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3. Beilage Soaaavend, 4. April 1908. Leipziger Tageblatt. Nr. «4. 1V2. Jahrqanst. Mußestunden. Christiane Tanner. tts Roman von Claire von Glümer. „Laß mich's anbeholten, süße, einzige Mama!" schmeichelte das ahnnngslose junge Mädchen, und war in der Freude über das Gewähren Ker Bitte von so strahlendem Liebreiz, daß Frau von Northeimb mit dem Vorgefühl des Sieges auf den Kampfplatz trat. Auch Christiane, die bald darauf ins Schloß kam, war von Caras Aussehen, die ihr im Vorzimmer entgegeneilte, überrascht. „Denk' nur — wir haben Besuch!" verkündigte sie mit fröhlicher Wichtigkeit, während sie der Freundin den Hut abnahm. „Zwei alte Herren, Oberst von Wachholtz und Rittmeister von Aliendorff für Papa und Mama, und für uns beide drei Leutnants." Drei Leutnants! Christiane wäre am liebsten wieder gegangen — aber sic schämte sich ihrer Schüchternheit und suchte sie zu überwinden, während Cara eifrig hinzufügte: „Ich kümmre mich aber nur um zwei von ihnen: den kleinen Enke, weißt du, der so furchtbar nett ist, und den roten Parnim, den besten Jungen der Welt. Der dritte ist leider der harte Parnim, den ich nicht ausstehcn kann. — Komm, sich sie dir an." Sie führte Christiane in den Salon, wo Murner in seiner besten Livree Kaffee servierte. — Frau von Northeimb, heitrer als Christiane sie je gesehen hatte, plauderte mit dem dicken Manen-Rittmeister, der neben ihrem Sofa saß, während Herr von Northeimb in einer der Fensternischen mit tiefem Ernst einen alten Dolch untersuchte, den ihm der Oberst zwr Prüfung gebracht hatte. Zwei Leutnants, die am Mittel tische ein Photographiealbum besahen, standen aus, als die jungen Mäd chen eintraten. „Herr von Enke, Vetter Christian von Parnim", stellte Cara vor — die Haarfarbe des zuletzt genannten ließ erraten, daß er der „Rote" war — „und dies" fügte die Kleine hinzu, „ist Christiane Danner, meine aller-, allerbeste Freundin . . ." „In Elmenach", schaltete Frau von Northo.mb vom Sofa her mit so scharfer Stimme ein, daß es Christiane unangenehm berührte: gleich zeitig wendete sich der dritte Ulanenleutnant, der bisher Herrn von Nort- heimb zugehört hatte, und «rat auf den Mitteltisch zu. „Ter Harte!" flüsterte Cara, während Christiane, von Glut über gossen, einen Augenblick im Begriff war, ihm die Hand enlgegcnzustrecken, denn aus dem gebräunten, männlich-schönen Gesicht des jungen Offiziers strahlten ihr die Augen ihres ungetreuen Freundes Christian von Par- nim entgegen. Oder täuschte sie eine Familienähnlichkeit? — Auch er hätte sie er kennen müssen! ?lber gleichgültig-höflich wie seine Kameraden schlug er die Fersen zusammen und neigte den stolzen Kopf, als ibn Cara vor stellte. — Und doch — je länger ihn Chvistiane beobachtete, um jo mehr überzeugte sie sein Lächeln, sein Blick, der Don seiner Stimme, daß er es war, der nach dem einen kurzen Zusammensein jahrelang ihr Herz erfüllt, ihre Phantasie beschäftigt hatte, indes er nicht einmal durch das Wiedersehen an die Begegnung mit ihr erinnert wurde. — «'»lut, daß sie sich nicht verraten hatte! „Was hast du nur? Sprich doch mit . . . sei nicht so gefroren!" raunte Cara ein Mal über das andere der Schweigsamen zu, und Frau von Northeimb, die alles genau beobachtete, gewann aufs neue die Ueberzeugung, daß Christiane, trotz ihrer Schönheit, ungefährlich sei. Ohne Bedenken gab sic Cara die erbetene Erlaubnis, den Garten zu zeigen, und lächelte befriedigt, als sich Christian Leopold — wie sie den harten Parnim zu nennen pflegte — der jungen Gesellschaft anschloß. Und dann kamen sic am Fenster vorüber: voran Cara mit Christian