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Otto fühlte, wie der Druck, mit dem er eingetreken war, von ihm wich- Hier athmete Alles Freude und Zu friedenheit. Wer nnr einen Blick hier herein that, der konnte sich ja unmöglich des Eindrucks cnlschlagen, das; hier Unschuld und Rechtlichkeit wohnte, daß hier unmög lich ein gemeines Verbrechen seinen Ursprung haben konnte. Karl war sehr aufgeräumt. „Du Otto," sagte er und deutete auf eine Zeichnung, die vor ihm anf dem Tische lag, „sieh Dir doch das Ding einmal genau an. Das ist ein neuer Brenner; ich habe ihn schon zum Patent angemeldet. Meteor werde ich ihn nennen. Feiner Name, was? Das sagt schon mit einem Wort alles. Na, die Sache wird sich machen, sage ich Dir. Nächstens geht es los; ich habe mich nämlich nach einem Kompagnon umge sehen. Der Abschluß ist schon so gut wie sicher. Der Mann schießt zwanzigtansend Mark ein. Dann sollst Du mal sehen, wie wir ins Zeug gehen werden. Ganz Berlin, ach was, ganz Deutschland wird mit meinem Meteor glück lich gemacht." Er lachte herzlich, um plötzlich, ernst werdend, fortzu fahren: „Du machst ja ein so finsteres Gesicht, Otto? Die dumme Diebstahlsgeschichte, wie? Ist immer noch nichts heraus? — Nicht? Kann mir denken, daß Dn keine guten Tage zu Hause hast. Vater geht wie ein brüllender Löwe umher, njcht? Wie konnte Mutter aber auch so unvorsichtig sein!" Damit war aber der leidige Gegenstand für Karl abgethan, und er ging wieder auf das Thema ein, das ihn ganz und gar beschäftigte; er erläuterte dem Bruder in allen Einzelheiten an der Hand der Zeichnung seine Erfindung. Otto hörte ihm mit wirklicher Antheiluahme zu und bemühte sich aufrichtig, obgleich er sonst für technische Sachen wenig Interesse besaß, in das volle Verstäudniß des Mechanismus des Meteorbrenners einzudringen, er empfand es als eine wahre Wohlthat, seine Denkkraft einmal von einem Gegenstand, der mit der Diebstahlsge- schichtenichtszu thun hatte, ganzin Anspruch nehmen zu lassen. Als er sich eine Stunde später verabschiedet hatte, trat er als ein Anderer aus die Straße hinaus. Die Munterkeit, die Sorglosigkeit, die freudige Zuversicht, die der Bruder der Zukunft entgegenbrachte, hatte ein wunder bar beruhigende Wirkung auf ihn ausgeübt. Nein, noch wollte er die Hoffnung nicht aufgeben. Es würde, es mußte sich bald zeigen, wie gegenstandslos, wie sinnlos der Argwohn des Polizeikommissars gegen Karl war. Otto hatte eine gute Nacht, und frisch und zuversicht lich machte er sich auf den Weg zum Justizministerium, wo das Staatsexamen stattfaud. Was er sich vorge nommen, gelang ihm mit Aufbietung seiner ganzen Willenskraft; Alles, was nicht znm Programm des Tages gehörte, that er von sich ab; sein ganzes geistiges Ver mögen, sein ausschließliches Interesse kouzentrirle er ans das Examen; er ließ nicht eine Frage aus, seine Ant worten erregten die Aufmerksamkeit der Examinatoren. Es war nur eine Stimme unter den gestrengen Herrn: „Referendar Köster hatte das beste Examen gemacht, eines der besten, die je gemacht worden waren; inan mußte ihn der besonderen Aufmerksamkeit des Ministers empfehlen." Unten vor dem Thor traf er Karl, der wartend auf und ab ging. Der Bruder stürzte sogleich aut ihn zu. „Ich war soeben im Patentamt," sprudelte er mit großer Lebhaftigkeit hervor, „und da dachte ich eben — Na, wie ist es denn ausgefallen, gut natürlich?" „Sehr gut! Als Bester bestanden!" „Als Bester? Wirklich? Na, da gratulire ich Dir von Herzen." Sie drückten einander die Hände. Karl zog seinen Bruder zum nächsten Droschkenstand. „Heute leisten wir uns einmal eine Droschke," sagte er lustig, „damit Du schneller zu den Alten kommst. Na, die werden sich freuen über ihren Assessor. Ja, ja, unsere Eltern können wirklich von Glück sagen: zwei solche Söhne zu haben! Daß Du einmal eine Exzellenz wirst, ist doch sicher, und bis znm Kommerzienrath hoffe ich's auch zu bringen." Den ganzen Weg über plauderte und scherzte Karl in dieser Weise. Auch Otto war von Herzen froh. Wenn man ihn dem Minister empfahl, kam er sicher ins Ministerium. Darauf konnte er sich schon etwas einbilden. Nun stand er wirklich auf der Leiter zur höchsten Macht. In der Rügenerstraße trennten die Brüder sich. Otto stieg hinauf zu den Eltern. Karl fuhr weiter nach Hause, nicht, ohne vorher ver sprochen zn haben, sich später mit Helenen einzusteUcn, nm das feierliche Ereigniß festlich begehen zu helfen, lind wirklich, schon nach einer Stunde kam er in Begleitung seiner Frau. Helene brachte eine Torte mit, die sie selbst gebacken hatte, und Karl spendete ein paar Flaschen Wein, damit sie, wie er sagte, „Ottos Assessor" und seinen „Meteor brenner" auch gebührend begießen könnten. Den