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Der Verkehr auf den Eisenbahnen, Dampfschiffen u. s. w. ist während der verflossenen Pfingstfeiertage ein großartiger gewesen. Dem Dr. Jl. zufolge sind von Sonnabend bis Pfingstmontag auf dem sächsisch-schlesischen Bahnhofe in Dresden circa 43,000 Personen angekommen oder abgereist. Die Zahl der während derselben Zeit auf dem Leipzig-Dresdner Bahnhofe von Dresden weiter beförderten und angelangten Passagiere beträgt 90,000. Die sächsisch-böhmische Dampfschifffahrt anlangend, so hat dieselbe von Sonnabend bis mit dem dritten Feiertag von und nach Dresden allein 255 Dampfschiffe expedirt und gegen 105,000 Personen befördert; mit Einschluß der Fahrten, welche Dresden nicht berührten, wurden während des Pfingst festes zusammen 275 Dampfschiffe abgefertigt. Die Pferdeeisenbahn beförderte während der beiden Pfingsttage zusammen 21,225 Personen. Dieser in solchem Umfange noch nie dagewesene Verkehr wurde bei allen Verkehrsanstalten mit nur ganz geringen Fahrplanabweichungen und trotz des oft ungestümen Andranges ohne jede» Unfall bewältigt. — Nach einer zwar nicht auf's Haar stimmenden, aber doch sicher nur ganz wenig von dem wahren Sachverhalt abweichenden Schätzung sind während des Festes auf den verschiedenen in Leipzig einmün denden Bahnen 38,000 Personen nach auswärts befördert worden. Und wie die per Dampfroß befahrenen Eisenbahnen, so hatte auch deren Schwester, die Pferdeeisenbahn, während der Feiertage keinen Mangel an Fahrgästen, vielmehr mußte sie alle ihre Kräste anstrengen, um den ihr zugemutheten Verkehr zu bewältigen; sie hat dies auch redlich gethan und innerhalb der 2 Festtage 24,000 Menschen befördert. Die sächsischen Staatsbahnen haben im Monat April gegen den gleichen Monat des Vorjahres eine Mehreinnahme von 222,000 Thlr. Der Landtagsausschuß zur Verwaltung der Staatsschulden macht bekannt, daß die AuSloosung königl. sächs. Staatspapicre, deren Rückzahlung planmäßig den 2. Januar 1874 resp. 31. Dec. 1873 zu erfolgen hat, am 16. d. M. und folgende Tage im Landhause zu Dresden stattsinden wird. Die am 30. Juni oder 1. Juli fälligen Kapitalien und Zinsen können bereits vom 16. d. M. an bei den bekannten Kassen erhoben werden. Lugau, 6. Juni. In der vierten Stunde des heutigen Nach mittags entlud sich über unserm Orte ein schweres Gewitter, verbun den mit furchtbarem Schloßenwettcr und starkem Regen. Das Wasser floß in Strömen von den Feldern und richtete daselbst sowie in Gär ten durch Verschlämmungen nicht unbedeutenden Schaden an. Am vergangenen Donnerstag den 5. Juni, Mittags halb I Uhr zog ein starkes Gewitter, von Schloßen und Hagel bis zur Größe von Haselnüssen begleitet, in der Richtung vonN.O. nach S.W. über das Dors Stelzendorf und schlug zweimal in Bäume und einmal in einen Blitzableiter ein; der Regen ergoß sich in Strömen uüd das Waffer hat daher an Feldern, Wiesen und Gärten durch Schlämmen nicht unbeträchtlichen Schaden angerichtet. Hartmannsdorf b. Burgstädt, 6. Juni. Heute in der dritten ! Nachmittagstunde überzog unsern Ort ein von heftigen Schlägen und strömenden Regen begleitetes Gewitter. Ein Biltzstrahl schlug in das früher Werner'sche jetzt Göhler'sche Bauergut und zündete. Nur das Wohnhaus konnte mit großer Muhe erhalten werden, 3 Gebäude find in Schutt und Asche gelegt. Der Besitzer halte wegen Ver größerung des im Wohnhaus befindlichen Kuhstalles seinen ganzen Viehbestand in der Scheune stehen, in welche der Blitzstrahl fuhr und es lediglich den daselbst beschäftigten Arbeitern zu verdanken, daß das Vieh gerettet worden ist. Der „Dresdner Anzeiger" meldet: Wie von vielen Seiten ver- muthet worden ist, läßt sich bereits jetzt übersehen, daß eS sich noth- wendig macht, nach den neuerlichen Dcrathungen und Beschlußfassungen in Berlin an unsern kürzlich