Leopold, beide sicher im besten Einvernehmen, denn lebhaft sprechend, mit heiterm Gesicht und leuchtenden Augen sah das junge Mädchen zu dem Vetter auf: gut, daß die Mutter nicht hörte, wovon die Rede war. Christians spöttische Bemerkung, daß sich Cara ein schönes Stein bild zur Freundin erkoren habe, hatte die Beredsamkeit der Kleinen entflammt. Ihre Christiane n»ärc nicht allwn schön, versicherte sie, son dern das liebenswürdigste, amüsanteste Mädchen der Welt und klug, wie keine andere: alles mögliche hätte sie gelesen. „Puh! ein gelehrtes Frauenzimmer also!" fiel Chvistian «in. Cara lachte hell auf. Gelehrte Frauenzimmer wären alt, häßlich, und trügen eine Brille, meinte sie. Nein, keine Gelehrte, «ine Künstlerin wäre ihre liebe, einzige Christiane, und wenn sie nicht in diesem ab gelegenen Neste lebte, wäre sic längst eine berühmte Malerin. Liber wie eine verwunschene Prinzessin säße sie in einem alten, dunkeln Hause, mit einer alten Tante und einer ururalten Großmutter und müsse Fächer malen, um Geld zu verdienen. „Das alles hat ihr aber nicht geschadet", schloß Cara. „Im Gegen teil! Wenn du mir den Gefallen tätest, dich mit ihr zu unterhalten, würdest du dich gleich überzeugen, daß sie iurchtbar nett ist." Er tat ihr den Gefallen. Sobald sich Cara zu seinen Kameraden gesellt hatte, trat er zu Christiane, die zurückgeblieben war, um für den Herbststrauß, den sie im Geben zusammcnstellte, eine schöugefärbic Ranke abzubrechen. „Mein gnädiges Fräulein", sagte er auf sie niederlächelnd, „haben Sie mich nicht erkannt oder wollten Sie mich nicht erkennen?" Christiane warf den Kops zurück. „Ich wollte nicht", antwortete sie mit erzwungener Ruhe. „Da Sie vergessen hatten . . ." „Vergessen!" siel er ein; „Ihre Augen vergißt man nicht . . ." „Das haben mir Ihre Augen nicht verraten." „Weil auch ich wicht wollte! Wissen Sie nicht mehr, wie Sic mich gekränkt haben?" „Ich?" fragte sie verwundert, indem sie aus den Weg zurücktrat und den Vorangehenden folgte. Parnim blieb an ihrer Seite. „So kurz von Gedächtnis!" antwortete er. „Fällt Ihnen auch jetzt nichts ein? Besinnen Sic sich: keine Auskunft auf meine Frage nach Ihrem Familiennamen, keine Antwort auf die warmen Grüße, die ich Ihnen durch den großen, blonden Jungen geschickt habe." Christiane schlug das Herz: sie hatte ihm unrecht getan! „Sonderbar", sagte sie, während sie sich, um nicht aufsehen zu müssen, mit ihrem Strauß beschäftigte: „Wilhelm hat mir nichts ausgerichtet." Parnim lachte; dann sagte er ernst: „Wenn Sie wüßten, wie es mich beglückt, Sie von der Unfreundlichkeit frei sprechen zu können, die mir damals — nein, bis zu diesem Augenblicke so Weh getan hat! Ja, lassen Sic mich's gestehen, ich habe den Eindruck unserer flüchtigen Be gegnung nicht loswerden können. — Durch alle die Jahre hat mich das Verlangen begleitet, die kleine Ungetreue wieder zu sehen, der ich in knabenhafter Schwärmerei meine Freundschaft anbot . . willen Sie noch?" Ter heiße Blick mit dem er ihr bei dieien Worten in die Augen «ab, durchschauertc sie. „Ich erinnere mich", antwortete sie mit erzwungenem Lächeln. > n- dem sie ihre Schritte beschleunigte; „aber — vorbei sind die Kinderspiele — und alles rollt vorbei . . ." „Nicht alles!" rief Parnim; „Sie glauben das auch nicht uns . . bitte, gehen Sie nicht so schnell: gönnen Sie mir noch ein paar Minuten ungestörten Zusammenseins, und antworten Sie mir jetzt auf die Frage, mit der ich Ihnen vor so vielen Jahren zu Füßen siel, der Frage, ob wir Freunde sein wollen?" Es klang wie Scherz, aber der Blick, oer die Worte begleuete, gab ihnen ernstere Bedeutung. Christiane schlug errötend die