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186 und den Polizei-Juspector Keller. Der Bürgermeister, ein großer, dicker, behäbiger Mann, war die Ruhe selbst ; nichts konnte ihn außer Fassung bringen und die mannigfachen Sorgen, die andere arme Bürgermeister zum Skelett abzehren, legten sich bei ihm mild versöh nend, Fett ablagernd um den stattlichen Leib. Das Wohl der Stadt hatte ihm noch nie eine schlaflose Nacht gekostet, ein Steuerausfall noch nie den Braten verdorben, sein Sprichwort blieb: „Laßt die Sache gehn, wohin sie den Hang hat" und da er weder mit Refor men, noch Verbesserungen im Stadthaushalt den Bürgern zu nahe trat, so war und blieb er wohl gelitten und ein guter, alter Bürger meister. Ihm war Ruhe nicht nur die erste „Bürger-", sondern auch die erste „Bürgermeisterpflicht". — Wie anders dagegen unser Polizei-Jnspector ! Der war ein klei nes rühriges Männchen; wo Jener nur beim schwächsten Kohlenfeuer kochte, zündete Dieser einen halben Wald an und verbrannte gar oft das Gericht, so daß es den ehrsamen Bürgern durchaus nicht munden wollte. Er hatte mannigfache Verbesserungen eingeführt: or dentliche Straßenbeleuchtung, die Ruhe der Stadt durch Nachtwächter gesichert, die, anstatt der früheren tauben, einarmigen und lahmen Nachtmützen aus noch kräftigen Leuten bestehen mußten, und soviel sich die Alten über nächtliche Unruhen früher anfgehalten, ste ze terten doch jetzt über Verschwendung und die alten Nachtwächter wä ren „ja lange gut gewesen;" das geschah aber Alles, weil er zu rasch und rücksichtslos zufuhr und den guten Bürgern nicht Zeit ließ, sich in das Neue, Ungewohnte hineinzusprechen und zu finden. Selbst unserm guten Bürgermeister wurde der Polizei-Jnspector mit seinem zu großem Eifer nicht selten lästig; er hetzte ihn förmlich bei jeder Kleinigkeit ans seinem Dachslager gemächlichen Beschauens und Genießens heraus und quälte ihn fortwährend mit neuen Ideen und Entwürfen. Es wäre gewiß unter diesen Verhältnissen zwifchen Beiden zu Reibungen gekommen, wenn sie nicht außer den Amlsstun- den ein gemeinschaftliches Band zusammengehalten, — alte Erinne rungen, denn sie waren Jugendfreunde — und dann die gemeinsame Lust am edlen Waidwerk, und so behäbig sonst der dicke Bürgermeister, aus der Jagd war er ein Anderer, da wurde der träge, würdige Schritt rascher und hastiger, die Augen blitzten und man sah es dem wärm werdenden Manne an, daß er nur hier in seinem Elemente sei und er mit ganz anderem, kräftigem Arm die Wellen durchfurchen würde, wenn ihm das Schicksal statt der F.der die Büchfe m die Hand gedrückt. Der Polizei-Jnspector dagegen liebte die Jagd nur wegen des darauf folgenden Mahles und er der in seinem Amte ganz Polizei- Jnspector war, konnte bei einem Glase Wein bis zur AuSgclasten- heit lustig werden; nur theilte er mit so Manchem die sonderbare Schwäche, Alles, was er rin Ucbermuthe der Weinlaune gethan und gesprochen, nach ausgeschlafenem Rausch auch völlig wieder zu verges sen; es war dann bei ihm wie ausgekehrt, auch nicht die leiseste Spur, der schwächste Fadeu führte ihn zu den Allotria und lustigen Streichen zurück- , die er am- Abend vorher gemacht, und er horte daun mit Erstauite.n, oft mit Aerger seinen Freunden zu, die ihm bei den Erzählungen des letzten Abends und der im Rausch begangenen Thorheiten einen ganz anderen Menschen vor die Seele sühnen, mit dem er noch gar keine Bekanntschaft gemacht hatte und der oft zu ei nem Polizei-Jnspector gar übel passen wollte. Er nahm sich dann regelmäßig vor, nie mehr über die Barriere der nöthigen ÄmtSwürde zu springen, und saß doch bei jeder Gelegenheit schon wieder drüben. Dieses Vergehen seiner im Wein geschehenen Thaten sollte ihm denn auch wirklich einen Streich spielen, den. er lange nicht überwin