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306 ginnen. Garibaldi hat erklärt, daß nun mit der Pfaffenwirthschaft in Rom ein Ende gemacht wer den müsse und wenn der König nichts thun wolle, so werde er mit seinen Rothhemden allein den Papst und dessen Schlüsselsoldaten vertreiben, er erwarte nur den Ruf aus Rom. Kaiser Napoleon ver langte nun von der italienischen Regierung, daß sic Garibaldi im Zaume halte; der Minister gab zwar zu verstehen, Italien brauche sein Geld nölhi- ger, als mit 40,000 Mann den Papst zu bewachen, schließlich mußte er dennoch den Drohungen Na- poleon's nachgeben und so ist Garibaldi am 25. verhaftet worden, eben als er die römische Grenze überschreiten wollte. ES heißt, die italienische Re gierung werde den unruhigen Geist aus seine Zie- geninsel schaffen, ihm sonst aber kein Leid anthun. Im Stillen sind doch alle Italiener mit Garibaldi einverstanden; manche möchten es sogar auf einen Krieg mit Frankreich ankommen lassen. — Wer hat nicht von dem Pariser Wunderkinde, dem Orostit mobilier gehört, der, als er in die Welt kam, allen Franzosen goldene Berge versprach und bei welchem die Regierung selber zu Gevatter stand? Nach ein paar flotten Jahren auf anderer Leute Kosten verfiel das Kindlein zusehends, wäh rend seine unnatürlichen Bäter immer stärker und dicker wurden. Jetzt beträgt der Gesammtverlust der einst berühmten und nun schon lange berüchtig ten Geldanstait 225 Millionen, während die Väter und Gründer sich ein Gesammtvermögen von 360 Millionen zusammengeschwinkell haben. Oeffentliche Stimmen verlangen, daß die säubern Herren für den Verlust einstehen, sie behielten immer noch ge nug für sich übrig. — Wiederholt ist die schreckliche Thatsache an die Oeffentlichkeit getreten, daß von den in Paris ge borenen Kindern, die größtenthcils, um die Müller nicht zu incommodiren, „auf die Ziehe" in die Um gegend gegeben werden, die Hälfte, ja bis 90 Pro cent im ersten Jahre stirbt. Das sind die ehelichen Kinder. Wie es den unehelichen ergeht, davon giebt eine Geschwornensitzung in vergangener Woche Kunde. Eine Hebamme ist angeklagt, Kinder, die ihr zur Erziehung übergeben worden find, vorsätz lich durch Hunger, schlechte Luft und Unreinlichkeit getödtet zu haben. Sie hatte in der Regel 1 Jahr Kostgeld voraus genommen und dann die armen Würmer auf die jämmerlichste Weise umkommcn lassen. 2 Kinder von 14 Tagen wurden von ihr einen ganzen Tag im Wagenkasten mitgeschleppt und vollständig ohne Nahrung gelassen; so brachte fie das eine todt nach Hause, das andere starb am andern Morgen. Schrecklicher noch erging es den ein- und zweijährigen. Diese, die oft in blühend ster Gesundheit zu dem Teufel in Menschengestalt gebracht worden waren, sahen nach zwei Monaten aus wie Gerippe; eins, das man noch lebend fand, hatte schon seit einer Woche nicht mehr die Kraft, zu schreien. Das Weib, dem man in einem Jahre 10 solcher Kindermorde nachrcchnen konnte, ist zum Tode, der Mann zu 20 Jahren Galeere verurtheilt. Locales. In dem Thurmknopfe der hiesigen Legräbniß- kirche befand sich unter anderm eine Schrift aus dem Jahre 1752, der wir Folgendes entnehmen: Der Thurm der Begräbnißkirche hatte damals 161 Jahre gestanden, mußte also im Jahre 159l gebaut worden sein; wahrscheinlich war derselbe nach dem großen Brande, der den 21. Ang. 1584 die ganze Stadt mit Ausnahme der Stadtkirche zerstörte, in jenem Jahre erst wieder sertig gewor den. Bei einem zweiten Brande, den 12. Juni 1686, der wiederum den größten Theil Wilsdruffs in Asche legte, wurde auch die Stadlürche ein Raub der Flammen. Eine dritte Feuersbrunst, den 5. Juni 1744, hat der Verfasser der Schrift selbst er lebt. Das „erschröcklich Feuer" war vor dem Zelli- schen Thore ausgebrochen, hatte alle Häuser in den Ringmauern, bis auf die Kirche, von der nur der Thurm ausbrannte, die Pfarre und ein Bürgerhauß hinter derselben verzehrt, auch die Vorstädte waren, mit Ausnahme der Meißner großentheilS „drauf gegangen" und hatten 6 Personen dabei ihr Leben verloren. Im solgenden Jahre, „Anno 1745, ist ein betrübter Krieg zwischen uns und den Preußen entstanden, dabei es den 15. Dccbr. bei Kessels- dorf zu einem blutigen Treffen kommen, in welchem, von beiden Seiten, viel Tausend ans dem Platze blieben und die Unsrigen zum Weichen gebracht worden. Den 16. Decdr. find des Königs in Preußen Majestät nebst dero Herr Bruders, de« Prinzen von Preußen, König!. Hoheit hieher kom men, von welchen ersterer aus dem hochadlichen Schlosse, letzterer in der Pfarr wohnnng sich ein- logiret, desgleichen hatten auch einige preußische Regimenter hier Quartier in den halb wieder aus gebauten Häusern genommen. Nachdem Höchstge dachter König von Preußen den 18. Dccbr. in Dresden eingezogen, haben Dieselben aus höchstem Mitleid gegen hiesigen abgebrannten Ort Befehl gegeben, daß alle hier einquartierten Regimenter wieder von da abziehen sollten, welches auch an selbigem Tage erfolget und nur die Blesfirren noch zurücke blieben." — Erb- und GerichtSherr in Wilsdruff war 1752 Gottlob Ferdinand o. Schönberg, dessen beide Söhne, Hans Ferdinand Cäsar und Haus Michael Ludwig als Offiziere in französischen Diensten standen. Der GerichtSdlrector hieß Wolffermann, der Pastor öl. Funke, ebenso wie der Rector Hempel und der Cantor Knöfel „aus dem Städtgen." Dagegen stammte der Küster und Mädgen-Schul meister Richter aus Sora. Der Stadtrath bestand aus den beiden Bür germeistern Winkler und Funke, den Stadtrichtern Leonhardt und Irmler, den Senatoren Rülcker und Zschoche und dem Stadtschreiber Bernhardi. Eine Familie Busch scheint sehr verbreitet und sebr wohl habend gewesen zu sein; 3 dieses Namens, Kans« und Handelsleute, haben sich durch namhafte Ge- schenke zum Thurmknopse ausgezeichnet. — In den am 18. wieder aufgesetzten Thurm«