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2 wir nicht mit, weil der nicht fällt. Niemand kann ihn besteigen als er selbst, und Alles, was ihm entwendet worden ist, muß ihm zurück erstattet werden. Der Umsturz eines Thrones war sonst ein Ereigniß, was ganz Eurapa erschütterte, jetzt ist es etwas ganz alltägliches geworden; heute spricht man davon und morgen ist es vergessen. Es ist überflüssig, die Consequcnzen zu ziehen. Wenn die Grundlage alles Rechts untergraben wird, ist es kein Wunder, wenn alles Recht zusammenstürzt. Die Throne werden die Beute von Verschwörern und Abenteurern und Nichts bleibt mehr sicher." Ans Rom, 16. Februar, wird gemeldet: In den Bezirken Bobbio und Ottone haben Erdstöße viel Schaden angerichtet und einige Dörfer ganz, andere theilweise vernichtet. Die Londoner Postbeamten haben ein Meeting abgehalten, in welchem beschlossen wurde, eine Petition um Verbesserung ihrer Lage an's Parlament zu richten. Dieselben verlangen eine Erhöhung ihres Gehalts um 20 Proccnt, völligen Ausfall der Sonntagsarbeit und andercre kleinere Erleichterungen. Am Scheidewege. Novelle von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) „Guten Morgen, Papa," sagte Arthur mit bebenden Lippen und vermochte in namenloser Angst kaum den gewohnten Gruß hervor- znstammeln. Der Graf drehte sich hastig um und blickte Arthur mit zornsunkelnden Augen an, ohne ein Wort zu sprechen. Der Knabe wurde todtenblcich, seine Augen irrten unruhig umher und bekamen wieder den alten Ausdruck von Falschheit; er faltete die Hände, als wolle er von vornherein um Verzeihung bitten. „Was hast Du wieder gethan, feige, elende Canaille?" brauste der Graf auf, den diese Furchtsamkeit Arthur's vollends zur höchsten Wuth gebracht hatte. „Nichts, Papa," jammerte Arthur, seine Augen irrten unruhig umher und ruhten dann bittend auf seinem Bruder, als forderte er von diesem Hülfe. Heinrich zeigte nur ein tückisches Lächeln. „Schmidt!" rief der Graf mit weithin schallender Stimme. Der alte Diener des Grafen erschien, so rasch ihn seine steifen Beine tragen wollten. „Bring Arthur in den Pavillon," befahl er und lachte Hönisch. O nicht dorthin, Papa, ich fürchte mich," bat Arthur und sank vor seinem Vater auf die Knie. „Still, furchtsame Memme, ich will Dir eben die Furchtsamkeit abgewöhnen." Der Diener schickte sich an, Arthur mit sich fortzuziehen. „Ich vermuthe, Herr Graf, daß Arthur Unrecht geschieht," ließ sich jetzt Rudolph vernehmen und trat dem Gefürchteten mit stolzer Ruhe gegenüber. Dieser blickte ganz erstaunt den Hauslehrer an, als sei ihm eine solche Keckheit unbebreiflick; aber noch ehe er antworten konnte, suhr Jener fort: „Arthur ist heut den ganzen Morgen in meiner Gesellschaft gewesen und hat sich nicht das Mindeste zu schul den kommen lassen." Schmidt zögerte jetzt, den Befehl seines Herrn zu vollstrecken. „Heinrich hat mir bereits alles gesagt," entgegnete der Graf mit stnstcrm Stirnrunzcln. „Ich habe noch nie gesehen, daß Jemand verurtheilt wird, ehe nicht die Sache nach allen Seiten hin erörtert worden ist, und ich bin überzeugt, daß Heinrich seinen Bruder fälschlich angeschwärzt hat," entgegnete Rudolph und ein überlegenes Lächeln glitt um seine Lippen. Er hielt ruhig den drohenden Blick aus, der aus den zorn- funkelnden Augen seines Gegners hervorschoß. „Fort mit ihm, Schmidt," befahl der Graf, als wolle er den Einspruch