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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.12.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-12-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190812177
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19081217
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19081217
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-12
- Tag 1908-12-17
-
Monat
1908-12
-
Jahr
1908
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Mltaleil, Sp»d,««ura» m«d Sil»ahm»ftrllr», !m»i« Postämtern u»» Vrt»ftri,«rn. Dl» et»jelne Stnmmrr kostet 1« «kdaNta» »»d «eschiNSstrll», J»h»nn>«gasl« tt. K«ulpr«tz»ri 14*4 l»««. 14804. MiWgerTagMM HandelszeUung Amtsblatt -es Rates im- -es Nolizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Anzeige»-Preis » SS»r»r» »u« LSpch, u»d N» «aeloalt»»« PrSt^tl« 22 klnm>,teste «NM,«° 20 ch. «,kl»i»° I ^k; »»» «»wärt» 20 ch, dteklam»» I.2V »»» Ausland LOH, staan». »n^t,»» 72^ Reklamen l^u) utz. 3»k»»Ot»».v»tzdrden >« amtlich«» lall 40 »«ilapa^tzidr 2 ». Da»I»nd er«!. Bost- aabsttzr. G«sch4st«an^»n an droariugter Stelle t« PrmI« erdiht. Rabatt nach »an Faft«NktIt« tzlukriäz« kän»rn nicht »urstck- ««»»,»» werd«». gär da« »Scheinen an d«fti«i»r»n lag»u und Plätzen wird keine Garantie üdernomma». «npei-ne-Smilch»»« S«a»st»»pl«tz 8, »S itmtlich»» Fllial«» u. all«, «innanee». Stzpadtttanrn da» In« u»d Auälaude». SmU»t.«Ul»le «erlln: Sarl Duncker, Herzogl. «adr. Hofduch. handluug, t'ützowstrast« lüt. (Lelephan VI, Rr. 4MS). S«upt.-iltal« Dresden: Seestrod- 4.1 (r«i»,h-a 4Ü21). Nr. 3t8. Donnerstag 17. Dezember 1908. 102. Jahrgang. Das wichtigste. *JnderZweitenKammer wurde am Mittwoch u. a. zu dem Beschluß der Ersten Kammer über den Umsatz st euerantrag Stellung genommen. Die konservative Mehrheit beharrt nach wie vor auf dem Verlangen der Einführung einer solchen Steuer. sS. Sachs, Landtag.) * Der Kaiser wies daS A u s w ä r t i g e A m t an, dem Präsi denten Castro für sein Begrüßungstelegramm an ihn mündlich in seinem Namen zu danken. * Die Wiener Gerüchte erhalten sich, daß die Stellung Aehren- thals so wenig fest sei, daß er nach Abschluß der bosnischen Aktion unter allen Umständen zurücktrete, auch wenn er de: Schwierigkeiten Herr geworden sei. * Die „Köln. Ztg." meldet aus Konstantinopel, daß auf Be schluß des SperrkomiteeS an der Grenze mit der Sperre der bul garischen Waren begonnen wird. *Wie der Pariser „HumanirS" aus A l g i e r gemeldet wird, soll der Führer der meuternden Fremdenlegionäre in Oran ein ehemaliger bayerischer Offizier sein, der dem zur Bekämpfung der Fremdenlegion gebildeten Verein angchört. Es soll ihm gelungen sein, als Osfiziersbursche eine Offiziersuni form zu entwenden. sS. d. des. Art.) * In Earacas ist das Standrecht infolge der Unruhen prokla- miert worden. sS. Ausl.) * Nach Pariser Meldungen sind bei dem Zusammen st oß eine? Güterzugcs mit einem Personenzug zwischen Limoges und Brive zehn Personen getötet und 1s verletzt worden. Der Zusammen stoß erfolgte in einem Tunnel. * Aus Resiczabanya (Ungarn) wird gemeldet: In einer Kohlengrube bei Domani ereignete sich eine Explosion schlagender Wetter. Bisher sind 13 Tote geborgen. sS. Verm.) Der? Reiehshcrusbalt nnd die Sparsamkeit. Als Fürst Bülow seinerzeit den Freiherrn von Stengel als neuen Rcichsschatzsekretär im Reichstag