ans da» Tier- und Pflauzeulebeu. Auch meteorologische und magnetische Forschungen werd« stattstnd« «d besondere Untersuchungen werden daS Wesen de» Nordlicht» zu ergründen tracht«." * „Mark Twain G. «. h. H.* All« New York wird berichtet: Um seine beiden Töchter vor dem literarischen Freibeutertum, da« iu Amerika in höchster Blüte steht, zu schützen, hat Samuel CtmeneS, der große Humorist, eine „Mark Twain G. m. b. H." gegründet, deren Teilhaber ein gesetzliche» B-rbot der Ver öffentlichung von Büchern Mark Twain» ohne Erlaubnis der Grsellschast durch- zusetzen suchen werden, auch nachdem die erste zwanzigjährige Urheberschutzveriode abgelausen ist. Tic Gesellschaft ist mit einem nominellen Kapital von 2(XX)0 >6 begründet, die Aktien lauten jetzt olle uoch auf Mr. Clemens Namen, werden aber nach feinem Tode gleichmäßig unter di« beide» MrS. Clemens, seine ein zigen Erden, verteilt werben. Daß Mark Twain den literarischen Schutz seiner Werke wirklich durchsetze» kann, wird vou vielen bezweifelt. Ebenso wie die ausländischen Autoren von den Amerikanern seit Jahren ungeniert ausgebeutet werden, wird e» sich auch Marl Twain gefallen lassen müssen, daß fein geistiges Eigentum mit nicht größerem Respekt behandelt wird. * Die EutScckuu» frühchristlicher Gräber t« südliche« Aegypten. Urber dir Ansfiuoung frühchrtuitcher lleberrriie tu Wad Ei-Habad am flauen Nil, wenige Meilen nördlich von Srnnar, hat Professor Eayce jetzt interessante Mitteilungen gemacht. Bei der Anlage der Fundamente für ein neue» Haus wurde eine Reihe altertümlicher Gräber gefunden, die mehrere mit den Füßen nach Oüen liegende Skelette enthielten. An den Köpfen der menschlichen Relle sand man eine Anzahl interessanter alter Töpferwaren, Geläße nnd Krüge, die alle ausgezeichnet erhalten waren. Die Schüsseln bestanden zum größten Teile aus einem dunklen Lehm, der anmutige Verzierungen nubischer Art zeigte. Bei einem fand man da- alte koptische Kreuz, das auch innerhalb der Mündung der Gesäße wieserkehrle, hier begleitet von zwei alten christlichen Sym» boien: dem Fische nnd dem Palmenzweig. Einer der Krüge zeigte am Haise die Marke eines Maurers; rin anderer aus rötlichem Malerin! besaß Handgriff und Tülle. Eine Vergleichung dieser keramischen Gegenstände mit anderen, die zwischen dem elften und zweiten Kamratt an den Stätten alter nubischer Siedelnngen ausgefunden wurden, läßt erkennen, baß die neuausgefundenkn Sachen dem siebenten oder achten Jahrhundert n. Cb. angeboren. Das Interessante an dieser Entdeckung ist die Feststellung, daß das Christentum in jenen Zeiten so weit bis nach Süden vorgedrungen war; man kann damit rechnen, daß weitere Forschungen in der Nähe des Blauen Nils neue Beiträge zur Klärung dieser interessanten Fragen liefern werden. Die Geschichte des Christentums in jenen südlichen Gegenden liegt heute noch im Haibdnnkel und gewinnt mit diesen Funden wichtige neue Anhaltspunkte. Etwa eine Viertelstunde von Len Gräbern entfernt befinden sich zwei alte Wälle, die von den Eingeborenen LaS „Haus des Anak" genannt werden und die zweifellos die Stätte bezeichnen, wo ehedem ein christliches Gotteshaus nnd Kloster sich erhob. Weitere Ausgrabungen würden wahrscheinlich christliche Inschriften zu tage fördern. Die letzt acssgesnndenen Gegenstände sind dem Museum in Kl artum überwiesen worden. — Bon Funden wissenschaftlicher Bedeutung, die in eine noch frühere Epoche zurückgehen, wird uns aus Bayern berichtet: Bei Lickten- selS in Oberfranken wurden, wie uns ein Privatlelegramm unseres ^.