Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 04.04.1908
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-04-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080404027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908040402
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908040402
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-04
- Tag 1908-04-04
-
Monat
1908-04
-
Jahr
1908
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugL-Prel» Abend-Ausgabe 8. Anzeigen Preis chr LstpM «a ««»«, »«ch «st« »rüg«, und SvedUeur, wt Hau» -«tracht r Lut-ad, t <»u« «ara«») »ttrtütttzrltch I «., man-lltch I M.i L»L-»d« I (m,r-«nt »»» atxatt) dtert^» jthrUch <ü0 L. «auarltch t.» «. Durch dt« D,« Ixpedru: fl »al «L-Nch) muerhalb Deutschland» uud der »«urlcheu Kolonie» otrrleljLhrltch L,2d umuatlüh l,7L M. »utichl. Post- beKellq», tür Oesterreich v L 86 d, Uuguru 8 L oirrrelj-hrltch. gern« in Bei- gte», Dänemarl. den Lonauftaalen, Frank» «ich, Italien^ Lup»dura, «tederlande, Noewche» Luhland Schweben, Schwei, uu» Svaaie». In allen üdriae» Staat« mir direkt durch di, Exped. v. Bl. erhältlich. Sbllnnemrm-Lunadm, i Logukutolatz 8, bet unter«, Drägern, Filialen, Spediteuren und Annahme Hellen, lowt« PoftäuUrru uud Briesträ-eru. Li, BnM ne Lumm« koktet 1« chs-, Utdaktto» m»d Lrvrdttlon: Jodanntt-asie 8. Del«»»» »tr. 14S3L Nr. l«SS3, Nr. ItüSt. nMerTagtblaü Handelszeitung. Amtsblatt -es Rates und -es Nolizeiamtes -er Lta-t Leipzig. str Inierai« au» Uetpzia and llm-edae, di« Sgespallene Pe,<i,eile 2L PI., kinanztell« Lnplgea SV M., Reklame» l vl.: da» autwän» SV Kl, Neklamen D2V IL: »om Lutland SVM.» sinanz. Sn,ci-«7L Hit-, Reklamen vLO M. gaserit« ». vehtrd« lm amtlich« DelltvPt. Leilogegeblihr b M. p. Daulen» exkl. Poft» oibühr. Sirlchtsttanzei-« «n bevorzugler Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Darit. geliertem« AultrLu« Unaeu »ich« »urüek» ae»o-ea werden. Für da« Kricheineo «v brmminlrn Da-« und Plttze» wich keine Baranti« übernommen. Ln;eigen-Annahme i Lugnitutplatz 8, bet ltmtlichen Ailialm u. allen Annoncen- SrpeditloueL de» Ja» und Aut landet. -«wk-Uilttl« Bericht Ltrl Luncker, -erzogl. lvayr. Hofbuch- handlun-, Lützowftrahe Uh (Delephon VI, Rr. 4SW^ Nr. 84. Sonnabend 4. April 1908. 102. Jahrgang. Der» wichtigste vorn Tage. * DaS Kaiserpaar hat heute morgen von Korfu die Weiter reife nach Messina angetreten. IS. Dtschs. R-i * Der Großherzog und die Großherzogin von Hessen find gestern in Zarskoje Sselo eingetroffen. * Der Reichstag wird erst nach Ostern in die Sommer serien gehen, wahrscheinlich am 10. Mai. (S. Dtschs. R.j * Gegen den „März" ist das Voruntersuchungsverfahren auf groben Unfug wegen Veröffentlichung des angeblichen Kaiser briefs eröffnet worden. lS. Dtschs. R.> ' Im Stuttgarter „Simplicissimus"-Prozeß wurde der angeklagte verantwortliche Redakteur Gulbransson zu 100 Geldstrafe verurteilt. iS. Gerichtssaal.) * Der englische Premierminister Campbell-Bannerman wird von seinem Posten zurücktreten. Als sein Nachfolger Wird Schatzkanzler Asquith genannt. * Fürst Ferdinand von Bulgarien begibt sich demnächst mit dem Minister Paprikow nach Petersburg. (S. Ausl.) * In den Städten Bergamo und BreSzia ist der General- auSstand verkündet worden. In Genua, Mailand und Neapel soll es heute geschehen. lS. Ausl.) Mittelständleviseher. DaS Hauptorgan der sächsischen Konservativen, das „Vaterland", hatte kürzlich den Führern der täcksischen MutelstandSoereinigung einige recht boShaste Worte ins Stammbuch geschrieben, weil sie in der Wohl- icchtefrage das Prinzip der KommunalverbandSwablen und daS berujL- ständische Prinzip vertreten. Man hätte nun crwaiten können, daß die Mitteistandsvereinigunz das