einführte, tat er die Aeußerung, daß ringsumher im Reiche nur zwei bis drei Personen zu sinken wären, die den Reichshaushaltsctat wirklich zu übersehen vermöchten. Einer von ihnen war der inzwischen verstorbene Abgeordnete Eugen Richter, von dem Bülow damals meinte, er wäre jedenfalls nicht geneigt gewesen, den Posten zu übernehmen. Man erzählte sich seinerzeit im Parlament, daß Richter, der sich in den letzten Jahren seiner parlamentarischen Tätigkeit mehr und mehr nach der positiven Seite gemausert hatte, und — was man nicht verkennen darf — in seiner äußerst entschiedenen Gegnerschaft gegen die Sozialdemokratie und besonders auch durch seine veränderte Haltung gegenüber der Kolonial- und Flottenpolitik dem ZusMndekommcn des Blockes sehr wirkungsvoll vorgcarbeitet hatte, damals durch die Aeußerung des Reichskanzlers unangenehm be rührt war und im vertrauten Kreise äußerte, daß es ihm in Wirklich keit Freude gemacht haben würde, das Amt, das man ihm nicht antragen zu dürfen glaubte, zu übernehmen. — Wie dem auch sei — die Tatsache bleibt bestehen, daß es nur verzweifelt wenig Politiker gibt, die das Bild des Etats wirklich vollkommen zu übersehen vermögen. Für dieUebersicht verhältnismäßig günstig ist immerhin der eine Um stand, daß sich im Reiche die tatsächliche Ausgaoe und Einnahme und der Vermögensbestand mangels großen Besitzes an Neichsbetrieben nicht so verschleiern läßt wie in Preußen; aber immerhin kann auch hier der Etat jeweilig nach Belieben rosenrot und grau in grau gemalt werden. Man braucht sich nur die Tatsache zu vergegenwärtigen, daß bei den ganzen Verhandlungen über die neuen Steuervorlagen, die heute doch die Kleinigkeit von einer halben Milliarde aufbringen sollen, auf der Anklagebank kein anderer sitzt als jener bequeme Freiherr von Thielmann, der seinerzeit als Reichsschatzsckretär bei der Beratung der großen Flottenvorlage immer wieder die Ausarbeitung von Steuer vorlagen zur Deckung des MarincbcdarfeS mit der Motivierung ab lehnte: „Wir schwimmen ja im Gelbe!" Ein ganz verhängnisvolles Wort, daS immer wieder festgenagelt werden muß, zumal jetzt, da wir so wenig im Gelbe schwimmen, sondern, wenn das Bild erlaubt ist, in der Hochflut unserer Schulden herumplätschern. Lag es damals in einem — allerdings recht kurzsichtig aufgefaßten — politischen Interesse, die Finanzen rosig zu malen, so liegt es heute wohl im Interesse des ReichS- schahamteS, sie recht düster darzustellen, um den neuen Steuerbedarf nur um so deutlicher hervortreten zu lasten. Aber diese Anschwärzung deS EtatS ist immerhin — man verzeihe, daß der Vergleich wieder recht hinkend auSfällt — eine zweischneidige Waffe. Denn mag eS auch auf der einen Seite notwendig sein, den Finanzbedarf recht hoch erscheinen zu lasten, so ist eS iwch auf der andern Seite noch viel dringender not wendig, den Beweis zu erbringen, daß man wirklich sparsam wirt schaften will; denn ohne den Beweis peinlicher Sparsamkeit in Händen zu haben, wird und kann der Reichstag sich nicht bereit finden, dem Volke neue Lasten in so einzig dastehender Höhe aufzuerlegen. Wie steht eS nun mit dem jüngst vorgelegten neuen Reichsetat unter dem Gesichtspunkte der Sparsamkeit? — Nm diese Frage Halbwegs objektiv beantworten zu können, muß man sich vor allen Dingen ver gegenwärtigen, daß es schlechtweg unmöglich ist, von heute auf morgen Hunderte von Millionen