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02-Abendausgabe Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und Umgegenden : 10.02.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-02-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782021922-19000210028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782021922-1900021002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782021922-1900021002
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn ...
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Jahr
1900
-
Monat
1900-02
- Tag 1900-02-10
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Monat
1900-02
-
Jahr
1900
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bringt Dich vor der Zeit ins Grob. Dein seliger ErichL hat das Bise, welches schon in dem Knaben steckt, nur zu richtig nkannt, al« er ihn in seinem Testamente so zu sagen enterbte und gänzlich von Dir abbängig mochte.- „In se nem Testamente?* wiederholte die Frau, ihn wieder starr ai blickend. »Nun, wars nicht sein Testament?* fuhr Dierking zornig auf. „bat erS nicht auf dem Sterbebette vor Notar und Zeugen anfert'gen lasten? — Willst Du noch mit Deinen tollen Fasteleien vor Deinem Ende in ein Irrenhaus?* .Großer Gott!' stihnte die unglückliche Frau, ihr Gesicht mit beiden Händen bedeckend, ,wo .l könnte ich wahnfinnig werden.* „Sei vernünftig, Kind,* begann Dierking nach einer Pause, „Du bist krank, und tbust bester, Dich zu Bett zu legen. Ich »erde zum Doktor schicken, er soll Dich schon wieder kuriren. — Wenn eS Dich beruhigt, so nimm mein Versprechen, daß ich. full« D tle» stch hierher verirren sollte, ihm die Mittel zu der Flucht reichlich geben werde.* „Ich danke Dir für dieses Versprechen, Christian, gieb mir die Hand daraus.* Er reichte ihr die Hand, und die arme Frau schien einiger maßen beruhigt zu se n. Ohne Widerstreben ließ sie stch von ihm in ihr. Schlaskammer führen, um sich niederzulegen, da ste stch »ehe krank und hinfällig fühlte. Als Herr Dierking m sein Zimmer zurückkehrte. trat soeben der Bordier Fuchs ein, welcher für die guten Jtzeboeer sozusagen die lebendige Staolpost, ein wahres Jntelligeru-Komptoir war. „Ihr kommt wie gerufen, mein lieber Herr Fuchs,' ries der Senator ihm herablassend entgegen. .Ich muß sogleich ousgehen.' ,E>, du weine Zeit, so frühe schon, Herr Senator?* meinte der Barbier erstaunt, „ah, kann mir schon denken, kann mir schon denken." .Was könnt Ihr Euch denken?' fragte Herr Dierking hochmüihig. „Bttte um Verzeihung, Herr Senator, ich meine nur von wegen der Politik, — na, na, der große Napoleon wirds den Engländern schon heimzohlen, — eine wahre Seeräuber, Politik — weiß Gott, wenn mir der Schrecken nicht in alle Glieder gefahren ist.' .Was schwatzt Ihr denn sür tolles Zeug. MuSjc Fuchs? Ich verstehe doch wirklich kein Wort von Eurer Salbaderei.' .So haben der Herr Senator es noch nicht gelesen? Sie haben aber doch den neuesten Korrespondenten schon, wie Ich lebt.* „Freilich, bin noch Nicht dazu gekommen, mein lieber Fuchs. Was gieblS denn Neues in der großen Welt und insbesondere hier in unserer kleinen?' „Das allerneueste auf dem großen Welttheater," begann er eilig, „ist das Völker echtswidrige Bombardement von Kopen hagen durch die Engländer.' Herr Dierking sah ihn mit einem so entsetzten Blick an, daß der Barbier inne hielt, um ihm einen Ausruf des Schreckens zu gönnen. .Kopenhagen, die schönste Stadt der Welt, die Stadt der Bilduna und feinen Sitten bombardirt?' schrie Herr Dierking außer stch. „Unmöglich, Fuchs!