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Srevenlehn und die Umgegenden. Amtsösatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Dienstag, den 21. Januar 1873. Tagesgeschichte. Wilsdruff, am 21. Januar 1873. Von großem Interesse dürfte es allen unseren Lesern sein, zu hören, daß uns unser Königliches Gerichlsamt ungeschmälert erhalten bleibt, während einige 30 andere dergleichen in kleineren Städten aufgehoben beziehendlich verkleinert werden. Begrüßen wir dies als günstiges Zeichen im neuen Jahr, vielleicht folgen bald noch mehr für uns günstige Nachrichten, als z. B. eine definitive Nachricht über den baldigen Beginn des Eisenbahnbaues u. s. w. — Die von Herrn Berghantboist Dechert vergangenen Freitag auf der „Restauration" veranstaltete musikalische Abendunterhaltung war gut besucht; die Vorträge der jugendlichen Künstler wurden mit großem Beifall ausgenommen und verdienten es auch, ganz besonderen Bei fall erntete der 7jährige Max Dechert mit seinen Vorträgen auf der Geige. Wie wir hören, wird Herr Dechert in den nächsten Wochen in hiesiger Gegend mehrere derartige musikalische Abendunterhaltungen veranstalten, wünschen wir ihm bei jeder derseben recht zahlreiche Zuhörerschaft. — Wir bringen heute nochmals das morgen Abend im Gasthof zum goldnen Löwen stattfindcude Extra-Concert vom Stadtmusikchor ans Meißen in Erinnerung, indem wir auf das in voriger Nummer d. Bl. enthaltene Programm verweisen; möge eine recht lebhafte Ve- theiligung an demselben Herrn Musikdirector Hartmann aufmunlern, recht bald wieder zu kommen. — Nächsten Donnerstag, den 23. d. M., findet im Gasthofe zu Limbach (s. Inserat) eine Versammlung realberechligter Gastwirthe aus hiesigem GerichlsamtSbezirke statt; der Zweck derselben ist, im Verein mit den Gastwirthen gleichen Ranges im ganzen Lande, eine Petition an den gegenwärtig 'versammelten Landtag zu richten, welche die Abschaffung verschiedener Uebelstände, namentlich die Winkcl- schänkerei u. s. w. in sich fassen soll. Auch den Dampfschifffahrten kommt der heurige gelinde Winter wesentlich zu Statten, denn die Direction war bisher wegen der Kürze der Tage einzig genöthigt, die entfernteren Touren einzustellen; aber auch diese Beschränkung ist seit vorigen Donnerstag in Wegfall gekommen und es werden wieder, wie in der schönen Jahreszeit, Schiffe bis Schandau resp. Riesa expedirt. — Eine Delegirten-Conferenz deutscher Schuhmachermeister hat dieser Tage in Leipzig stattgefundcn. Es wurde beschlossen, auf dem Ostern d. I. in Leipzig stattfindenden allgemeinen deutschen Schuh- machermeister-Congreß zu beantragen: die Preise sämmtlicher Schuh macher-Arbeiten um 33'/z vCt. zu erhöhen. (Nach unserer Ansicht, ist dies denn doch ein wenig stark, wenn wir in Betracht ziehen, daß das Schuhwerk seit ein paar Jahren noch einmal so theuer ge worden, als früher!) Chemnitz. Folgende Bekanntmachung ward heute an den hiesigen Straßenecken angeschlagen: Ein Postpacket, enthaltend 10,000 Thlr. Erl. und zwar 1000 Stück ü 5 Thaler- und 5000 Stück L 1 Thalerscheine, wurde am 11. d. M. in Leipzig mit Adresse: „An den Chemnitzer Bankverein, Chemnitz", zur Post aufgcgeben und ist am Bestimmungsorte nicht eingetroffen. Es wird gebeten, die auf diesen Verlust bezüglichen Wahrnehmungen der „General-Agentur der Deutschen Transport-Versicherungs-Gesellschaft Herrn E. Dawido- wicz in Leipzig, Ritterstraße 2 oder der Leipziger Polizeibehörde zur Anzeige zu bringen und wird für etwa zur Wiedererlangung des Be trages dienende Nachrichten eine angemessene Belohnung zugesichert. Das Paquet war in Wachstuch gepackt, doppelt geschnürt und mehr fach gesiegelt, hatte eine Länge von ca. 50 und eine Breite von ca. 20 Ctm. und wog 10 Pfd. 195 Gr., trug außer der Adresse die Aufschrift: „Werth 50 Thlr. Crt." Das Siegel lautete: Agent, der Weim. Bank zu Leipzig. Zu vorstehender Mittheilung ist noch hinzuzufügen, daß die im Publikum auffallende niedrige Declaration von 50 Thlr. den Beding ungen der deutschen Transportversicherung in Berlin, bei welcher je nes versichert gewesen ist, entspricht. Man vernimmt, daß die Ab senderin in Leipzig, welche die Versicherung bewirkt