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MMatt fiir MisürB Hßamndl, Aossen, Sieöenleßn und die Mmgegenden. Amtsblatt für die Rgl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, Alttanneberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkhardtswalde, Groitzsch, Grumbach, Grund bei Mohorn, Helbigsdorf, Herzosgwalde mit Landberg, Hühndorf, Kaufbach, Kesselsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Munzig, Neukirchen, Rer- tanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorf, Pohrsdorf, Rshrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsdorf Schmiedewalde, Sora, Steinbach bei Kesselsdorf, Steinbach b. Mohorn, Seeligstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wildberg. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk. 55 Pf Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro viergespaltene Corpuszeile. Truck und Verlaq von Marlin Berger in Wilsdruff. — VeranlworÄch für die Redaktion Martin Berger daselbst. No. 1S1. Sonnabend, den 22. Dezember 1SW. S8. Jahrg. Ium 4. Advent. 1. Joh. 4, 9: Daran ist erschienen die Liebe Gottes gegen uns, Laß Gott Seinen eingebomen Sohn gesandt hat in die Welt, daß wir durch Ihn leben sollen. Weihnachten! Das Fest der Liebe! Da äußert sich Lie Liebe der Menschen untereinander in al.erlei Gaben und Geschenken, mit denen man sich erfreuen möchte. Da treibt es die Söhne, die in der Ferne unter der Fahne stehen, nach Hause, um das Weihnachtsfest im Kreise der Lieben daheim zu feiern. Es ist recht so und gut. Es würde uns doch etwas fehlen, wenn uns keine Gabe Zeugniß ablegte, daß andere in Liebe an uns gedacht. Es märe ein trauriges, einsames Weihnachten — ohne Liebe! Aber diese Liebesbeweise der Menschen sollen doch nur Hinweise sein auf die große unendliche Gottcsliebe, die sich zu Weihnachten geoffenbart hat. Das Wcihnachts- fest predigt uns: Daran ist erschienen die Liebe Gottes gegen uns, daß Gott Seinen eingebornen Sohn gesandt hat in die Welt. Was ist's für ein Opfer gewesen, das der Vater für uns gebracht hat! Er weiß, was die Menschen mit dem Eingeborenen machen werden: Ersieht schon das Kreuz voraus, das sich auf Golgatha erheben wird - und doch sendet Ec Seinen Sohn in die Welt! Und warum bringt Er dieses Opfer? Aus Liebe gegen uns! Er giebt Sein Bestes dahin, in die Krippe und an das Kreuz, um uns zu retten. So lieb hat dich Gott gehabt; lieber, wie Seinen eingebornen Sohn. Aber hat diese Liebe nun auch schon bei dir ausge richtet, was des Vaters Absicht war? Wir sollen durch Seinen Sohn leben, leben im vollsten Sinne des Worts. Was die Menschen für gewöhnlich „leben" nennen, das ist der Tod in Sünde und Uebertretung. Leben sollen wir, d. h. so viel wie: wir sollen das wahre Leben haben, das kein Ende nimmt, wir sollen ewiges Leben haben. So heißts ja auch in dem Kernwort: auf daß alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Lieber Leser, hast du dies ewige Leben? Das fängt nicht erst nach dem Tode an, das muß hier anfangen, das muß jetzt anfangen. Auf daß wir durch Ihn leben sollen, sagt Johannes. Einen Weihnachtswunsch habe ich für alle Leser dieses Blattes: Daß sie alle die Seligkeit dieses Lebens in Jesu durch Jesum erfahren möchten; daß sie Weihnachten feiern möchten, überwunden von der Liebe Gottes, der Seinen Sohn in die Welt, die arge Welt gesandt hat, auf daß wir, — Du auch, mein Freund! — durch Ihn leben sollen. Der HErr gebe uns allen: Gesegnete Weihnachten! Friede. Weihnachtserzählung von Hermann Fuchs. Nahm des Schicksals Hand Dir wieder Alles, was sie einst Dir gab, Drückt Dein Elend tief Dich nieder, Schleichst Du mild' von Grab zu Grab; Scheint verfehlt — ein Fluch Dein Leben, Sinkt die Hoffnung, starb das Glück, War verloren all' Dein Streben, Starrt in's Leere tief Dein