erst publicirten Verwaltungs-Organisa tionsgesetzen auch hinsichtlich der preßpolizeilichen Bestimmungen Manches abzuändern und mit den Rcichsgcsetzcn in Einklang zu bringen. Demgemäß wird unter allen Umständen erst die Publikation der letzteren abzuwarten seien, ehe man den Anlaß der Verordnung zu Ausführung unserer Gesetze, resp. an letztere selbst denken kann. Hoffentlich bringt der im Herbst zusammenlretendc Landtag, zu dessen Aufgaben unter andern: auch die Berathung und Feststellung der Etats der neuen Verwaltungs-Behörden gehören wird, nicht neue Verzögerung in diese Reorganisations-Gesetze. Aus dem im Reichstag vorgelegten Gesetzentwurf, betreffend den Antheil des ehemaligen Norddeutschen Bundes an der französischen KricgSkostcn-Enlschädigung, ist ersichtlich, daß in Sachsen aus diesen Geldern folgende militairische Bauten ausgeführt werden sollen: ein Reservemagazin in Großenhain 60,000 Thlr., ein Getreide- und Mehlthurm in Leipzig 75,000 Thlr., ein Körnermagazin in Dresden 40,000 Thlr., eine Jnfanterie-Caserne in Leipzig 500,000 Thlr., eine Infanterie Cascrue in Bautzen 250,000 Thlr., Erweiterung des Land wehr-Zeughauses in Zittau 40,000 Thlr., ein Garnisonslazareth in Bautzen 50,000 Thlr., ein Garnisonslazareth in Zittau 20,000 Thlr., ein Garnisonslazareth in Meißen 10,000 Thlr., zum Neubau von Train-Wagenhäusern in Dresden 30,000 Thlr. Der Reichstag hat nicht Lust, sich mit Festsetzung der alljähr lichen Feier eines deutschen Nationalfestes zu befassen. Ueber zwei hierauf gerichtete Petitionen ging derselbe „in Erwägung, daß zwar der Wunsch der Petenten für gerechtfertigt gehalten werde, daß aber die Anordnung ciucs solchen Festes durch die Neichsrcgier- ung nicht angemessen erscheine," zur Tagesordnung über. In den Kreisen Berliner Bürger, deren Kinder höhere Schulen im Orte besuchen, wird eine Agitation vorbereitet, welche darauf ge richtet ist, die häuslichen Privatarbeiten dieser Schüler bei 32 regelmäßigen Schulstunden in der Woche auf ein geringeres Maß zurückzusühren. Aus Bayern. Unsere ultramontanen Blätter erheben über die Beseitigung von Thiers und die Erhebung des Marschalls Mac Mahon zum Präsidenten ein überschwengliches Triumphgeschrei. Sie proclamiren nichts weniger als die bevorstehende Weltherrschaft der Ultramontanen. In Frankreich selbst soll es zunächst zu einem blutigen Kampf kommen und die Republikaner sollen ein für alle Mal niedergeworsen werden, um dem clericalen Königthume Platz zu mache». Dann geht es über Italien, wo der Kirchenstaat wieder hergestellt wird, der traurige König Victor Emanuel wird hinwegge- fegt. Dem Fürsten Bismarck fährt es in die Nerven, daß er sich nach seinen: Varzin zurückziehei: muß, um sich von den: Schlage zu erholen, der seine Pläne getroffen hat. „Die Revolution," hieß es, „wird sich nicht auf Frankreich und Italien allein beschränken; die Pforten der Hölle werden sich überall öffnen; aber den Fels, der da ist die katholische Kirche, (nämlich der Papst und die Jesuiten), werden sie nicht überwältigen. Wir stehen an: Vorabend großer ge waltiger Ereignisse, am Ufer eines Meeres von Thränen und Blut. Aber Jenseits erwartet uns ein Eiland des Friedens, der Triumph der Kirche und Gerechtigkeit." — So fromm christlich denken und hoffen diese Leute: ein Meer von Thränen und Blut soll ihnen die Herrschaft verschaffen! Aber wir denken, Vic Stürme, welche in Frankreich allerdings nach bevorstehen, werden das gerade Gegentheil herbeiführen. Was will diese Präsidentschaft MacMahon bedeuten? Die drei mvnarchischen Parteien (Legitimisten, Orleanisten und Bono- partisten) haben sich verbunden, dadurch in der Nationalversammlung gegen die Liberaicn eine Mehrheit von 30 Stimmen erlangt und den Präsidenten Thiers hinweggestimmt. Wie soll es nun weiter gehe»? welche von den monarchischen