hat, bereits im Besitze des verloren gegangenen Betrages ist. Schlettau. Wie e.llerwärts, so zeigt auch hier die Witterung ganz abnorme Erscheinungen. Nicht nur, daß die Frühlingsblumen blühen und Staare und andere Vögel sich zeigen, sondern es hat auch in voriger Woche ein hiesiger Oeconom auf seinem in Waltersdorfer Flur gelegenen Felde Kartoffeln gelegt. Der „Oberlausitzer Volksztg." schreibt man aus Nen-Gersdorf 14. Jan.: Während sich von Jahr zu Jahr in unserem Jndustrieorte die Baue von Fabriken mit ihren thurmhohen Dampfessen bedeutend mehren und sich dadurch bei uns ein sehr erfreulicher Fortschritt in industrieller Hinsicht kund giebt, baut man im grellen Contraste hier von in dem kaum 5 Minuten von hier entfernten böhmischen Nach barorte Philippsdorf in großartiger Weise eine sehr ansehnliche Ka pelle, ein Kloster und eine imposante Kirche und dies Alles, weil — angeblich „die heilige Maria" einer kranken Webermagd des Nachts erschienen und sie geheilt haben soll, woran natürlich kein vernünf tiger Mensch zu glauben im Stande ist. Man hat es möglich zu machen gewußt, durch reiche Geschenke von den gewonnenen Wunder- gläubigen allerwärts her, von armen Arbeitern sowohl als von fürst lichen Personen, so viel Geld herbeizulocken, daß man solche groß artige Baue unternehmen konnte. Die Speculation auf Dummheit und Aberglauben hat also ihre faulen Früchte getragen, so daß vor gestern und gestern daselbst eine Art Siegesfest gefeiert werden konnte. Es galt nämlich der Einweihung der neuen großen Kade-Kapelle, Welche mit allein Pomp, Paradeaufzügen der Georgswalder Schützen gesellschaft, der Feuerwehr und vieler Anderer mehr, besonders vieler alter Weiber re. rc., mit den üblichen Böllerschüssen, Ausschmückung und Illumination des Ortes vor sich ging. Unter den vielen kost baren Geschenken befand sich auch ein kostbares marmornes Denkmal für die Kapelle, das einen Werth von gegen 4000 Thaler haben soll, vor allen andern besonders hervorglänzt. Die Berliner Zcüungsverleger haben einen notariellen Vertrag abgeschlossen, durch welchen sie sich bei hoher Conventionalstrase verpflichten, jeden in irgend einer der verbundenen Zeitungsdruckereien ausbrechenden Strike der Buchdrucker-Gehilfen mit sofortiger Ein stellung aller Zeitungen und der Entlassung der Setzer zu beant- worden, an Stelle der suspendirten einzelnen Zeitungen ein gemein schaftliches Organ herzustellen, und dies bis zur Beendigung des Strikes fortzusetzen. In der Versammlung waren nur drei oder vier Berliner Zeitungen nicht vertreten. Paris. Die Corresp. Havas vom 15. meldet: „Heute soll eine Summe von 200 Millionen an Deutschland gezahlt werden. Die vierte Milliarde wird den Einen zufolge am 15. Mai, nach den Andern erst im Monat August vollständig abgetragen sein. Ursache dieser Verzögerung wäre die Furcht vor einer Geldkrisis. Die bis her effectuirlen Einzahlungen für das Drei Milliarden-Anlehen be laufen sich im Augenblicke ans ungefähr 2 Milliarden und 200 Mil lionen ". — Die „Opinion nationale" glaubt melden zu können, daß die vierte Milliarde bis Ende Mai vollständig gezahlt sein und daß die Negierung dann der Kammer die Absicht zu erkennen geben werde, sogleich mit Deutschland wegen der Anbietung von Garantien für die fünfte Milliarde zu unterhandeln. Nach der Berechnung der „Opinion" könnte die Räumung Frankreichs seitens der deutschen Truppen im August oder September eine vollzogene Thatsache sein. In einem mit weißem Atlas ausgepolsterten Mahagonisarg liegt Kaiser Napoleon so still, als wenn er nie ein Wässerlein getrübt hätte. Er trägt die Uniform eines Generals mit dem Degen und dem großen Band der Ehrenlegion; die gekreuzten Hände halten ein paar weiße Handschuhe, wie er auch bei Lebzeiten die Handschuhe lieber zu hallen als anzuziehen pflegte; zu seinen Füßen liegt" ein Säckchen Erde aus dem Pariser Tuileriengarten, gleichsam ein'Stück seiner Vaterstadt. Zu seiner Beerdigung sind Viele aus Paris und Frankreich über den Canal gefahren, nicht nur die ganze Napoleon'sche Familie, der Prinz Napoleon mit Frau, die Prinzeß Mathilde und der Cardinal Bonaparte aus Nom (den der Kaiser zum Papst machen