ganzen Abend über herrschte eine vergnügte Stimmung. Selbst der alte Köster vergaß für ein paar Stunden seinen schweren Verlust und freute sich über seinen Jüngsten. Assessor. Das klang. Und das Schönste war, daß Otto bald eine Anstellung und Besoldung erhielt und ihm dann nicht mehr auf der Tasche lag. Erst ganz zum Schluß, Karl und Helene rüsteten sich znm Aufbruch, kam ein Mißton in die schöne Stimmung. Karl zog einen Zettel aus seinem Ueberzieher und reichte denselben seinem Vater. „Da sieh mal, 'ne Vor ladung zur polizeilichen Vernehmung. Da gehl doch wieder ein halber Vormittag drauf, und ich habe gerade jetzt alle Hände voll zu thun. Und wenn ich ihnen noch etwas sagen könnte, aber was weiß icb denn nur von der ganzen Geschichte? So gut wie nichts!" Otto war zumuthe, als würde er plötzlich mit rauher Hand aus seinem schönen Traum gerüttelt; er erbleichte, biß sich auf die Lippen und hatte Mühe, vor den andern seine Fassung zu bewahren. Den ganzen Abend über hatte er nicht daran gedacht; er war mit den Fröhlichen fröhlich gewesen und hatte sich in eine glänzende, sorgliche Zukunst hineingeträumt. Und nun starrte ihn wieder die grausame Wirklichkeit ins Gesicht, und der Rausch, der für ein paar Stunden fein Etend hinweggetäuscht hatte, verflüchtigte sich im Nu. Zum Glück gingen Karl und Helene, und er konnte sich unter dem Vorwande, übermüdet zu sein, sofort zurückzieheu. Mitten in seinem Zimmer stand er, die Hände gegen die Stirn gepreßt, und stöhnte aus tiefster Brust. Nie mehr ivürde er froh, nie mehr glücklich werben! Wahnsinniger Thor, der er gewesen, daß er geglaubt hatte, sich durch eine Schuld eine glückliche Zukunft erschließen zu können. Welch ein froher Mensch wäre er heute, wenn et, anstatt zu der verbrecherischen That seine Zuflucht zu nehmen, sich dem Vater entdeckt hätte! Selbst wenn er dann nie die änßerc Würde erlangt hätte, die ihm heute zutheil geworden, er wäre doch ein schuldloser, ein reiner Mensch gewesen. Und nnn, nun stand immer seine Schuld zwischen ihm und jener Lebensfreude, nun war er sein ganzes Leben lang zur Lüge und Heuchelei verdammt, nun war jede Stunde seines künftigen Lebens eine geheime Marter, eine stille Qual; nun war er der Elendesten einer! Ganz darnieder geschmettert sank er in seine Kniee und preßte sein zuckendes G csicht auf das Polster des Sophas. Endlich machte sich seine Verzweiflung in einem ungestümen Weinen Luft; er hörte nicht, wie die Thür leise geöffnet wurde; erst als er eine Hanv auf seiner Schulter fühlte, fuhr er erschreckt empor. Seine Mutter stand vor ihm und sah ihn erstaunt, erschreckt an. „Aber was hast Du denn, Ottchen ?" ries sie außer sich, als sie seine Thräuen sah. „Was ist Dir denn, mein lieber Junge? Heute an Deinem Ehrentage und weinen! Hast Du vielleicht Schulden, Ottchen?" Er konnte dem Drang nicht widerstehen, der ihn zu der Jmmerguteu.Jmmermilden zog, die mit ihm fühlte, wie kein anderer Meuschaus Erden; er warf sich an ihre Brust und weinte und schluchzte von Neuem. Sie drückte ihn an sich und tätschelte mit zitternder Hand seinen Kopf, wie sie es vor vielen Jahren mit dem weinenden Kind oft gethau, und mit schmeichelnden, be sänftigenden Koseworten redete sie auf ihn ein. „So weine doch nicht Ottchen! Mein lieber, guter Junge! Wir werden's ja bezahlen, wir werden schon Rath schaffen; nnr weine nicht so, mein Liebling, mein lieber, guter Otto!" Der Gedanke durchzuckte ihn, ihr alles zu sagen, seiner schwer gepreßten Brust Luft zu machen; ihr, der allezeit zur Nachsicht und Verzeihung Bereiten anzuver trauen, was ihn bedrückte. Aber als er sich nun auf richtete und in ihr angstverzerrtes Gesicht sah, das in banger Spannung an seinen Lippen hing, da sank ihm der Bluth. Nein, nein, er kann es ihr nicht sagen, das Furchtbare, Entsetzliche. Es würde die Ahnungslose zer schmettern, tödten! Und so zwang er das Geständniß, das ihm auf die Lippen treten wollte, wieder hinab und heuchelte eine un befangene Miene, „Nichts, nichts ist's, Blutter," sagte er, „es ist nur, weil ich so über Alles nachdachte. Und da kam mir der Gedanke, ob es nicht doch am Ende un recht von m>'r gewesen, zuzulassen, daß Ihr, Du und der Vater, meinetwegen so viel Opfer gebracht habt. Und ich weiß nicht, ob ichs Euch einmal werde vergelten können. Vielleicht — wär'S doch besser geweseu, wcun Ihr mich nicht hättet studiren lassen, wenn ich nur ein einfacher Mensch geblieben wäre, sowie Karl. Vielleicht wäre das auch für mich viel besser gewesen, und ich wär' ein glück licherer Mensch geworden als ich Henie bin, und wir wären glücklicher, liebe Mutter!" (Fortsetzung folgt.) Abonnements-Einladung. 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