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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.12.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-12-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190812226
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19081222
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19081222
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-12
- Tag 1908-12-22
-
Monat
1908-12
-
Jahr
1908
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BezuflS-Preiö .Ne Leipzig und Ovrorre durch »«Irr« Träger und Lpedneurc in' Hau« gebracht: SO monatl.. >76 »leNellädrl. Bel uiijern Filiale» u. «»nahmelielle» abgeholt; 12 mouatl.. t.NL oierteljthrl. Durch »le Poft: unerhald Druiichland« und der deutlchen Kolonien vierreliLhrl. !1.00 ^lk, monatl. Qi» audlchl Postveltellaeld. ferner i» Belgien, Dänemark, den Donauklaaten, Italien. Luxemburg, Niederlande, Nor wegen Oeilerreich - Ungarn, Nubland, kchioeden, Schweiz u. Spanien. In alle» übrigen Staaten nur direkt durch dl« i-elchült-iielle de« Blatte« erbäulich. Da« Leipziger Tageblatt erlcheini wöchent lich 7 mal und zwar morgen«. Abonneinent-Bnnakme: Buguilu«platz 8, bei unleren Trögern, Filialen, Spediteuren und Annadmestellen. lowie Postämtern und Briesträgern. Di« elnz«lne Nummer kastel lv Nebakttou und Geschäfk-ftelie: IohanniSgasje 8. Fernsprecher: 1489L 14893, 14894. UchMer TaMaN Handelszeitung Amtsblatt des Nates und des Nolizeiamtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Preis »St Fnserate au» Leipzig und ilingebun, dw Sgespalten« Petit,eile 2k> -H, sinanzielle «neigen 30^, Neklamen l »mi »»«wär« 80 Ps, Neklamen 1.Ä7 »am «utlaud »0^, ftnanz. Anzeige» Neklamen l^iv ^0- Inserate ».Behörden i» amUichenTeU40^. Be>Iagegebübr ü p. Tausend exkl. Post gebühr. Kelchäslean,eigen an bevorzugter Stell« im Preise erhöht. Rabatt nach Tari Festertrtlt« Aufträge können nicht zurütk- aezoge» werden. Für »a« lirscheinen an bestimmten Tagen und Plötzen wird leine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: Auguüutzplatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- itipeditionen de« In» und AuiiandeT Haupt-SUlal« vrrll»: I«rl Lunik er, Herzog!. Bavr. Hosbuch- handlung, Llltzowstrabe 10. (Telephon VI, Nr. 4603). Haupt-Filiale Dretzden: Seestratze 4,4 (Telephon 4621). Nr. 353. Dienstag 22. Dezember 1908. 102. Jahrgang. Das wichtigste. * Die neue Eisenbahnverkehrsordnung wurde vom BundeSrat genehmigt und gelangt am 1. April n. I. zur Einführung. (S. Dtschs. R.) * Die neue Postzollordnung, die den aus Handelskreisen geäußerten Wünschen wegen Beschleunigung und Vereinfachung der Post zollabfertigung Rechnung trägt, ist dem Bundesrat zugegangen. 15. Dtschs. R.j * Das englische Parlament vertagte sich bis zum 16. Februar n. I. * Ter Inhalt der britischen Thronrede ist gestern bekanntgcgebcu worden. sS- d. bes. Art.) * Bei den spanischen Kammer wählen haben die Repu blikaner einen großen Sieg davongetragen. lS. Ausl.) * AuS London wird gemeldet: Eine von Herzog Fife als Lord leutnant Loudons und Lord Esher als Vorsteher des Territorial heeres unterzeichneter Aufruf fordert die Londoner auf, 27175 Soldaten für das Bürgerheer zu stellen. * Der türkischeThronfolger Prinz Neschad ist ern st» lich erkrankt. Deutsch Sir-westalsKsedluiigsland Vor wenigen Tagen erst haben wir an dieser Stelle darauf hinge wiesen, daß nur ein kräftiges Deutschtum uns den Besitz unserer süd westafrikanischen Kolonie für die Zukunft gewährleistet. Wir haben da bei nicht einmal an eine Gefährdung dieses