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243 Verwalter seien die Fenster zertrümmert worden und Militär habe einschreiten müssen, um den Tumult ju unterdrücken. Man spricht von 80 Verhaftun gen; die offiziellen Blätter, die sonst gerade ans Freiberg gut unterrichtet find, schweigen jedoch über den ganzen Vorfall. — Locales. Am 26. d. M. Nachmittags schlug der Blitz in das mit Ziegel gedeckte Wohnbau« des Guts- befitzerS Adolf Schumann in Röhrsdorf. Der Blitz zertheilte sich bei der Wetterfahne, drang in zwei Theilen durchs Dach, fuhr an den beiden Giebel, sparren, dieselben zertrümmernd, herab in die Ober stube, zerschlug den dort hängenden Barometer und warf ein Mädchen zu Boden, von dort fuhr der Blitz in die Unterstube und durch die Wand inS Freie. Ein Kind wurde vom Lustdrucke unter den Tisch geworfen, der 16^ Jahr alte Sohn Schu manns aber wurde vom Blitz gestreift und ganz betäubt. Nur mit größter Mühe konnte er wieder zum Leben gebracht werden und befindet sich der malen ziemlich wohl. — Am 30. Juli Nachmittags 6 Uhr brach beim WirthschaftSbefitzer Hofmann in Groitzsch Feuer auS und legte dessen drei Gebäude in Asde. Alsim Anscheine nach ist das Feuer angelegt. Versichert war nichts von dem Mobiliar. — Künftigen 13. und 14. August wird in Wils druff das Jahresfest des Dresdner Hauptvereins der Gustav-Adolph-Stiftung gefeiert werden, wozu Man 50 bis 60 Abgeordnete der Zweigvereine er wartet. Die Festpredigt bat Herr ?. Teustr zu Sanct Afra in Meißen (als ausgezeichneter Kan zelredner bekannt), den Bericht Herr Sup. Or. Kohl- schütter in Dresden übernommen. Die Städte Allenberg und Camenz, in denen zuletzt diese Feier stattfand, haben sich durch allgemeine Bctdeiligung, sowie durch Schmuck der Straßen und Hauser ein unvergängliches Denkmal in den Herzen der Gaste gestiftet; wir sind überzeugt, daß Wilsdruff nicht Zurückbleiben wird. — Heule Freitag wird die Schwadron v. Schön berg des Uhlanenrcgiments, unsere frühere Garni son, aus Oschatz hier durchgehen, um in Dresden der bei Gelegenheit der Einweihung des Fricdrich- August-Dcnkmals stattfindenden Revue beizuwoh- Nen. — Herr Advocat 0. Schaffrath hat eiklart, daß er eine auf ihn fallende Wahl zum Reichstage in Unserm Bezirke um so lieber annehmen werde, als es sich diesmal um den Ausbau der Verfassung auf dem Wege der Gesetzgebung handelt. Daß derselbe seinen deutschen Gesinnungen und freisinnigen Grund sätzen treu bleiben und auf volksthümliche Ausfüb- rung und Ausbildung der Bundesverfassung im Sinne politischer und wirthschastlicher Freiheit Hin- Wirken werde, davon können wir wohl überzeugt sein. Bon einem andern Candidatcn in unserm Bezirke haben wir bis jetzt nichts vernommen. — Der Retter. Novelle von R. E. Hahn. (Fortsetzung.) Was Wissenschaft und die innigste Ergebenheit zu thun vermochten, that Otto für den Grafen Waldstein, auch fühlte der Kranke sich in Madeira unbeschreiblich wohl und hegte schon die Hoffnung, wieder zu genesen, aber was Otto längst gefürchtet, geschah, der Graf starb und der junge Arzt geleitete die trauernde Tochter zu ihren Verwandten nach Rom. Ihre Gouvernante, eine alte Kammerfrau und des Grafen Kammerdiener reisten mit, aber dennoch gewann Otto zuweilen einen Augenblick, wo er der Gräfin ein Wort sagen konnte, das die Gouvernante nicht hörte, oder wo er im Stande war, ihr einen kleinen Dienst zu leisten. In solchen Momenten fühlte er sich für alle Aufopferungen belohnt, welche er für ihren Vater gehabt hatte, wahrend achtzehn schöner und qualvoller Monate. Als aber die Trennungsstunde schlug, erwachte Otto aus seinem Traume. Der nächste Vetter Seraxhinens ließ ihn durch seinen Rechtsanwalt die vom verstorbenen Grafen Waldstein festgesetzte Summe auszahlen; die junge Gräfin selbst sandte ihm einige höfliche Zeilen auf Scidenpapier und wünschte ihm glückliche Reise. Lange betrachtete er das feine Blättchen, es war ihm zu Muthe als ob ein böser Traum ihn narre, er las das Briefchen mehrmals, cs war, ja, es war ihre Handschrift, zu oft hatte er diese gesehen. Mündig, reich, unabhängig durch Charakter und Verhältnisse, hatte sie freiwillig so kalt an den Mann geschrieben, von dem sie wußte, daß er tausendmal für sie in den Tod gegangen sein würde. „Und warum handelte sie so?" fragte er sich, weil sie in dem Glauben erzogen war, daß es lächerlich sein würde, wenn eine junge, schöne, reiche Gräfin einem bürgerlichen Arzte die Hand gäbe und doch war er ein schöner Mann und ihr an Wissen und innerm Wertbe hundertfach überlegen. Italien hatte für Otto allen Reiz verloren, doch wollte er in seiner tiefsten Verstimmung nicht nach Hause reisen. Er machte einen Umweg über Paris, ging von da nach London, besuchte in beiden Weltstädten die Spiraler und die berühmtesten Aerzte und kehrte erst nach Deutschland zurück, als wieder einmal die Rosenbäume in voller Blüthc standen und das reiche und glänzende Publicum in den zahllosen deutschen Brunnen- und Badeorten Ge nesung oder Vergnügen suchte. Während Otto's Abwesenheit waren neue Eisen bahnen in Süddeutschland fertig geworden und er fuhr auf einem ihm neuen Wege bis Schönbach, von wo aus Postomnibusse nach Markheim führten. Er batte aber nicht Lust, sich in einen dieser Kästen zu setzen, und zog es vor, zwei Stunden zu Fuße zu gehen, sein Gepäck übergab er der Post. Je näher er der Stadt kam, desto bänger schlug sein Herz, er hatte seit längerer Zeit keine Nachricht von Daheim, wie er jetzt Markhelm nannte, und die Stille um ihn her machte auf ihn einen pein-