* .Ich Habs nicht erfunden,' sprach er, .der Hamburger Korrespondent schreibt es mit großer gesperrter Schrift. Aber der Kaiser wirds ihnen heimzahlen, den Mordbrennern, die schöne Hauptstadt, ste soll beinahe schon in Trümmern liegen. Unsere Flotte, sonst so stegreich, kann nichts gegen die englischen Platen beginnen, wie anno 1801, wo ste dem Nelson tüchtig zu ichaff-n machte. Man sagt sogar, der .Correlpondent* nämlich meint es, daß sie die ganze Flotte diesmal kapern. — Ich kanns nicht glauben, wofür wären wir denn mit dem großen Napoleon verbündet, wenn er solches litte? O, nur Geduld, er wird ganz England dafür in Grund und Boden schießen. WaS ich sagen wollte, komme soeben von Herrn PhystkuS Jo hannsen, er war eben so empört darüber, schalt wie rin Rohr sperling, und meinte, die Welt wüste sich in« Mittel legen gegen solche Barbarei, ohne Kriegserklärung zu bombardiren, bloS dafür, daß wir Napoleons Verbündete sind, schändlich.* .Schändlich!" ries nun auch der Senator, al« erden betr.ffenden Artikel über das Bombardement von Kopenhagen übeiflv ien hatte. »Nun ist dieses treulose England verloren,* setzte er mit einem gewissen feierlichen Triumph hinzu, „die ganze Welt wird Rache nehmen für Kopenhagen, diese uralte, heilige Stadt." „Ja, denken Sie sich, Herr Senator,* schaltete der Barbier wieder ein, ,waS de« Herrn Phyfiku« Töchterlein, die kleine 13jährige Emma sich herausnahm zu sagen, als der Herr Doktor so empört thate über die Barbarei der Engländer und unsere schöne Hauptstadt bejammerte.* .Kindergeschwätz!* brummte Dierking. .Freilich, freilich, wenn nicht ältere Weisheit dahinter steckt. Ei, Papa, rief die kleine vorlaute Mademoiselle, was kümmert D ch die dänische Hauptstadt, wir sind ja Deutsche und müssen uns im Grunde darüber freuen, wenn die Dänen und Fran zosen recht aufs Haupt geschlagen werden. Ich war starr vor Erstaunen und erschrak nicht wenig, al« das naseweise Ding auf de« Vater« Frage ganz keck erklärte, das habe ihr im vorigen Jahre schon der Herr Doktor Detlev Erich« gesagt, und der lüge niemals." .Horribilel* sprach Dierking empört, .also auch das »och, Landisveriath und —* Ei brach ab und schritt dann erregt im Zimmer auf und nieder. .Und dabei so ungerathen,* ergänzte der Barbier mit fittlich.m Schauder. .Welch ein Glück, daß der junge Herr das Vermögen nicht in die Hände bekommt, — wie weise von ihrem seligen Herrn Vorgänger, daß er die Utzten Minuten seines Lebens noch dazu benutzte, — ein solches Testament zu machen.' ,S«e waren Zeuge, mein lieber Fuchs, Sie wissen, daß der selige Herr Erichs bei vollem Verstände «ar, al» er seinen letzten Willen ausletzte?' .Und ob ich» noch weiß, Herr Senator,' rief jener eifrig. .Nur die Stimme klang etwa« anders, wa« natürlich der nahe Tod verursachte, im Uebrigen war sein Verstand so klar, wie der meinige. Ich hätte darauf schwören mögen, daß er noch 10 Jahre gelebt Härte, doch starb er noch in derselben Nacht.' .Meine arme Frau macht stch immerfort dir bittersten Vor würfe darüber und glaubt, ihr Seliger habe den Verstand nicht mehr gehabt; auch vorhin wieder, sie ist krank, recht krank, die gute Frau, ich fürchte fast, daß ihr eigener Verstand etwa« dabei gelitten hat. Dieser