Volltext Seite (XML)
Weckatt fm KilÄrvss Beilage zu Nr. 118. Sonnabend, den 6. Oktober 1Wst. ZUM 17. Konutuge nach Trinitatis. Römer 13, 8—10: Seid Niemand nichts schuldig, denn daß ihr Euch untereinander liebet; denn wer den anderen liebet, der hat das Geich ersüllet. Tenn das da gesagt ist: Du sollst nicht ehe brechen; du fällst lucht tadten; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis; geben; dich soll nichts gelüsten; und jo ein ander Gebot mehr ist, das wird in diesen: Wort verlasset: Du sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst. Die Liebe thut dem Nächsten nichts BöseS. So ist nnn die Liebe des Gesches Erfüllung. Mau hat Johannes den Apostel der Liebe, Petrus den Apostel der Hoffnung und Paulus den Apostel des Glaubens genauul. Aber der Held des Glaubens ist auch ein Held in der heiligen Liebe gewesen und hat mit Engel zungen von der Liebe zu zeugen verstanden. Das beweist uicht nur das berühmte dreizehnte Kapitel des ersten Korintherbriefes, das Hohelied von der Liebe, das beweist auch Römer dreizehn um seinem volltöuenden Schluß. Paulus sagl uns hier, die Liebe sei eine Schuld, die einzige, die ein Christ naht nur haben dürfe, sondern haben müsse. Sonst sollen wir Niemand etwas schuldig sein. Sind es Geldschulden oder andere Verpflichtungen, so sollen wir sie abiragen und sind dann unserer Schuld ledig. Ader der Schuld der Liebe werden wir niemals quitt und sollen doch ohne Aufhören an ihr abzahlen. Denn sie ist im Grunde das einzige Gebot unseres Gottes: So sagst Augustm: ama, m tue, quoll 6s, das ist: liebe — und Du kannst thun, was du willst, oder wer wahrhaft liebt, kann nie etwas Böses thun. Die zehn Gebme sind wie zehn Glieder eines Körpers, in dem eme einzige Seele lebt: die Liebe ist die Seele der zehn Ge- Das sechste, das fünfte, das siebente, das achte Gebot, E der Apostel hier herausgreift, wollen schließlich weiter unseres Nächsten an Leib und L-eele; sie sind thatfachllch „in diesem Wort verfasset": Dn sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst. Wer den anderen liebet, der hat das Gesetz erfüllet. Woher nehmen wir diese allmächtige Liebe, von der die Welt nichts weiß, die mit dir zufrieden ist, wenn du in deiner Garderobe auch ein Galakleid der Humanität besitzest? Nun, dafür hat uns der Heiland bas große Kapital seiner Gnade vorgestrcckt, daunt wir aus diesem Darlehn die Mittel nehmen, um immerdar den Brüdern abzuzahlen. Das ist Vas Wunderbare bei der Religion Jesu Christi: Unsere Schuld ist unbezahlbar groß, über der Schaß aus dem wir sie zahlen sollen, isi auch uner- ickövtlich reich. Wenn ein Christ an der Liebe bankerott wird so ist er selber schuld; der HErr ist reich genug, um Nus 'immer wieder vorzustrecken. Er kann uns nichts ver- saaen wenn wir es im Glauben wagen. So fange in dieser Woche bei deinen Allernächsten an, deinen Familienglicdern, deinen Hausgenossen, oas könig liche Gebot der Liebe von Neuem zu erfüllen. Sanftmulh ohne Zorn, Geduld ohne Ende, Hilfe ohne Geiz, Mitleid ohne Hochmuth, Frennolichkeit ohne Herablassung — wer will die Thaten dcrLiebe auszählen^Gou gebe uns Kraft, daß wir mit jedem Wochentage irisiere Sonntagslektion besser lernen. Die tsshne der Lootse». Eine wahre Geschichte von E. Heinrichs (Nachdruck verboten.) Hoch oben an der deutschen Nordmark, in dem meer- umschlungcnen Schleswig-Holstein, erstreckt sich östlich von den Städten Schleswig und Flensburg, von den Fluthen der Ostsee bespült, die fruchtbare Landschaft Angeln. Prächtige Rittergüter wechseln mit freundlichen Dörfern und stattlichen Banernhöfeu, und überall tritt dem Auge der reiche Segen der Natur, sowie ein solider Wohlstand entgegen. Zur Zeit der ersten