den konnte. Ein städtischer Pächter hatte die beiden stadtleitenden Extreme, noch zwei Rathsherren und den städtischen Förster zu einer Jagd- Partie eingeladen. Der Pächter befaß einen herrlichen Forst der we gen seiner stattlichen Eicken „der Hochwald" genannt wurde. Es ist schön und prächtig dort; ein frisches, fröhliches Herz kann sich austummcln und ausjubeln unter den alten, hohen Eichen, die im frischen Morgenwinde ihre alten Häupter schütteln und nicht begreifen mögen, wie immer eine Generation nach der anderen sich unter ihrem Schatten Freude uud Erholung sucht und verschwindet. ^Es war bereits Herbst, als die kleine Gesellschaft hinaussegelte, aber doch ein herrlicher, lauwarmer Tag. Im Waldhause, im „Ren dezvous," empfing der Gutspächtcr mit seinen Jägern die Gäste. Seine zweie Söhne, beide Studenten, waren zu den Ferien gekom men und hatten einen Freund mitgebracht, der, sonst ein von Lust und Leben übersprudelndcr Mensch, der sich heute still im Hintergründe hielt und auf seine Büchse gelehnt, ungeduldig des Ausbruchs zu warten schien und wie gedankenvoll seinen langen, schwarzen Bart st eich. Der Polizei-Jnspector fand sogleich ein besonderes Wohlge- gefallen an den kräftigen, frischen Gestalten und ließ sich mit ihnen in ein Gespräch ein. „Wie sind Sie heraufgeschoßen, wie junge Eichen, seitdem.ich Sic nicht gesehen, — famose Burschen! Wo haben Sie stutzirt?" setzte er neugierig hinzu.— „In Leipzig," war die. Antwort. — „Kennen Sie da nicht einen gewissen Muller aus unserer Stadt?" fragte der Polizei-Jnspector wieder, der es als sol cher liebte, überall Informationen emzuziehen Der stille Freund beugte sich bei dieser Frage erschrocken nieder und beschäftigte sich mit seinem Gewehrriemen. „Ja wohl," erwi- derre dec Eine ruhig, „ein merkwürdiges Subject, büffeU und ochst i wie ein^Kameel und geht nicht aus der Stube." — „So?" rief der > Polizei-Jnspector erstaunt, und hier war er die gottloseste Range von i der Wcli."—„Ja, der weiß auch warum," meinte der Andere, „er ! soll ein Liebchen haben, das ihm der Alte durchaus nicht geben will, und er ist tiefsinnig darüber geworden. Der arme Carl hat süH einmal in den Kopf gesetzt, das Mädel zu kriegen, und Sie svlltst ihn einmal arbeiten sehen, er ist eisern und unermüdlich!" — „Und wenn er sich die Schwindsucht an den Hals studirt, st kriegt sie nicht, sage ich Ihnen," rief jetzt der Polizei-Jnspector hef tig und sich ganz 'vergessend. „Dieser Nachtwächterjunge! Das wärt noch gerade eine Partie!" In deni Gesicht des stillen Freundes flammte bei diesen Worte« eine Zornesröthe auf, und er hielt krampfhafter die Büchse in der Hand und er trat einen Schritt vor, da tönte das Signal zum Auf bruch, seine beiden Freunde nahmen ihn unter den Arm und eilten mit ihm auf ihren Standort. „Willst Du uns Alles verderben," flüsterte der Eine ihm zu, „ Du Tollkopf!" — „Es war zu viel, so öffentlich, so ehrenkräu- kend!" — „Was thut's? Kommst Du nur an's Ziel, Hann bist T« glänzend gerechtfertigt. Wir haben alles so hübsch arrangirt; D« mußt nach der Jagd besser spielen!" — „Er hat dich nicht erkannt der famose Urbart hat seine Dienste gethan," meinte der Andere. „Daß ich in Eurer Gesellschaft bin," entgegnete der Freund bittet „hält' auch schon hingereicht, mich unkenntlich zu machen; ein Nacck Wächterssohn darf nur mit seinesgleichen verkehren!" — „Sei rubck Freund, es wird Alles noch gut!" entgegneten die Freunde und nah men dann ihre verschiedenen Plätze ein. (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. Der katholische Pfarrer Müller zu Hörsching in Oberösterrciä hat armen Brautleuten (Knecht und Magd), welche nahe verwandt waren, für den Verwandtschafts-Dispens erst 100 fl. abge fordert; als die Leute diese nicht hatten, forderte er für