in einem Haushalt wie dem des Deutschen' Reiche- abzustreichen. Man kann noch so sehr auf Vereinfachung des VerwaltungS- und Beamtenapparates hinarbeiten und muß doch in Be tracht ziehen, daß der vorhandene Beamtenkörper leben will; ja sogar, daß er in Anbetracht der verteuerten Leben-Verhältnisse dringend ge steigerter Gebührniste bedarf. Also schon hier nicht nur eine notwendige Beibehaltung der alten Ausgaben, sondern eine notwendige Erhöhung. Sodann gibt es eine große Reihe von Aufwendungen nicht nur, son dern auch von Mehraufwendungen, die gesetzlich und unabänderlich fest gelegt sind. Vor allem steigen von Jahr zu Iah* die Beträge, die daS Reich für die Arbeiterwohlfahrt und Arbeiterfürsorge aufzubringen hat. Wenn also der gesamte Etat um einige Dutzend Millionen höher abschließt, als im Vorjahre und sich der runden Summe von 3 Mil liarden stark nähert, so ist daS an sich immerhin noch keineswegs ein Beweis für mangelnde Sparsamkeit. Will man wirklich ein abschließen des Urteil in dieser Beziehung fällen, so ist eS eigentlich notwendig, jede einzelne Position Ziffer für Ziffer durchzugehen. Und wer wollte sich ermessen, bei einem Dreimilliardenetat beispielsweise von jedem ein zelnen Beamten festzustellen, ob seine Tätigkeit unbedingt erforderlich ist, von jeder einzelnen Lieferung, ob sie nicht billiger ausführbar wäre! Ein Urteil» daS man kurz« Zeit nach Veröffentlichung deS Etats abzugeben versucht, kann naturgemäß unter diesen Umständen kein ganz sichere» und abschließendes sein. Man muß sich zunächst an die großen Endziffern halten, wirb aber immerhin an manchen Punkten auch bei den großen Hauptziffern unter dem Gesichtspunkte der Sparsamkeit mit der Kritik einsetzen können. Wenn die fortdauernden Ausgaben — um der Reihe nach zu ver fahren — beim Auswärtigen Amt nur mit einigen hunderttausend Mark PluS abschneiden, so wird man sich angesichts der anerkannt höchst mangelhaften Organisation deS Auswärtigen Amtes zu fragen haben, ob an diesem Punkte nicht eine falsche Sparsamkeit obwaltet. — Die Verwaltung des ReichSheereS erfordert an fortdauernden Ausgaben ein Plus von rund 5^ Millionen, was angesichts der gesetzlich festgelegten Steigerung des HeereSkörperS den Rückschluß auf sparsame Wirtschaft gestattet. — Die Zunahme der fortdauernden Ausgaben bei der Marine verwaltung um mehr als 10 Millionen wird man trotz des Flotten- gesetzeS aus Gründen, auf die später uoch zurückzukommen ist, etwas skeptischer zu betrachten haben. — Die höchsten Steigerungen finden wir in den fortdauernden Ausgaben bei der NeichSschuld mit 16 Millionen — eine dringende Mahnung, der Schuldenwirtschaft Einhalt zu tun — und bei der Reichspostverwaltung mit annähernd 28 Millionen, waS wesent lich auf die notwendige Steigerung der Beamtengehälter zurückzu führen ist. Bei den einmaligen Ausgaben im ordentlichen Etat finden sich be merkenswerte Ersparnisse; so höchst anerkennenswerterweise bei der Verwaltung des Reichsheeres 28^4 Millionen und beim Kolonialamt 13 Millionen. Demgegenüber stehen bei der Marine wieder 28 Mil lionen PluS, beim Schatzamt 22^ Millionen PluS. — Auch bei den Ausgaben deS außerordentlichen Etat» sehen wir beim Reichsheere 15 Millionen Ersparnisse gegen das Vorjahr, beim Kolonialamt 12 Mil lionen, dagegen bei der Marine ein PluS von rund 24 Millionen. ES scheint demnach geboten, besonders bei