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WtMlltt fiil Wiltckllff Beilage zu Nr. 97- Sonnabend, den 18. August 1900. Zmn,v. Ssnntag« nach Trinitatir. 2. Thess. 3,3: Der HErr ist Nen, der wird euch stärken und bewahren Var dein Argen. Vom Wege des Lebens, den wir zu wandern erwählt haben, uns hinüberzuziehen in die breite Straße dcsVer- derbens, darauf steht Sinn und Trachten des „Argen". Wer der Arge ist, das weiß jeder aus der Schrift und aus dein Buche seines eigenen Lebens. Er ist ein Wesen von finsterer Macht und Majestät, sehr unähnlich dem Spottgebilde, das der Volkswitz von ihm entworfen hat, um die biblische Lehre vom Satan lächerlich zu machen. An den Teufel glauben wir nicht Aber wir glauben an Jesum Christum, Gottes eingeborenen Sohn, unseren HErrn, und wir trauen dem Worte dieses Gottessohnes, der das Dasein einer dämonischen Majestät ernst und offen bezeugt, und wir scheuen uns nicht, dem Hohne und Spotte der Feinde gegenüber ruhig zu erklären: Wir glauben, daß es einen „Argen" giebt, der uns vom Wege des Friedens fortlocken will auf die Straße voll Unfall und Herzeleid. Wir kennen auch unser Herz, den Kampfplatz zwischen gut und böse, und merken täglich, daß Gott nicht gegen Wind mühlen ficht, sondern gegen einen wohlgcrüsteteu, in telligenten und mächtigen Todfeind. Wer wird im Kampfe Sieger bleibend Als Christen hoffen und wünschen wir, daß unser Gott den Sieg davon tragen möge. Wenn wir einst im Sarge liegen, möchten wir in Gottes Frieden schlafen, geborgen seist am Herzen unseres Heilandes. Nun, wenn es uns aufrichtig ernst mit diesem Wunsche ist, so wird er uns erfüllt werden Denn, spricht der Apostel, der HEr ist treu, der wird euch stärken und bewahren vor dem Argen Mächtiger als der Starke aus der Hölle ist der Starke im Himmel. Gott läßt seine Leute nicht im Stiche. Er versteht die Kunst, die Streiter unter der Kreuzesfahne zu rechter Zeit aus dem Feuer satanischer Anfechtung zu rücken, ehe sie darin umkommen. Es kann sein, daß sie Brand wunden davontragen, wie David und Petrus, aber der Balsam göttlicher Vergebung heilt solche Wunden. Wohl ist Geduld uns noth. Wann der Kampf zu Ende ist ? Wenn unseres Gottes Stunde gekommen ist. Also, lieber Christ, nicht muthlos, nicht unmüthig werden! Wir kommen doch ans Ziel. Der HErr ist treu. Cin Seeerlebnis; von M. G. (Nachdruck verboten.! Im Auftrage einer großen Exportfirma Mitteldeutsch lands halte ich geschäftliche Angelegenheiten in Manila erledigt und sollte nun noch vor Antritt der Heimreise nach Europa den südchinesischen Vertragshafen Amoy be suchen, um dort ebenfalls geschäftliche Aufträge der be treffenden Firma auszuführen. Leiber war von mir der regelmäßig aller vierzehn Tage von Manila nach Nagakaki in Japan gehende und Amoy mit anlaufendc Dampfer verpaßt worden, und ich hätte also noch fast zwei volle Wochen in Manila unthätig liegen bleiben müssen, wenn mich nicht ein glücklicher Umstand dieser unangenehmen Aussicht enthoben hätte. Ich erfuhr nämlich, daß ein nach Amoy bestimmtes deutsches Handelsschiff in Manila ankere, und rasch entschlossen suchte ich dasselbe am Ha fen auf, um mit dessen Capitän darüber zu verhandeln, ob er mich nicht mit hinüber nach Amoy nehmen wolle. Nasch genug fand ich das Schiff auf, es war die Ham burger Bark „Flora" und hatte, wie ich von ihrem mich höchst liebenswürdig empfangenden Führer, Capitän Hil gers, erfuhr, Eisen- und Stahlwaarcn nach Manila ge bracht; sie sollte dann mit Ballast nach Amoy gehen und dort eine Ladung Thee und Baumwolle nach Hamburg cinnchmcn. Ohne Weiteres