-Korre spondenten meldet, prähistorische Siedelnngen und Werkzeuge ans der Metallzeit gefunden. * Hochschnlnachrtchten. Der 26. Kongreß für innere M«diztn findet vom 19. bis 22. Apii! 1909 in Wiesbaden statt. Mit dem Kongreß ist eine Ausstellung von Präparaten, Apparaten und Instrumenten verbunden. — Der Altphilologe ordentlicher Professor Dr. Bruno Keil bat einen Ruf nach Göttingen als Nachfolger von Professor E. Schwartz «halten. — Der Assistenzarzt Dr. O. Neubauer in München habilrtierte sich daselbst für innere Medizin. — Ter ordentliche Honorarvroleffor an der philosophisch«n Fakultät in Bonn Dr. Karl Schaarschmidt, früher Direktor der Bonner Universitätsbibliothek, ist im Alter von 80 Jahren gestorben. Seit Ostern 1901 war er emeritiert. Er hat der Bonner Universität nahezu 60 Jabre angebört. — Aus Madras wird telegraphiert: Hier ist der ordentliche Professor der Berliner Universität Geh. Liegierungsrat Dr. Richard Ptschel, Direktor des Indogermanischen Seminars, nach schwerem Leiden gestorben. Der Gelehrte batte vor einigen Monaten eine wissenschaftlich« Reise »ach Indien angetreten, Li- ihn während des Winters von der Heimat fernhalten sollte. * Kleine Wronik. Wir entnehmen unser heutiges Feuilleton mit freund licher Erlaubnis der „Akademisben VerlagSgrselljchast", Leipzig, dem dort er- schienrnen neuen Werke von Lvante Arrdrniu« „Das Werden der Welten", daS mit seiner exakt wissenschaftlichen Behandlung der einschlägigen geologischen Fragen gerade jetzt doppelt interessiere» wirb. — Im Hof- und Nationaltheater in Mannheim findet um 83. Januar 1909 die Uraufsühruug von „Don Juauito", Komödie i» 4 Akten, von OSear A. H- Schmitz statt. Gerichtssaal. Reichsgericht. ru. Leipzig, 28. Dezember. Die heilkräftige« Insekte«. Bon» Landgerichte Deggendorf ist am 22. August der Heilpraktiker Michael Scheller weg« Körperverlrtznng in zwei Fällen zu 2 Monaten 20 Tage» Gefängnis verurieilt worden. Srik seinem 17. Jahre behandelt er gewerbsmäßig lärm- und Beinbrüche. Er hat bei seinem Baier gelernt. Seine anatomischen und physiologischen Kennt nisse sind sehr gering. Bon Anti- und Asepsis weiß er gar nicht», heißt r« im Urteile. Der Gemeindeschreiber B. batte eine Ent- zündung an einem Fing« der link« Hand. Al« di« Schwellung schon sehr grob war, zog er den Angeklagten zu Rat«. Line» Arzt wollte er nicht nehmen sowohl wegen der weite» Entfernung, al« weil er sich vor dem Schneiden fürchtete. Ter Angeklagte versprach Heilung in vier Woche« und gab eine ölige Flüssigkeit znm Eturriben, auch eia Rezept zur Bereitung einer Salb« von Wachs, Rindsmark usw. Al« Sch. zum dritten Male kam, war die Beule ausgezangra. Er drückte d« Etter heran« nud erklärte das Leid« für Brand. Dieser werde aber bald heil«. Dann verschrieb Sch. Milchbäder. Er eik ärte auch, daß ein Fing« wohl steif bleibe» werd«. Al« er zum vierten und letzten Male kam, brachte er ein« Flüssigkrü mit, iu die er zur Erhöhung der Heilkraft zwei glänzende Insekten gesteckt hatte. Wegen der großen Schmerzen konnte die Flüssigkeit nicht angewendet werde». Schließlich zog B. doch einen Arzt zu Rat«, der Eit« »ad wilde» Fletsch be teiligte und dadurch die Schmerzen erträglich machte. Sämtliche Fing« cer Hans sind unbeweglich geworden infolge dauernder Verwachsung unb Verzerrung der Sehnen. Die ganze Behandlung de« Angeklagten, so heißt cs im Urteile, war wertlos; sein« Mittel schadeten und nützten nicht« Das einzig wirksame Mittel wäre gewesen, eia« Einschnitt zu mache»; dann waren Schmerzen und Geichwulst sosort geschwunden nud die Heilung wäre ohne Verkrümmung von statten gegangen. Bet einer weiblichen Person hatte Lcr Angeklagte die Heilung riucs zersplitterten Oberschenkelknochens obernommc-i und die Heilung