unglückselige Detlev, er bringt sie in« Grab. Ja, mein lieber Fuchs, man hat nur Sorge von den Kindern, und nun vollends von einem solchen Stiefsohne, an dem kein einziges gi te« Haar ist.' ,DaS nimmt kein gutes Ende mit dem leichtfertigen Pa tron," seufzte der Barbier, „hat denn, mit Verlaub zu fragen, die F au Senatorin bereits ein Testament gewacht?" „Leider nein — ich mag sie nicht dazu drängen, es i doch immerhin ihr leibhaftiger Soku, und dies würde ei schlechtes Licht auf mich werfen. Wenn meine Frau vor mir sterben sollte, waS nicht unmöglich ist, dann erhält d-r Detlev Alle« und wird bald reines Haus machen. Er ist ein Ver schwender, der im Zuchthaus enden kann. Nun, ich werd« deshalb nicht verhungern," setzte er mit einem melancholnchen Lächeln hinzu, .würde es d m L ichtfinnigen indess n treulichst orwalten, bis er sich die Hörner obgelaufen hätte und zur Bstonung gekommen wäre.' (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. ' Ein junges Mädchen auf einem Maskenball ermordet. Aus Kiel wild geschrieben: Ein Eifersuchtediama fand mitten iw luitigen Treiben deS CarnevalS seinen blutigen AuSgang. Der Gesangverein „Jungs holt fast* feierte Sonnabend in dem aroßen zur ebenen Erve gelegenen Saal der „R-ichShallen' fein FajchingSsest: „Kil vor fünfzig Jahren*. Der Saal war hübsch auSgestattet, sür allerlei Buden und Kurzweil, wie es in den alten Kieler Umschlagsta^en Brauch und Sitte, war gesorgt, eine frödlichc Menschenmenge durchwogte die schönen Räume. Die Masken waren abgelegt, und der erste Tanz war schon vorüber. In der Paule nahm ein junge«, schönes Mädchen, die T"chtei des Gefangenwäeters Stre'ch, an einem T sche in einem der nar der Seite reS Bootshafens errichteten Zelte neben ihrer Mutter im Kreise einer befreundeten Familie Platz, und zwar mit d m Rücken dem Saal zugewendet. Es mochte gegen ein Uho sein, als das jugendfrifche Mädchen mit dem Rufe: „Ach, Mutter!' auisprang und dann laut«»« in den Stuhl zurückfiel. Man glaubte zunächst an ein plötzliches Unwohlsein, an eine Ohn macht, aber zwei anwesende Aerzte fanden sofort wenige Bluts tropfen auf der linken Brust, die eine Kugel in der Nähe d-s Herzens durchbohrt hotte. Man nahm erst an, d-ß eine Kugel au« einer der im Saal befindlichen Schießbuden sich verirrt od.r r cochettirt die Unglückliche getroffen habe. Die nähere Unter- iuchung soll aber eine solche Möglichkeit ausgeschloffen haben. Donn entstand der Verdacht eine« meuchlerischen Anschlages. Die Criminolpolizei war bald zur Stelle. Während dos Fest in einer unbeschreiblichen Aufregung sein jäd.S Ende fand, nahm die Polizei eine sehr genaue örtliche Untersuchung vor. Daraus er gab sich, daß da« Zelt, in welch-m Fräulein Streich saß, stch der nach dem Bootehasen führenden Nolhthür gegenüber befand, die oben uni einem Fenster versehen war, das während des Balles geöffnet war. Draußen vor dieserThür waren zwei leere Kisten aufeinander gestellt und ein größerer Stein darauf gelegt. Man nimmt an, daß der Mörder mit Hilse eines Mitschuldigen diese Vorkehrung ge troffen und, auf dem Steine stehend, durch das offene Fenster mit einer Teschingpistole ge,chosscn und sein Opfer getroffen hat. Es stellte stch auch heraus, daß die Thür an mehreren Stellen durchbohrt war und daß man Lurch die Bohrlöcher «'nen großen Tveit des Saales übersehen konnte. Der Thäter ist aber nicht auf frischer That ergr ffen worden, und bis jetzt liegen nur Jn- dicien vor. Scher scheint, daß mehrere Herren stch um die Gunst des Mädchens beworben haben. Es soll brieflich gewarnt sein den Ball zu besuchen. Es ist auch aufgefallen, daß im Laufe des Abends vor dem Unglücksfalle eine Person ohne Einlaßkarte in den Saal zu gelangen suchte. Der Verdacht der Thäterschaft lenkte stch zunächst auf einen Apoth-kergehttfen, der gestern früh, um 4 Uhr, in feinem Bette verhaftet wurde; cs scheint aber noch nicht ganz sicher, ob die Viihaf.ung aufrecht erhalten werden ann, da der Angeschuldigte jeden Zusammenhang mit der Thal leugnet. Die Mordwaffe ist nicht gefunden, ste muß fast ge räuschlos funclionirt haben; jedenfalls hat Niemand von dem Knall einer Büchse oder eines Revolvers etwas gehört. Die Polizei setzt ihre Ermittelungen fort; ste setzt eine Piämie auf die Entdeckung des Mitschuldigen aus. Der Vorfall macht hier ganz ungewöhnliches Aufsehen. — Von anderer Seile wird noch geschrieben: Während der Nacht wurden die Briefschaften der Ermordeten untersucht, und et fanden stch darunter Drohbriefe, die von dem in Kiel in Stellung brfindlichen Apothekergehilfen Pflueger herrührten. Dieser hatte des junge Mädchen mit An trägen verfolgt und war angewiesen worden. Em in seiner Be hausung vorgefundener Revolver, sowie eine Anzahl vergifteter Bonbons bestärkten den Verdacht; auch kann der Beschuldigte keinen genügenden Alibibewei« erbringen. Als man den muth- maßlichen Mörder in da« Polizeigefängniß bringen wollte, dessen Vorsteher der Vater des jungen Mädchens ist, lehnte dieser die Aufnahme ab mit den Worten, er sei nicht sicher, ob er sich nicht an dem Mörder seiner Tochter vergreifen würde. * Die Dankers werden zu fett. Während wir Deut sche uns noch sorgen müssen, wie die ungenügende Ernährung weiter VolkSkreisc verbtsseit werde, beschäftigen stch in Amerika ernsthafte Leute mit der Gefahr der Ueberernäyrung ihrer Nation. Professor Atwater von der Harvard-Universität, ein auch in Deutschland angesehener Ernährungsphysiologe, erklärt, wie den Hamb. Nachr. geschrieben wird, daß die Amerikaner zu vi'l ess n. Sie essen viel mehr als Ausländer, sie ebensoviel zu leisten haben; sic essen wehr als nöthig ist, um den Verbrauch de« Körpers zu ersetzen, ste essen mehr als ihnen gut bekommt Die Insassen der Irrenhäuser z. B. bekommen und vertilgen fast zweimal so viel wir ihre College« in den deutschen An stalten und nahezu so viel wie die KriegSratwn der deutschen Soldaten ousmacht. Auch die Ausländer, die nach Amerika kommen, sind erstaunt über den ungeheur-n Verbrauch an Eß barem, der sich natürlich durch die üppige Fruchtbarkeit des jungen Landes erklärt. Es giebt noch weite Gebiete in Minne sota, Dakota und WSconsin, wo die Landwirthe nicht düngen dürfen, weil der Boden schon übermäßig viel hervorbringt. Dort fällt eS garnicht auf, wenn ein Bauer auf dem Mittagstisch allein an Gemüsen elf verschiedene Schüsseln hat, wozu noch eine Menge Obst kommt, das wir zum Theil nur dem Namen nach kennen. Allein die Speisen, die aus Mais bereitet werden, ind endlos an Zahl, oft mit den Bohnen vereinigt, von denen eS drüben viele neue Sorten giebt. Die Fülle de« Obstes er regt immer neues Erstaunen. Melonen haben kaum noch Werth, mit Pfirsichen werden in Missouri und Maryland die Schweine gefüttert, die Trauben sind immer billig. In neuester Zett tritt die Vorliebe sür Fleisch zurück hinter der für Mair« Puddings und Milchspeisen, und dieser Gewöhnung an die Fett- biloner schreibt man auch di- Tbatioche zu, daß die Amerikaner von ihrer Jndian-r-Magcrkeit allmählich zu dem Umfange deS früheren John Bull hinaufwachsen. Das anthropologische De partement hat dieses WachSthum statistisch festgestellt, aber auch die Kleidungssobrikanten beobachten es. In Len letzten zehn Jahren mußten die fertigen Anzüge im Gürtel 1 Zoll im Durchschnitt weiter gemacht werden. Acngstliche Gemüther haben schon berechnet, daß, wenn dos so weiter gehe, die ameri kanischen Bürger um das Jahr 2000 sechzehn Fuß Umfang Loben werden und unsere heutigen Thürrn unmöglich mehr passtren können. * Ein Stimmungsbild aus Ladysmith. Von G. W. SleevenS, dem berühmten Kriegecorrespondenlen der Londoner Daily Mail, der stch unter den Belagerten in Lady mith befand und, wie vor Kurzem gemeldet, dem TyphuS erlegen ist, werden jetzt die letzten Briefe veröffentlicht. Das wirkliche Bombarde ment, die schreckliche Symphonie hatte begonnen. Zuerst spielte der lange Tom die führende Rolle. Er ist eine freundliche alte Kanone, und ich habe ihm gegenüber nur angenehm. Gefühle. Er hat nur seine Pfl chl gethon in offener männlicher Weise. Er war so ausgestellt, daß man ihm gen de in seine häßliche Fratze hinein und man ihn hungrig umherblicken sah. Ein Flommenguß und ein stch verbreitender Giflschw-mm von weißem Rauch sagte uns, daß er gefeuert hatte. Ein dumpfes Krachen folgte als pünktliche Antwort. Man wartete, bis man den schwarzen Rauch hinter dem Erdwall aufsteigen sah. Ein roiher B^tz, ein Springen von rothdraunem Dunst und Rauch — ein Klachen: er war da. Dann schwirrten seine Splitter langsam durch die Luft, wie verwundete Vögel. Man sah sie kommen, mit würdevoller Langsamkeit, es war übergenug Ze t, aus dem Wege zu gehen. . . . Wie ist E nem nun zu Mulhe, wenn man bombardirt wirb? Zuerst und vor allen Dingen des Morgens ist e« eine äußeist unangenehme Situation. Man weiß, dich Kanoniere einen durch Fernrohre beobacht-n, daß jede Höhe von einer großen Kanone beherrscht wird, man hört ringsherum ein Quieken, Krachen und Puffen und man hat fast ein Gesühl der Neugier, zu wissen, wenn man selbst aN die Reche kommen wird. Dann sauft auch wohl dicht vor einem mit unwiderstehlicher Gewalt ein Geschoß hernieder, als ob der Teufel selber es geschickt hätte. Man sängt dann aber an, auf die einzelnen Geschosse zu achten, man hört das betäubende Dröhnen der großen Geschütze und dos schrille Pfeifen der kleinen heraus, man stellt V-rmuchungen an über ihren Gang uno ihre Richtung. Bold sicht man ein Haus in einen Haufen von Splittern und Geröll zusammcnstürzen, bald trifft man einen Verwundeten auf einer Tragbahre. Do« ist die gefährliche Zeit. Wenn n an sonst nichts zu thun hat und besonders wenn man lauscht und calculirt, dann ist es aus; man bekommt Granaten in den Kopf, man denkt und spricht von nichts An derem und schließlich kommt es dahm, daß man vor Tagesan bruch in ein unterireischeS Loch geht und stch muthigere Leute wirbt, die das Essen da hinunter bringen. Em solcher Tag, und man ist entnervt, halb rodt, zuckt zusammen beim Summen einer Fliege, man ist sich selbst zur Last und seiner Umgebung zum Spott. Wenn man aber stch an seine gewohnt- Thäligkeit begiebt, kehrt die Zuoerstcht zurück Man sicht ein, waS für eme verschwenderisch groß- Metallmasse in einen kleinen Ort geworfen werden kann und doch noch genug Platz läßt. Man erk-nnt, daß eine Granate, die einen groß n Lärm macht, noch hundert Dirds entfernt sein kann und man bemerkt, daß daS fürchterlichste Geräusch von den eigenen Geschossen kommt, die über den Kopf auf einen vier Meilen wett entfernt n Feind geworfen werden. So stellt man die Sache in AUah's Hand, und bald wendet man Nicht einmal mehr den Kopf, um zu ehen, wo das Getöse her kam. D-r letzte Brief von SteeocnS st betitelt, „Ein Tagebuch de« Mißmuths* und schildert die stumpfe, trübe Stimmung, die sich allmählig der Eingrfchlossenen bemächtigt hat. Er begnnt: O welch ein Tag! Trübe, kalt, chmutz g. Selbst keine Granate vom langen Tom, die Leben »mewbiächte, die High-Street sieht doppelt todt aus. Die Wege sind schon wie R-iSpudding, die Fußsteige w'e Syiup. O! — es ist heute Sonntag; einige Gewehrschüsse, aber sonst die gewöhnliche Ruhe. Der H-mmel ist wolkenlos und wird von keiner Granate gestreift. Ich bemerke, daß die SonntagS- bevölkerung von Ladysmith anders wie die Londoner, doppelt und dreifach so stark vertreten ist wie an Wochentagen. Der lange Tom bröckelte gestern von der Kirche eine Ecke ob; heute sredigte der Erzdecan, wir seien daS vom Himmel bestimmte Werkzeug, um die Boeren zu züchtigen. Sehr tief, aber viel leicht ein verfrühter Gedanke. — E n anderer Tag, der leb hafteste der Beschießung: Eine Gesellschaft von Offizieren, die n der Hauptstraße leben, wartete auf da« Frühstück. Der neue Zorsteher im nächsten Zimmer fluchte gerade auf die Diener, aß sic zu lange machten, als eine Granate in die äußerste Mauer traf und unter dem Frühstückezimmer zerplatzte. Der ganze Raum war Dunst und Donner und von dem beißenden chweren Geruch de« Melinit erfüllt. Der halbe Fußboden war er'plittert, ein Brett war emporgeschleudert und steckte in »er >cke. Das Geschirr war zerschmettert und die Uhr heruntcr- geworfen, nur die B lder an der Wand blickten unverändert durch do« Glas auf den Schauplatz der Zerstörung herab. Dasselbe oasfirte an diesem Tage im Rauchzimmer deS Royal-Hotel. ZS war auch vorher bewohnt, und wahrscheinlich wären auch -ine Minute nachher Menschen darin gewesen, nur in dem Moment gerade war e« leer. Von 6 bi» 2 Uhr hätte man denken können, daß die Erde zu Luvte und Schießpulver zer, fallen würde. Aber ach! Man gewöhnt sich jo schnell an alle diese Dinge, daß un« ein Bombardement, wenn nicht die Ziegelsteine von dem Dach herunterstürzen, jetzt wir rin Ei ohne Salz schmeckt. E>n anderer Tag: Morgen» lange an- »altende Beschießung, Nachmittag» Regen, Ladysmith trüber denn je. In Himmels Namen, liebe Landsleute, erlöst un», oder wir sterben an Trübsinn. ' Karncvalsschcrz. Herr Leonhard Tietz, der Inhaber eine« bekannten Waarenhauses zu Köln, spendete für die Aus- chmückung des Karnevalsfestzuge« 1000 Mk. In einer Sitz ung der großen Kölner Karneoalsgesellschaft bedankte sich der Vorsitzende sür die Spende mit folgenden Worten: „Meine Herren! Herr Leonhard Tietz, der auch heute hier anwesend st, hatte wieder dir Güte, 1000 Mk. für uns zu zeichnen. AlS Anerkennung überreiche ich ihm unsern höchsten Orden, unter der Bedingung, daß er ihn nicht in« Schaufenster legt und billiger verkauft, als was er wir selbst kostete.*
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