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18 Locales. Die von einigen Herren aus Wilsdruff auf den 16. d. M. berufene Wählerversammlung im hiesigen RathhauSsaale war außerordentlich zahlreich besucht, namentlich vom Lande. Nachdem Herr Kaufmann Engelmann die Versammlung eröffnet hatte, wurde Herr Bctuar Dürisch durch Acclamation zum Vorsitzenden erwählt. Zur Sache ergriff zu erst Herr Advocat Sommer das Wort, schilderte mit warmen Worten die Aufgabe, die uns als Wählern zugesallen sei und empfahl als Abgeord neten für daS Parlament Herrn vr. Schaffrath aus Dresden. Gegen die Kandidatur des Herrn Ober- sorstraths v. Berg wurde besonders geltend gemacht, daß derselbe bejahrt sei und sich stets als ein Aristo krat reinsten Wassers gezeigt habe, der daS Volk nicht vertreten könne. Herr Acluar Dürisch wendete besonders gegen die Kandidatur Schaffraths ein, daß dieser bereits im -4. Wahlbezirke (Dresden- Neustadt) als Kandidat aufgestellt sei und daß wir bei einer Doppelwahl das Vergnügen einer Neu wahl haben würden. Ausführlich trat dem Herr Oberforstrath Judeich, der Director der Forst- aeademie in Tharand, entgegen und wies besonders auf den Gebrauch in konstitutionellen Staaten bin, daß Männer von politischem Rus in mehrere« Be zirken aufgestellt werden. Der mit einem Freunde, Herrn Buchhändler Bromme aus Dresden erschienene vr. Schaffrath stellte sich nun der Versammlung vor, gab einen kurzen Abriß seines Ledens, aus dem wir hervor heben, daß Herr vr. Sch-, obwohl jetzt Großstädter, als Sohn eines Schulmeisters, bis zum 14. Jabre auf dem Dorfe erzogen und später als junger Ad vocat in einer kleinen Stadt thätig, wohl die Be dürfnisse des platten Landes kenne. Dann ging der selbe auf sein Programm über, daß wir wiedergeben. 1) Oberste Ausgabe des Parlaments ist: auf ter Grundlage sowohl der deutschen ReichSver- sassung vom 28. März 1849, als der Friedens- und Bündnißverträge Preußens mit Oestreich und den einzelnen deutschen Staaten, insbesondere auch des FriedenSvertrageS mit dem Königreiche Sachsen, die Verfassung de» norddeutschen Bundes so zu gestalten, daß dieser baldigst zu einem deutschen, die gesammte Nation umfassenden Bunde sich er weitere, und daß in ihm den deutschen Südstaaten in Voraus der Eintritt gesichert werde. 2) Hiernächst ist von dem bevorstehenden Par lamente bei der durch die Friedens- und Bündniß verträge gebotenen Uebertragung von HobeitSrechten der Einzelstaaten an die Bundesgewalt dafür Sorge zu tragen, daß der allgemeinen Volksvertretung im Bunde, dem künftigen Bundesparlamente, in Bezug auf BundeS-Verfaffung, Gesetzgebung und Controle in allen Bundesangelegenheiten, sowie in Bezug auf Bewilligung von Einnahmen und Ausgaben für Bundeszwecke entscheidende Stimme zustehe. 3) Es find aber auch in der Verfassung des norddeutschen Bunde» nicht nur alle die Freiheits« oder Grundrechte, wie sie in der Reich-Verfassung von 1849 gewährleistet find, den Volksvertretungen, Gemeinden und Bürgern der Einzelstaaten zu ver bürgen, sondern auch den letzter» im Bunde ein allgemeines Bürgerrecht, unbesLränkte Freizügigkeit, sowie die Freiheit der Arbeit und der Gewerbe und des Genossenschaftswesen», nebst der davon unzer trennlichen Freiheit der Koalition sicher zu stellen. 4^ In allen ander» und solche» Angelegen heiten, welche nicht schon in den, von allen nord deutschen Einzelregierungen in den Friedens- und Bündnißverträgcn mit Preußen angenommenen „Grundzügen zur künftigen Bundesverfassung" vom 10. Juni d. I. der Bundesgewalt zugewiesen find, ist in der Bundesverfassung der Einzelstaaten volle Selbstständigkeit, unbeschränkte Selbstgesetzgebung und Selbstverwaltung und damit da» Recht zu ga- rantiren, frei in den Formen und mit den Mitteln ihrer besonderen Verfassungen sich zu entwickeln. 5) Als Gewähr oder Schutz der Bundes- und Einzelversassungen, wie jener Freiheits- und Grund, rechte, ist endlich ein oberster Bundesgerichtshof einzusetzen. Wenn diese Aufgaben des Parlaments gelöst werden, dann wird Recht und Moral sich befestigen, dann wird eiu dauerhafter Frieden im Innern und nach Außen möglich sein und das Gefühl der Sicher- beit und Dauerhaftigkeit der Zustände und das Vertrauen zu denselben immer mebr erstarken, da mit aber der Grund zum Wohlstände deS Ganzen wie der Einzelnen gelegt werden. Der Redner wurde wiederholt von Beifall unterbrochen, besonders bei Erörterung des ersten Punktes. Nachdem sich noch Herr Bäckermeister Ebert an der Debatte bethciligt, wurde am Schluffe auf Antrag eine vorläufige Abstimmung vorge- nommen. Dieselbe ergab, daß von ungefähr 200 Personen (so hoch schätzt man die Versammlung) höchstens 10 gegen die Candidatur des Herrn vr. Schaffrath waren. Eine Gegenprobe, welche das Resultat noch klarer gemacht hätte, fand nicht statt. Herrn vr. Schaffrath wurde der Dank der Ver sammlung ausgesprochen und ein Comite gewählt, was die weiteren Schritte thun soll, die Wahl deS Herrn vr. Schaffrath zu fördern. Dasselbe besteht aus: Herrn G.-V. Rautenstrauch aus Grumbach. - « - Funke aus Huhndorf. - - - Kippe aus Blankenstein. , r - Klingner aus Herzogswalde. - « - Kraus aus Schmiedewalde. - - - Kirchner aus Birkenhain. « - - Müller aus Roitzsch. » - - Rülker aus Sora. - - - Heide aus Tanneberg. - - - Philipp aus Lampersdorf. « - - Irmer aus Röhrsdorf. - Gutsbes. Wendt aus Sachsdorf. - - Gießmann aus Lampersdorf. - Stadtrath Funke aus Wilsdruff. - Kämmerer Fischer - - - Actuar Dürisch - - , Kaufmann Engelmann - - - Adhvcat Sommer « *