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Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Sievenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt Ur das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Gtadtrath daselbst. ^Whrlicher PrämiinerationSprcis 10 Ngr. — Jnsrrtisnszekühren für den Raum einer gespaltenen Corpus eile 8 Pf. — Annahme von Inseraten bis Montag resp. ^Donnerstag Mittag. — Ätwaige Beiträge, welche der Tendenj des Blattes entsprechen, werden mit großem Danke angenommen, nach Befinden honorirt. 83. Dienstag, den 8. December 1868. T a g e s q es ch i ch t e. Wilsdruff, 7 December 1868. Ter heute fast den ganzen Tag über schrecklich hausende Stnrm- hat gewiß überall bedeutenden Schaden angerichtet. In un- ,Jr Stadt wird es nur wenige Häuser geben, an denen der Sturm 5Ht mehr oder weniger Schaden angerichtet hätte: auch das Dach 'kr Ctadtkirche ist stark beschädigt worden, beim Wirthschaftsbesitzer .^Kbcrg ist beinahe die Hälfte der Scheune zusammcngcstürzt. Sehr beklagen ist, daß auch die (Härten und Alleen wiederholt stark ge lten hupen, denn fast keinen Garten giebt es, wo nicht so und so der schönsten Obstbäume förmlich zerrissen zu Boden liegen; im Mgcn Schloßgarten hat der Sturmwind einen der größten und Olsten, wohl mehrere hundert Jahre alten Baum mit den Wur- förmlich aus der Erde herausgedreht. , Bitter klagt der „Bericht der Handels- und Gewerbe- sammer" über die geringe Aufmerksamkeit, die auf die Fortbildung pt Lehrlinge verwendet wird. Die bisherigen Sonntagsschulen im Bezirk (20) leisten in ibrer Mehrzahl nicht, was man von ihnen er- ^rtcn könnte; in 13 Städten, darunter auch Wilsdruff, fehlen sie pilzlich. Sehr beherzigeuswerth ist, was der Bericht im Allgemei» "k» über diese Schulen sagt: Eine regere Betheiligüug wird jedoch so lange nicht zu erwar bt sein, als nicht der Sonntägsschul-Unterricht mehr leistet, wie bis- m der Fall war. Die Schuld liegt, wie ausdrücklich hervorgeho- M werden mag, nicht an den Lehrern, sondern an der außcrvrdent- ich geringen Zeit, die den einzelnen Disciplinen gewidmet ist. Wie N beispielsweise V» Stunde Rechnen mit 8- nach Befinden 14tägi- 8üi Zwischenpausen ausreichen, um einen in den Zahlenoperationen ^sichern Lehrling vorwärts zu bringen? Was soll für die eigent- ^chen wissenschaftlichen Disciplinen für Zeit übrig bleiben, wenn die Schüler von 2 Stunden des Sonntags-Vormittags 1 Stunde auf Schönschreiben verwenden müssen, auf die Anlernung einer Fertig et, die mit der Volksschule längst abgeschlossen sein sollte? Erwägt ^an weiter, daß Schüler von dem verschiedensten Bildungsgrade und Sanz ungleicher Vorbildung in einer Masse zusammcnsitzcn, denkt fn-m au die mangelnde Komrole, an den leider meist unzurcchnendcn Schutz, den die Beschwerden des Lehrers über Versäumnisse bei dem Geister finden, rechnet man den jugendlichen Leichtsinn hinzu, der noch nicht begreifen will, warum gerade der Sonntag nach den 6 Wochentagen saurer Arbeit zum Lernen bestimmt sein soll, und giebt Aan schließlich zu, daß wohl auch der Lehrer trotz des besten Willens mit der gewerblichen Praxis unbekannt, mit seinem Unterricht nicht, immer an das gewerbliche Leben anzuknüpfen vermag: so ist es wohl Erklärlich, daß mit wöchentlich 2 Stunden Unterricht äußerst wenig Erreicht werden kann und daß es fast Schade um die Zeit ist, welche Mehrer und Lehrlinge überhaupt daraus verwenden. Eine gründliche Reform des Sonntags- und FortbildungsschulwcsenS kann kaum län ger aufgcschoben werden. Sie dürfte aber nicht durch Einführung "s Schulzwangs zu erreichen sein, sondern durch Vermehrung der Stundenzahl und Verlegung des Unterrichts auf die Abendstunden der Wochentage. Von Riesa aus erfahren die „Dr. N.", daß der in der letzten 8eit in Sachen deS dortigen Pastor Böttcher sehr in die Oeffcnllich- küt hcrauSgctrctene Herr Freiherr von Welck vor einigen Tagen das Unglück gehabt hat, auf einem Ritt mit seinem Pferde zu stürzen und dadurch einen Beinbruch erlitten hat. Dresden, 3. Dec. Eine interessante Erscheinung ist ohnstreitig der jetzt an 3 Abenden der Wocbe in der katholischen Hvskirche pre digende Kapuziner aus Paris. Viele, die nur irgend der französischen Sprache mächtig, versäumen nicht zu den bestimmten Tagen, (Mitt woch, Freitag, Sonntag) Abends Uhr nach genannter Kirche sich Zti begeben, um denselben zu hören. In Borsdorf bei Leipzig hat