Fremdherrschaft, welche im Volks munde noch heute die Franzosenzeit heißt, als bcr erste Bonoparte seine Schaaren bis hier herauf saudte, um seinem Alliirten, dem König von Dänemark, gegen die englischen Kreuzer, welche die Nord- und Ostsee unsicher machten, bcizustehen, befand sich auf der Landzunge, die sich an der nördlichen Svitze Angelns in die Ostsee hineinstreckt und hier die Gestalt eines Ellenbogens hat, ein einsames ländliches Haus. Der Fischer Peier Janseu "uf der Birk, wie dieser meerumspielte Winkel hieß, ^brcnd die äußerste Spitze deS Ellenbogens als Birkuacke n^chnet wird, versah auch den Lovtsendienst, der hier wrsi'eser tückischen Ecke äußerst gefahrvoll war und einen Jam todtcsverachlenden Muth erforderte. Peter rühm besaß diese Eigenschaft in ausgiebigster Weise, die bre6?"karg und von unwandelbarem Ernst entwickelte weaunacn "Uerige, gedrnngene Gestalt des in seinen Ve rve in de, langsamen Fischers erst auf dem Meere, und es auf den sturmdurchpeuschten Wogen tanzte ' einem °'nem bedrängten Schiffe Hilfe zu bringen, Rewundmm^ und erregte felbst die allgemeine alter ergrauter Seeleute fremder Schiffe. m r, ^o nufere kleine Geschichte beginnt, war -GM Manien schon gi) Jahre alt, doch noch immer rüstig und icelucvtrg, wie er sagte, obgleich zwei kräftige Burschen, stm Sohu Lorenz und sein Pflegesohn Haus, die das Lootseu-Alter, nämlich 24 Jahre, just erreicht hatten, ihm beistanden und die Fischerei mit Hilfe der Mutter fast ganz allein versahen. „So lange ich als beeidigter Lootse im Amt noch bin, muß ich meine Pflicht thun!" pflegte Peter Jansen zu sagen, wenn die Söhne ihm eine schwere Fahrt ab- nehmen wollten. Doch litt er es, daß sie ihn abwechselnd begleiteten und sich solcher Weise im Dienst übten. Der alte Lootse war bei seinen beiden einträglichen Geschäften ein sehr wohlhabender Mann geworden und hatte auch deshalb den Hans sowohl wie seinen leiblichen Sohn vom Militär losgekauft, als Dänemark die Burschen als Rekruten forderte. Nun hatte er die amtliche Ver sicherung schwarz auf weiß bekommen, daß einer seiner Söhne im Lootsen-Dienst sein Nachfolger werden sollte, daß sich beide in vierzehn Tagen nach Sonderburg auf der Insel Alsen zu begeben hätten, um dort geprüft zu werden, und, falls beide gleich gut beständen, das Loos über ihre Anstellung entscheiden sollte. Das Loskaufen vom Militär wäre in diesen schweren Kriegszeiten, wo das Recht einzig auf der Spitze des Schwertes balancirte, wohl nicht so leicht gegangen, wenn die dänische Behörde nicht den Umstand dabei berücksichtigt hätte, daß der Lostsen- dienst jetzt gerade kräftige Männer erforderte und derselbe deshalb dem Kriegsdienst gleich zu achten sei. Außer dieseu drei Männern, von denen Lorenz un zweifelhaft der ansehnlichste und hübscheste war, lebten noch zwei Frauen in des Lootsen Haufe. Mutter Jansen bildete in ihrem energischen, gesunden Wesen, ihrer hübschen, hohen und kerzengeraden Matronen- Erscheinung, ihrem klugen und richtigen Urtheil und ihrer Herzensgüte, welche aus den freundlichen, blauen Augen leuchtete, den Mittelpunkt der Familie, die Seele des Hauses, zu welcher ein jeder sich flüchtete und deren Schiedsspruch Alles sich beugte, während der belebende Sonnenstrahl aus zwei dunklen, braunen Augen kam, ohne die das Fischerhaus auf der Birk gar nicht zu existiren vermochte, wie Peter Jansen mit seinem ernstesten Gesicht täglich einmal behauptete. Diese lachenden Augen gehörten einem wunderschönen Mädchen von achtzehn Jahren, dessen silberhelles Lachen nixenhaft über die blaue Fluth der Ostsee ertönte und das Herz der Mutter wieder jung werden ließ. Wie war dieses feenhafte Wesen zu den einfachen Fischerleuten ge- kommen? Es