Tafeltuch zwischen sich und der Partei, der sie im letzten Landtagswablkampfe so eifrig und so erfolglos Bor- Ipanncieuste leistete, zerschnitt. Aber zu vielem Gewaltmittel fehlte cS wohl am nöligen Selbstvertrauen. Und deshalb beschränkt man sich auf leise, aber immerhin vernehmliche Drohungen. Zu Chemnitz fand dieser Tage eine große Mittelstandsversammlung statt, in der zwei Redner sich abmühten, der horch, nden Menge zu verlüuoen, daß Vie politischen Parteien ihre Lxinenzberechtigung verloren Härten, daß sie jetzt durck wirischastliche Gruppen, in erster Linie natürlich durch dieMii telstanbüvereinigun a abgelösl werden müßten. Wäh rend Herr H. Fritsch den unpoliwchen Charakter dieses Sammelsuriums verschiedenartigster Zirteresseniengrurpen bisher standhaft vertreten bat, gab der Abg. Enke ruhig zu, daß die Vereinigung ursprünglich nur unpolitisch gedacht worden >ei. Natürlich ist ferner Meinung nach die Unfähigkeit der politilchen Parteien daran schuld, daß die Mittelstands vereinigung ihrem ursprünglichen Plane untreu werden muß. Den Liberalen ist man ja freilich schon längst gram, weil sie den reaktionären Vorschlägen und Forderunacir der Mrttelstäudler keinen Ge schmack abgewinnen können. Man verschweigt auch, Weils gerade so in den Streifen paßt, daß von nationalliberaler Seite besonders dem gewerblichen Mittelstand stets hilfreich die Hand gegeben wurde; aber auch die Kon servativen versagen den Dienst, uud deshalb muß sich der Mittelstand auf eigene Füße stellen. Der Charakter der Versammlung war nur halböffentlich insofern, als in den Anzeigen der Tageszeitungen lediglich ein beschränkter Kreis von Staatsbürgern Einladungen erbalten hatte. Dem national liberalen Verein zu Chemnitz, deren Mitglieder sich in der weit überwiegenden Mehrheit aus den Schichten des Mittelstandes zusammen Feuilleton. Poesie ist keine Privatsache, sondern Menschheits- und Mlkergabe. Herder. * Die erste deutsche Grieg-Aiographie/) Von Oswald Kühn. Edvard Gricg gehört zweifellos zu den Komponisten, die nicht bloß im öffentlichen Musikleben eine Nolle spielen, sondern die sich — was nur wenigen vergönnt ist — auch im deutschen Hause ein Plätzchen neben unseren Klassikern erobert haben. Man darf sogar sagen, daß ihm in dieser Hinsicht feine schönsten und — unbestrittenen Erfolge erblüht sind. Gerade als Meister der kleinen Form ist Grieg von nicht zu unterschätzender Bedeutung; denn es sieht auf diesem Gebiete in neuerer Zeit wenig erfreulich aus! Und das ist um so be- bäuerlicher, als der Musikfreund, der gebildete Dilettant für die Hau s- musik fast einzig und allein aus diesem Zweige der Tonkunst sein Be dürfnis nach eigner musikalischer Betätigung befriedigen kann. Des halb wird die Biographie Griegs auch gerade von den Musikliebhabern freudig begrüßt werden: „Wie war der Mensch beschaffen, der uns als Künstler so reich beschenkt hat?" Auf diese ebenso interessante wie zum restlosen Verständnis der Griegschen Musik notwendige Frage gibt dem deutschen Leser nun das von Arthur Laser aus dem Eng lischen übertragene Buch Fincks zum erstenmal in zusammenhängender Weise eine Antwort; und zwar, was die so wichtigen Tatsachen des Lebens Griegs anbetrifft, eine authentische. Wir können uns da auf Fincks Darstellung wirklich verlassen, denn, wie im Vorwort be merkt wird, hat Grieg selber dem Verfasser Mitteilungen gemacht und auch selber die Korrekturbogen gelesen. Grieg schreibt darüber Oktober 1905 an Finck: „Gestern erhielt ich von John Lane die Korrekturbogen Ihres Buches, die mich in einem Zuge — nur das Essen und Schlafengehen ausgenommen — in Anspruch genommen haben. Mit meinen mangel haften Kenntnissen der englischen Sprache war es in der Tat eine mühevolle