der Marine aufmerksam zu verweilen. Gewiß ist hier auf der ganzen Linie eine Steigerung der Ausgaben durch daS Flottengesetz bedingt; aber wir fürchten, daß nirgends das Prinzip der Sparsamkeit und der kaufmännischen Ver waltung weniger sorgsam beachtet wird, als in diesem Ressort, das groß geworden ist unter dem Kurse prunkvoller, höfischer Repräsentations politik. Die deutsche Presse kann sich der patriotischen Pflicht nicht ent ziehen, immer und immer wieder darauf hinzuweisen, daß gerade bei der Marine die Vergebung der Lieferungen, die Ueberwachung des vor handenen Materials, die Nebung des Sparsamkeitsprinzips dringend revisionsbedürftig ist. Es ist oft wiederholt worden, daß die Unter schleife an der Kieler Werft, daß die falschen Lieferungen für die Be festigungsanlagen von Helgoland nicht vereinzelt dastchen, sondern daß der Marinevcrwaltung in großem Umfange kaufmännischer Geist und straffe Leitung fehlen, obwohl man sagen darf, daß der einzelne Marine offizier im Durchschnitt einen gewissen Anflug kaufmännischen Verständ nisses nicht vermissen läßt. Die Fehler liegen nicht bei der Besatzung und bei den Kommandos der Kriegsschiffe, sondern wesentlich bei den Werft-, Proviant- usw. Verwaltungen. Hier werden Millionen und aber Millionen vergeudet, Millionen und wieder Millionen Altmaterials verschleudert. Ein anderer Angriffspunkt der Kritik ist der ungeheure Verwaltungs apparat. Wie schon gesagt, lasten sich hier nicht von heute auf morgen große Ersparnisse durchführen; aber endlich einmal muß doch ein starker organisatorischer Geist eingreifen und tüchtig aufräumen. Ganz zu schweigen von der entsetzlich vielen Schreiberei deS Verwaltungs apparates, die bisher durch alle Klagen niemals verbessert, sondern sogar durch Erhebungen über die Möglichkeit einer Verminderung des Schreibwerkes vermehrt worden ist. Die Zeichen der Zeit deuten nicht dahin, daß man den neuen Reichsetat einfach nach Ziffern und nach den Vorzeichen PluS oder Minus betrachte, sondern dahin, daß unser sehnendes Auge einen großen Organisator deS eingetrockneten Vcrwal- tungsapparates und kaufmännische Leiter der behördlichen Geschäfte er spähe. Verheißen ist unS viel; erfüllt ? Und ein Narr wartet auf Antwort —! Die Gvientkvisrr. Zur österreichischen Lage. Das politische Firmament über der habsburgischen Monarchie hat sich wieder verdunkelt. Nach außen hin ist man allem Anschein nach nicht einmal mehr bemüht, einen deutlichen Bankerott der Aehrenthal- scheu Balkanpolitik zu verhüllen. Nur die innere Politik der Re gierung hat nach einer Aera schwerer Schlappen, einen einigermaßen tröstlichen Erfolg zu verzeichnen, daß daS Budgetproviforium vor- gestern im Reichsrat glücklich unter Dach und Fach gobracht wurse, nachdem auch die Sozialdemokraten dafür stimmten. Aber schon tauchen neue Gefahren für die innere Siruation auf. Man spricht von der Rückkehr eines Kabinetts Badeni, waS für die innere Lage eine förmliche Katastrophe bedenten würde. Tenn die Regierung würde sich in diesem Augenblick den Groll des Deutschtums für immer zuziehen. Sie würde damit, falls auch Aehrenthal demissioniert, den Krebsschaden ihrer Haltlosigkeit in Zeiten beständiger Gefahr sowohl in ihrer inneren wie äußeren Politik vor aller Welt endgültig aufdecken. Was aber eine derartige Umwälzung in der österreichischen Politik heute bedeutet, das ist vorläufig