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16 Aus der Futur. Verschwunden sind alle lieblichen Blumen und das schöne Grün der Gewächse ist bleich und braun geworden; die kleinen Sänger des Waldes zogen dem wärmeren Süden zu, alldort des kommenden Früh lings zu warten, mit welchem sie rückzukehren gedenken, wenn sie nicht von den listigen Italienern gefangen, gerupft und verspeist werden, eye die Zeit herankam. Wir dürfen es den Italiener» nicht so sehr verdenken. ZuHun- dcrttausenden kommen diese Kleinen an; Hunger bringen sie genugsam mit; mit wahrer Wollust fallen sie in die Südfrüchte, welche jetzt eben in schönster Reise stehen, ein und fressen oft soviel, daß siefac- tisch nicht wieder auffliegen können, so daß man sie mit Ruthen und Stäben zu Hunderten und Lausenden erschlagen kann. — „Wenn aber die Natur jetzt schläft, was sollen dann Aufsätze aus der Natur?" so höre ich die verehrten Leser fragen, Geduld, meine Herren und Damen! Schliefe wirklich Alles in ihr — so wäre sicher dieser Schlaf noch beachtenswerth. Aber es schläft nicht Alles. Sehen Sie nicht die Standvögel noch, als da sind: Rabe, Elster, Häher, der talentvolle Spitzbube Spatz rc.? Von diesen Willich nichts sagen, sie haben ihren Theil dahin. Höchstens würde ich den Herren Jägern anrathcn, soviel als möglich Elstern zu vertilgen. Nicht etwa blos deshalb, weil sic so schwatzhaft sind und Schwätzer die häßlichsten, schädlichsten, lächerlichsten — wie man auch merken konnte ärgerlichsten — Geschövfe; auch nicht darum, weil die frommen Schwestern der Diaconissenanstalt zu Dresden derselben ZwölfnachtS- fett als ein Präservativ gegen Epilepsie kauften; denn ich glaube, seine Heilkraft ist sehr ähnlich der, welche den Hunds-, Ochsen- und Eselsknochen, die man gläubigen Seelen als Hciligenknochcn präsen- tirte, entströmt. Leider hat diese fromme Meinung durch den letzten Feldzug einen argen Stoß bekommen, so daß man Sachsens und Preußens Kriegern mit Schiller zurufen darf: „In gährend Drachen blut habt ihr die Milch der frommen Denkart umgewandelt!" — Um deßwillen also nicht, sondern darum, weil die Elster den Singvögeln ungemein nachstellt, die uns doch doppelt lieb und nützlich sind und im Winter, sobald sie nichts Besseres findet, die jungen Baumknos pen als hungerstillendes Mittel verbrancht. Wovon sollen Sie denn lesen? „Da hast Du wieder einmal die Wände nicht abgekchrt!" schilt eine Haufrau die Magd, oder auch das dienstthuende Töchterchen. Woran erkennt sie das sofort? Ach! dort im Winkel ist ein Spinnen gewebe und dieses wurde zum Verräther. Sehen Sie nun, daß die Natur so ganz noch nicht schläft? Wir haben gar nicht nöthig hinauszugchen, unsere Zimmer liefern uns noch Interessantes genug. Fürchten Sie nicht, daß ich von undeli- caten Geheimnissen der Schlafkammer zu erzählen beginne, d. h. von den krabbelnden, hüpfenden, beißenden Individuen des Bettes und Kopfes, obwohl sie auch beachtenswerth sind. Ein alter Naturforscher sagt von ihnen: „Wie schön hat doch der liebe Gott Alles cinaerich- M! Der Mensch soll besonders seine Haut pflegen, indem er sie öf ter reinigt. Weil dies nun so viele nicht thun, schuf seine allmäch tige Hand allerhand Schmarotzerthierchen, die seinen Leib belästigen und die, um sic zu entfernen, ihn nöthigen, seine Haut abzureiben." Doch von diesen will ich nicht reden, sondern nur von den Spin- neu, vor denen sich so viele Leute fürchten und deshalb jede dem Tode weihn, wo sie einer nur habhaft werden können. ES ist eine Thorheit, wie es ebenso eine Thorheit ist, eine Eule zu tödten. Meinen Sie nicht, daß ich mich in Spinnengewebe verliebt habe und sie nicht weggekehrt haben wollte. Durchaus nicht, nur will ich die Spinnen nicht getödtet wissen. Ihr Netz ist nicht allein ihre Woh nung, cs ist gleichzeitig auch ihr Jagdgarn. Wird es vernichtet, so spinnt die emsige Spinne bald ein neues. Die Spinne ist ein flügelloses Jnsect, deren Körper aus zwei Theilen besteht; Kopf und Brust machen das Vordcrtheil aus. Ih