erklärte sich Capitän Hilgers bereit, mich gegen einen sehr mäßigen Passagepreis an Bord der „Flora" nach Amoy mitzunehmcn, und stellte mir sur die Reise eine kleine Extra-Cabinc, welche an seine eigene stieß, zur Verfügung. Schon am Tage nach der Abfahrt des Dampfers welchen ich verfehlt hatte, ging die „Flora" in See' Balo genug erwies sich's, daß die Bark ein tüchtiger Sealcr war und, begünstigt durch eine glatte See und ettlcn beständigen Südwind, gute Fahrt machie, so daß a Noch «chlW, zur F«„° Äuu» minm RMk nn.S-z-lM zu blMveu durchaus nicht bereute dies um so weniger, als die Verpflegung, die mir Casti^ sKlacrs zu theil werden ließ, eine ge radezu - Eines Nachmittags stand ich, eitle Clgarrc rauchend neben dem Capitan auf -e.ii .ymterdeck del „Flora" mich mit dem vielerfahrenen und weitgereisten Seemaune über dies und das unlerhaltend. s fEcn die Umrisse von Land, des ersten, welches Schiffes von Manila zeigte, gerade "E "ns auf, allerdings nur ganz unbestimmt; es war nach der Angabe des Capitüns die Südspitze der Insel au welcher unser Schiff indessen in ganz be- trachtttchcr-Entfcrnung vorüberglitt. Noch hafteten meine Augen an den allmählich wieder verschwimmendeu Con- tonrcn des fernen Gestades von Formosa, als ein Aus ruf des Capitans mich veranlaßte, meine Betrachtungen zu unterbrechen. Fragend sah ich Hilgers an, der mich indessen zunächst gar nicht beachtete, sondern, mit dem Fernrohr irgend einen Punkt im Südwesten anscheinend sehr gespannt beobachtend, zu dem gerade vorübergehenden Untersteuermamr sagte: „He, Meinert, da d'rüben seh' ich ein Segel und da hinter noch eins, scheinen mir chinesische Dschonken zu sein, und denen ist in dieser Gegend niemals zu trau'n. Seht Euch doch mal die Dinger au und laßt mich dann Eure Meinung wissen, Ihr seid doch schon ein paar Mal in den chinesischen Gewässern gewesen; mir wenigstens kommt die Sache verdammt verdächtig vor!" Der Capitän reichte bei diesen Worten seinem Un tergebenen das Fernrohr, und äußerte dann zu mir: „Sie müssen nämlich wissen, mein lieber Herr Gaß mann, daß diese ganze Gegend zwischen Formosa und dem chinesischen Festland besonders berüchtigt wegen ihres Pi ratengesindels ist, daß. mit seinen Raubdschonken von irgend einer der vielen kleinen Buchten drüben an der Cänlonküste aus keck große Strecken in See geht, und nun auf seinen Schiffen auf und nieder kreuzt, bis ihnen eine Beule ins Gehege kommt. Werden aber diese be zopften Banditen verfolgt, so fahren sie mit ihren wirklich sehr flinken Schiffen rasch einem Schlupfwinkel zu, den nur sie kennen, oder suchen auch frech einen größeren Hafen auf, dann mag der Satan unter den vielen sich meist gleich sehenden Dschonken ausfinoig machen, was 'ne ehrliche Haudelsdschonke und was 'ne Naub- dschonkc ist!" Unwillig mit dem schon ziemlich angegrauten Kopse schüttelnd, nahm der würdige Seemann von dem jetzt auf uns zutretenden Untersteuermann das Fernrohr wieder entgegen und fragte ihn: „Na, was denkt ihr wohl über die zwei Segel da drüben — habt Ihr sie euch gehörig beschnüffelt?" Der Uutersteuermann, ein riesiger Mensch, der viel leicht 28 bis 30 Jahre zählen moche, erwiderte langsamen Tones, dem man Anklänge an das Ostholsteinische Platt anmerkte: „Zweifellos Dschonken, Capitän, die Takelage kenn' ich allerdings selbst auf diese Entfernung hin; was ich sonst aus ihnen machen soll, weiß ich freilich nicht. Wenn's aber Handelsschiffe sind, fo wuudert's mich, daß sie so weit unten von uns segeln, denn wenn sie hinüber nach Formosa wollten, so müßten sie doch eigentlich mehr Nord