dadurch verzögert, daß er da« Bein zu lange im Verbände liegen ließ —In seiner Revision machte der Angeklagte geltend, er habe nicht zu der Einsicht gelangen können, Laß er bi« Bekandlnng nicht über- nehmen dürfe. — Tas Reichsgericht hielt die Fahrlässigkeit für oiisreichenv fest gestellt und verwarf die Revision. RSnigliches Landgericht. Ein Fahrraddieb. Der M Jahre alte Arbeiter Johan« Friedrich Mahn, aus Kalkreuth cm Plauenschen Grunde stammend, ging am 25. Oktober durch Zötsmen. Dabei sah er vor einem dortigen Gastyanse ein Fahrrad steben, er schwang sich hinaus und fuhr davon. Unterwegs traf er einen Mann, dem er das Rad zum Kaufe anbot, und zwar ver anlaßte er den Fremden dadurch, ihm das Rad, das einen Wert vou 60 .X hatte, abzunehmen, daß er nur 10 ^l dafür forderte und ihm er zählte. er sei krank und brauche ganz nötig Geld, da er sich in Leipzig in» Krankenbaus aufnehmen lassen wolle. Der Bestohlene erstattete Anzeige von seinem Verluste und M. wurde hier in Leipzig festgenonnaea. Von der dritten Strafkammer des Landgericht» wurde M., der wegen Dieb stahls und RückfallsdicbstahlS bereit» oft mit Gefängnis- und Zucht hausstrafen belegt worden ist, zu einem Jahre Zuchthaus ver urteilt. Tie bürgerlichen Ehrenrechte wurden dem Angeklagten aus die Dauer von fünf Jahren aberkannt. Eine unverbesserliche Dieb«». Das 22 Jahre alte Dienstmädchen Anna Frieda Lenk ist wegen Eigen tumsoergehe» schon verschiedone Male bestraft worden, darunter auch mit einer Zuchthausstrafe vo« 1 Jahr 6 Monaten. Sie hat gegenwärtig in Braunschweig eine Ge fängnisstrafe von 5 Monaten wegen Diebstahls abznbüßen, z» der sie am 11. Novemoer vom dortigen Landgericht verurteilt worden ist. Im vergangenen Sommer war die L. in einem hiesigen Restaurant bedienstet, und da hat sie am 26. August die günstige Gelegenheit wahrgenommrn, um einem anderen Dienstmädchen aus deren Kotter die Ersparnisse in Höh« von 22 ä« stehlen. Tas Geld hat sie dann in ihrem Nutzen verwendet. Die geständige Angeklagte wurde wegen RückfallödiebstahlS unter Anrechnung von 11 Wochen der erlittenen Untersuchungshaft nnd Einrechnung der fünfmonatigen Gefängnisstrafe zu einem Jahr acht Monaten Zuchthaus nnd zum Verluste der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von drei Jahren verurteilt. Vermischtes. Ueberatt große 2(älte. AuS den verschiedensten Gegenden, nicht nur Deutschlands, kommen Meldungen über einc strenge anhaltende Kälte. Die Berichte lauten: Aus HarzburzrBom Oberharz wirs gemeldet, daß dort eine Kälte herrscht wie mau sie seit Jabre» nicht erlebt bat. Das Barometer zeigte gestern vormittag in TorfbauS 2l Grad Celsius unter Null. Der Schnee liegt sußboch. — In Oberhof (Thüringen) betrug die Schneehöhe gestern früh 30 ow bei 13 Grad unter Null. Au« Hamburg: Die Oberelbe bi« Warwisch ist gester« end gültig znm Stehen gekommen. Mehrere Schleppzüge sitzen im Eise i« gefährlicher Lage fest und warten EiSbrecherhclfe ab. Bei Zollen spieker wird am heniigen Mittwoch der Fußgängerverkehr über die Elbe freigegebeu. Der Frost dauert an. 14 Grav Reaumur. Ferner au« Los do«, 29. Dezember: Die strenge Kälte hält in ganz Großbritannien au. In London fällt seit dem früh« Morgen ununterbrochen Schnee. Au« alle« Teilen de« Landes lausen Nachrichten ein, daß die Eisenbahnzüge im Schnee stecken ge blieben sivv. Der Zug, der gestern abend vo« Aberdeen «ach London abgehen sollte, konnte der Schneeverwehungen Wege» nicht abgelafsen werde«. Mit einer Reche anderer Städte m Schottland ist ebenso der Verkehr ab geschnitten. Eine ganze Anzahl von Per sonen ist erfröre». H- Kampf mit eine« Wahnfinnigen ans einem