noch nicht zu ermessen. Wir haben schon vor kurzem mitgeteilt, daß Aehrenthals Stellung völlig erschüttert sei, und daß schon sein Nachfolger in dem Grafen Berchtold, dem österreichischen Botschafter in Petersburg, erblickt wird. DaS „Berl. Tagebl." läßt sich jetzt in ähnlichem Sinne auS Wien melden: Hier zirkulieren andauernd Gerüchte, daß die Stellung Aehrenthals erschüttert sei. Der Minister soll, wie es heißt, nach Abschluß der bosnischen Aktion unter allen Um ständen zurücktreten, auch wenn eS ihm gelingt, aller Schwierig, keiten Herr zu werden. Man wirst Frhrn. v. Aehrenthal vor, daß er die Annexion nicht genügend vorbereitet und namentlich dieEntentemitRußland durch sein unglückseliges Balkanprojekt in einem Augenblick zerstört habe, wo sich Oesterreich- Ungarn zu einer weit wichtigerer«« Aktion als zur bosnischen rüstete. Man wirft Frhrn. v. Aehrenthal ferner vor, Europa unnötig brüskiert zu haben. In unterrichteten Kreisen wird der bevor stehenden Anwesenheit deS Botschafters am Petersburger Hofe, des Grafen Berchtold, große Bedeutung beigemesten. Es verlautet, er werde zum Vortrag beim Kaiser befohlen werden. Viele wollen in ihm schon den künftigen Minister de» Aeußern sehen. Eine weitere Nachricht auS Wien will von einem völligen Rückzug der österreichischen AnnerionSvolitik wissen. DaS Wiener Kabinett trage sich mit dem Gedanken der Proklamierung Bosniens und der Herzego wina zu einem autonomen Balkanstaat, dessen Verwaltung einem Mit glied« de» Kaiserhauses übertragen werden solle. Wir können jedoch nicht umhin, diese Nachricht al» äußerst unglaubwürdig zu be zeichnen, da eine Großmacht von der Bedeutung Oesterreich-Ungarns sich wohl niemals zu einem derartigen Schritte yerbeilassen wird, der nichts anderes bedeuten würde, als eine völlige moralische Defaite und damit die Einbuße jeglichen Prestiges und jeglicher weiteren Ent faltungsmöglichkeit der Monarchie nach außen hin überhaupt. Die Wiener Meldung lautet: In hiesigen diplomatischen Kreisen ist daS Gerücht verbreitet, daß da» Wiener Kabinett gegenwärtig bei den Großmächten sondiert, ob die Proklamierung Bosnien» und der Herzegowina zu einem autonomen Balkan st aat unter vollständiger Selbstverwaltung eine» MitgliedeSdeS österreichischen Kaiserhauses genehm sei und ob diese Neugestaltung eine Beendigung deS Balkan- ko n f l i k t e S herbeizufiihren vermöge. ES verlautet mit Bestimmtheit, daß dieser Ausweg in die Informationen, die dem österreichischen Bot schafter bei der Pforte zugegangeu sind, ausgenommen worden ist. Die Annexion im österreichische« Abgeordnetenhaus. (Telegramm.) Wie», 16. Dezember. Hier begann heute die Verhandlung über die die Annexion BoSnienS betreffenden DringlichkeitSanträge. Zunächst begründete Prinz Liechtenstein schristlich.sozi.sl) seinen Antrag. In längeren Ausführungen sagte er, daß keine politisch reife Partei gegen die erste Lesung deS AnnexionSgesetzeS Einwendungen er heben werde. Aber schon jetzt müsse sich daS HauS durch eine unzwei deutige und entschiedene Erklärung gegen die Auffassung wenden, welche in Ungarn den von dem österreichischen abweichenden GesetzeStext zu- stände brachte. (Beifall.) Redner kam zu dem Schlüsse, daß weder Oesterreich, noch Ungarn daS Okkupationsgebiet zufallen dürfe, sondern daß die Einigung und freie Selbstregie- rung serbokroatischen Volke» unter dem Zepter deS Kaiserhauses die einzigste anzu st redende Lösung bilden könne. (Lebhafter Beifall.) Die türkisch-österreichischen Verhandlungen. (Meldung deS Wiener K. K. Telegr.