Besitzes im Falle eines euro päischen Krieges gedacht, sondern lediglich an die Gefahr eines sich fried lich vollziehenden Anschlusses Teutsch-Südwests an den jetzt im Werden begriffenen südafrikanischen Bundesstaat unter britischer Flagge. Aber auch an die Möglichkeit eines Krieges haben wir zu denken, während besten Verlauf wir nicht in der Lage sind, die Kolonien vor feindlichen An griffen zu schützen. Ta müssen sich die Siedler selbst helfen, als ein zwar kleines, aber tüchtiges Volk in Waffen. Und das ist gar nicht so schwer, wenn das Land einigermaßen gut besiedelt und vorwiegend deutsch ist. Denn eine Kolonie läßt sich nicht so schnell erobern und ver mag sich wohl zu halten, bis ein europäischer Krieg glücklich durchgeführt ist. Damit soll keineswegs gesagt sein, daß wir uns mit der Besiede lung Südwests überstürzen wollen. Aber stetig und planmäßig mit ver ständnisvoller Auswahl der Ansiedler muß daran gearbeitet werden, und besonders wichtig ist dabei auch die Besetzung der Grenzgebiete mit Siedelungen, soweit sie brauchbar sind, und das ist in Südwcstafrika der Fall. Nun ist die Lust zur Auswanderung nach Südwestafrika bei uns ziemlich groß. Tausende drängen sich dazu, und das ist ein gutes Zeichen. Aber die Sache ist nicht so einfach, denn zur Auswanderung nach Süd west gehört Geld. Es tut einem in der Seele Weh, wenn man den vielen Auswanderungslustigen, die in unsere Kolonien ziehen wollen, immer wieder sagen muß, daß da für mittellose Leute kein Platz ist. Wenn sie dann betrübt von dannen ziehen, so möchte man sich dagegen empören, und muß sich doch sagen, daß genug Vernunftgründe gegen die Idee der Gründung einer Kolonie von Unbemittelten vorliegen. Die Ver- hältnisse haben sich eben seit 30 Jahren gründlich geändert und bei der heutigen Wirtschaftsordnung findet wohl der Unbemittelte sein Fort kommen in der heimischen Industrie, die Kolonien aber verlangen Leute mit Kapital, die die Nutzbarmachung des Landes gleich rationell mit technischen Hilfsmitteln in Angriff nehmen können und nicht darauf angewiesen sind, von der Hand in den Mund zu leben. Im allgemeinen setzt man vom angehenden Farmer voraus, der Viehzucht betreiben will, daß er 50 000 .tl mitbringt, während der K l e i n s i e d l e r, der sich auf Gartenbau legen will und nur nebenbei etwas Vieh hält, etwa 15 000 .tl haben muß. Wir wollen gleich voraus schicken, daß der letztere Nahrungszweig vorläufig nur in geringem Um fang möglich ist. Denn als Abnehmer kommen nur die Truppe, die Beamten und die Kaufleute in Betracht. Man muß also Bedenken tragen, jemand zu raten, daß er allein daraufhin hinausgeht. Leichter ist es schon für Bauhandwerker, namentlich ländliche Handwerker, die etwas von Landwirtschaft verstehen, wenn sie nüchtern sind. Sie können bei den hohen Löhnen leicht etwas sparen und nebenbei dann eine kleine Farm anschaffen. Der Schreiber dieses Artikels hat neulich Gelegenheit gehabt, sich mit einem hohen Beamten der Kolonie, der zurzeit in der Heimat weilt, längere Zeit über die Siedelungsfrage zu unterhalten. Den Einwurf, daß für den Kleinbauern 15 000 schon ein schönes Vermögen seien, und daß sich -gar mit 50 000 F auch in der Heimat alles Mögliche anfangen lasse, erklärte der Beamte für durchaus zutreffend. Trotzdem sei es nicht möglich, von diesem Grundsätze abzugehen. Eine Kolonie mittelloser Leute, die nie auf einen grünen Zweig kommen und sich bestenfalls zur Not durchwürgen, hat vom nationalwirtschaftlichen Standpunkt wenig Wert. Und den Leuten selber ist damit nicht gedient, denn vaS