Klrchtur«. Ein« ans- regende Szene ereignete sich am 2. WeihnachtStage in dem Orte Schwarzenbek bei Hamburg lurz vor dem Bcgmn des Gottesdienstes. Infolge übermäßigen AlkoholgenufseS war em junger Ackerkw cht uamen» Dähn, ein sonst ruhiger nnd stiller Mensch, plötzlich wahnsinnig ge worden. Er drang in die kleine Kirche, stieg im Turm biS zu den Glocken empor, begann wild zu läuten und brachte daS Nrwerk in Un ordnung. AlS der Kirchendiener nach der Ursache forschen wollie, geriet er in erne verzweifelte Lage. Dem Irren gelang es, den Kirchendiener im Turme einzuiperrerr, und nun begann zwischen beiden ein Kampf auf Leben und Tod, da der Irre den Kirchendiener zu erdrosseln ver suchte und ihn au« dem Turmfenster werfen wollte. Schließlich ge lang eS dem Bedrängten zu e»tkommen und die Polizei Herbeizitrufe«. Jnzwttchen hatte der Wahnsinnige de« 52 Meter hohen Turm erstiegen «od ließ au» den von ihm geöffneten Turmseustern ein schreckliche-, gellende- Geschrei ertönen, wöbe, er selbst iu die Gefahr geriet, in die Tiefe zu stürzen. Da die Polizei nichts ausrichten konnte, weil der Irre die Turmleiter hockgezogen hatte, so mußten Mannschaften der freiwilligen Feuerwehr beordert werden, denen e- mit großer Mühe gelang, den Unglückliche« i« schwindelnder Höhe zu sesselu uud vom Turm zu transportiere». Er wurde in« AmiSgericht-Aeläugni« adaesührt. Bluttaten. Au- Breslau wird depeschiert: Eine schwere Bluttat wurde iu Rückert« bei Bad Reiuerz verübt. Der Glas,chleifermeister Kreisel geriet mit dem Gla-schleifermecster Hauk in Streit, wobei Kreisel den Hauk leben-gefährlich verletzt«. Ei« Nachtwächter, der hinzukam, wurde von Kreisel i>-Herz gestochen, so daß er tot zusammenbrack. Der Mörder wurde verhaftet. — Ferner w rd an- Köln berichtet: Im Walde bei Hingenberg wurde die 19jährige Tochter de- Schuhmacher- Neubau- ermordet ausgefunden. Neben der Leiche lag ei» Lerreuhaudschuh. DaS Mädchen war zuletzt in Begleitung eine- Schaffner« gesehen worden, der seit vorgestern ver schwunden ist. Eisenbahnteamle al- Dtete. Au» Land »berg a. d. Warthe wird gemeldet: Seit langer Zeit waren systematisch die Eilenbahn- Waggon- und Güterschuppen de« Bahnhöfe« Schneidemühl bestohlen worden. Jetzt sind LV Eiseabahnbeamte al- Diebe ermittelt. Diese haben Warenposten waggonweise entwendet. Der Rtesenschwiudkl, der am 19. Dezember von Münch n aus mit anonymen Briesen über aa") Deutschland ins Werl gesetzt wurde, soll uuu, nachdem der erste Schlag kläglich mißlungen ist, anscheinend aus andere Weise sruktifiziert werden. Vom Uuionverlag in München ging nämlich dem Warenban« 8. Pintbu« in Erfurt folgendes Schreiben zu: „Durch die Tagesprcssea werden Sie vernommen baben. welche- Aussehen der anonym erschienen« Roman „Doppelte Moral" in der Oeffentlcchkeit erregt bat. Es liegen hier eine Unzahl von Kausgesuchen vor, die jedoch nicht auSgesührt werden können, weil meine AuSlieferuugS - Kommissionärin dort, die Speditionsfirma Carl Reiber (Inh. M. Banmaarte») die weitere Abgabe verweigert bat. Der Roman „Doppelte Moral" selbst ist, nachdem er beichlagnabmt gewesen, wieder ft ei gegeben und siebt dem Berlänfe beute nichts mcbr im Wege. Die Nachfrage wird bei entsprechender Publikation in den dortige» Tageszeitungen eme unverhältnismäßig große sein, weshalb ich ansrage, ob Sie den Verkauf zu irbernebmen gesonnen sind. Ich wüide, um schleunigst zu räumen, das Werk statt 7,50 -E für 0,75 pro Exemplar netto, ohne allen Abzug bergeben, wobei Sie als Verkaufs preis 1 nehmen könnten. Dadurch würde bei entsprechender Rellame in den dortigeu Tageszeitungen der dort lagernde Vorrat von etwa (?) innerhalb