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Wilsdruff, LlMWM, Rossen, Licbenlehn und die Umgegi-udc». Wmtsökatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Vierteljährlicher Pränumerationspreis 10 Ngr. — Jnsertionsgebühren für den Raum einer gespaltenen Corpuszeile 8 Pf. —- Annahme von Inseraten bis Montag resp Donnerstag Mittag. — Etwaige Beiträge, welche der Tendenz dieses Blattes entsprechen, werden mit großem Danke angenommen, nach Befinden honorirt. 13. Dienstag, den 16. Jebruar 1869. Tagesgeschichte. Wilsdruff, den 16. Februar 1869. In nächster Zeit steht uns eine Neuwahl zum Reichstage bevor, da Adv. vr. Schaffrath in Dresden sein Mandat nicdergelegt hat. Die lange Dauer der Reichstags- und Zollparlamentssessionen (im vergangenen Jahre allein 13 Wochen hinter einander) legt den Ab geordneten so große Opfer an Zeit und Geld auf, daß man es ei nem Manne, der von seiner Arbeit lebt, nicht verdenken kann, wenn er sich zurückzieht. — Die „Dr. N." berichten von einem Raubanfalle, der in der Nacht vom 9. zum 10. d. M. in Neustrießen bei Dresden stattgesunden hcü. Diesmal überragt die Frechheit, mit der er zur Ausführung gekommen, alle bisher bekannt gewordenen Vorgänge. Die unbe- kannten Räuber haben nämlich das Parterrelokal eines dortigen Hau ses erbrochen, den allein daselbst schlafenden Bewohner überfallen, vertheidigungsunfähig gemacht, geknebelt, und sich darauf seines baaren Vermögens im Betrag von mehreren hundert Thalern bemächtigt. Unter demselben befinden sich zwei königlich sächs. Staatspapiere über je 100 Thlr., und zwar Nr. 22,770 u 3 Proc. und Nr. 134,612 L 4Proc. Der Beraubte ist am andern Morgen in seinem hilflosen Zu stande aufgefunden und der Behörde über den Vorgang Anzeige er stattet worden. Die in den Schulen Sachsens veranstaltete Pfennigsammlung für den Schulbau zu Johanngeorgenstadt, welche mit Ostern d. I. ge schlossen werden soll, bat nach der neuesten Quittung nunmehr die Summe von 4806 Thlr. 24 Ngr. 1 Pf. ergeben. Man wird sich erinnern, daß vor einigen Monaten gegen einen Wärter der Jrrenheilanstalt zu Colditz, Namens Nagel, eingeschritten wurde, weil er angeschuldigt war, einen dortigen Geisteskranken so furchtbar geschlagen zu haben, daß derselbe an den Folgen dieser Behandlung gestorben sei. Das Bezirksgericht in Borna verurtheilte den Wärter Nagel zu 8 Jahren Zuchthaus; auf angewendete Beru fung ist derselbe aber jetzt vom Oberappellationsgericht zu Dresden klagfrci gesprochen worden. An der ausgegrabenen Leiche sollen zwar Nippenbrüche vorgefundcn worden sein, es mögen indeß Zweifel vor- liegen, ob diese Verletzungen von dem Angeklagten herrühren und so wird wegen Mangel an Beweisen der Gerichtshof jenes Urtheil ge fällt haben. Die Vertheidigung führte Herr Advokat Anton in Borna. Freiberg, 12. Febr. Vor einigen Tagen ist der erste direkte Probezug von Dresden nach Chemnitz hier durchpassirt. Die Eröff nung der Bahn für Personen und Eilfracht sieht man zum 1. März mit Bestimmtheit entgegen. Im vorigen Jahre sind im norddeutschen Bund circa 225 Mill. Briefe befördert worden, von welchen circa 55 Mill, portofrei waren. Von letzteren waren wieder ungefähr zwei Drittheile Dienstbriefe. Die Zahl der Postbeamten beträgt circa 34,000, mit Einschluß der Postillone und Posthaltcr, welche nur in contractlichem Verhältnisse zur Postverwaltuug stehen, circa 43,000. Postanstalten zählte der norddeutsche Bund circa 4400, so daß eine Postanstalt auf ungefähr l'V- Q.-M. kommt. Berlin, 13. Febr. Das Herrenhaus genehmigte die Regie rungsvorlage, betreffend die Vermögensbeschlagnahme des Königs Georg, des Kurfürsten von Hessen. Im Laufe der Debatte betonte Bismarck, daß die deposedirtcn Fürsten nicht in den Stand gesetzt werden dürfen, mittelst deutschen Geldes im Auslände gegen Deutsch land zu agitiren, und erklärte, die Intentionen der sämmlichen Ne gierungen Europas seien entschieden friedlich. Der preußische Gesandte in Wien ist der „Karlsr. Ztg." zufolge angewiesen worden, für die Mittheilung, betreffend das beabsichtigte Attentat auf den Grafen Bismarck, dem Grafen Beust zu danken, mit der Erklärung, daß man sich eines solchen Schrittes von der Loyalität der östreichischen Regierung habe versehen können. Gleich zeitig erhielt er die Weisung, anzudeuten, daß die