konnten sie allenfalls auch zu Hause haben. Für uns sind die Kolonien von Wich tigkeit einerseits als Absatzgebiete, anderseits als Rohstofflieferanten. Beides kann eine arme Kolonie nicht bieten. Aus der weiteren Unter haltung ergab sich allerdings, daß sich offenbar genug vermögende Leute in Südwestafrika um Farmland bemühen, und daß die Besiedelung flott vorwärts geht. Und so läßt sich gegen den Wunsch der Verwaltung, mittellose Leute fernzuhalten, nichts einwenden. Wenn man sich über legt, daß Südwest eben ein Viehzuchtland ist, so wird die Notwendigkeit größeren Betriebskapitals sofort verständlich. Eine Normalfarm von mindestens 5000 sim Norden) bis 10000 Hektar sim Süden) Weideland verschlingt den größten Teil deS genannten Kapitals für Anschaffung deS StammviehS, Anlegung von Brunne« und Staudämmen und Bau eines bescheidenen Hauses. Dann vergehen ein paar Jahre, bis der Viehstand so gewachsen ist, daß etwas verkauft werden kann. Während dieser Zeit darf beileibe nichts geschlachtet werden. Der Ansiedler tut gut, sich in der Hauptsache von der Jagd, der geringen Milch seines Viehes und den Erzeugnissen seines Gartens zu ernähren. Die betrcffenoe maßgebende Persönlichkeit hat daher ganz recht, wenn sie mir sagte, daß die besten Ansiedler für Südwest junge, tüchtige und intelligente Bauernsöhne seien, die gewöhnt sind, früh aufzustehen, tüchtig mit Hand anzulegen. Von dieser Sorte sei ihm jedes Quantum willkommen. Diese Leute würden es auch zu etwas bringen, wenn sie nur 20 000 hätten: denn sie seien anspruchslos und kümmerten sich von früh bis spät um ihre Wirtschaft. Tenn das ist anderseits zu betonen: ein Mann, der fleißig und energisch ist, kann mit seinem Kapital in Südwest etwas ganz anderes erreichen, als zu Hause. Er ist wirklich Großgrundbesitzer und kann sich, wenn er mit seinem Viehstand nach acht bis zehn Jahren auf der Höhe ist, ein nettes Sümmchen jährlich ersparen. Südwest nährt seinen Mann, wenn man sich ernsthaft darum bemüht. Von besonderer Wichtig keit für die Besiedelung ist die Rassenfrage. Die Erhaltung des Deutschtums, die wichtigste Voraussetzung für den politischen Bestand des Gebietes als deutsche Kolonie, hängt in erster Linie davon ab, ob wir unsere Nasse drüben rein zu erhalten vermögen. Die Portugiesen, unsere Nachbarn in verschiedenen Kolonien, sind als Kolonialvolk meines Erachtens in erster Linse durch ihre weitgehende Vermischung mit den eingeborenen Völkern in den Kolonien heruntergekommen. Dieselbe Gefahr liegt bei uns in Südwest (nebenbei bemerkt, auch in Samoa) vor. Wäbrend die Bantuvölker, zu denen in unseren Kolonien neben den Be wohnern von Ostasrika und großer Teile von Kamerun in Südwest die Hereros und Ovambos zählen, einer Vermischung mit der weißen Nasse durchaus abgeneigt sind, so daß Mischlinge zwischen ihnen und Weißen verhältnismäßig selten sind, wird von den Hottentotten diese Ver mischung direkt gesucht. Eine Hottentottenfrau ist stolz darauf, wenn sie Kinder hat, die Beimischung „Weißen Blutes" verraten. In welchem Umfange hier die Vermischung schon lange stattgcfunden hat, beweist der Stamm der Bastards in Südwestafrika, der aus einer Vermischung von Buren und Hottentotten im verflossenen Jahrhundert entstanden ist. Und die Zahl der Bastards mit deutscher Blutmischung geht ebenfalls schon in die Tausende. Durch das Verbot rechtsgültiger Ehen zwischen Weißen und Farbigen ist zwar vorläufig der Nebertragung der Ver mischung nach der Heirat vorgcbeugt: die MUchlingskindcr gelten als Farbige. Aber die Sache hat auch eine sehr