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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebentel)» und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags und kostet vierteljährlich 10 Ngr. — Jnseratcnannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag. ä? 94. Freitag, den 28. November 1873. Tagesgeschichte. Zur größeren Sicherung und Beschleunigung der Päckcrcibeför- derung Hal das General-Postamt Formulare zu „Post-Packctadrcsscn" Herstellen lassen, welche sowohl für gewöhnliche Packele, als auch für Packele mit Wertangabe oder mit Postvorschuß und für recomman- dirte Packele zweckmäßig an Stelle der bisherigen Packel-Begleitbriefe benutzt werden können. Die Post-Packetadressen, aus gelbem Carton- papicr und in der Größe der Postanweisungen, werden zum Preise von Z Pfennigen für 5 Stück bei sämmtlichcn Postanstaltcn zuin Verkaufe bereit gehalten. Auch sind die Briefträger, Landbriefträger und Packctbcstcller mit Vorräthen von Post-Packetadressen versehen, um dieselben auf Verlangen an die Correspondenten käuflich abzu lassen. Den Correspondenten ist unbenommen, sich die Packetadrcsscn auch selbst Herstellen zu lassen. Die Adressen müssen aber an Farbe, Stärke, Größe und Vordruck den amtlich hcrausgcgcbcncn Formula ren genau entsprechen. — Die Post-Packetadressen sind, nach Art der Postanweisungen, mit einem Coupon versehen, welcher von dem Ab sender zu schriftlichen oder gedruckten rc. Mitthcilungcn benutzt und von dem Empfänger abgetreunt werden kann. Die Ausfüllung deS Vordrucks auf dem Coupon: „Name und Wohnort des Absenders" ist in das Belieben des Absenders gestellt. Außerdem ist cs bei den Versendungen innerhalb Deutschlands nach wie vor gestattet, offene oder geschloffene Briefe mit in die Packete zu verpacken. — Durch Aufkleben oder Auheften auf die Packete kann ein zweites Exemplar der Packctadresse sehr zweckmäßig auch als Packclsignatur benutzt werden. — Die Anwendung der Post-Packetadressen wird im eigenen Interesse des Publikums dringend empfohlen. Insbesondere wird er sucht, dieselben während der bevorstehenden Weihnachtszeit möglichst allgemein zu benutzen. Von einem in Waldheim und Hartha bestehenden Comito ist in diesen Tagen eine Petition an die sächsische Ständeversammlung wegen Erbauung einer Eisenbahn von Waldheim über Hartha und Geringswalde nach Nochlitz auf Staatskosten gerichtet worden. In der Petition ist in ausführlicher Weise erörtert, daß namentlich die beiden Industriestädte Hartha und Geringswalde einer Eisenbahnver bindung bedürfen, wenn deren Bewohner in ihrer Strebsamkeit nicht erlahmen sollen. Leipzig, 25. Nov. Der nachstehende, gestern hier vorgckommcne beklagenswcrthe Vorfall mag der Jugend als warnendes Beispiel dienen. Kinder lieben es bekanntlich, in sitzender oder reitender Stell ung auf dem Treppengeländer aus den oberen Etagen hiuabzurutschcn. Dies gefährliche Vergnügen machte sich nun gestern Vormittag auch ein I5jähriger Knabe in dem Hause der Röder'schen Notcndruckerei in der Dörricnstraße, woselbst er in Arbeit steht. Er hatte jedoch dabei das Unglück, aus der 4. Etage in das Parterre hinabzustürzen und das Genick zu brechen; natürlich war er augenblicklich todt. Mittweida, 25. November. Gestern ereignete sich in der Lie- benhaincr Mühle der traurige Fall, daß ein dort erst seit Kurzem in Arbeit stehender Mühlbursche beim Weizenaufschütten von einem Treibriemen erfaßt und sechsmal um eine Welle herumgeschlcudert und dabei durch einen kaum V, Meter weiten Naum gepreßt wurde, wobei ihm ein Arm fast vollständig vom Leibe getrennt und ein Bein mehrmals gebrochen wurde. In diesem Zustande hat der Un glückliche noch zwei Stunden gelebt, ehe der Tod seinen Leiden ein Ende machte. Wie der „B. v. Geis." meldet, ist am 13. d. M. in Döbra bei Lauenstein die 20jährige Magd eines dortigen Gutsbesitzers, als sie einen Korb Aehren nach der im Gange befindlichen Dampfdreschma schine tragen wollte, auf dem nach derselben führenden Brette aus gerutscht, mit dem rechten Beine in das Getriebe gekommen und ist das Bein im Nu am Knie abgerissen und im Innern des Werkes zermalmt wurden. Die Unglückliche starb am Morgen des folgenden Tages. Da das Getriebe an der Maschine nicht verdeckt ist, wurde Seiten des Gerichtsamts vor der Hand der weitere Gebrauch dersel ben untersagt. In Frankenberg hat sich aus den angesehensten Einwohnern ein Wahlverein gebildet, der cs sich zur Ausgabe gemacht hat, bei Stadtverordneten-, Landtags- und Reickstagswahlen ausklärend auf das Volk zu wirken und den Sinn der Wähler auf die tüchtigsten Abgeordneten zu lenken, (Sehr nachahmenswcrth.) Das nächste deutsche Sängcrfest wird vom 8.