ostkurs halten. Freilich kvnnt's auch richtig sein, daß die Dschonken dort Curs nach den Philippinen hätten, obwohl ich eine solche Fahrt auf diesen leichten Kästen nicht mit- machen möchte; dann brauchten wir weiter keine Besorg- Mste zu hegen." Capitän Hilgers nickte mit dem Kopfe, hierdurch be stätigend, daß er die geäußerte Ansicht seines Untersteuer mannes theile; dann meinte er, nochmals einen Blick nach der Gegend werfend, in welcher die verdächtigen Segel aufgctaucht sein sollten, von denen ich leider selbst mit Hülfe des mir ebenfalls nunmehr zur Verfügung gestellten Fernrohrs nickt das Geringste zu entdecken vermöchte: „Einstweilen läßt sich nichts weiter thun; höchstens könnten wir einen Strich mehr nach Nordwest abhalten, was Ihr dem Manne am Steuer sagen wollt, Meinert. Für jetzt aber denk' ich, Herr Gaßmann," — mit diesen Worten wandle er sich wieder an mich, „daß wir unsere gestern unterbrochene Schachparthie fortsetzen; wir haben ja sonst nichts Besseres zu thun." — Alsbald saßen wir Zwei uns denn auch in der netten Cajüte des Capitäns am Schachbrett wieder gegenüber, uns bei dieser anstren genden geistigen Thätigkeit in gerade nicht allzugroßen Zwischenräumen ans einer Flasche vortrefflichen Portweins stärkend. Am anderen Morgen wurde ich, kaum daß ich zum ersten Frühstück erschienen war, das ich mit dem Capitän und den beiden Steuerleuten, ebenso wie alle übrigen Mahlzeiten, gemeinsam in des ersteren Cajüte einnahm, von Hilgers mit den Worten empfangen: „Hallo, Herr Gaßmann, heute können wir vielleicht das zweifelhafte Vergnügen genießen, Bekanntschaft mit chinesischen Piraten zu machen, der Untersteuermann scheint mit seinem Verdacht Recht zu behalten, daß die Segler, die wir gestern entdeckten, in der That bedenkliche Ge sellen sind! Habe d'rum den Obersteuermann vom Früh stück gleich wieder an Deck geschickt, damit die verdächtigen Dschonken, welche in der Nacht gleichen Curs mit der „Flora" gehalten haben müssen, dabei aber offenbar näher herangekommen sind, immer scharf im Auge behalten werden." . Halb erstaunt, halb erschrocken blickte ich zunächst aus den Nntersteucrmaun, der aber in höchster Gemüths- ruye semen Cacao schlürfte, dann auf den Kapitän, hierbei ore Frage an letzteren richtend, ob er wirklich glaube, daß wir Gefahr liefen, chinesischen Piraten in die Hände zu fallen, worauf der Capitän, sich eine Zigarre anzündend, erwiderte: „Leider bleibt kaum eure andere Annahme übrig, denn sonst wären die beiden Dschonken doch wohl längst wieder aus Sicht gekommen, statt dessen halten sie immer mehr an uns heran. Na, vorerst aber wollen wir uns aber den schönen Morgen nicht verderben lassen", fügte der alte Seebär mit einem Anflug von Humor hinzu, „nehmen Sie nur erst Ihr Frühstück zu sich, dann kommen Sie mit herauf an Deck." Während die beiden Seeleute jetzt die Cajüte ver ließen, machte ich mich rasch an die Einnahme meines Frühstücks, um nun ebenfalls nach Deck emporzusteigen. Kaum daselbst augelangt, blickte ich forschend nach den verdächtigen Seglern aus, welche gestern Nachmittag der Kapitän und der Uutersteuermann durch das Fernrohr er späht haben wollten — und richtig in einiger Entfernung von der „Flora" waren sie ganz deutlich zu sehen. Zwei Schiffe segelten dort, anscheinend denselben Curs mit uns haltend, mit sehr hoch aufsteigendem Bor- und Hinterschiff und seltsamer Takelage, dabei, soviel sich erkennen ließ, mit eigenartig scharf gebautem Bug; von der Besatzung an Bord der beiden Dschonken ließ sich mit bloßem Auge noch nichts entdecken. Aufmerksam betrachtete