ernste politische Seite. Ein allzu starkes Anwachsen der Mischbevölkerung ist gefährlich, denn sie könnte uns eines Tages Schwierigkeiten bereiten. Ganz abgesehen von der ästhetischen bzw. unästhetischen Seite der Frage. Und darum ist aber auch nach Kräften die Lösung der Frauen- frage in den Kolonien zu fördern, denn mit der Frauenfrage ist die Nallensrage gelöst. Der Koloniale Frauenbund hat in dieser Beziehung schon viel Gutes gewirkt. Wie ich bei dem oben erwähnten Gespräch erfuhr, ist im Norden der Kolonie im Augenblick kein Mangel mehr an deutschen Frauen, denn nach jeder Dampferankunft finden ein paar Trauungen statt. Dagegen sieht's im Süden wegen der starken Buren- und Bastardbevölkerung übel aus. Dort könnte durch schleunige Gründung des vom Frauenbund geplanten Mädchenheims unend lich viel Gutes gewirkt werden. Jeder Beitrag, auch der kleinste, wird der guten Sache dienlich sein. Nun noch ein paar Worte über die Entwickelung des Gemeinsinns in Südwest, die in der dringenden Forderung einer ziemlich weitgehenden Selb st Verwaltung ihren Ausdruck findet. Gouverneur v. Schuck mann ist bekanntlich der Ansicht, daß die Kolonie zu einem Mitbestim- mungsrccht bei der Verwaltung, wie die Ansiedler es sich denken, noch nicht ganz reif sei, solange sie nicht die Kosten der Zivilverwaltung auf zubringen vermag. Dagegen läßt sich nicht viel sagen, aber die Regie- rung hat es m. E. in der Hand, diesen Prozeß zu beschleunigen, wenn sie — wie es allerdings den Anschein hat — nicht länger säumt, auch dir großen Landgesellschaften mit zu den Lasten heranzuziehen. Deren Steuerfreiheit ist überlebt und kann heute nicht mehr aufrechterhalten werden. Wie kommen die Einzelansiedler, die nur einen kleinen Teil des Landes innehaben, dazu, die ganzen Kosten der Verwaltung zu tragen, während die Gesellschaften, die den Hauptvorteil haben, frei aus gehen? Uebrigens geht es vorwärts mit Südwest. Ein- und Ausfuhr sind in der ersten Hälfte des Jahres 1908 ansehnlich gestiegen, ein Beweis, daß sich die Verhältnisse konsolidieren. Der Bergbau entwickelt sich, nebenbei bemerkt, ebenfalls gut, und die Diamantensunde scheinen dem Lande eine recht verheißungsvolle Zukunft zu versprechen. Aber die Farmerwirtschaft ist und bleibt doch die Zukunft und das Rückgrat des Landes, denn sie macht es zur deutschen Jamiliensiede- lung. Mögen sich nichtsdestoweniger beide, Farmwirtschaft und Berg bau, auch im neuen Jahre friedlich nebeneinander ausbauen. In diesem Sinne: Glückauf! Eine Pression anfs Ausland? Dem BunreSrat wird in den nächsten Tagen, wie wir bereits am Sonntag mitteilten, der seit langer Zeit angekündigte Entwurf znr authentischen Interpretation des Artikels 54 der Reichsverfafsung rugehen. Der nach Ansicht Preußens der Auslegung bedürftige Teil dieses Artikels lautet: „Auf allen natürlichea Wasserstraßen dürfen Abgaben nur für die Benutzung besonderer Anstalten, die zur Erleichterung des Verkehrs bestimmt sind, erhoben werden." Nach der Meinung der preußischen Regierung sollen unter dem Begriff der „be- sonderen Anstalten, die zur Erleichterung deS Verkehr« bestimmt sind", auch alle Einrichtungen fallen, die getroffen werden, damit die nötige T'efe der Fahrrinne in den Flußläufen erhalten bleibt. Man hegt in den maßgebenden Kreisen Preußens sogar die An sicht, daß eine authentische Auslegung der Beifaflnng keines- weg« eine Abänderung der Verfassung zu bedeuten brauche, daß also eine einfache Mehrheit im Bundesrat hinreiche, dort den Entwurf zur Annahme zu bringen. Aber mit vieler Auffassung wird man