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sowie der Feuerwehr ist cs gelungen, dem weiteren Umsichgreifen des Feuers Einhalt zu thun. Trebsen, 13. April. Gestern Abend brach in dem nahe ge legenen Dorfe Oelschütz ein Schadenfeuer aus, das bei herrschendem Morgenwinde in solcher Rapitität um fick griff, das binnen einer Stunde 6 Gehöfte in Asche lagen. Aus dem Gute des Oeconomcn Hörig konnte auch nicht das Geringste gerettet werden, so daß Pferde, Rinder, Schweine und alles Geräth von den Flammen vernichtet wurden. Frau und > Tochter des Genannten konnten nur mit An strengung dem Flammentode entrissen werden. Der Preuß. Justizminister Leonhardt soll die Oberstaatsanwalt schaft aufgefordert haben, eine Untersuchung gegen Geh.-R. Wagener einzuleiten. Die ultramontane Westphälische Volkszeitung läßt sich aus Ber lin eine weitläufige Geschichte erzählen, wonach Bismarck nur des halb die Durchdringung der Kirchengesetze mit solcher Eile betreibe, weil seine Stellung bei Hofe durch die Camarilla untergraben, die Königin ihm feindlich gesinnt sei und jeden Augenblick das letzte Stündlein des Reichskanzlers schlagen könne. Die Kaiserin Augusta soll ihren Schmerz über das Vorgehen gegen die Kircye in einem Briese an einen Bischof mit den Worten kundgegeben haben: „Ich bin nichts als eine alte Frau, ohne allen Einfluß und habe nur eine Thräne für das Unheil, das ich kommen sehe." Eine ganze Fluth von Familienklatsch wird aufgetischt, besonders aus dem Schoße der Roon'schen Familie, um zu beweisen, wie schlecht es um Bismarcks Reputation bei Hof bestellt sei. Die WestpH. Zeitung hat sich aber Märchen aufbinden lassen; denn wenn nicht die besten Zeichen trügen, so ist Bismarcks Stellung niemals gesicherter gewesen als jetzt. Der Kaiser dringt mit Energie aus die Durchführung der eingeschlagcuen Kirchenpolitik, Noon und Falk setzen ihre Stellung an dieselbe, und der Kronprinz schenkt dem Kampfe gegen Nom seine vollste Sympathie. Der deutsche Gesandschaftsposten in Rom war seither nicht be setzt, jetzt aber stellt Fürst Bismarck auf diesen Posten den Baron Keudell in Constantinopel. Das ist ein Zeichen, daß wichtige Ent scheidungen für Deutschland in Rom bevorstehen; denn Baron Keudell ist nicht nur einer der befähigtesten deutschen Diplomaten, sondern auch einer der Vertrauten Bismarcks. Am I. Mai wird die Welt-Ausstellung in Wien vom Kaiser eröffnet, obgleich noch lange nicht alles fertig ist. Der Er öffnung wird der deutsche Kronprinz mit Gemahlin und der Prinz von Wales beiwohnen, später kommt auch der Kaiser Wilhelm. Der Exkönig von Hannover ist bereits von Wien nach Gmunden überaesiedelt, um den Preuß. Gästen nicht zu begegnen. Eine Ein trittskarte zur Eröffnungsfeier kostet 25 Gulden, eine Karte für die ganze Dauer der Ausstellung 100 fl.; an Wochentagen kostet die Eintrittskarte I fl., an Sonntagen V, fl. - - - »6) Um Scheidewege. Novelle von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) Wanda hatte in großer Zerstreutheit zugchört; erst zuletzt wurde sie aufmerksam und als sie die Angst und Sorge der Gräfin um Stahl bemerkte, spielte ein fast tückisches Lächeln um ihre Lippen. „Sie liebte ihn und er ist auch für sie verloren," dieser Gedanke allein zitterte triumphirend durch ihr Inneres. Der Gräfin war das Lächeln nicht entgangen und es schmerzte sie. So war also schon diese schwärmerische Liebe des jungen Mäd chens in Haß umgcschlagcn und cs konnte sich an dem Unglück des Mannes weiden, an den es sich noch vor wenigen Tagen so stürmisch hcrangedrängt, Als Wanda noch immer hartnäckig schwieg und jetzt nur ihre Augen unruhig, unheimlich funkelten, fuhr Helene lebhaft fort: „Nein, auch Sie können Stahl nicht für schuldig halten, ein