war ebensowenig ihr eigen Kind wie der Hans; beide waren in einer schrecklichen Nacht au dieses b rtten worden, wo sie treue Elternherzen gefunden Vor siebzehn Jabren war's gewesen, an einem stür mischen Morgen, als Nothschüsse von der See den Lootsen an seine Pflicht mahnten. Ein Schiff kämpfte drangen mit den Wellen, und ungesäumt begab sieb der brave Peter Jansen, von seiner Frau und dem siebenjährigen Lorenz an den Strand geleitet, hinaus im schwankenden Kahn in die wildrollende See, deren Wogen ihn berghoch empor- und wi der jählings in die Tiefe hinabschleuderten. Es war dem Wackern nicht möglich, das Schiff früh genug zu erreichen, um es sicher durch die Klippen und Untiefen zu geleiten, der Orkan hatte es bereits zu gewaltig um armt und der Vernichtung geweiht. Der muthige Lootse konnte nichts weiter bergen als eine Frau mit ihrem Kinde, das sie krampfhaft fest im Arm hielt, und einen mit den Wogen ringenden Knaben, der ihm gleichsam in den Kahn geschleudert wurde. Letzterer war bei Be sinnung, er klammerte sich instinktiv mit beiden Armen um eine Ruderbank, während die Frau mit ihrem Kinde be wußtlos oder todt war. Peter Jansen band nun die Frau mit dem Kinde inmitten des tobenden Orkans mit einem Tau an die zweite Ruderbank fest, und wie eine eiserne Reckengestalt hielt sich der Lootse in seinen, Kahn, als stände sein Fuß auf festem Boden. So sind sie noch heute, die wetter harten Söhne der Ost- und Westküste Schleswig-Holsteins, ruhig in jeglicher Gefahr, treu und fest in ihrer Pflicht gegen Kaiser und Reich. Einen letzten traurigen Blick auf die Stelle werfend, wo das stolze Schiff seinen Untergang gefunden hatte, bahnte der Lootse sich jetzt seinen gefahrvollen Weg durch Sturm und Wogenbraus und erreichte endlich wieder seinen kleinen Hafen, wo Weib und Kind seiner harrten. Als sie die Geretteten nach Hause geschafft, zeigte es sich, daß die Frau, welche jung und schön war, durch kein Mittel mehr zum Leben erweckt werden konnte, während das kleine Mädchen, das nickst mehr als ein Jahr zählen mochte, bald wieder zu sich kam. Der gerettete Knabe von sieben Jahren, just so alt wie Lorenz, sprach deutsch und erzählte mit großer Lebhaftigkeit, daß sein Vater Kapitän des Schiffes gewesen und seine Mutter unterwegs ge storben sei, daß er Hans Lüders heiße und die Frau eine Französin sei, welche sich vor den bösen Männern in Paris auf des Vaters Schiff geflüchtet habe. Wie sie heiße, wisse er uicht, das Kind aber sei Marion genannt worden. Peter Jansen und seine Frau blickten sich verständ- nißvoll an und gaben sich die Hand. „Die Kleine soll fortan Marie Jansen heißen", sprach sie resolut. Nachdem sie mit dem Herrn Pfarrer Rück sprache genommen und dieser die Sacheins Kirchenbuch ein getragen hatte, blieb es bei ihrer Entscheidung, während Hans Lüders in Anbetracht der unruhigen Zeit, die jede Nachforschung nach den Anverwandten des Knaben zur Unmöglichkeit machte, als Pflegesohn im Hause blieb. Er war endlich bei Alt und Jung nur unter dem Namen Hans Jansen bekannt, weil er im Lootsenhause Sohnesrechte genoß und in Lorenz einen aufrichtigen Bruder gefunden hatte. Mnttcr Jansen hatte es den beiden Knaben streng verboten, der Heranwachsenden Marie vor ihrem sechszehnten Jahre irgend etwas von ihrer Herkunft zu erzählen, da das Kind in ihr eine rechte Mutter gefunden hatte und sich bis dahin für die leibliche Tochter des Hauses halten sollte. — Schön wurde sic, die dunkeläugige Marie, schön wie die blaue Ostsee iu ihrem Sonnenstaat, meinte Peter Jansen oft bewundernd, fo ganz anders als die flachs- haarigen, blauäugigen Kinder des Nordens. Das schienen auch die beiden Söhne des Hauses zu empfinden, welche sie