Blick; Will Verzweiflung Dich erfassen, Fehlt die Thränc Deinen, Schmerz, Wähnst Du Dich von Gott verlassen, Schlägt nach Ruhe bang das Herz — — O, noch darfst Du nicht verzagen, Schau empor Dir bleibt ein Stern, Alles, alles wirst Du tragen, Glaubst Du nur an Gott den Herm; Alles wirst Du überwinden, Wenn den Stern Du nicht verläßt, Wirst den Frieden wiederfinden, Halst Du Gott im Herzen fest! In ihrem Stübchen im oberen Stock eines Hauses in Ernsdorf (jetzt Niederstadt) saß Ottilie Neumann über ihrer Arbeit — einem Hochzeilskleide — gebeugt und nähte, und nähte, bis sie die Stube nicht mehr sehen konnte; es flirrte und flimmerte ihr vor den Augen. Sie ließ die Arme schlaff in den Sckooß sinken und schloß einen Moment die Lider — sie brannten heftig. Dann blickte sie nach der Uhr — schon wieder halb elf, und noch war Wilhelm nicht zu Hause. Jedenfalls saß er wieder in irgend einer Kneipe und trank und konnte nicht loskommen. — Er vertrank gewöhnlich nicht nur seinen Wochenloyn, sondern auch noch einen Theil ihres schwer erarbeiteten Verdienstes. — Ein bitteres, wehes Gefühl überkam das junge, bleiche Weib und im Uebermaaß des Schmerzes konnte sie nicht mehr länger an sich halten und mußte — weinen. — Ach sie hatte sehr oft weinen müssen in dem einen Jahr ihrer traurigen Ehe; es wurde ihr zwar immer etwas leichter danach, aber — geholfen hat es leider nichts. Wilhelm blieb ebenso leichtsinnig wie er war. Er war im Grunde ein herzensguter Mensch, der im Stande war, sein Blut hinzugeben, wenn er Jemand damit hätte helfen können, aber das Trinken —das verwünschte Trinken! Ottilie hatte gehofft, daß ihn die Geburt des so sehulichst erwarteten Kindes umstimmen und einem geregelten Leben wiederge winnen würde — vergeblich! In den ersten Wochen schien es zwar, als ob er sich bessern wollte — doch bald waren alle guten Vorsätze wie vom Winde fortgeweht, und er be achtete das kleine, süße Wesen kaum mehr. Nun waren es nur noch zwei Wochen bis Weihnachten und kein Geld im Hause. Ottilie mußte mit Aufbietung ihrer letzten geringen Kräfte arbeiten, um ihren Kundinnen gerecht zu werden und wenigstens ein Paar Mark für die Feiertage zu erübrigen. Außerdem war zu Neujahr wieder die Miethe zu bezahlen. Und Wilhelm? Was scheerte ihn Miethe und Feiertage, was ging ihn Familienglück an; das ist etwas für Weiber, besonders solche wie Ottilie eins war. Mochte ihr Herz Lerbluten, er konnte ihr nicht helfen; warum war sie auch so weichmüthig. — Ihm war am wohlsten in der branntwein- und tabakdunstge schwängerten Athmosphäre des Gasthauses, im Kreise lieber Zechgenoffen. — Mn kam er endlich die Treppe heraufgepoltert. Ottilie öffnete die Thüre und er wankte in die Stube, sich schwer auf einen Stuhl niederfallen lastend. Dann fing er mit krächzender Stimme an zu gröhlen: „Im schwarzen Wall fisch " „Wirst Du wohl gleich stille sein! Was soll das nun wieder heißen? — Jetzt mitten in der Nacht so zu brüllen; die Leute im Hause beklagen sich so schon über Dich, und Du weckst mir das Kind auf. Wilhelm! " Er hörte nicht und fing von Neuem an: „Sei nich bös' — 's kann ja nich sein " „Wilhelm! — Ich schwör's Dir beim Gott, wenn Du mich zum Aeußersten treibst, ich nehme morgen mein Kind und gehe, wohin mich die Beine tragen!" „Brauchst Du gar nicht! Brauchst Du gar nicht! Kann ich ja ebenso gut gehen! — Es ist ja Alles Deine Wirthschast! — Ich hab' ja nichts gehabt! — Glaubst wohl, ich werde mir von Dir noch vorwerfen lassen, Du ernährst mich? Auf Dich bin ich noch lange nicht ange wiesen, verstehst Du?! Ich find' mein Fortkommen noch überall! Adieu!" — Er erhob sich und wankte zur Thüre. Am ganzen Körper bebend, flog Ottilie auf ihn zu, ihn mit Gewalt zurückzuhalten versuchend: „Du ziehst Dich jetzt aus, und gehst schlafen, hast Du