sich vor Kurzem ein eigenthüm- lichcr, aber betrübender Vorfall ereignet, indem im dortigen Gasthofe cin daselbst übernachtender Töpfergcselle, muthmaßlich infolge plötz licher Geistesstörung, gänzlich entkleidet des Nachts aus dem Fenster dr ersten Etäge herabgesprungen und eine weite Strecke fortgerannt ist. Man fand ihn am andern Morgen todt auf. Er war 24 Jahr alt und aus Lissa gebürtig. Die Hilfsrichter im Obertribunal in Berlin haben wieder ein mal böses Blut gemacht. Der neue Justizmiuistcr Leonhardi ver langte für Hilfsri'chter, welche die ordentlichen Räthe in Krankheits- uud AbwesenhcitSsällen vertreten sollen, 1000 Thlr. Der Abgeord nete Windthorst ti. A. beantragten, diese Summe zu streichen und Hilfsrichler überhaupt für unzulässig zu erklären. Sie erinnerten an den Twestenschen Prozeß, in welchem der Artikel der Verfassung über die Redefreiheit durch die bedenkliche Auslegung von Hilfsrichtern zum Falle gekommen war. Der Abgeordnete Windthorst sagte, das Obcrtribunal könne feinen alten Ruhm nur dann wieder crlangeiL Wenn die Hilfsrichter beseitigt würden, der Abgeordnete Reichensper ger, selbst cin hoher Richter, fügte hinzu, die menschliche Schwäche könne bis in den obersten Gerichtshof dringen, es bedürfe einer Ga rantie, daß wirklich Recht gesprochen werde, zu diesem Zwecke müsse man Hilfsrichter fern haltend Da wurde der neue Justizminister warm, er rief: Sie wollen nicht Geld sparen, sondern verhindern, daß Hilfs richter im Obertribunal angestellt werden; das wird Ihnen aber Jucht gelingen, vie sollen meine Energie kennen lernen; täuschen Sie sich nicht über meine Person, ich haße gar keine liberale Neigung und liebe es noch weniger, mit den Parteien zu liebäugeln. Ich werde, wenn Sie einen Eonflict Hervorrufen, (d. h. wenn Sie die Hilfsrichtcr streichen) mit voller Schroffheit vorgehen und zu den hö- hern Nichterstcllen nur solche Leute Vorschlägen, von denen ich weiß, daß sie sich nicht ins Abgeordnetenhaus wählen lassen. — Das ganze Haus kam in größte Erregung. Twesten antwortete dem Ju- ttizminister, einem Hannoveraner, er werde seine Energie und Con- seguenz nicht in kleinen Dingen so weit treiben, nachdem er sie in großen nicht bewahrt habe; der Herr Minister habe im Jahre 1866 (als Minister König Georgs) den Sieg der Oesterreicher über Preu ßen gewünscht und im Jahr 1868 das Beschlagnahmcdccret über das Vermögen seines frühem Königs unterzeichnet. Der Minister ant wortete, er wolle sich nicht verthcidigcn, weil ihn ein Eid binde. DaS HanS hat den Antrag Windthvrst mit I!12 gegen 160 Stimmen an genommen und die 1000 Thlr. für Hilfsrichter gestrichen. Der 2. Deccmber, der blutige Geburtstag des Napolcon'schen Kaiserlhums, ist in Paris still vorübergegangen. Napoleon hatte m dem Baudin'schen Prozesse gezeigt, daß'er die Eigenthümlichkeit man cher Familienväter hat, nicht gern an seinen Geburtstag erinnert zu werden, und seine lieben Pariser Kinder ehrten diese Eigenthümlich keit. Vorsichtshalber waren zwar die Truppen in den Kasernen con- signirt und die ganze Polizei stand auf der Lauer, auch hatten ge wisse Aufrufe eingeladcn, den 2. Dec. auf dem Grabe Baudins zu feiern, die Zeitungen aber warnten und sagten, man solle sich das Stelldichein lieber an der Wahlurne geben. Am stillsten haben die Vcrurtheiltcn in dem Baudin'schen Prozesse den Tag gefeiert, nämlich in den Gefängnissen Noch rin Urtheil über den Lahrer Hinkenden Boten. Dresden, 27. September 1868. Geehrter Herr! Was Ihren Jllustrirten Familicnkalender betrifft, so glaube ich nicht, daß ein ähnlicher, ebenso reich auSgc- pattet und so tüchtig an Inhalt, in Deutschland zu dem Preis cri- stirt, und seine große Auflage wundert mich deshalb gar nicht. Da bei kann man ihn getrost jeder Familie in die Hand geben, und daß sich einzelne Mucker, katholische oder protestantische, darüber cut- entrüstet gezeigt haben, gereicht dem kleinen Buch nur zur Ehre. Es steht nichts darin, was nicht jeder wirkliche Christ mit gutem Ge wissen vertreten kann. Die Mißbräuche der Religion zu geißeln, ist jedes braven Mannes Pflicht, denn nur dadurch kann man mithel- fcn, sie zu beseitigen. Mit freundlichsten Grüßen Ihr ergebenster Fr. Gerstäcker. Wochenmarkt zu Wilsdruff, am 4. Deeember 1868. Eine Kanne Butter 10 Ngr. — Pf. bis 20 Ngr. — Pf. Ferkel wurden eingebracht 141 Stück und verkauft L Paar 2 Thlr. 15 Ngr. bis 5 Thlr. — Ngr. — Pf.