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mehr. „Haben Sie unsern nicht gesehen?" fragt mich eine Mutter, die Sohn und Gatten suchte. Ich beuge mich über die Angesichter der Todten, aber wer vermochte die schwarzen, zum Theil ver brannten Gesichter zu unterscheiden? „Nein!" war die Antwort; sie bricht in Jammer und Weh zu sammen. Wer kann trösten? Das eigene Herz erfährt e», wie armselig hier Worte find, ein stlller Händedruck und eine stille Thräne ist alles, was man geben kann. Dort ein Schrei: >, Er ist's mein Vater: ach, warum bist du beute Nacht nicht bei uns geblieben?" Und dort: „Es ist mein Sohn, er war krank, ich bat ibn, zu Hause zu bleiben, aber er wollte die Schicht nicht versäumen, e» war seine letzte." Und hier: „ Meine beiden Söhne." Jünglinge, strotzend von Kraft; kein Streicheln der Wangen erweckt sie wieder. Und da: „Meine bei de» Brüder." Und den da kenne ich, den beweinen Frau und fünf Kinder. Genug! iver kann es mit anseheu, mit auhören, man geht still hinaus und weint und fragt leise: Du lieber Gott, warum? warum? — In Paris macht ein Prozeß viel Aufsehen, weil er zugleich in den höchsten und niedrigsten Ständen spielt und die menschliche Verworfenheit der Belhetligten in grausigem Lichte zeigt. Ein Graf und Marquis d'Orraült, vom ältesten Adel Frankreichs, heirathete eine Person vom schlechtesten Ruse, die Tochter des Kutschers Schumacher, die ein coloffaleS Vermögen, man spricht von mehreren Millionen, erspart hatte. Die Eltern der Frau Gräfin verlangten snun von ihrer vornehmen und reichen Tochter Unterstützung und da sie durch die gräflichen Dlencr herausgeworfen wurden, klagten sie. Da« Gericht verurlheilte die Gräfin und ihren Mann zu 1000 Fr. jährlicher Unterstützung. Damit war aber der Bruder der Gräfin nicht zufrieden, er suchte seine Schwester in einer Gesellschaft auf und schoß viermal auf sie, wobei sie stark cm Ge sicht verletzt wurde. Der saubere Bruder erhielt X5 Jahre Zwangsarbeit und der Graf mag die edte FamiUe seiner Frau so satt haben, daß er sich scheiden lassen will. Ehrgefühl ist eS aber kelnen- sall«, was ihn zu diesem Schutte treibt, denn er Hal auch ichon 5 Jahre Zuchthaus hinter sich. Nun epsint noch ein junger Mensch, man weiß nicht recht, wer Vater und Mutter ist, dem aber die Gräfin den Namen ihre» Mannes zu verschaffen gewußt hat und der jetzt auf dem Gymnasium sich befindet. Obgleich er gar nicht von bim Prozesse berührt wird, schickt ihn der D'recior der Schule doch fort, um dem Skandal ein Ende zu machen. Dagegen protesttrten nun 250 Schüler de- Gymnasium« in einer Pariser Zeitung und verlangen Recht für lhren Mitschüler, dem man nichts vorwerfen töune al» seine Geburt. Der Direktor macht jedoch kurzen Prozeß und schickt sämmtliche 250 Schüler fort.— Locales. Wie wir hören, beabsichtigt Heir TaulorZedt. in nächst» Zeit eia große» Vokal- und Jnstru- mentalconcert zu geben, bei welchem seine talent volle Tochter Marie, seit einem Jahre Schülerin des LonservatoriumS in Dresden, mitwir'en wird. E» ist zu wünschen, und bei der großen Zahl von Freunden, die Herr Cantor Zedtler in Stadt und Land besitzt, wohl auch zu hoffen, daß das Concert, dessen Ertrag der ferneren Ausbildung als Piani stin der Tochter zu Gute kommen soll, recht zahl reich betucht werde. Marie Zedtler hat uns früher in Abonnemcntconcerten so bedeutende Proben ihre- Talents gezeigt, daß wir wirklich begierig find, ihre jetzigen Leistungen kennen zu lernen. Verrechnet! Erzählung von Friedrich Friedrich. (Fortsetzung.) Der Bursche trat mit ängstlichem Blick wieder in das Zimmer. „Hierher, Mensch! Hierher stell'Dich! Dicht heran!" fuhr Salbern fort, indem er beide Beine auf das Eopha zog und sich eine ernste Miene zu geben suchte. „Du heißest Fuchs? — Nun, ant worte Mensch! Nicht wahr, Du heißest Fuchs?" „Zu Befehl» Herr Lieutenant", antwortete der Bursche. „Sieh', der Fuchs ist ein Thier, welches ein Thier ist, das nicht dumm ist", setzte der Lieutenant seine Rede mit Pathos fort. „Du bist aber rin Mensch, der ein Mensch ist, welcher sehr dumm ist. Der Fuchs ist ferner schlau, das bist Du nicht; er ist listig, und Du bist schon mrhr ein Rhinoceros, Ich wußte, daß Du dumm warst, als ich Dich zu meinem Burschen wählte, aber ich habe nicht ge glaubt, daß Du so dumm seiest. Höre zu, Mensch, und sieh' mich nicht so starr an! Du sollst es mir Dank wissen, daß ich mir Mühe mit Dir gebe. Jedes meiner Worte sollst Du Dir merken, Du kannst sie Dir meinetwegen auch aufschreiben. Wenn ich also nach Hause komme und mich geärgert habe, so trinke ich nie Wasser, ich müßte sonst sehr durstig sein. Und wenn ich mich nicht geärgert habe, so — trinke ich auch keines, weil ich überhaupt keines trinke!" Er wurde hier durch rin lautes Lachen unter brochen. „Eine köstliche Rede, eine prachtvolle In struction !" rief ein junger Mann, der unbemerkt in die Thür getreten war, unter fortwährendem Lachen. „Befehlen der Herr Lieutenant noch etwas?" fragte der Bursche schnell, dem dies der richtige Augen blick zu sein schien, um sich glücklich zu entfernen. „Nichts, nichts, als daß Du Dich zum Kukuk scheerst!" rief der Lieutenant ärgerlich. Der Bursche eilte fort. Der Eingetretene hatte fortwährend laut ge lacht. Er trat jetzt dicht vor den auf dem Sopha liegenden Lieutenant, stützte beide Hände auf einen leichten, feinen Stock, vrp er trug, und lachte «och lauter.