Arbeit, die ich soeben zu Ende gebracht habe. Ich bewundere Ihren Spürsinn, so scharf als der eines gewandten Jägers! Was aber Ihre Wertschätzung von meinen Werken betrifft, muß ich mit unserem Volksdichter Ä. O. Finje in seinem „Letzter Frühling" ausrusend: Mehr ich bekam, als ich verdient hätte —^und alles muß enden! Es sind ge- wiß Stellen, wo Sie durch zuv'el Superlativ sich selbst und mir einen *> Edvard Grieg von H e n r vT. F i n ck. Deutsch hcrousgc- geben von Arthur Laser. Verlag von EarsGrüninger in Stutt gart, erschienen 200 Seiten. Preis broschiert 3 .tl, gebunden k .tk. setzen, war der Vorzug einer Einladung nicht zuteil geworden. Auch die Vertreter der Stadt Chemnitz im Landtage hatten, soviel bekannt, keine Aufforderung erhalten, sich die angeküo- digten Reden anzuhöreu, um daraus vielleicht erwidern zu können; allerdings zncknen sie sich durch den in mittelständlerischen Augen äußerst bedenklichen Fehler aus, daß sie zur nationalliberalen Partei zählen. Diese Leute haben ja aber nach Ansicht des Abg. Enke für den Mittelstand nur „platonische Liebe". Es würde daS daher fast wie zarte Rücksicht anmuten, wenn mau bei anderen Gelegenheiten von feiten der Mittelstandsvereinigung nicht eher das Gegenteil ge wöhnt wäre. Dasür hatten die Versammlungsteilnehmer allerdings die Freude, vom Vertreter eines ländlichen Wahlkreises, vom Abg. Ulrich eine donnernde PhiliHsska gegen die verblendeten Handwerker hören zu können, die noch liberal wählten. Daran schloß sich eine wehmutsvolle Klage: Warum schiebt Ihr die konservative Partei beiseite? Nach der Absage im „Vaterland" ist diese Frage eigentlich zwecklos; denn stärker als mit dem Zweifel an polnischer Durchbildung konnten die MittrlstandsvereinigungS-Fübrer wohl kaum brüskiert werden. Der Abg. Ulrich wirbt aber nickisvestolrotz stürmisch um die Gunst der „politischen" Mittelstandsvereinigung, und dankbar gerührt rief ihm der Abg. Enke im Schlußworte zu: „Ja, wenn die konservativen Abgeordneten lauter Ulriche wären!" Damit hat er aber zugleich von neuem bestätigt, daß die Mittelstandsvereinigung auch in ihrem neuen „politischen" Kleide eine Gruppe der Reaktion bleiben wird. Wie hätte auch damit der Abg. Ulrich so laute Anerkennung verdient! Die Versammlung nahm eine Resolution an, in der gegen'23 Stimmen der RcgierungSentwurf zur Wahlrechtsreform, gegen 2 Stimmen die Forderung der Umsatzsteuer gestützt wird. Alto gleich die erste Tat der „politischen" MittelstandSvereiuigung ein reaktionäres Belenntuis. Man hatte zur Erreichung dieses Ziels ursprünglich drei Redner angekündigt: einer war erschienen, der andere blieb weg, der dritte Halle sich seit einer Reibe von Tagen nach Lichtenstein-Callnberg ver pflichtet, war aber Wohl von vornherein nur gewissermaßen als Reklame mittel mir auf das Programm der Chemnitzer Versammlung gesetzt worden. Aber es wäre vielleicht klüger gewesen, er hätte Chemnitz den Vorzug gegeben, denn in Lichtenstein wurde ihm klirp und klar nach gewiesen, daß die Nationalliberalen unablässig wirklich verständige und den Interessen der beteiligten Gruppen förderliche Mittelstandspolitik getrieben haben, und dadurch wurde die Wirkung seiner Worte wesentlich beeinträchtigt. In Chemnitz wäre er vor diesem Schicksal bewahrt ge blieben, denn da hatte man — vorsichtigerweise — liberale Leute gar nicht eingeladcn. Obstruktion im Reichstage. Der gestrige Tag hat sür den deutschen Parlamentarismus eine besondere Bedeutung, da wieder einmal der bei uns nicht häufige Fall eintrat, daß Obstruktion getrieben wurde. Die an sich nicht sehr hübsche und gewiß nicht demokratische Erscheinung, daß eine Minderheit sich der Mehrheit nicht fügen und somit den ganzen Sinn beö