solch' edler, reiner Character läßt sich niemals zu einem Mord Hin reißen." Wanda trank förmlich in durstigen Zügen den Genuß, den ihr die Angst und Unruhe der Gräfin böt, und während ihre Blicke nur auf der zierlichen Spitze ihres Schuhes ruhten, entging ihr nicht der leiseste Zug in dem Antlitz der Gräfin. „Er wird vcrurthcilt werden, mein Bruder meint es auch", sagte sie gleichgültig und schaukelte da bei ihren Fuß hin und her. - , „Er ist dennoch unschuldig und eine Ahnung sagt mir's, Wanda, Sie allein können ihn retten." Helene richtete ihre großen, dunklen Augen durchdringend auf ihre Nebenbuhlerin, als vermöchte sie in den tiefsten Falten ihres Inneren zu lesen. Wanda fühlte die for schenden Blicke der Gräfin auf sich gerichtet, nun erwachte die alte, wilde Leidenschaftlichkeit, die sie stets unter den zierlichsten Formen zu verbergen wußte. Sie sprang von der Bank auf und jauchzte mit dämonischer Freude hervor: „Und wenn ich seine Unschuld beweisen, ihn retten könnte, ich würde es nicht thun. Ich weiß, daß ich dem Untergänge geweiht und deshalb ist es ein Labsal für meine tiefzer rissene wunde Brust, daß die Näder des Geschickes auch das Glück Anderer gnadenlos zermalmen." Das Phantastische, Ueberschweng- liche ihres ganzen Wesens trat deutlicher als je hervor. Sie mochte sich selbst in diesem Augenblicke groß und bedeutend vorkommen und schien sich in der Rolle einer gnadenlosen Rachcgöltin zu gefallen, denn sie hatte die Arme über die Brust gekreuzt, ihre blauen Augen suchten unheimlich zu funkeln und ein düsteres Lächeln spielte um ihre Lippen. Die Gräfin erkannte mit scharfem Blick, daß Wanda's dämoni sche Freude doch ein wenig Spiel sei, daß sic im Grunde eine viel zu leichtsinnige, oberflächliche Natur, um auch im Hasse eine glühende, unbeugsame Feucrseele zu zeigen, und nachdem Wanda ihre Rache- gedankcn ausgejubell, sagte sie mit mildem, freundlichen Lächeln: „Liebe Wanda, täuschen Sie sich nicht selbst über das, was in Ihrem Innern vorgcht. Ich glanbe Sie besser zu kennen; heul' jauchzen Sie freilich noch, daß Rudolph in das Gefängniß wandern soll, aber eines Tages werden Sie es bitter bereuen, daß Sie ihn retten gekonnt und es nicht gcthan; denn die echte, wahre Liebe ver wandelt sich nie in Haß, sie vermag selbst, wo sie verschmäht wurde, die größten Opfer zu bringen." Schon bei den ersten Worten der Gräfin schwand aus dem Antlitz Wanda's der finstere, dämonische Zug, in athemloser Spannung lauschte sie ihrem freundlichen Zuspruch und als Helene beendigt, warf sie sich schluchzend zu ihren Füßen und rief unter hervorströ- mendcn Thränen: „Ja, Sie kennen mein Herz, mein chörichtes, kin disches Herz! Ich habe mir Mühe gegeben, ihn zu hassen, zu jauch zen gesucht, daß auf ihn die Schuld fiel, der mich zurückgestvßcn, zer treten; aber wie ich auch jubelte, ich konnte die leise Stimme nicht betäuben, die immer wieder zu seinen Gunsten flüsterte. Und jetzt, Frau Gräfin, haben Sie mich von dem innern Zwiespalt befreit, der mir das Herz zerrissen. Ja, Rudolph ist unschuldig und ich kenne den Mörder." „O Gott, er ist wirklich unschuldig!" jauchzte die Gräfin aus, „wie dank ich Ihnen?" und sie wollte in überströmender Empfindung Wanda an ihre Brust ziehen. Bei dieser stürmischen Freude Helenens zog doch rin Schatten über das Gesicht ihrer unglücklichen Nebenbuhlerin, ein Gefühl des bittersten Neides beschlich ihre Brust. Sie liebte ihn und ward wieder geliebt, — „ach, warum ließ ich mich von meinem leicht erregbaren Blute hinreißeu, ihr Gluck aufzubaucn!" aber die Gräfin bemerkte rasch, was in Wanda's Seele Vorgehen mochte, sie ergriff ihre Hände und sagte mit ihrer weichen, vollen Stimme: „Zeigt sich nicht das Frauenherz dann erst in seiner wahren Größe, wenn