Parteien soll die Erbschaft antrele»? Jeder weitere Schritt zur Monarchie setzt sie unter einander selbst ans den Kriegsfuß. Es ist ein offenes Geheimniß, daß die parlamentarische Ver schwörung in Frankreich, durch welche Thiers gestürzt worden ist, die Jesuilen und Rouher, der Vicekaiscr unter Napoleon, geleitet haben. In der ersten vertraulichen Abstimmung der Sieger wurde der Herzog von Aumale, der Orleanist, mit 218 Stimmen zum Präsi denten der Republik gewählt, während Mac Mahon nur 110 Stim men erhielt. Da erklärte Rouher, daß die Bonopartisten die Wahl Aumale's nie zugcben würden. Entbehre» konnte die Sippschaft die Bonopartisten nicht, sie wählte daher Mac Mahon. So zeigte sich schon im Anfang, daß die Bonopartisten das ausschlaggebende Züng lein in der Wage sind und sie verstanden es, ihren Anhänger Magne als Finanzministcr in die Negierung zu bringen. MacMahon scheint übrigens keine Lust zu haben, vollständiger Statist zu sein. Ais Broglie, dec Ministerpräsident, sammt Genössen ihm verbieten wollte, am geheimen Ministerralh Theil zu nehmen, erklärte der Marschall entschieden, daß er als Haupt der Regierung von allem, was in sei nem Cabinet vorgehe, vollständig unterrichtet jein müsse, und drohte mit seinen: Rücktritt. Was Mac Mahon eigentlich ist? fragen die Engländer. Vor Augen liegt nur, was er gewesen ist: Legitimist, Orleanist, radikaler Republikaner, Imperialist^ conscrvativer Republikaner, vor und bei allem Macmahonist, Held, Biedermann, der auf seinen biedcrmäuni- schen Säbel gestützt so ehrlich ist, daß er die Hauptrolle in einer Jntrigue spielen konnte, die den schlauesten Jntriguanlen, den scharf sichtigsten Staatsmann unserer Zeit, den mit allen diplomatischen Hunden gehetzten Thiers täuschte, übertölpelte, stürzte. Alles das ist Mac Mahon gewesen, und wenn das noch nicht genügt, um ihn zum Gesellschaflsretter zu machen, so kann seine bessere Hälfte für ihn eintretcn. Frau Mac Mahon, die Napoleon'sche Herzogin von Ma genta war eine Busenfreundin der Kaiserin Eugenie und ist wie diese halb Spanierin, halb Französin; sie ist sehr ehrgeizig, sehr fromm, sehr lebenslustig und sehnt sich nach den Fleischtöpfen der Tuilerien- feste zurück. Auf ihren Herrn und Gemahl übt sie den größten Ein fluß. — Wer hinter dem Helden von Wörth und Sedan steht? Der Graf Chambord, der Graf von Paris, Prinz Lulu, die Monarchie, die Republik, Gambetta oder Thiers? Warum sollte Mac Mahon nicht selbst hinter Mac Mahon stehen? (H. Drfzlg.) Die französische Eitelkeit fühlte sich nicht wenig durch die Sen sation geschmeichelt, die der Sturz Thiers im Auslande hcrvorgerufen hat, giebt übrigens die berubigende Versicherung, daß man im Augen blick von dem Marschall Mac Mabon so wenig einen Revanche- kr:eg oder das Betreten einer durchaus klerikale» Bab» zu befürchten habe, wie von seinem Vorgänger. Wäre Frankreich erst wieder zu Kräften gekommen, um überhaupt einen Krieg gegen Deutschland führen zu können, so werde es ihn unternehmen, möge Mac Mahon oder Thiers, möchten Republikaner oder Monarchisten am Ruder sein. Gänzlich fern liege dem jetzigen Ministerium eine Einmischung in die ultramontanen Händel, die zu politischen Verwickelungen mit Deutschland, Italien und Spanien führen müßten, während es nicht einmal stark genug sei, um gegen die Republik Vorgehen zu können. Es ist also zunächst gar keine Veranlassung zu ängstlichen Besorg nissen gegeben und hinter dieser dankenswerlhen Aufklärung, wie cs scheint, der Wunsch verborgen, die von den Mächten noch nicht be wirkte Anerkennung der neuen französischen Negierung möglichst be schleunigt zu sehen. Die Absetzungswuth der neuen französischen Regierung sucht ihre Opser nicht blos in den Kreisen der Verwaltung und Justiz; denn, wie ein ihr nahestehendes Blatt in vollem Ernste versichert, ist auch