schwerlich durchdringen, der BundeSrat wird voraussichtlich zu der Austastung kommen, daß eine Verfassungsänderung in Frage siebt, tznd daß daher 14 Stimmen den Entwurf zum Scheitern bringen können. Aber woher sollen diese 14 Stimmen kommen? Sachsen, Württemberg, Baden und Hessen verfügen allerdings im Bundesrat genau über 14 Stimmen, "aber bis jetzt ist nur bestimmt, daß Sachsen und Baden an ihrem Widerstand gegen die Einführung von Schiffahrt«- abgaben festkalten, und diese beiden Staaten brinien, wie wir ichon am Sonntag aussübrten, nur 7 Stimmen auf. Es ist auch völlig ausgetchlossen, daß sie sich um der schönen Augen der preußischen Agrarier willen, die in ihrer Selbstsucht den berüchtigten tz 19 res Kanalgeietzes geschaffen haben, zu einer Veränderung ihrer Ansicht be wegen lasten, denn sie würden dadurch nickt nur ihre beiden Haup,Umschlagsplätze, Riesa und Mannheim, aufs äußerste gefährden, sondern auch ihrer regen Industrie erhebliche, nicht wieder gutzumackende Nachteile zusügen. Alles das ist sckon so ost gesagt worden, daß sich eine aussührlich begründete Wiederholung alt bekannter Tatsachen erübrigt, aber vielleicht ist jetzt gerate der Zeit punkt, daran zu erinnern, daß durch eine derartige Belastung der säch sischen und bayrischen Industrie auch die aus der Neichsfinanzresorm er warteten Summen eine nicht unwesentliche Abschwächung erfahren dürften. Aber über die inländischen Sorgen setzt man sich in Preußen allein Anschein nach leicht hinweg; jetzt hat man es zunächst aufs Ausland abgesehen. Wir erwähnten bereits am Sonntag, baß der Aus hebung der Abgabenfreiheit auf schiffbaren Strömen und Flüssen Verträge mit Oesterreich und mit den Nieder landen entgegenstehen. Die Lösung dieser Verträge will man nun in Berlin auf dem Wege erreichen, daß man auf die beiden in Frage kommenden Staaten durch einen möglichst einmütigen BuneeSratSbeschluß, selbstverständlich im Sinne Preußens, einen mora lischen Druck ausübt. Die preußische Regierung legt, da sie sich infolge der oben angezogenen Bestimmung des Kanal- getetzes in einer unangenehmen Zwangslage befindet, das größte Gewicht daraus, daß der Entwurf, wenn nicht einstimmig, so doch mit möglichst großer Mehrheit im Bundesrat angenommen werde, da sich unter diesem Eindruck Oesterreich und die Niederlande am ehesten bereitsinden lassen würden, auf die ihnen in der Elb- und Nkelnschiffahrtsakte eingeräumte Abgabenfreibeit zu verzichten. Man will deshalb mit einer Abstimmung im Bundesrat so lange warten, bis die imponurende Mehrheit sicher ist, bis also die noch wider strebenden Staaten mürbe gemacht worden sind. Sachsen und Baden werden sich aber nicht umstimmen lasten, und da scheint man es denn jetzt auf Württemberg und Hessen abgesehen zu zu haben. Ob Preußen dort mehr Glück haben wird, steht noch dahin; jedenfalls ist aber die Voraussetzung sehr lühn, daß ein auf solchem Wege zustande gekommener Bundcsratsbeschluß auf die in Betracht kommenden fremden Staaten e nen so nachhaltigen Eindruck auSübie, daß diese sich nun möglichst bald den preußilchen Wünichn wiüsäbig reigten. Die Wirtschaftspolitik Oesterreichs wie die Hollands kann der Abgabenfreibeil auf der Elbe und auf dem Rhein nicht entraten; es wäre weon auch nicht gerade wirtschaftlicher Selbstmord, so doch die schwerste Beeinträchtigung des WirtjckauslebenS in bciven Staaten, wenn dieses wohlvcrbriejte Recht pieiögegeben würde. Moralische Pressionen eines Staates lönnten einen anderen doch niemals zur Gefährdung eines wichtigen Teils seiner Lebensintereffen veranlassen. Wir