—U.Aug. 1874 in München abgehalten werden. Da geht's ja zu wie in der Türkei! rief ein Franzose jüngst in der furchtbar lärmenden Nationalversammlung. Kaum war das Wort seinen Lippen entflohen, so erhob sich der Gesandte deS kranken Man nes in der Diplomatcnlage entrüstet und verließ das Haus. So muß man sich auch in der Zeit der größten Redefreiheit hübsch Um sehen, um seinen Nachbar nicht auf das Hühnerauge zu treten. Aus König Johann's Leben. Der „Dr. Anz." berichtet unter dem 23. November: Heute, am Todtensonntage, nachdem die irdische Hülle König Johann's seit nahezu einem Monat neben den Särgen der ihm vorangegangenen Wettiner in der Fürstcngrust ihren Platz gefunden hat, und die ernsten Klänge der Glocken mit ihren ehernen Zungen dem geschiedenen Landesherr» an vergangener Mittwoch den letzten Abschiedsgruß nachgetönt haben, dürfte cs an der Zeit sein, über einige — seither aus naheliegenden Gründen mit discretem Schweigen umhüllte — Episoden aus des Verewigten reichbcwcgtcm Leben zu veröffentlichen. Der Uhrmacher eines Gcbirgsstädtchens (Namen thun hier Wohl nichts zur Sache) war durch Krankheit und unversckuldcte Geschäfts verluste in zerrüttete VcrmögcnSvcrhältnisse gekommen und wandte sich, nachdem er mit Ansuchen um Dahrlchnen bei verschiedenen Capitalistcn stets abgcwiesen worden, da er keine Sicherheit für Rück erstattung zu bieten vermochte, an den König, wiewohl man ihm mit dem Hinweise abznredcn versucht hatte, daß Johann seine er sparten Summei ja in der englischen Bank, rc anzulegen pflege. — Doch nach wenigen Tagen schon traf incognito ein höherer Staats beamter im betreffenden Orte ein, erkundigte sich nach des Bittenden Leben und Verhältnissen und . . . zweimal vierundzwanzig Stunden später lagen dem hartbedrängten Manne achthundert blanke Thaler auf dem Tische, die er laut Obligation in vierteljährlichen Raten von 25 Thalern abtragen, den jedesmaligen Capitalrest aber zu 3 Pro- ccnt verzinsen solle. Dies Geld nun brachte dem Manne reichen Segen, denn trotz zahlreicher Familie und der sür seine bescheidenen Verhältnisse nicht unbedeutenden Rückzahlungen, zu denen er moralisch und juristisch verpflichtet war, kam er rasch wiedcr zu dem alten Wohlstände. So vergingen zwei Jahre, und es war just Weihnachten, als aus Dresden ein großes Schreiben mit der qnittirtcn Schuld verschreibung und allen eingezahltcn Raten nebst Zinsen, sowie einem Beglcitsbricfc ungefähr folgenden Inhalts einging: „Sc. Majestät hätten die Ucbcrzeugung gewonnen, daß Debitor ein ehrlicher Mann sei, der cs mit seiner Familie gut meine. Zu Nutz und Frommen der letzteren solle er das Geld verwenden; doch wünsche der König nicht, daß davon gesprochen werde." Bekannt ist die äußerst ersprießliche, gesetzgeberische Wirksamkeit, welche er während der dreißiger und vierziger Jahre in der ersten Kammer entwickelte. Einst kam Prinz Johann um die 2. Mittags stunde aus einer Sitzung und ging ohne Begleitung mit seinen Land tagsacten unter dem Arme über den Neumarkt. — Dort hatte eine arme, hochbetagte Frau sich einen Korb mit Gemüseabraum vollgcpackt und vermochte nicht, sich denselben auf den Rücken zu heben. Wohl waren schon mehrere Männer, vornehme und geringe, vorbei gegangen und hatten der Alten vergebliches Blühen gesehen. Doch Keiner hatte Notiz davon genommen; denn dem Einen war die Hilfeleistung zu despectirlich gewesen und die Andern hatte die Verlegenheit des Weibes gleichgiltig gelassen.