weniger Tage vergriffen lein, wa« für Ihr geschätzt S HauS sowohl «ne Reklame, wie nicht minder ein annehmbares Ge- lchaft bedeute» würde. Weitere Nachlieferungen könnten auf Ver langen geschehen. Erbitte umgehenden, event. telegraphischen Bescheid." Zur faktischen Berichtigung muß hierzu bemerkt werden, daß nicht der Roma» von der „Doppelten Moral", sonder« der sulmi- nante Schwindel, mit dessen Hilse der Uuionverlag in Münirn den Roman an den Mann bringen wollte, Aufsehen erregt hat. Nach dem in Ausstattung uud Inhalt gleich jämmerlichen Machwerk kräht kein Hahn. Uebrigen« beweist der betrieblame Verlag mit diescm neuen Vorstoß abermals eine nicht alltägliche Unklugdeit, dre geeignet ist, den Betrug vom 19. Dezember erst ins rechte Licht zu rücken. Mit der Herabsetzung deS Preise- vou 8,50 Mark auf eine Mark demonstriert der Verlag selbst mit rührender Naivität, in welchem Maße die Empfänger deS schwindelhaften anonymen Briefes übers Ohr gehauen Werren sollten. Die Firma L. Pinthus hat das verlockende Angebot des Münchener Berlages kurzerhand abgeschlagen. Ium MatNjer Mor», über den wir ausführlich berichtet haben, wird au- Prag gemeldet: Die m Mainz ermordete Familie Racke staud in näheren Beziehungen zn österreichitche» Klerikern. Die von ihrem Bruder ermordete älteste Schwester war Gouvernante im Haus« de- österreichische» Thronfolger« Erzherzog Fran; Ferdinand. Eine Mihgeburt. Au- Petersburg wird dem „Berl. Ta-cbl." berichtet: Im ärztlichen Verein zu Wologda wurde als seltener Fall einer Mißgeburt ei» Kind mit zwei Köpfen, vier Händen und drei Fügen gezeigt. Witterungsbericht vom Brocken am UN. Le,em»e». (Nachdruck verboten ) DaS Barometer tst tn den letzten »4 Stunden mn b Millimeter gefallen und die Külte hat an Intensität bedeutend zugenommen. So zeigte das Thermometer am 26. früh — 7,ö Grad, mittag» — 12,4 Grad und abend« S Uhr — 11,0 Grad LelsiuS. Nm Sonnabend hielt der dicht« Nebel tagsüber ohne sed« Unterbrechung an, und gegen IlZtz Uhr vormittag« trat leichter Schneefall ein, der bi» nacht« anhtelt. Detz Schneefall war nur gering und liefert« ungefähr 4,8 Millimeter Niederschlag, und d« Brockengipfel erhielt von neuem ein« leichte Schneedecke von 1—2 Zentimeter Höh». Um so tntenftver war di« Rauhrrilbildung, di« ein« Stärk« von fast 24 Zeniimct« angenommen hat und «inen prächtigen Anblick gewahrt. Am Sonntggdormcttgg herrscht« lebhafte« Nebeltretben, aber aus dem Brocken dauert e« eben immer lc.ng«, di« die dt«l« Feuchtigkeit und der viele Nebel, der sich um unseren Wetterbeeg a». sammelt, einigermatzen ^rftreut ist. Gegen 11 Nhr vormittags kon> die Sonne zum Durchbruch, der Wind flaute ab und die umliegenden Ortschaften wurden ltk kur,« Zeil sichtbar. Am 27. schwankte die Temperatur »wischen — 18,0 und — 17,0 Grap. In der letzten Nacht ging da» Minimumtdermvmeter auf dem Turm (Hütte) b!t aof Id Grad Kälte hinab. Heute vormittag 11 Uhr Wolkenmeer im Norden, Osten und Süden, dagegen tm Wellen grotzartige Fernsicht: der Südost hat stürmischen, böigen Charakter angenommen, das Barometer zeig! 87,4,6 Millimeter und die Temperatur — 1d,ü Grad. Der Touristenverkehr war an den drei WeihnachtSfeterkagen autzer» gewöhnlich stark, wie er seit Jahrzehnten zu Weihnachten noch nicht gewesen ist. Ungefähr über 1080 Touristen waren in den drei Tagen hier oben anwesend, um luen prachtvollen Mauhretfbebang zu bewundern 5er zunehmend« Wintersport und der Besuch de» Brockens finden immer mehr Anhänger, und bet den günstigen We^> Verhältnissen war der Slusslteg zum Brocken mit Leichtigkeit auStulahr«.
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