hegen die feste Zuversicht, daß eie Berechnung der preußischen Regierung grundfalsch ist, aber wir finden es zugleich in kokem Grade befremdlich, daß Pr.ußen zu solchen Mitteln zu gleiten beabsichtigt, um ein Ziel zu erreichen, das einseitige agrarische Jnreressenpolitik gesteckt hat. Die englische Thronrede. Die britische Thronrede, mit der König Eduard am gestrigen Montag das Parlament geschlossen hat, liegt nunmehr in der Inhalts skizze vor. Bemerkenswert ist, daß sie gleich am Anfang mitteilt, daß die Beziehungen Englands zu den auswärtigen Mächten „andauernd freundschaftlich" seien, was zur Festigung der augenblicklich einigermaßen in Besserung befindlichen europäischen Lage nicht wenig beitragen mag. Der Passus scheint indirekt auch darauf hinzudeuten, daß die anglo-deutschen Beziehungen wieder in minder düsterem Licht zu erblicken sind, als es bisher der Fall war. Die Rede beruft sich beson ders auf das Nordseeabkommen. Auch das mag zur Beruhigung Anlaß geben, daß jetzt in London, hinsichtlich der Balkansituation, was während ihrer früheren Entwick lungsphasen, gleich nach der großen Umwälzung, leider nicht der Fall war, nach einer friedlichen Lösung des großen europäischen Problems gestrebt wird. Die Thronrede, die weislich jeder Sensation fern bleibt, ergeht sich dann über die Angelegenheit der SeerechtSkonfcrenz, die momentan in London tagt, und über die indische Lage. Sie betont erner, daß die Flotte auf ihrem jetzigen Leistungsniveau erhalten werden oll, legt sich aber in der Behandlung der Frage der Landesverteidigung, sie sie nur kurz streift, was in Deutschland nicht geringe Aufmerksam keit erregen wird, große Mäßigung auf. Am Schluß spricht der König ein Bedauern über den Parlamentszwist wegen der Schankkonzcssions- und Unterrichtsbill aus. Ueber den Wortlaut der Thronrede liegt folgender Bericht vor: London, 21. Dezember. (Telegramm.) Die Thronrede, mit der der König das Parlament schloß, gibt der Freude über den Besuch des Präsidenten Fallieres und des Königs und der Königin von Schweden Ausdruck. Die Beziehungen z« den auswärtigen Mächten seien andauernd freundschaftlich. Im abgelausenen Jahre, heißt eS weiter, wurden mit fremden Regierungen verschiedene Uebcrein- kommen geschlossen, die durch Beseitigung von Streitpunkten der Be- festianng des Friedens dienen, darunter ein Abkommen über die Aufrechterhaltung des territorialen Statusquo in den Grenzgebieten der Nordsee.. Neuerdings haben sich ge wisse Ereignisse vollzogen, die darauf berechnet sind, die durch den Ber liner Vertrag auf dem Balkan getroffene Regelung zu stören. Aber mit Recht sei zu hoffen, daß durch weise, versöhnliche Verhandlungen eine friedliche Beilegung unter Zustimmung der Vertragsmächte erreicht wird. Ebenso darf man hoffen, daß die Konferenz der hauptsäch- lichsten Seemächte, die zurzeit in London tagt, durch gemein same Vereinbarung dazu gelangt, über die verschiedenen mit der See- triegsführung im Zusammenhang stehenden Fragen Regeln aufzustelleir und zu formulieren, die allgemeine Billigung finden. Tief bedaure ich, daß die innere Ruhe einiger Teile Indiens durch die Verschwörung übelgesinnter Leute gegen das Leben meiner Offizsiere und gegen die Fortdauer der britischen Herrschaft gestört wurde. Diese Vorgänge, die eine Ausnahme- gesetzgebung notwendig machten, batten anderseits aber auch auS allen Teilen Indiens Kundgebungen der Treue zur Folge. Die Regie- rung fand es deshalb gerechtfertigt, Maßnahmen zu betreiben, wodurch
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