Parlamentarismus in Unsinn verkehren will, istwieder eingetreten und hatZentrum, Polen,Sozial demokraten und die bekannten paar Outsider des Freisinns in schönem Verein gezeigt. Der Zweck der Uebung ist bis jetzt mißlungen, wie unsere Leser wissen. Der Block bat standgehallen und das Vereins gesetz steht vor der Abstimmung über den wichtigsten, den Sprachen paragraphen. Unter welchen Schwierigkeiten die Arbeiten im Reichstag so weit gefördert worden sind, ist erst jetzt in aller Deutlichkeit zu ersehen. Folgende Preßstimmen geben ein gutes Bild der Lage. Die „Natlib. Korrelp." schreibt unter dem Titel „Die Entscheidungs kämpfe um das Vereinszesetz": „DaS Hauö ist heute noch stärker besucht als gestern. Bei der ersten namentlichen Abstimmung zählt man 367 Abgeordnete; bei zweifelhaften Dienst erwiesen haben!? Ueber die vielen derben Wahr- heilen, die Sie sich auszusprechcn nicht scheuen, habe ich mich indessen herzlich gefreut." Finden wir demnach in dem Finckschen Buche die bisher vermißte authentische, zusammenhängende Darstellung vom äußeren Leben des Künstlers, von dem uns wenig bekannt war — und was bekannt war, hält nicht immer praktischen Anforderungen stand — so bringt uns anderseits die Biographie die fast noch wichtigere Beantwortung einer künstlerischen Frage: Es wird uns hier endlich mal über das sür Griegs Schaffen so bedeutsame Verhältnis zum norwegischen Volkslied Aufklärung gegeben, und zwar wieder in autbentsschcr Form. Wieder ist es Gricg selber, der an den Verfasser schreibt: „Von ganz besonderer Bedeutung ist das Kapitel über das Ver hältnis der norwegischen Volkslieder zu meiner Originalität. .Hier muß ich Ihnen im höchsten Grade dankbar sein, denn Sie haben es glänzend verstanden, den vielen ungerechten und verständnislosen Kritiken des Auslandes gegenüber mich zu rehabilitieren." Und der Verfasser fügt dem hinzu: „Dazu muß allerdings bemerkt werden, daß das Ungerechte und Verständnislose vieler solcher Kritiken hauptsächlich darauf zurückzuführen ist, daß die Kritiker keine Gelegen heit hatten, den richtigen Sachverhalt kennen zu lernen. Wußte ich doch selbst nicht, daß von seinen 125 Liedern nur eines eine geborgte Melo- die har, bis ich es durch Grieg erfuhr." Wenden wir uns nun den einzelnen Kapiteln der Biographie zu. Von seiner Persönlichkeit, vom Menschen Grieg handeln die ersten sieben, die etwa ein Drittel des Buches ausmachen: Abstammung und Kindheit, — Ole Bull; Auf dem Leipziger Konservatorium — Gäbe; Von Deutschland nach Norwegen; Christiania, — Heirat — Liszt; Ibsen und „Peer Kynt"; Krieg zu Hause, — Persönliches, — Anek doten: Grieg als Dirigent und Pianist, — Der Dreyfus-Zwischenfall, — Nina Krieg. Die väterliche Abstammung Kriegs weist nach Schottland. Nach dcr Schlacht von Culloden (1745) wanderte mit vielen Landleutcn auch der Kaufmann Alexander Krieg aus Schottland aus und wandte sich nach Norwegen. Es war Griegs Urgroßvater. Sein Großvater John war ebenfalls Geschäftsmann; sein Vater vermählte sich mit Gesine Judith Hagerup, einer Tochter des „Stiftsamtmanns von Bergen". Die Mutter war es auch, die dem Sohne den ersten musikalischen Unter- richt gab. Weiter werden in diesem Kapitel die Ereignisse geschildert, die mit dem Erscheinen Ole Buls im Griegschen Hause eintraten, und die es bewirkten, daß der junge Edvard auss Leipziger Konservatorium geschickt wurde, um Musiker zu werden. Sehr anschaulich wird dann diese Leipziger Zeit im zweiten Kapitel behandelt Griegs Schildcrun- gen Wersen bekanntlich kein günstiges Licht aus die damaligen Zustände der renommierten Anstalt. Im dritten Kapitel erfahren wir von dem Einfluß, den Ole Bull, und vor allem der mit Grieg gleichalterige Richard Nordraa!, der