oft staunend und mit leuchtenden Augen anschauten und niit Ungeduld die Zeit herbeiwünschten, ma alles klar werden müsse, wie Hans meinte. „Jawohl", nickte Lorenz gedankenvoll, „sie muß es doch endlich wissen, daß ich nicht ihr Bruder bin —" „Und sie nicht die Tochter eines Fischers", fiel Hans spöttisch ein. „Oho, verachtest Du Deinen Stand, dem Christi Jünger angehörten?" fragte Lorenz stirnrunzelnd. „Das nicht", lachte der leichtfertige Hans, „es ist uumer angenehmer, die Fische zu fangen und zu essen, als von ihnen gefressen zu werden, wie es mein Schicksal gewesen wäre. Doch sag mir aufrichtig", setzte er mit einem lauernden Blick hinzu, „möchtest Du Marie heirathen?" Lorenz blickte träumerisch vor sich hiu, sein hübsches Gesicht erglühte bei dem Gedanken, und leise wie zu sich selbst, sprach er dann: „Es wäre mein höchstes Glück! „Auch wenn das Loos mich zum Lootsen macht?" fragte Haus mit funkelnden Augen. „Auch dann, mein Bruder, ich bliebe Fischer." „Bist Du denn so gewiß, daß sie gerade Dich von ans Beiden erwählt?" fragte Hans, kurz auflachend. Lorenz fuhr auf und blickte ihn erschreckt an. (Fortsetzung folgt.) Der AUnttersshn. Roman aus der Gegenwart von Arthur Zapp. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) 12. Kapitel. Die aufopfernde Pflege der Mutter stellte den kranken Sohn in vierzehn Tagen soweit wieder her, daß er das Bell verlassen konnte. Freilich, schwach und elend war er immer noch in solchem Grade, daß er sich nur mit Hilft anderer im Zimmer umher bewegen konnte. Mit völliger körperlicher Ermaimng und Abspannung giug Hand in Hand eine starke geinigc und seelische Erschlaffung, die jedes auf einen ganz bestimmten Gegenstand gerichtete Denken und jede lebhaftere Empfindung völlig ausschloß. Der Rekonvaleszent brachte die nächsten Tage in einem stumpfen, willenlosen Hindämmeru zu; erst mit seiner zunehmenden Kräftigung regte sich die Erinnerung wieder deutlich in ihm, und wieder machten sich in seiner Brust die quälenden seelischen Kämpfe geltend, in denen die Krankheit nur eine Pause hatte eintreteu lassen. Die Frage nach dem Schicksal Karls, nach dem Resultate der gegen ihn cingeleiteten Untersuchung, schwebte ihm unauf hörlich auf den Lippen, ohne daß er es gewagt hätte, sie laut anszusprccben. Er zitterte bei dem Gedanken, daß bereits das Urthcil über den Unschuldigen gesprochen sein könnte. Doch nein — nein, das war ja nicht möglich; man hätte es ihm sicherlich mitgetheilt. Aber niemand, weder der Vater, noch dieMuttcr, be rührte diese peinliche Angelegenheit anch nur mit einer Silbe. Eines Morgens, es war abermals ungefähr eine Woche vergangen, rüstete sich Frau Köster zu einer ganz ungewöhnlichen Stunde zum Ausgehen. Es war früh am Vormittag zu einer Zeit, in der sonst ihre Haus- hallnugsgeschäfte sie ganz in Anspruch nahmen. Daß es sieh um keine» kurzen Ausgang zu wirtschaftlichen ZM handelte, sah Otto schon ans der Sonntagskleidung, die seine Mutter angelegt halte. Dazu kam der stille Ernst, der sich, so sehr sie sich anch bestrebte, ihn zu unterdrücken, in ihren hastigen, unruhigen Bewegungen und durch die ungewöhnliche Röthe ihres Gesichtes verrieth. „Wo willst Dn denn hin, liebe Mutter?" fragte Otto, aufmerksam werdend. Eine deutliche Verlegenheit zuckte in den Mienen der alten Frau. „Ich — o — ich will nur mal 'n bischen ausgehcn, Ottchen," gab sie lächelnd zurück. „So früh gehst Du doch für gewöhnlich nicht aus, liebes Mütterchen?" „Ja, weißt Du, ich habe eben ein bischen was zu besorgen," sagte Frau Köster und drehte dem sie arg wöhnisch Beobachtenden den Rücken zu. „Und dazu machst Du Dich so fein?" fragte Otto weiter; sein Argwohn, daß es sich um irgeud etwas handele,