volle Wiederher stellung der alten vertrauensvollen Beziehung wesentlich erleichtert und gefördert werden dürfte, wenn Preußen ein- für allemal aushören könnte, die Quellen einer gegen seine staatliche Integrität gerichteten Agitation in der unmittelbaren Nähe des Sitzes der kaiserl. Negie rung suchen und diese Agitation auf den Schutz der östreichischen Gastfreundschaft gewissermaßen angewiesen sehen zu müssen. Aus Wien wird der „N. Z." berichtet: In Hietzing ist feit ei niger Zeit eine schärfere polizeiliche Controle angevrdnet worden, und zwar weniger im Interesse des Schutzes der dortigen Hannoveraner, sondern hauptsächlich zur Controle ihrer Unternehmungen. Die Re gierung ist in den Besitz von Daten gelangt, welche auf das Unzwei deutigste Nachweisen, daß der Hietzinger Hof sich nicht damit begnügt, durch Herrn Onno Klopp aufreizende Broschüren verbreiten zu lassen, sondern vielmehrentschlossen ist, seine Agitation größerer Dimensionen annehmen zu lassen. Die Baierische Landeszeitung in München erwähnt eines Gerüchts, daß Bismarck die süddeutschen Staaten aufgefordert habe, ihre Heere bis zum 1. April in Kriegsbereitschaft zu fetzen; es werde hinzuge fügt, daß Oestreich Frankreich zum Krieg aufgestachelt. Die B. Lan deszeitung bezweifelt die Begründung des Gerüchts. Wozu sucht der Kaiser Napoleon Bundesgenossen? Es fährt nämlich die allarmirende Nachricht durch Europa, daß er schon län gere Zeit über die Köpfe der beiderseitigen Minister hinweg mit Vic tor Emanuel über ein Schutz- und Trutzbündniß unterhandle. Die Verhandlungen sollen schon ziemlich weit gediehen und Oestreich als stiller Gesellschafter in Aussicht genommen sein. Italien soll ein Stück Wälsch-Tyrol erhalten, von Rom ist's still, denn Napoleon darf, da die Wahlen vor der Thür stehen, die geistlichen Herren nicht vor den Kopf stoßen. Fertig ist noch nichts, aber jedenfalls eine eigenthümliche Unruhe in den hochpolitischen Kreisen, wenn auch das französisch-italienische Bündniß manchem ungläubigen Thomas begegnet. Dem König von Griechenland ist es in der zwölften Stunde noch gelungen, unter dem Präsidium des Herrn Zaimis ein Ministe rium zusammenzubringen, welches die Annahme des Conferenzbeschlusses auf sein Programm setzt; der Delegirte der Pariser Conferenz, Herr v. Walewsky, befir det sich mit der bezüglichen Erklärung der Griechi schen Regierung schon auf dem Wege nach Paris. Wenn hiermit die akute Gefahr der Griechisch-Türkischen Zerwürfnisse beseitigt erscheint, so bieten die übrigen Nachrichten aus Südosten — aus Bukarest — immer noch Stoff zur Besorgnis); beide Kammern sind aufgelöst wor den, und bei der lebhaften Agitation, welche die Rumänischen Exal- tados betreiben, ist es sehr zweifelhaft, ob die neuen Kammern der Regierung einen zuverlässigen Rückhalt gewähren werden. Möglich indessen, daß die Erledigung der Griechischen Wirren auch hier eine beruhigende Wirkung äußern wird. Madrid, 11. Febr. Die Cortes sind heute mit einer Rede des Ministerpräsidenten Marschalls Serrano eröffnet worden.— Ser rano begrüßt die Deputirtcn und constatirt das Wiedererwachen Spa niens, ffowie den Sieg neuer Ideen nach 60 Jahren unablässigen Kampfes. Die provisorische Regierung habe nur den Weg geebnet und in großen Zügen die Hauptlasten für daS künftige Gebäude vorgezeichnet. Ueberall dem Programm der Revolution fol gend, habe sie Religionsfreiheit, die Freiheit der Presse und des Unterrichts, sowie das Versammlungsrecht prvklamirt. Den Cortes falle die Aufgabe zu, die Freiheiten gesetzlich zu regeln, ohne sie ein- zuschränken. — Die Tribünen waren überfüllt. Man rief: „Es lebe die Volkssouveränetät!" Der Ruf: „Es lebe die Republik!" ertönte nur vereinzelt. Olozago erwicdcrte auf denselben: „Es lebe die Mo narchie!" und Serrano schloß mit den Worten: „Es lebe die Sou- veränetät der Cortes!" Als die Mitglieder der Regierung eintraten, standen sämmtliche Anwesende auf, darunter auch die fremden Dip lomaten ; nur die Republikaner blieben sitzen. Während der Sitzung fielen auf der Straße 3 Flintenschüsse, abgcfeucrt von verdächtig aus- sehcnden Bauern, welche sofort verhaftet wurden. Sonst blieb die Ruhe ungestört. Königin Isabella macht auch in Paris die Ansprüche einer Königin und nimmts den Franzosen sehr übel, daß sie die spanische Hof-