leider schon mit 21 Jahren der musika- lischen Welt durch den Tod entrissen wurde, aus unseren Helden auS- übten. Diese beiden „glühenden Patrioten" bestärkten noch den jungen, der zweiten sindS 370, Lei der dritten gar 377. Dem aber, der ge wohnt ist, in der Regel auf Halbleere Bankzeilen zu blicken, erscheint die Besetzung des Hanfes lückenlos. So viele Reichsboten sah man schon seit manchem Jahr nicht mehr beisammen; selbst seltene Gäste wie Dr. Heim sind heute zur Stelle. Es handelt sich nachgerade auch um mehr als bloß um das Vereinsgesetz. ES handelt sich um die erste ernsthafte Probe aufs Exempel; um die Entscheidung der Frage: wie stark ist dcr Block; wie weit ist er zu praktischer Arbeit fähig? Nur so auch ist diese Fülle der namentlichen Abstimmungen zu verstehen. Man stimmt eigentlich überhaupt nur noch namentlich ab. Und man stimmt über alles: über Amendements, über den Schluß der Debatte, über die Paragraphen selbst. Immer wieder beulen die Sirenen, die für de» feierlichen Fall der namentlichen Abstimmung vorgesehen sind (feierlich insofern, als von ihr auch der Diätenbezug abbanzt), durchs HauS; immer wieder dringt der nämliche dumpfe Ton bis in die verschwiegensten Winkel des WallotbaueS. Tosender Lärm umbraust die Abstimmungen, unterbricht die Reden und lolgt ihnen, und so jemand dcr lärmsreudigen Gemeinschaft von Zentrum und Sozen nicht zu Gefallen gesprochen, geht ein jetndseliges Zischen (auch Graf Lerckenselv, der bayrische BundeSratöbeoollmächtigte, wird von ihm betroffen) durch den Saal.. Die „Nat.-Ztg." behandelt besonders die Angelegenheit Lerchevfeld: „Die bayerische Zeutrumsgröße Schädler, sonst ein sehr seltener Gast im Wallothause, war extra aus München herbeigeeilt, um die rettende Tat zu vollbringen. Er versuchte die Tonart, die die Herren sich in Bayern gegenüber den Ministern angewöhnt haben, auch im Reickstag gegenüber dem bayrischen BuudesratSbevollmächtigtrn Grafen Lercheuseld anzuwenden und wollte diesen wegen seiner Haltung im Bundesrat abkanzelu. Da kam er jedoch sehr an den Unrechten. Graf Lerchenfeld schüttelte ihn energisch ab und verbal sich, wenn auch in etwas verblümter Form, der ¬ artige Belehrungen. Eine gute Abfuhr erteilte auch Professor Hieb er dem Zentrum. An der Hand der Gesetzentwürse lieferte er den bündigen Beweis, daß die jetzige Vorlage erheblich freiheitlicher ge staltet sei, als daS vou den Ultramontanen jetzt plötzlich so über den grünen Klee gelobte bayrische Vereinsreckt und schloß dann unter tosendem Beifall des Blocks mit den Worten: die Mehrheit des deutschen Volkes sei sich wohl klar darüber, daß wir auf dem falschen Wege sind, wenn Zentrum und Sozialdemokraten sich zusammeutuo, um das deutsche Volk mit Freiheiten zu beschenken." Das „Berl. Tagcbl." philosophiert über die Ironie der Welt geschichte: „DaS Zentrum saß vor fünf Jahren an den Fleischiöpfen der Regierung und wehrte den lästigen Freisinn durch eine brutale Ver schärfung der Geschäftsordnung des Reichstages ab. Heute sitzt der Freisinn im Negierungsblock, und daS Zentrum opponiert. Es weiß natürlich ganz genau, daß es nicht zu weit gehen darf, weil es sonst mit derselben Rute gezüchtigt werden würde, die eS im De- rember 1902 der Opposition gebunden hat. Wenn trotzdem die Regierungsmehrheit von heule verhältnismäßig sanftmütig verfährt, so ist roch der Umschwung der Dinge nicht weniger deutlich ge worden." Die „Boss. Ztg." meint: „Bisher war alles nur Vorpostengefccht. Die eigentliche Schlacht soll heute geschlagen werden. Es wird auch dabei an planmäßiger Obstruktion nicht fehlen. Was der „Gegenblock" im Grunde mit dieser Taktik, die vom Zentrum beim Zolltarif in der schärfsten Weise verurteilt wurde, bezweckt, ist