nen fehlen ebenfalls die Fühler. Die meisten haben 8 Beine, wenige nur 6. Bei der Zunft der Jagdspinnen, welche kein Gewebe fertigen, sondern ihre Beute im Sprunge fassen, sind sie ungemein stark und lang. Bei allen Spinnen aber ersetzen sich die leicht zerbrechlichen Beine wieder, wann einmal eins verloren ging. Ihr Mund ist mit gewaltigen Freßzangcn versehen, mit welchen sie ihre Beute fassen, verwunden, um in die Wunde einen Tropfen Giftes zu träufeln, welchen eine Drüse unter den Kiefern bereitet. Menschen und größeren Thieren schadet dieses Gift niemals. Man kann sich von einer Kreuzspinne beißen lassen und wird kein anderes Gefühl haben, als ritze einem eine Stecknadel. Den kleineren Thie ren, besonders den Fliegen ist eS hingegen sofort tödtlich. Man kann eS leicht beobachten, wenn man eine Fliege in das Spinnennetz bringt. Neben oder in dem größern Netze in einem abgesonderten Gewebe aber, lauert die hungrige Spinne. Nachts leuchten ihre Augen förm lich. Durch einen besondern Faden hat sie zwischen dem Fangnetze und ihrem Versteck eine Art Telegraphenverbindung hergestcllt. So bald ein Jnsect das große Netz berührt, wirkt, vermittelst des Ver bindungsfadens, die Erschütterung auf die Spinne selbst. Sie läßt das Jnsect sich erst müde zappeln, ehe sie hcrvorbricht, dann stürzt sie heraus, packt es mit ihren Zangen, vergiftet es und dann saugt sie es aus; das Scclct bleibt hängen. Im Sommer ma chen die Netzspinnen nicht selten gute Geschäfte, seltner im Herbst und Winter. Glücklicherweise vertragen sie den Hunger länger als wir. Sie vermögen Monate lang zu hungern, ohne ihre Lebhaftigkeit zu verlieren; höchstens schrumpfen sie etwas zusammen und magern ab. Die Spinnen sind höchst kluge Thiere, besonders gute Wetterprophe ten. Ein gefangener Franzose stellte im Gefängnisse zu Xamur über aus genaue und sorgfältige Beobachtungen darüber an. Viele Leute haben gewaltige Schell vor den Spinnen. Warum? Weil sie so häßlich aussehen? Sieht vielleicht der Esel nett aus, oder das Schwein, welches die Pfütze verläßt? Obwohl die Spinnen für Ihresgleichen dasselbe sind, was für uns der Wolf nnd Löwe — sind sie doch nur nützlich. Zwar bereite« wir aus ihrem feinen Zwirn keine seidenen Gewänder, wiewohl die Franzosen es versucht haben (wie diese schon manche Thorheit zur Klugheit stempeln wollten) — auch essen wir sie nicht, wie die Neu-Calcedonier, und dennoch sind sic uns nützlich. Wie manche Fliege, Mücke Schnake, Wanze rc. fiel ihnen zum Opfer, die andernfalls noch lange manch' armes Menschen kind belästigt haben würde. Könnte ein Landmann sich für seinen Ge treideboden, allwo die Made (die Larve der Kornmotte) oder der Krebs (die Larven des schwarzen oder des rothen Kornwurmes, rol^. Kreb ses *) seine Vorräthe zerstören, einige Tausend Spinnen verschreiben, würde er bald genug erlöst sein. Die Jagd wird den Spinnen besonders durch ihr gutes Gesicht erleichtert. Ihnen wurden nicht nur 2, sondern 6—8 Äugen, welche die verschiedensten Stellungen einnehmen und mit deren Hilfe sie nach allen Seiten zu gleicher Zeit blicken können. Die Augen liegen auf dem Brustschilde. Sie bedürfen eines scharfen Gesichts, um sich vor ihren eignen Brüdern und Schwestern zu wahren. Besonders un freundlich sind die weiblichen Spinnen, die zur Zeit der Paarung nicht selten das kleinere Männchen, welches sich so vorsichtig als mög lich nahte, um sich von der Gesinnung der Geliebten zu überzeugen, aufgefressen. Ob vor Liebe? ? Findet das Männchen das Weibchen geneigt, so eilt es, möglichst schnell wieder zu entkommen. Verblei ben hieße den Tod ne^en. Die Spinnen wickeln zum Theil ihre Eier, deren sie bis einige Hundert legen, in Gespinnste an verborgnen Orten; bei einigen er streckt sich die mütterliche Sorgfalt soweit, daß sie diese Brutstätten stets hüten und später die Jungen, wo sie noch schwach sind, auf dem Rücken herumtragen. Die Jungen kriechen im Frühjahr aus, allein es scheint, als machten sie dieses Jahr eine Ausnahme, denn kürzlich sah