des Hauslehrers nicht weiter beachten. Der Diener schickte sich an, Arthur wegzufuhrcn, aber Rudolph trat ihm entgegen. „Ich kann nicht dulden, daß meinem Zögling offenbares Unrecht geschieht," rief er mit fester Stimme. Das Antlitz des Grafen verzerrte sich in grenzenloser Wnth, er hob die Reitpeitsche in die Höhe und schien nicht übel Lust zu haben, sie auf den Rücken des frechen Menschen fallen zu lassen; da sah er, wie Stahl auch seinen Spazierstock fester in der Hand hielt und jeden Augenblick bereit schien, sich den Gegner damit ab- zuwchren, und mochte ihm diese unerwartete Kühnheit imponieren, oder wollte er cs nicht zum Sichersten kommen lassen, genug, er strich noch einmal heftig den Knebelbart und eine bezeichnende Hand- bewcgung gegen seinen Diener machend, verließ er rasch den Hof und schritt seinem Zimmer zu. Heinrich wollte ihm folgen, aber sein finsterer Blick scheuchte ihn zurück. Ganz bestürzt und verlegen schlich der Knabe hinweg. Der alte Diener zeigte sich erfreut, seines unangenehmen Auf trages ledig zu sein; er ließ augenblicklich Arthur los, der jetzt unter überströmenden Thränen seinem Retter an die Brust stürzte. Die Gräfin hatte zwar schweigend, aber in sichtlicher Spannung dem Auftritt beigcwohnr. Zuweilen öffnete sie die Lippen, um führ Arthur Partei zu nehmen, dann schien ihr jedoch das Vergebliche ihres Schrittes einzufallcn und das bleiche Antlitz versank in die alte Regungslosigkeit. Erst als Rudolph so mnthig für seinen Zög- ing eintrat, kehrte Leben und Bewegung in ihr starres Antlitz zu- ück. Ihre Augen ruhten voll Bewunderung auf dem jungen Manne und ihr Herz klopfte stürmischer. „Ich bewundere Sie," sagte die Gräfin mit leuchtenden Augen, und reichte ihm die Hand. Ehe er eine Antwort geben konnte, war sie im Schlosse verschwunden. Eine Viertelstunde später wurde zu Tische geläutet. Der Graf schien den Auftritt völlig vergessen zu haben und war so gesprächig wie am gestrigen Tage; ja er zeichnete Stahl durch besondere Freund lichkeit aus, sprach mit ihm über die Jagd und den Wildstand, er zählte einige Jagdgeschichten und vernahm mit großer Befriedigung, daß der junge Hauslehrer mit der Büchse umzugehen wisse. „Sie müßen mich dann zuweilen begleiten," meinte er lebhaft. „Seit dem verwünschten tollen Jahr, wo jeder Bauer mit dem Schießprügel sich im Walde Herumtrieb, anstatt seinen Kohl zu bauen, hat zwar mein Wildstand sehr gelitten, aber er ist noch immer der bedeutendste in der ganzen Umgegend. ES lag in dem Benehmen des Grafen eine gewiße derbe Herz lichkeit; er schien wirklich an seinem neuen Hauslehrer Gefallen zu finden und die Absicht zu haben, ihn an sich zu fesseln. Vielleicht war er mit seinem kühnen Auftreten ausgesöhnt, vielleicht suchte er auch nur, die ihm widerfahrene Kränkung geschickt zu verbergen, um später desto rücksichtsloser loszubrechen. Stahl nahm sich vor, auf seiner Hut zu sein und blieb trotz der beinahe auffälligen Zu traulichkeit des Grafen in seinen Schranken. Nach Beendigung der Tafel fragte der Graf, wie er seinen Stundenplan eingerichtet habe und ob er heut Nachmittag auch Un terricht ertheilen wolle. Als dies Rudolph bejahte, fuhr er mit großer Höflichkeit fort: „Dann haben Sie wohl die Güte, meinen Jungens Dispens zu ertheilen; Heinrich soll auf seinem Zimmer bleiben und Arthur mag in seinem neuen Vcsitzthum, das ihm der Rentmeister anweiscn wird, die