den Ty pens 50 und er ließ ihnen solchen endlich zu 20 fl. baar. — Die» Feilscheit mit einer kirchlichen Erlaubniß hat großes Aufsehen erregt, der Pfarrer hat öffentlich erklärt, cs sei nicht wahr, Schwiegervatst und Bräutigam aber haben ihn öffentlich Lügen gestraft. — DK Aergerniß ist bedeutend. Kehmel, 2. Juni. Das „Franks. Journal" berichtet: Gestern schlug ein Blitz in dem benachbarten Dorfe Huppert in ein Bauern haus, traf in der Stube ciu junges Ehepaar und tödtete den Mans wie die Frau auf der Stelle; das Kind, welches letztere an der Brust hatte und heute getauft werden sollte, wurde zwar auf den Boden geworfen, erhielt aber weiter keine Verletzung. Kempen, 6. Juni. Gestern Nachmittag legten sich zwei Knaben von hier im Alter von 12 bis 14 Jahren in der Nähe des Balur hofes auf die Schienen der Kcmpen-Vcnlvcr Bahn, nicht weil sie lc- bensmüde waren uud deu Tod suchten, sondern weil sic einmal Pst" biren wollten, ob der von Venlo kommende Zug ihretwegen anhallcn werde. Dem betreffenden Zugsührer gelang es, den schon nicht nu'br mit voller Kraft fahrenden Zug so zeitig zum Stehen zu bringstst daß die beiden Buben mit heiter Haut davvnkamen. Ihnen cinc« Denkzettel mit auf den Weg zu geben, vergaß der Zugführer leibst in fernem nur zu erklärlichen Schrecken. Wahrer E-elmuth. In Auch im südlichen Frankreich brH' Feuer aus und griff schnell um sich. Aus einen brennenden Haust hörte man M-cieu: Rettet uns, rettet uns! Herzzerreißend war dst Schrei einer Mutter: Rettet mein Kind! Der Erzbischof vo» Auch, der bis dahin mit den Löschenden gearbeitet, trat vor und rief: „Fünfundzwanzig Louisd'or dem, der die Mutter und daSÜiub rettet!" — Mehrcre Männer näherten sich den Flammen, traten abst wieder zurück. „Fuusm.vstvonzig Louisd'or dem, der die Frau uub das'Kind aus den Flammen rettet!" rief der Bischof von Neue»« Die Menge stand ergriffen in höchster, peinlichster Spannung. Kciust wagte das Werk, Da nimmt der Erzbischof ein leinenes Tuch, tauä'l es in eilten Eimer Wasser, umwickelt sich damit so gut es geht »K besteigt die Brandleiter. Die ganze Volksmenge fiel auf die Knie, bst tend und das Auge unverwandt auf den Bischof gerichtet. Ek «st reichte das in Flammen stehende Fenster. Und von Flammen Qualm umgeben, stand am Fenster eine ergreifende Gruppe; der Eck bischof, die Mutter, das Kind. Er nahm das Kind, half der uud die Rettung gelang. Unten angetommen, riß er das halbvch brannte Tuch von seiner Schulter, kniete nieder und dankte Gott M die Rettung. Dann trat er zu der armen Frau. „Frau, — sgE er — ich hatte fünfundzwanzig Louisd'or dem versprochen, der S« retten würde. Ich habe die Summe verdient und Ihnen will sie schenken." Geistreiche Tischreden. In einer Stadt Mecklenburgs wum neulich ein neuer Bürgermeister eingeführt. Bei dem Festschma"!« waren die Theilnehmer sehr animirü Einer der Herren brachte si'b genden Toast aus: „Meine Herren, kann es ein schöneres Fest gcdcu als das heutige, das der Einführung eines neuen Bürgermeister-f Ich gebe dem' gewiß allseitigen Wunsche Ausdruck, daß wir solch'.) Fcst oft, noch recht oft begehen mögen!" Das Gelächter welches dicst Worte hervor riefen, wurde noch herzlicher, als sich der neue Bürgst' meister erhob und sprach: „Ich wünsche Das nicht!" Ein Kaufmann in Montreal, dem eine Ladenfcnsterscheibe f"f einige 60 Thaler zerbrochen war, bot eine gute Belohnung M Entdeckung des Thätcrs. Nach einigen Tagen trat rill Herr in Laden, entschuldigte sich mit zu großer Heiterkeit in lustiger Geich schäft und bot freiwillig 30 Thaler als Ersatz. Der erfreute Kaul mann ging darauf ein, gab dem Fremden auf eine Hundert „Dollar Note" sicbenzig Dollar heraus, begleitete ihn höflichst zur Thür — überzeugte sich nach einer halben Stunde, daß die BmüM" falsch sei!