ich einige Hundert Stück vor meinen Fenstern die ersten Spinnversuche anstellen. Wie interessant sieht das aus! Aus 4 bis 6 Oeffnungen des Hinterkörpers tritt die Gespinnstmasse, welche ausge spritzt wird, zu einem Faden zusammen, den die Spinne auf wunder bare Weise noch mit ihren Füßen zwirnt und glättet. Manche Spinnen machen ein so feines Gewebe, daß man mit bloßem Auge es nicht zu erkennen vermag. Die aus Spinnwarzen tretenden Fäden sind so fein, daß 10,000 solcher, von einer gewöhn lichen Spinne, kaum die Stärke eines Menschenhaares haben. Wenn sie ihr Netz anlegen, kann man sie ost 20 mal hin- und herlaufcn sehen, ehe ihnen der eine Faden stark genug ist. Während unsre gewöhnlichen Spinnen so Zartes zeigen, spinnen in den heißen Gegenden manche so stark, daß man Vögel in ihrem Netze fangen, ein Mensch ihre Faden nur mit Anstrengung zerreißen kann. Eine mexikanische Spinne verfertigt cin Gewebe nnl deutschen Landesfarben: fchwarz, roth, gelb. Die Erscheinung des Altweiber sommers ist nichts anders als das Gewebe von Spinnen, den soge nannten Luftschiffern, welche sich aufbaumcln nnd nun vom Winde in die Nähe des nächsten Baumes wiegen lassen, daran sie sofort einen neuen Faden spritzen. Alle diese Fäden sind Fangnctze für Jnsecten Stärkerer Wind zerreißt sic, wickelt mehrere Gespinnftc in einander und treibt sie über die Stoppeln. Viele spinnen von Stoppel zu Stoppel. Trotzdem man bei der Spinne keine Gehörwerkzcuge fin det, hören sie doch gut, scheinen, nach Beobachtungen, sogar Sinn für Musik zu haben, was man übrigens bei verschiednen Thiercn finden kann. Unsre größte inländische Spinne ist die Kreuzspinne (Lpsira. ckiacksina). Sin findet sich fast in ganz Europa, schlägt ihre Woh nung gern unter Dächern, in Viehställen rc. auf. Wenn sie wohlge nährt und ausgewachsen ist, erreicht ihr Umfang im Hintcrlcibe die Gröhe einer Haselnuß. Sie ist mit einer kreuzähntichen Zeichnung geschmückt und sehr schön. Es giebt eine schwarz- und einerothbraune Art. Gewöhnlich trägt die Kreuzspinne eine große Menge Gespinnst- massc bei sich. Fängt man eine im Spinnen, so kann man den Fa den abwickeln. Zusehens wird der Hinterleib schwächer. Bis nicht neue Materie sich gebildet, kann sie nicht wieder spinnen. Zu be wundern wird es stets bleiben, wie so genau ein solches Thierchen, ohne Zirkel und Lineal ihr Gcspinnst auszuführen vermag. Die Fensterspinne ist viel kleiner, dunkelbraun mit ü schwarzen Flecken. Auch im Wasser leben welche, als z. B. die Wasserspinne, welche undurchdringliche, mit Luft gefüllte Säcke webt. Sie hat au ßer der Lunge auch Tracheen d. h. Luftröhren. Im Frühlinge wim- melts in unsern Gebüschen von Spinnen, besonders Sprungspinnen und Sackspinncn. Erstere (Laltirus) schwarz von Farbe, erfaßt ihre Beute im Sprunge; letztere trägt ihre Eier in einem Sacke mit sich rind vcrtheidigt sie bis zum Tode; die zarten Jungen trägt sie auf dem Rücken. Die kleinste ist die fliegende Sommerspinne, schwarz braun mit gelben Füßen, von der Größe eines Stecknadelkopfes. Die schönste, die grüne Spinne, auf Blumen. Die giftigste, die O- rangenfpinne, auf den Antillen. Die größte, die surinamsche Vogcl- *) Der schwarze Kornwurm (Oalnnckrn xransria) ist ein dunkelbrauner kleiner Rüsselkäfer, welcher sich unglaublich vermehrt und seine Lier, je eins in ein Roggen- oder Weizenkorn legt. Es ist berechnet worden, daß ein Calanderpaar im Laufe der Jahres «ine Nachkommenschaft von 23,600 haben kann. Die Larven, Weißlich« Wür mer mit hornigem Kopfe und starken Kinnbacken, fressen den Kern aus. Tie Käfer überwintern in Ritzen und Spalten der Böden. Der rothe Kornwurm s^ttewdm, irumentsria) welcher ganz roth ist und einen langen Rüffel hat, zernagt nur altcS Korn, wenn eS nicht gerührt wird. Die Made, Larve der Kormnottc (Dinen xra- nelt») frißt nur die Spitzen der Körner ab, deren sie mehrere in ein Gespinnst wik- kelt. Frisches Heu oder Hopfen auf den Boden gebracht, soll sie, nach Erfahrung, am sichersten vertilgen. Anmerk. d. P.