-Korresp.-BureauS.) Koustautinopel, 16. Dezember. Im Ministerrat machte der Großwesir Mitteilungen über di: Verhandlungen mit Oesterreich-Ungarn. Redner er klärte, daß der Botschafter Markgraf Pallavicini im Hinblick auf die am Sonntag von der Pforte gemachten Mitteilungen Instruktionen erwarte. Bezüglich des Boykotts wurde im Ministerrat beschlossen, daß, wenn österreichische Schiffe mit eigenen Leichterschiffen ihre Waren bis zum Zollamt brächten, die Zollamtslastträger sie auSladen müßten, daß man aber private Kailastträger hierzu nicht zwingen könne. Drei Mit glieder deS Komitees, Abmedriza, Major Enver und Talat, konferierten während und nach Schluß des Ministerrats mit dem Großwesir und dem Minister des Innern über die Organisation des Parlaments, über den Boykott und andere Angelegenheiten. Vierphrlofophie. (Von unserem Pariser ^.-Korrespondenten.) Pari-, 15. Dezember. Joseph Pschorr war der Gewährsmann, der Jules Huret in die intimeren Geheimnisse der Bierhauptstadt München einweihte. Im „Figaro" ist da» letzte bayrische Feuilleton deS unerschöpflichen Ehronikcurs sehr interessanten statistischen Angaben und einer, wie immer, recht flotten Beschreibung des ÄrauereibetriebeS gewidmet, aus der selbst Münchner, die nur trinken und sich nicht allzuviel um das wissenschaftliche Quellenstudium bekümmern, manches Wissenswerte lernen könnten. ,Aie Bierproduktion im ganzen Deutschen Reich be trägt jährlich 70 Millionen Hektoliter, d. y. 7 Milliarven Liter oder 1l2 Liter pro Einwohner, Frauen und Kinder einbegriffen. Wenn man im Durchschnitt den Liter auf 80 Cent, veranschlagt, macht das 2 Mil- starken 100 Millionen Franken Bier auS. die von den Deutschen im Jahr hinuntergeschluckt werden. Der Bierkonsum in München selbst ist dieser mittleren Ziffer von 112 LiternfÜr daS ganze Reich noch über legen. Die Bierfabrikation sämtlicher Münchner Brauereien zusammen genommen beträgt 3 232 06!» Hektoliter, wovon 1667 235 Hektoliter expor tiert werden, waS für die 552 000 Einwohner einen mittleren Verbrauch von 280 Litern pro Jahr bedeutet. 1006 betrug diese Ziffer gar 303 Liter, also ist der Bierumsatz am ProduktionSort selbst im Niedergang. 1875 fabrizierte man in München nur 1672 364 Hektoliter, nur den oritten Teil von heute. Aber der Export vermehrte sich 25mal; denn er betrug noch 1883 nicht mehr als 50 000 Hektoliter. Natürlich wollte ich wissen, wie dieses berühmte Bier fabriziert wird, ich wollte die Labo ratorien sehen, auS denen eS hervorgeht. Da der Zufall mich mit Herrn Joseph Pschorr in Verbindung brachte, war eS seine Brauerei, die ich besuchte. Sic ist nicht die größte in München, da er mich selbst wissen ließ, daß die Augustinerbrauerei doppelt so viel produziert als die seine. Aber die Organisation ist dieselbe. Herr Pschorr» einer der drei Brüder, die die berühmte Brauerei besitzen, ist ein hochaewachsener, vollblütiger, tätiger und lächelnder Mann, dessen runder Kopf mit regelmäßigen Zügen und spitz gekämmtem Bart auf zwei breiten Schultern ruht. Im Bureau, in das man^mich hatte eintreten lassen, zählte ich etwa 100 Trinkgefäße, Krüge, Schoppen, Töpfe, Kannen und „vickreoun«" (von
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