ersten Anpflanzungen vornehmen." Der Graf erhob sich, reichte seiner Gemahlin artig den Arm und ohne weiter ein Wort zu sprechen, verließ er mit ihr den Saal. „Das ist noch nicht dagewesen," murmelte der alte Rentmeister; „junger Herr, Sie bringen ja hier eine wahre Revolution hervor." Heinrich stürzten anfangs vor Wuth und Beschämung die Thränen aus den Augen; er wollte seinem Vater Nacheilen und ihn um Zurück nahme des unerwarteten Urtheils bitten, dann besann er sich plötzlich; trotzig und finster trat er an Stahl heran und mit einem rachsüchtigen Ausdruck und einer Entschlossenheit, die weit über seine Jahre ging, sagte er: „Ich haße Sie jetzt," und seine dunklen Augen ruhten wuthfunkelnd auf seinem Lehrer. Den ruhigen, fast mitleidigen Blick Rudolph's vermochte der Knabe nicht zu ertragen, mit einem ohn mächtigen Wuthgehcul stürzte er ans dem Zimmer. Der Rentmeister konnte sich noch immer nicht von seinem Erstaunen erholen, auch Arthur machte mehr ein bestürztes, als er freutes Gesicht. „Worin besteht denn meine revolutionäre Thätigkeit?" fragte Rudolph. „Sie fragen noch?" entgegnete der alte Rentmeister, „der Graf ist noch mit keinem Hauslehrer so schonend umgegangen und dann, Arthur halte schon immer um ein Fleckchen Land im Garten gebeten, wie es Heinrich längst erhalten und vor Tisch kam der Graf zu mir und sagte, ich solle Arthur ein Stück Garten anweisen, denn Sie wären mit ihm zufrieden gewesen. Im Schlosse machte das kleine Ereigniß das größte Aufsehen. Jeder nahm sich vor, dem neuen Günstling mit ganz anderer Höf lichkeit zu begegnen. Hermann suchte in freudigster Aufregung seinen Freund auf: „Du bist doch ein tüchtiger Kerl!" rief er Machend, „ich fürchtete schon, Ihr würdet Euch gründlich in die Haare fallen, aber nun ist alles gut, Du bist jetzt der Held des Tages." Ehe Rudolph dem Freunde etwas rrwicdern konnte, fuhr er lebhaft fort: „Der Graf hat mir heut Urlaub gegeben, Du bist auch frei, und nun komm, wir wollen lustig sein und ich will Dir auch meinen Schatz zeigen. Deine Gedichte habe ich ihr schon gegeben und nun ist sie sehr neu gierig, Dich kennen zu lernen und ich hab' ihr fest versprechen müßen, Dich das nächste mal schon mitzubringen. O Bruderherz, dar ist ein Mädel!" „Du bist ja ganz außer Dir," entgegnete Rudolph lächelnd. „Es ist das schönste Mädchen, daß ich je geschn habe," be- thcuerte der Andere. „So sprechen alle Männer von ihrer Geliebten," crwiedcrte Rudolph trocken. „Aber ich habe ein Recht so zu reden," war Hermann's eifrige Antwort, „wenn Du sie gesehen, dann würdest Du ganz anders urthcilcn." (Fortsctzng folgt.) Vermischtes. * Aus Berlin wird berichtet: Die jetzt in Amerika umherreisende Sängerin Pauline Lucca will sich, nachdem sie sich von ihrem ersten Gemahl, Herrn von Rahden geschieden ist, nunmehr mit dem Major vom 2. Garde-Regiment, Herrn v. Wallofen, vermählen, der deshalb seine» Abschied genommen hat und im Begriff steht, nach Amerika abzureisen. Derselbe war in dem Hause des Herrn von Rahden von dessen Frau gepflegt worden, als er verwundet von dem Schlacht felde heimkehrte. * Die vielversprocbene Laskcr'sche Rede umfaßt in den steno graphischen Berichten 32^ Spalte mit zusammen 2277 Zeilen. Klebt man diese Spalten aneinander, so würde diese Rede eine Länge von 8,7, Meter einnehmeu. — So meldet die Kreuzzeitung. Man würde also Herrn von Wagener ganz darin entwickeln können.