verstanden?!" „Denk' ich ja gar nicht d'ran! Willst Du mir vielleicht auch noch befehlen, dummes Frauenzimmer?" Er packte das kraftlose Weib an die Brust und schleuderte sie in die Mitte der Stube, wo Ottilie mit dem Kopfe an eine Tischkante aufschlagend, ohnmächtig liegen blieb. Ohne sich um die Verletzte zu bekümmern, ihr auch einen Blick zuzuwerfen, trampelte Wilhelm die Treppe hinunter und verschwand. — 2. Einige Jahre später. — Mai. — Eine Sitzung des Schöffengerichts beim Amtsgericht A. in Peußeu war indignirt. — Diese Verhandlungen be kommt man wirklich satt. Was hatten sich diese Leute nicht alles zu schulden kommen lassen. Auf der Anklagebank saß eine Frau in reiferen Jahren, der „schweren" Beleidigung angeklagt. Die Sache erwies sich als ziemlich harmlos. Der Vorsitzende ermahnt vor dem Eintritt in die Verhandlung zum gütlichen Vergleich; einmal um des lieben Friedens willen, um den Parteien unnöthige Prozeßkosten zu ersparen — vergebens! Die Angeklagte sah ihr Unrecht ein, und war zur Buße bereit. Aber die Klägerin? — Ihre Augen leuchteten funkelnd, wie die eines Tigers — ihre Gesichtszügc hatten die Sig nation der Wuth angenommen — sie bestand aus Verurtheil- ung. Ist es nicht möglich, das haßerfüllte Herz des Menschen zur Versöhnung zu stimmen? Die Angeklagte mußte zu einer geringen Geldstrafe verurtheilt werden der „Gerechtigkeit" war Genüge geschehen!" Der Vorsitzende läutet. Die nächste Sache. Durch einen Gefängnißwärter hereingeführt wird aus der Unter suchungshaft ein etwa dreißigjähriger Mann in Sträflings kleidung. Er sieht fahl aus, die Backen sind eingefallen, die Augen matt, — in ihre Höhlen zurückgesunken, der Gang schleppend. Die ganze Gestalt macht einen unsäglich traurigen Eindruck: ein typisches Bild seelischen und körperlichen Elends. Mechanisch läßt er sich auf der Anklagebank nieder. Der Vorsitzende blätterte in einem Aktenstück, dann fixirt er den Angeklagten. Dieser zittert — Sich selber entrinnen kann Niemand. „Angeklagter: Sie find der Malergehilfe Wilhelm Neumann, geboren am 15. Januar 1867 zu Cottbus in der Lausitz, Soldat gewesen und verheiratet, wo befindet sich Ihre Frau?" „In Reichenbach in Schlesien!" „So! Und wovon lebt sie dort?" „Ich — ich weiß nicht!" — Er würgte die Worte mühsam hervor. „Sie wisten's nicht? Natürlich wissen Sie's nicht! Statt zu arbeiten, treiben Sie sich bettelnd und vagabondirend im Lande umher, die Fürsorge für die Familie der Commune überlastend! — Wie viel Kinder haben Sie?" — Seine Stimme war schneidend — eisig. Der Gefangene bebte am ganzen Körper, seine Kniee schlotterten, die Stimme klang verhauchend, ersterbend. „Ich — weiß nicht!" Einer heftigen Erregung hatte sich der Richter bemäch tigt. Der Vorsitzende fährt den Angeklagten mit hervor brechendem Zorn an: „Sie sind ja ein ganz erbärmlicher, gemeiner Lump! Also nicht einmal um Ihr eigen Fleisch und Blut haben Sie sich bisher bekümmert? Na, warten Sie einmal, an Ihnen wollen wir ein Exempel statuiren!" Wieder blätterte er in dem Aktenstück. — Neumann sah und hörte nichts mehr — — — wie, — wenn er über die Barriere hinweg und zum geöffneten Fenster die zwei Stock in den Hof hinabsprang, wenn er sich dann's Genick bräche, wäre er das ganze Elend mit einem Male los. Unsinn' — Er würde ja gar nicht erst bis ans Fenster kommen „Angeklagter! Sie sind acht mal wegen Bettelns und Landstreichens vorbestraft und waren bereits im Arbeits hause?" — Keine Antwort. — Die Richter begeben sich in's Berathungszimmer — Kurze Pause. Dann erfolgt die Verlesung des Urtheils: Wegen Bettelns und Land streichens 6 Wochen Haft und Ueberweisung in das Ar beitshaus zu Tapiau für die höchst zulässige Dauer von zwei Jahren. — Zwei Jahre? — Allmächtiger Gott? — Und das wofür? — Was hat er denn großes verbrochen?"