es noch liebt, wo eine gewöhnliche Liebe schon erlischt und stirbt?" „Ach ich habe einmal gelesen, es sei die höchste Seligkeit, sich das Herz brechen zu lassen von demjenigen, den man liebt; damals verstand ich nicht die tiefe Wahrbeit dieses Wortes, jetzt weiß ich es," rief Wanda, in ihre alte Schwärmerei zurücksallend. „Ja, icb will ihn retten und Sie sollen glücklich sein, ich büße damit nur meine Schuld." Die Gräfin machte eine abwehrende Handbewegung, als wolle sie diesen Gegenstand nicht berührt haben, aber Wanda fuhr eifrig fort: „Nein, nein, gestatten Sie mir meine Brust zu erleichtern, das ist das Einzige, um was ich Sie noch bitte. Ich will mich nicht zu rechtfertigen suchen, nur Ihnen erzciblen, wie alles so gckonnnen, und Vielleicht werden Sie mich dann milder beurtheilen. Wanda erzählte jetzt von ihrer Jugend, von ihrer liefen Einsamkeit, wie sie sich, durch ihre eifrige Lektüre verlockt, eine Welt ausgcbaut, die mit der Wirk lichkeit im schneidendsten Widerspruch gestanden und die sie dann so tief unglücklich gemacht, wie sie endlich den Grasen kennen gelernt und sie seine ritterliche Erscheinung bestochen. „Ich war noch so jung und unerfahren, er stand so hoch über mir — ach, Sie wissen nicht, wie das ein armes Mädchenherz blendet! fuhr sie in tiefer Bewegung fort. „Nun lernte ich Stahl kennen und jetzt erst zog eine wahre, eckte Liebe in mein Herz. O zu spät, ich fühle es wohl, daß ich dem Untergang geweiht, aber ich kann ihn wenigstens jetzt be freien und vielleicht bewahren Sie mir dafür ein freundliches Ge denken." Sie ergriff die Hand der Gräfin, drückte einen Kuß daraus. „Leben Sie wohl!" und noch che sie Helene zurückhalten konnte, war sie verschwunden. Bei ihrer Heimkehr bemerkte die Gräfin unter der Dienerschaft eine groß« Aufregung. Man stand im Schloßhose in Gruppen zu sammen, sprach laut durcheinander und blickte neugierig auf eine Seitenthür, als erwarte man dort irgend ein seltsames Ereigniß. Nicht einmal die Annäherung der Gräfin wurde bemerkt und sie konnte deutlich die durcheinandcrwirrenden Fragen hören: „Bringen sie ihn noch nicht? ob sie ihn wohl fesseln werden? Wer hätte das gedacht!" Ihr Herz klovste voll unsagbarer Unruhe, wollte man Nndolph wirklich schon Hinwegschleppen? Und nun sollte ihm dennock die Schmach angethan werden und er ins Gefängniß wandern? Warum hatte sie nicht Wanda zurückgchaltc», daß sie durch ihr so fortiges Bekenntniß ihn vor dem Aenßersten geschützt? Und wenn sie nicht Wort hielt? Wenn in ihrem leicht erregbaren Gemüth die finstern G-ister wieder die Oberhand erhielten? Die Gräfin vermochte ihre Seelenangst nicht zu überwältigen, sie war nicht im Stande, einen Schritt weiter zu thun, zu einer Frage die Lippen zu öffnen. Sie mußte sich auf die nächste Bank niederlassen. Jetzt bemerkte eine Dienerin die Ohnmächtige und man eilte von allen Seiten zur Hülfe herbei. Die Kammerjungfer befand sich ebensulls unter den Neu gierigen und unter ihren Bemühungen erholte sich die Gräfin. Sie warf einen fragenden Blick auf die Menge und die Kammcrjungfer berichtete sogleich mit geläufiger Zunge: „Denken Sie sich, Frau Gräfin, der Stahl ist es nicht, es ist der Leibjäger," und als die Gräfin kein Wort darauf entgegnete, nur ihre Augen aufflammten, ihre Brust freier zu athmen begann, fuhr das zierliche Kammerkätzchen lebhaft fort: „Vor einer Stunde kam der Criminalrichter, wollte den armen Stahl mit aller Gewalt abhvlen; ich mochte ihm immer sagen, daß er noch krank sei und die Frau Gräfin auch gemeint, er könne noch nicht den Transport aushallen, der alte böse Herr war nicht zu überreden und der Wagen stand schon bereit und Stahl sollte eben heruntergcschafft werden: da stürzte der Leibjäger in das Zimmer,