Augen nieder. „Trotz der vielen Jahre, weiß ich das noch nicht", antwortete sie in demselben leichten Tone. „Zweifeln Sie an unserer Snmpathic?" ries Parnim: „oder meinen Sie, daß Freundschaft zwischen uns gegen das chinesische Zeremoniell der Gesellschaft verstoßen würde? Was haben Sie — die Künstlerin, da mit zu tun? — Aber sei es drum, fügen mir uns: bleiben Sie mir, solange neugierige Augen auf uns sehen „gnädiges Fräulein", wenn Sie nur bei ungestörtem Beisammensein Christiane sind." Und ehe si- antworten konnte, fügte er, da die Vorangehenden wartend stehen blieben, eine Bemerkung über die Farbenpracht ihres Straußes hinzu. Cara zog ihn beiseite und fragte: „Du hast lange mit Christiane gesprochen . . . wie findest du sie?" „Nicht übel!" antwortete er. Erzürnt kehrte ihm die Kleine den Rücken und hing sich an den Arm der Freundin. „Du schienst in eifrigem Gespräch mit dem Harten", flüsterte sie: „wie findest du ihn?" Christiane kam in Verlegenheit; was sollte sie sagen? — „Ich weiß nicht recht", gab sie zögernd zur Antwort. „Ob, du brauchst dich mir gegenüber nicht zu genieren!" rief Cara „Wenn du ihn hochmütig, arrogant, eingebildet, mit einem Worte unau-- jtchlich findest, freut's mich, daß wir einer Meinung sind. Komm, wir wollen uns mit dem kleinen Enke und dem guten „Roten" amüsieren. Mer es kam nicht dazu — wahrscheinlich, weil sich der Harte zu ihnen gesellte und — wie Cara später der Mama berichtete — „aller- gnädigst an der Unterhaltung teilnahm." Auch nüt Christiane war die Kleine unzufrieden. Sie blieb schweig- sam, ließ alle Witze des kleinen Enke unbelacht, und schien für nichts Sinn zu haben, als für ihren langweiligen Strauß, den sie beständig umfvrmte. Und doch wußte sie kaum, was ihre Hände taten; ihr Sinnen und Denken war nur mit Christian beschäftigt. Vergebens sträubte sie sicv gegen den Zauber seiner Persönlichkeit. — Sie hatte ihm nicht geglaubt, als er von leinen Erinnerungen an ihr erstes Zn'ammentrefsen sprach — und doch mit Entzücken seinen Worten gelauscht. Und wie schlug ihr das Herz, als er jetzt Cara und den Kameraden erzählte, daß er schon einmal in Elmenach gewesen sei. „Ich war mit den Prinzen hergckem- men", fuhr er kort: „war beim Schlittschuhlaufen gefallen, hatte mir den Fuß verstaucht und mußte mich von der guten alten Fr'u oon Eicken dorfs pflegen lassen. Sie tat das so mütterlich, und es war so behaglich still und der Blick aus meinem Fenster in große beschneite Linden war so MM. t» virlil vliIIrO » »Sin», »lt I» »M, IickUd imi kirsi. 1.Asivlrelm Ilirlili« krilirtik» ^ilslo". Nuss. Vsvisn in dvNonrivn« susgewskttvi', nnükei'Ki'vffiiviHen LusIitZt, feinsten rnssiseiien 8nial, MMnaise ,oo Nummer, L,»vli«, r»»«I«r, v«aopr«I, rsioli nnck geoekwaelrroll »rranglvrte ^at8«tialtt«, Ii»8«tvII«w. Illi. n. SltlmiMielle We. vosrr L klick, 8sW«clm l. II n Hs r rWü t. (Anbahnung ves absoluten Hehörs). Sprechzeit chiS 10. April) 1—3 Uhr. Ter Veranstalter st im Besitz eines von Jaqnes - Dalcroze aus gefertigten Zerlifikates. 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K. 11 tUhvltzl 8edllebtiu8:, R.,Lsitlstr.3. »rrss jMerjcällkeM in Leipstg-Eannewit; an der Meus- Sorscr, .,w nkaurr und Frohburger Ttraste sind u verkanten. »o„oe Lsipriger ImmodilieMrelkekssl, Promen dcnstraste 1^ Paunsdorf, beste Lage am Vahnbof -chönefrld, zu verk. L -Reuschvneseld. 6<srnbahntir. 78, im Kontor. »o<i7. Io vLÜpIÄrs s in hiohlts, Nabe d. «aiernen und el. Bahn, 'reie Sonnen!, z. Te l an sre'em Plap, 3- n 4'geschossig, 4 n it Hinter'and für Gewerbe, günst g s. PterdehanLIung, am liebsten im gon-«n billig zu verk. Off. u. 10 V. Postamt wohltS nb.