dem unbefangenen Zuschauer unklar. Denn ob das Gesetz in zwei oder in fünf Tagen zustande kommt, ist einerlei. Die Mehrheit müßte kein Gefühl dcr Veranlwo.t- lichlcit haben, wenn sie nicht jedes ihrer Mitglieder in Berlin zu halten wüßte in einem Augenblick, wo das Schicksal des Gesetzes auf des Messers Schneide stehl. Die Mehrheit hat von ihrer Macht, die » in deutschen musikalischen Grundsätzen erzogenen Künstler, seinem inne- rcn Drange zur „Heimatkunst" mit aller Bestimmtheit und vollem Be- wußtsein zu folgen. Im vierten Kapitel wird von Krieas Heirat mit seiner Cousine Nina Hagerup erzählt, dcr auch das berühmte Lrcd ,Lch liebe dich" s1861 komponiert! gewidmet ist. Tic Meinung dcr Mutter Ninas, einer berühmten dänischen Schauspielerin und Theater direktorin, über ihren präsumtiven Schwiegersohn scheint nicht gerade hoch gewesen zu sein: „er ist nichts, er hat nichts und er schreibt Musik, die niemand hören will", pflegte sie sich zu äußern. Aber die Hochzeit kam trotzdem zustande, unb wir sehen Grieg bald daraus mit seiner jungen Frau einer dramatisch-begabten Sängerin, gemeinsam in Abonnementskonzerten in Christiania austrcten. Tic Ebe Griebs war nicht, wie allgemein angenommen wird, kinderlos: die Eltern verloren aber ihr einziges Töchterlein im Alter von 13 Monaten. Neben der Schilderung der Mühen Kriegs um Hebung des Niveaus im öffentlichen Musikleben von Cbristiania ist in dem Kapitel weiter sehr interessant die Abhandlung über die Bekanntschaft mit Franz Liszt. Liszts scharfer Blick und stete Hilfsbereitschaft bewährten sich auch dem unbe- kannten Norweger gegenüber. Und zwar stellt Finck ausdrücklich fest, daß Krieg den Weimarer Meister, entgegen der landläufigen Versicke rung, keine seiner Kompositionen zur Beurteilung c ngesandt hatte; er stand auch in keinerlei persönlicher Beziehung zu Liszt. Dieser war von selber auf ihn aufmerksam geworden. Um so bezeichnender ist sein herzlicher Bries vom Jahre 186st, der wichtige Folgen für den 25jäbrigen Komponisten hatte. Er veranlaßte die norwegische Regierung, Krieg eine Summe Keldes auszusctzen, die es ihm ermöglichte, im folgenden Jahre Rom wiederum zu besuchen und Liszt dort persönlich kennen zu lernen. Ob wohl in Deutschland eine briefliche Empfehlung eines Lift! genügte, um einem jungen Künstler ein StaatSslipendium zu vcrsckar- sen? — Kriegs briefliche Schilderungen über sein Zusammentreffen mit Liszt in Rom sind nun außerordentlich fesselnd. Hier war es auch, wo Liszt nach dem Prima-vista-Spiel von Kriegs .Klavierkonzert die Worte sprach: „Fahren Sic fort, ick sage Ihnen, Sic haben das Zeng dazu, und — lassen Sie sich nicht absckreckcn." „Diese Schlußworte", schreibt Krieg, „waren für mich von kolossaler Wichtigkeit; es lag etwas darin, was ihnen eine gewisse Weibe gab! Zu Zeiten, wenn Enttäuschungen und Aergernisse mir in den Weg kommen sollten, werde ich immer seiner Worte gedenken, und die Erinnerung an diese Stunde wird mir wunderbare Kraft verleihen, mich in wider- wärtigen Tagen aufrecktzucrhaltcn." Tie beiden folgenden Kapitel dcr Biogropbic spicken au? norwcgi- schein Boden. Ibsens Briefwechsel mit Krieg, der die Musik zu Peer Kynt zum Inhalt hat, bildet den interessanten Gegenstand des fünf ten, und mit dem ausoetxcknten sechsten Kapitel: Krieg zu Haufe, Per sönliches. Anekdoten schließt dieser erste Teil der Biographie ab. rltjzr finden Krieg im Weiler „Loftbus" in einem einsamen Home am Har- daugerfjord, dos nur einen einzigen Rairm batte, niedrere Sommer und Winter binourck rübrig bei dcr Arbeit ldie Gäste pflegten fick in icincm etwas weiter obliegenden Bauernhaus zu verjammclnl, bis er 1^5 sich
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite