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London, 27. Febr. 5 Mr 27 Min. Nachm. Nach soeben veröffentlichter officieller Meldung beträgt die Zahl der Truppen Cronjes, mit denen dieser capitulirt hat, nur etwa 3000 Manu. Die Kapitulation ist für Cronje höchst ehrenvoll, nachdem er mit seiner kleinen tapferen Schaar die ganze 40'>00 Mann starke englische Armee bald 14 Tage lang ausgehalten und ihr schwere Verluste beigebracht hat. Sein heldenhafter Widerstand hat es ermöglicht, daß die Hauptmacht der Boeren sich zurückziehen und sich nun vor Bloemfontein concentriren konnte. New-Jork, 27. Febr. Der frühere Generalkonsul Transvaals in England, White, sagte gestern in einer Unterredung mit einem Berichterstatter, mit der Gefangen nahme Cronjes würde der Krieg noch nicht beendet sein, der Krieg werde erst mit dem Falle Pretorias enden. Die Aussicht auf eine Intervention sei nicht günstig. Er glaube nicht, daß in dieser Hinsicht in Europa etwas zu hoffen sei, wenn nicht Rußland eingreife, was aber nicht wahrscheinlich sei. Als einzige Hoffnung bleibe noch ein Vorgehen Amerikas. Sobald dieses entschieden Stellung nähme, würde der Krieg in vierzehn Tagen zu Ende sein; denn England brauche Amerika. Sturze Lhrsnik. Wie peinlich genau im Hofmarschallamt des Kaisers die Rechnungen geprüft werden, kann man aus derThat- sacke ersehen, daß der Restaurateur des Dammthorbahn- hofes in Hamburg, wie der dortige „Corresp." mittheilt Herr Peter Harms, vor Kurzem mit dem Stempel der König!. Silberkammer in Berlin eine Postanweisung über 10 Pfg. erhielt, um die Herr Harms sich bei der Be köstigung des Kaiserlichen Hofstaates bei der letzten An wesenheit des Kaisers in Hamburg zu seinen Ungunsteu verrechnet hatte. Herr Harms hat den betreffenden Ab schnitt der Postanweisung vom 2. November 1899 als historisches Andenken mitsammt dem von der Post ausge händigten 10-Pfennig-Stück in seinem Restaurationssaal an die Wand nageln lassen. In Mainz wurde in der Nacht zum Dienstag der Pioniersoldat Unkelbach im Streit von dem Arbeiter Hirth erstochen. Der Thater wurde vom Publikum gelyncht; sterbend brachte man ihn ins Spital. Ein Schlaukopf. Thüringische Blätter berichten Folgendes: Für den südafrikanischen Krieg ließ sich, ob wohl die Thätigkeit englischer Agenten in Deutschland abgeleugnet wurde, im November v. I. ein in München bernsdorf (Thüringen) ansässiger Weber anwerben. Von dem 2000 Mk. betragenden Werbegeld sandte er 1500 Mk. seiner Frau mit der Bemerkung, sie solle sich nicht um ihn ängstigen; bei passender Gelegenheit werde er sein Leben schon in Sicherheit bringen. Der Mann hat Wort ge halten. In einem soeben bei seiner Frau aus Pretoria eingetroffenen Briefe meldet er, daß er Wohlgemuth daselbst in Gefangenschaft sitzt. Durchgebrannt. Lemberg, 26. Febr. Aus Szend- ziszow flüchtete der Direktor der Vorschußbank, Franz Sendzielowski, nach Veruntreuung von 170000 Gulden. Er hatte auch Wechsel gefälscht. Die Spareinleger sind durchweg arme Bauern. Im Orte herrscht die größte Erregung. Ein Schiffsunglück ereignete sich Dienstag früh bei Lohme am Ufer der Ostfeeinsel Rügen. Bei dichtem Nebel und starkem nordöstlichen Winde ist der schwedische Postdampfer „Rex" gestrandet. Fünf Küchenmädchen sind beim Landen ertrunken. Die übrige Besatzung, die Passagiere und die Post wurden durch den Raketenapparat von Lohme gerettet. Mit Booten konnte man nicht an das gestrandete Schiff herankommen, da dieses sehr schlecht lag und die See hoch ging. Ein räthselhafter Selbstmord. Ein Liebesdrama spielte sich in dem Dorfe Süderbrarup bei Flensburg ab. Der dort wohnende Bäckermeister Nissen, Sohn eines Oberlehrers aus Altona, unterhielt seiner Zeit ein Liebes- verhältniß mit der jugendlichen Tochter des Bicrverlegers Erichsen. Beide waren dieser Tage in ein Wohlthätigkeits- Konzert gegangen. Im Laufe des Abends forderte Nissen seine Braut auf, auf kurze Zeit mit ihm aus den Flur zu treten, was diese jedoch aus unbekannten Gründen ab lehnte. Nissen verließ hierauf den Festsaal und man fand ihn später vor der Thür, die zur Wohnung seiner Braut führte, erschossen auf. Neben seiner Leiche lag ein doppel läufiges Gewehr, das ursprünglich mit zwei Kugeln ge laden war, deren eine zweifellos seiner Braut zugedacht gewesen wäre, falls diese der Aufforderung ihres Bräutigams, mit auf den Flur hinauszutreten, entsprochen hätte. Das Motiv zur That ist in völliges Dunkel gehüllt. Vaterländisches. tMittheüungcn aus dem Leserkreise sind der Redaktion stets willkommen. Der Name des Einsenders bleibt unter allen Umständen Geheimniß der Redaktton. Anonyme Zuschriften können nicht berücksichtigt werden.) — Bestellungen auf vorliegende Zeitung mit ihren 2 Beilagen (landwirthsch. und 8seitige illustrirte) zum Preise von Nik. 1,30 pro Vierteljahr und 44 Pfg. pro Monat werden jeder Zeit noch entgegen genommen. Wilsdruff, 28. Februar 1900. — Nun haben wir Aschermittwoch, nachdem uns die letzten, vom Wetter so wunderbar begünstigten Faschings- tage fast in den Glauben versetzten, wir würden am nächsten Morgen beim Aufstehen aus der Zeit des winterlichen Schnees mit einem Schritt in die reizvolle Periode des Blüthenschnees hineinsteigen. Na, damit ist es nun aller dings noch nichts, wie der heutige Schneefall zeigt, aber schön bleibt die Erinnerung an so nette Tage, die hinter Einem liegen, doch! Und es sind nette Tage ge wesen! Der Karneval mit seinem Mummenschanz, mit seinen Masken und der bunten Ausstaffirerei ist nicht mit dem alten Jahrhundert gestorben und wird auch — nach den zuletzt erwiesenen Anzeichen von Lebenskraft — nicht mit dein neuen Jahrhundert aussterben. Fast dreiviertel Jahrhundert sind es her, daß am preußischen Königshofe I eins der berühmtesten Kostümfeste des ganzen Jahrhunderts ! stattfand, historisch merkwürdig besonders dadurch, daß der erste deutsche Hohenzollernkaiscr, damals ein junger preu ßischer Prinz, in prächtiger orientalischer Tracht erschien. Späterhin hat der ehrwürdige Herr nur noch einmal einen Tribut dem Karneval gezahlt, vor 25 Jahren, als er auf dem voni deutschen Kronprinzeupaare veranstalteten deutschen Kostümfeste in einem Domino erschien. Kaiser Wilhelm l. war nicht dafür. Von seinem Enkel ist bekannt, daß er wiederholt bei solchen Gelegenheiten in altprenßischer Uniform erschien. Minder bekannt ist, daß die heutige Hoftracht der Schnallenschuhe, Kniehosen und seidenen Strümpfen mehrfach zuerst vom deutschen Kronprinzen — späteren Kaiser Friedrich — getragen ist. Das sind, wie gesagt, historische Erinnerungen. An den letzten Fasching, den ersten im neuen Jahrhundert, knüpfen sich solche nicht, man müßte denn die neu komponirten Boeren-Touren aus den Polonaisen dazu rechnen, aber all' den Tausenden von Fest- theilnehmcrn und vor Allem Festtheilnehmerinnen wird sich doch manche süße Stunde der Erinnerung wie ein rother Faden durch das Gedenken in den Tagen der kommenden Monate ziehen. Und ist auch zuweilen eine etwas kecke Neckerei mit untergelaufen, so verklärt sich auch die in des Jahres langem Lauf. Unsere Zeit stellt für gewöhnlich harte, recht harte Anforderungen au die Leistungsfähigleit und an die Gescheidheit des Einzelnen. Ist es da nicht ein ganz behagliches Gefühl, sich selbst sagen zu können: Vor so langen Monaten der Gescheidheit warst Du ein paar Stunden mal ein Thor, kein weiser, aber ein lustiger. — Morgen Donnerstag, den 1. März, hält der Ge sangverein „Anacreon" sein diesjähriges Fastnachtsver gnügen im Hotel Löwe ab. Außer humoristischen Vor trägen kommen die Singspiele „Sängerliebe auf der Alm" und „Kuckuck, Kuckuck" zur Aufführung, weshalb das Ver gnügen einen guten Verlauf zu nehmen verspricht. — Die neueste Nummer des Amtsblattes des Reichs postamls veröffentlicht die Statistik der Deutschen Reichspost- und Telegraphen-Verwaltung für das Kalenderjahr 1898; wir entnehmen derselben die für unsere Leser am interessantesten erscheinenden Mittheilungen und Zahlen: Das Deutsche Reichspost- und Telegraphengebiet um faßt 445275,8« Quadratkilometer lohne die Meerestheile: Haffe, Bodden u. dergl.) mit 44 380206 Einwohnern nach der Zählung vom 2. Dezember 1895. Es entfallen hier nach durchschnittlich 100 Einwohner auf ein Quadrat kilometer. Die Gesammtzahl der Postanstalten betrug im Jahre 1898: 31639 (1897: 31076), hierunter befinden sich a) im Reichspostgebiet, als Postämter I, ll, HI, Poft- hülfstellen u. s. w., 1898: 31584 (1897: 31028); b) außerhalb des Reichspostgebiets: Deutsche Postanstalten (1898) in Deutsch-Ostafrika: Dar-es-Salaam (Postamt), Bagamoyo, Bukoba, Jringa, Kilimatinde, Kilosfa, Kilwa, Langend urg, Lindi, Marangu, Mikindani, Mohorra, Moschi, Mpapua, Muanza, Pangani, Saadani, Tabora, Ujiji und Tanga; im Kameruugebiete: Kamerun (Postamt), Kribi, Rio del Rey und Viktoria; im Togogebiete: Klein-Popo (Postamt) und Lome; in Deutsch-Südwest-Afrika: Winvhoek (Postamt), Cap Croß, Gibeon, Gobabis, Groß-Barmen, Hohewarte, Keetmanshoop, Lüderitzbucht, Okahandja, Omaruru, Otjimbingue, Outjo, Rehoboth, Seeis, Swakop- mund und Warmbad; in Deutsch-Neu-Guinea: Berlinhafen, Friedrich-Wilhelmshafen, Herbertshöh, Matupi und Stephansort; im Schutzgebiete der Marschall-Inseln: Jaluit; im Kiautschougebiete: Tsingtau; ferner in Konstantinopel (Postamt), Jaffa (Postamt), Apia, Shang hai (Postamt), Tientsin und Tschifu 1898: 55 (1897: 48). Von den 31584 (31028) Postanstalten innerhalb des Reichspostgebiets kam je eine im Jahre 1898 auf 14,qkm, auf 1405 Einwohner, - - 1897 - 14„ - - 1430 Telegraphenbetrieb hatten 14978 (14516) Postanstalten im Reichspostgebiete. Zahl der Orte mit Poftanstalten im Reichspostgebiete 30778 (30228); davon an Eisen bahnen belegen 6832 (6456). Die Gefammt-Stückzahl des Briefverkchrs (d. s. Briefe, Postkarten, Drucksachen, Warenproben, zurückgekommene Zustellungsurkunden und portofreie Briefsendungen) innerhalb des Reichspostgebiets betrug im Jahre 1898: 1985 257 600 (1897:1879 000 900). Der Briefverkehr mit Bayern, Württemberg, den deutschen Schutzgebieten und dem Auslande gestaltete sich wie folgt: Es wurden im Jahre 1898 befördert: Briefe, Postkarten, Drucksachen, Geschäftspapiere und Waarenproben nach dem Reichspoftgebiet 196665940 Stück, aus dem Reichspost gebiet 232648290 Stück und im Durchgänge durch das Reichspostgebiet 216340450 Stück. Amtliche Verkaufs stellen für Postwerthzeichen waren 1898 vorhanden 20705, Postbriefkästen 94838. Das Gesammtpersonal der Reichs post- und Telegraphen-Verwaltung betrug Ende 1898: 173 976 Personen (1897; 167877), Posthaltereien be standen Ende 1898: 1008, Zahl der Posthalter 953, Zahl der Postillone 4432, Bestand an Postpferden 9648. Postwagen und Schlitten waren Ende 1898 vorhanden 15 776. Die Zahl der täglich zur Postbeförderung benutzten Eiseabahnzüge betrug 9901. Die Gefammt-Stückzahl der durch die Post beförderten Sendungen betrug im Jahre 1898: 4050804634 (1897: 3839 320288), der Gesammt- Werthbetrag der durch die Post vermittelten Geldsendungen 23149587554 Mark. Das Gesammt-Gewicht der durch die Post beförderten Päckereisendungen betrug 650825250 Kilogramm, die Gesammt-Zahl der mit den Posten be förderten Personen 1579 966. Durch Vermittelung der Reichspost-Anstalten wurden bezogen an Zeitungen und Zeitschriften 3 885 770 Exemplare, die Zahl der beförderten Nummern betrug 1023 979226. Die Stückzahl der an das Publikum abgesetzten oder von den Postanstalten zur Verrechnung des baar erlegten Frankos verwendeten Post werthzeichen betrug 1898: 2394 281353, der Werthbetrag diefer Postwerthzeichen belief sich auf 238 678 236 Mark 7 Pfg. Die Gesammtzahl der von den Stadt-Fernsprech- Vermittelungsanftalten und den Umschaltestellen (einschl. der öffentlichen Fernsprechstellen) auf dem flachen Lande betrug 522 672 364. Die Gesammtlänge der Telegraphen- und Fernsprechlinien beträgt 148 916,2» Kilometer, die der Telegraphen- und Fernsprechleitungen 819 813„« Kilometer, s Die Gesammt-Gebühren-Einnahme aus den, Tclegramm- i verkehre und dem Fernsprechverkehre ergaben 1898: 55521555 Mark. Im klebrigen stellen sich die Finanz ergebnisse für 1898 wie folgt: Gesummt-Einnahme der Reichspost- und Telegraphenverwaltung 349150754 Mk., Gesammt-Ausgabe 302003110 Mk., Uebcrschuß 47147 644 Mk. Der Gesammt-Ausgabe treten hinzu: die einmaligen Ausgaben mit 9 358152, wodurch der Uebcrschuß zu stehen kommt auf 37 789 462 Mk (1897/98: 33 826 553 Mk.) — Die Vorbereitungen für das zweite sächsische Kreisvorturner-Turnen Anfang der großen Ferien in Meißen-Cölln sind in vollem Zuge. Die Herren Bürgermeister Dr. Ay-Meißen und Gemcindevorstand Graf- Cöllfi sind zu Ehrenvorsitzenden ernannt worden. Das Amt des geschäftsführenden Vorsitzenden wurde dem dortigen Ganvertreter Herrn Oberlehrer Richter-Meißen übertragen. Um die vielgestaltige Vorbercituugsarbeit entsprechend er ledigen zu können, wurden acht Ausschüsse gebildet. — Nächsten Donnerstag wird Herr Obstbaumwander- lehrer Schänder aus Bautzen in den Obstplantagen des Herrn Erbrichter Hähner in Hintergersdorf praktische Anweisung über die Behandlung der Bäume, Ausschneiden und dergl. geben, wozu Alle, die sich dafür interessiren, willkommen sind. Namentlich wäre es erwünscht, daß die jenigen, welche auch für andere das Ausschneiden und Ver edeln der Bäume vornehmen, sich hierbei betheiligten. Abends soll dann im Deutschen Haus zu Tharandt eine Sitzung stattfinden, wo aus der großen Anzahl der in unserem Bezirke kultivirten Obstsorten nur diejenigen ge wählt werden sollen, die sich durch Wohlgeschmack und reiches Tragen bisher ausgezeichnet haben. Diese sollen in Zukunft das Normal-Sortiment bilden und von diesen nur Edelreiser vom Verein umsonst abgegeben werden. Boni Verein aus sind zu diesem Zwecke eine größere An zahl Karten zur Ausfüllung für 10 Apfel-, 10 Birnen-, 5 Kirschen- und 3 Pflaumen-Sorten an die verschiedensten Kenner von Obstsorten unseres Kreises ausgesendet worden, die bis Mittwoch zurückerwartet werden. Mit Hilfe dieser Karten sollen nur diejenigen gewählt werden, welche die meisten Stimmen auf sich vereinigen. Natürlich wird hier bei Rücksicht genommen werden, daß die Sorten bezüglich ihrer Reifezeit entsprechend vertreten sind. — Hartha, 27. Febr. Wie im Vorjahre, so hatte auch im laufendcn Jahre der hiesige Verschöncrungsverein beschlossen, die Faschingszeit mit einem Maskenball zu be schließen. Die Vorbereitungen im Bade-Hotel des Herrn Lehmann ließen denn auch in den letzten 8 Tagen darauf schließen, daß hierselbst etwas Außerordentliches in die Bahnen geleitet werden sollte. Die so zeitgemäß an gelegten festlichen Räume des Bade-Hotels florirten denn auch am Montag Abend, an dem der bunte Mummenschanz seine Flügel schwingen sollte, in herrlichstem grünen Schmuck. Von fern und nah waren liebe Freunde des lieblichen Sommer-Kurortes herbeigeeilt, um sich an dem tollen Treiben, woselbst der Wahlspruch: „Uebelnehmen gilt nicht!" an der Tagesordnung war, Theil zu nehmen. Der Abends 8 Uhr beginnende Tanz, zu welchem in aller Schneidigkeit die 30 Mann starke Wilsdruffer Stadlkapelle aufspielte, führte deshalb alsbald auch alle närrischen Vertreter der Erde, als Engländer, Russen, Türken, Franzosen, Boeren u. s. w. mit ihren Damen in den prachtvollsten Kostümen in die festlichen Räume, wo selbst es sehr bald tollte und summte in kecker Ungebunden heit. Hier huscht ein Arleguien an uns vorüber, dort schreitet stolz ein streng moderner Boerenkrieger, der die Maske Ohm Krügers trägt und vor dem man sich ehrer bietigst verneigt. Die Damen haben in den meisten Fällen den wenig verpflichtenden Dominos vorgebunden; ihre Waffen sind Blumen und die — unausbleiblichen Confetti. Das Gedränge wird immer stärker, bis endlich zur Demaskirung die erlösende Stunde schlägt. Allgemeines Staunen und ver wunderte Blicke werden hierbei gewechselt. Doch bald hat wieder die fröhliche Faschingsstimmung die Oberhand gefunden und wieder stürzt sich Alles in den Strudel des Vergnügens. Auch für leibliche Genüsfe hatte Herr und Frau Lehmann in vorzüglichster Weise Sorge getragen, sodaß bei flottester Bedienung nur ein Lob über die Bewirthung zu hören war. Die schmucken Lauben, in welchen in aller Gemäch lichkeit der saftige Wein die Kehlen netzte, die fröhlichen Tanzweisen mit der lustigen Faschingslaune und seinen Theilnehmern war ein Bild der größten Gemüthlichkeit. Die frühen Stunden des Dienstag aber brachten erst Ruhe und Frieden für das Bade-Hotel. — Schwurgericht. Mitten hinein in die sonnige Früh- lmgshecrlichkeit des 1. Juni vorigen Jahres drang während der Vormittagsstunden die Kunde von einem furchtbaren abscheulichen Verbrechen, das in seiner Ruchlosigkeit so erschreckend grausig ist, daß die erstarrten Gemüther nur langsam zur Erschütterung über die schreckliche That gelangen. W-lch' eine That i Ein Mensch, vollständig seiner Sinne mächtig, wie man wenigstens nach dem Befund an Ort und Stelle annehmen mußte und dir Beweisaufnahme bez die Vernehmung des Angeklagten zu er kennen gab, bringt es übers Herz, sein junges Weib und sein 9 Wochen altes Kind, zwei hilflose Wesen, die in ihm Ihren natürlichen Beschützer und Ernährer sehen, kalten Bluts zu er morden und zwar in einer Weise, die das Entsetzen vor dem entmenschten Thäter nur steigern kann. Wie tief muß der ge sunken sein, der die heiligsten Gefühle so mit Füßen tritt, die edelste Bande der Familie und des Blutes so mißachten kann, baß er sich lossagt von aller Gemeinschaft mit der Menschlichkeit, die als des Einzelnen bester Theil uns immer aufs Neue daran erinnern soll, daß wir geschaffen sind zum Ebenbild eines Höheren! — Angeklagt, dieses scheußliche Verbrechen begangen zu haben, hatte sich vor den Geschworenen der Handarbeiter Paul Theodor Ludwig zu verantworten. Mit Rücksicht auf den Gegenstand der Verhandlung war der Zuhörerraum bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Kgl. Staatsanwaltschaft war durch Herrn Ober staatsanwalt Oberjustmath Dr. Bähr vertreten, während die V-rtheidigung in der Hand des Herrn Rechtsanwalt Dr. Stöckel lag. Zur Aufklärung des Sachverhaltes waren 13 Zeugen und 2 Sachverständige geladen und erschienen. Der Mörder ist am 1. März 1873 zu Wachwitz als außereheliches Kind geboren,