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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharaud, Noffen, Siebenlehn und die Umgegenden. Ä in t 8 bsaii für das Königl. Verichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Freitag, den ll. Octoder 1867. 41. Verantwortlicher Redacteur und Verleger: A. Lorenz. Von dieser Zeitschrift erscheint alle Freitage eine Nummer. Der Preis für den Vterteljahrgang beträgt tu Ngr. und ist jedesmal vorauszubezahlen. Sämmtliche König!. Postämter nehmen Bestellungen darauf an. Anzeigen, welche im nächsten Stück erscheinen sollen, werden in Wilsdruff sowohl (in der Redaction), als auch in der Druckerei d. Bl. in Meißen bis längstens Donnerstag Vormittags 8 Uhr erbeten, Inserats nur gegen sofortige Bezahlung besorgt, etwaige Beiträge, welche der Tendenz des Blattes entsprechen, mit großem Danke angenommen, nach Befinden honortrt. Redaktion. Umschau. Im Reichstage kam es vergangenen Montag zu einem hitzigen Kampfe unter den sächsischen Ab geordneten. Den Anlaß dazu boten zwei Anträge, Der eine, von demokratischer Seite, wollte eine bedeutende Verminderung des Militärs, der andere, von Oehmichen und Eonsorten, eine Beurlaubung >n größerem Maßstabc. Beiden entgegen trat der Adg. Blum. Er sagte unter Anderem: Diejenigen Abgeordneten, die heute diese Anträge an Sie ge stellt haben, und die Partei, die hinter ihnen steht, ist keineswegs stets so friedfertig gewesen und so friedlich gesinnt, als es heute den Anschein hat. Die Anhänger dieser Partei, das sind diejenigen Herren gewesen, die die fluchwürdige Politik des Hrn. v. Beust unterstützt haben, die uns gesagt haben, wir möchten in's Feuer gehen für den alten Bundestag und entgegentreten den nationalen Be strebungen Preußens. Das sind die Herren gewe sen, die, als die Stadt Leipzig 1866 an das Kö nigshaus die ehrfurchtsvollste Bitte richtete, uns wo möglich den Frieden zu erhalten, weil wir glaubten, daß die nationale Frage noch in einer anderen Weise sich lösen lasse als durch Entscheidung der Waffen, die damals kein anderes Wort für uns hatten, als daß wir Leipziger Pfeffersäcke seien. Die Rede Blum's wurde bald durch Murren, bald durch Beifall, oft durch beides zugleich unterbrochen. Es scheint etwas von der Rednergabe und der Rücksichtslosigkeit seines Vaters in dem jungen MaAne zu stecken. Entgegnet wurde ihm von vr. Götz aus Lindenau, der obige Beschuldigungen von sich ab und darauf hinwies, daß er dreimal wegen Beleidigung des Ministeriums Beust bestraft wor den sei. Dann trat Generalstaatsanwalt vr.Schwarze auf, der, ohne auf das Jahr 1866 einzugehen, seine Partei und den Minister Beust rechtfertigte. Oehmi chen und Sachse erwiderten nur kurz; ersterer be zeichnete die Beschuldigungen Blum's als ungerecht fertigte Verdächtigungen; Sachse erinnerte an das Sprichwort: Ein schlimmer Vogel, der sein eignes Nest beschmutzt. — Wir haben schon oft gesagt, daß Herr v. Beust in Oesterreich noch nicht über den Berg ist, so große Dinge ihm auch schon gelungen find. Die Finanz- frage und das Concordat find noch immer die Steine des Anstoßes. In dem Wunsche, daß letz teres abgeschafft werde, begegnen sich alle Parteien des Landes mit Ausnahme der hohen Geistlichkeit und eines Theiles des hohen Adels. Von allen Seiten regnet es Bittschriften an den Reichstag; aber dieser kann allein in dieser wichtigen Sache nicht vorgehen und die Regierung tritt Allen zu leise auf. Die Geistlichkeit versuchte nun, Adressen für das Concordat zusammenzubringrn; da dieß aber nicht gelang, wurde auf einer Zusammenkunft der Bischöfe beschlossen, eine Eingabe direkt an den Kaiser zu richten. Dieselbe ist nun veröffent licht und hat durch ganz Oesterreich einen Sturm deS Unwillens hervorgerufen. Allen, welche die Abschaffung des Concordats wünschen, wird in - diesem Machwerke auf den Kopf zugesagt, daß es ihnen nur um die Vernichtung aller Religion und aller Sittlichkeit zu thun sei; das Concordat wird „ein Schild wider Ungerechtigkeit und Unver nunft" genannt. ES ist eben die alte Geschichte: die Geistlichkeit verwechselt sich mit der Religion; wer dem Papste an die Krone und den-Mönchen an die dicken Bäuche greift, der ist ein Verbrecher gegen Gott und Religion. Hätte die bischöfliche Adresse Recht, dann müßte überall, wo die Geistlich keit volle Gewalt hat, auch die höchste Sittlichkeit herrschen, Die Geschichte zeigt das Gezentheil.