der neben mir stehende Uutersteuermann die unverkennbar allmählich uähe rkommenden fremden Schiffe und sagte dabei zu mir: „Möchte mich Kielholen lassen, Herr, wenn das nicht Raubdschoukeu sind! Die Fahrzeuge dort sind viel größer, als die gewöhnlichen Handelsdschonken, auch der Bug ist viel schärfer gebaut, und Segel scheinen sie eine Unmasse zu führen; 'n Tonne alten Schiedammer möchte ich gegen 'nen Grog wetten, daß jede der beiden D'schonkeu min destens achtzig bis hundert langjährige Keils an Bord hat, die über uns herfallen sollen und die bis jetzt nur noch unter Deck weagestaut sind!" Auch Capitän Hilgers tauchte nunmehr in meiner Nähe auf; scharf musterte er mit dem Glase die verdäch tigen Schiffe, deutete dann auf bizzar gestaltete Felsen, die jetzt in östlicher Richtung von der „Flora" sichtbar wurden, und äußerte hierauf zu dem Untersteuermann: „Hm, dort drüben habe« wir die Pescadoresinseln und das dahinter sich ausdelMude Gewimmel der kleineren Inseln. Da hinüber können wir also nicht ausweichen, wenn wir uns den verdächtigen Dschonken auf der anderen Seite empfehlen wollen. Es bleibt nichts übrig, als scharf unsern bisherigen Curs durchzudrücken; laßt darum noch ein paar Segel aufsetzen, Meinert, die „Flora,, wird dann schon ihre Schuldigkeit thun." (Schluß folgt.) Dev Tiger von Peking. Historischer Roman aus der chinesischen Gegenwart. Von M. von Enzius. (Fortsetzung.) (Nachdruck verboten). Bredow wurde vor seiner „Gottähnlichkeit" als Eu ropäer bange, wie er sich's gestehen mußte, wenn er daran dachte, daß er bis dahin dieses China nur als Ameisen haufen sich vorgestellt hatte und nun wahrnehmen mußte, daß ein zielbewnßter und geregelter Verkehr den Norden mit dem Süden verband. Oft, wenn er im Boote dahinfuhc und diese Million«: von Menschen um sich sah, geschäftig, rührig, arbeitssam und zufrieden, mußte er sich fragen: „Was wollen mir Europäer hier auf diesem dichtbevölkerten Land, wo auf den Flüssen und Kanälen, auf dem Ackergelände und auf den Feldern kaum ein Plätzchen noch frei ist? Und je weiter sie nach Süden verdrängen, je mehr erkannte er, daß die einzelnen Gebietstheile von einander geschieden waren, wie die Länder Europas von einander, desto mehr wurde es ihm offenbar, daß dieses China kein Land, kein Reich, sondern sine Welt, ein Erdreich für sich sei, verbunden durch eine gemeinsame Kultur- und Welt anschauung. Und er wurde die Beängstigung nicht los, daß Eu ropa hier niemals festen Fuß fassen könne. Endlich waren sie im Thale des Jantsekiang ange langt — bald lag Nanking vor ihnen. San-lo wurde wortkarg, als sie im Bereiche dieser Stadt waren. Es war, als ob die Nähe der Ming-Gräber einen unheimlichen Einfluß auf ihn ausübte. Und wenn er sprach, dann waren seine Reden von Zorn und Erregung gegen die Regierung diktirt. „Hier war dereinst die Blüthe Chinas, hier war der einst die große Residenzstadt unseres Reiches; dieNomaden- Hordcn der Mandschu haben die Residenz nach dem un- wirthschaftlichen Nord«: verlegt, in dieses schmutzige, staubige Peking, das selber wie ein schmutziges No«aden- Zelt ist. — Hier in Nanking allein konnten Kunst und Wissenschafft gedeihen und unsere schönsten Erinnerungen wurzeln hier." Und in abgerissenen Sätzen, die wie das Knurren eines verwundeten Raubthieres klangen, erläuterte er es Bredow, daß Nanking in der Zeit der glorreichen Taiping- Revolution wieder die Hauptstadt des Reiches geworden war, daß leider durch die Unfähigkeit Hung's, des Führers der Rebellen, alle Vortheile oer Erhebung verloren ge gangen seien, und daß dann die „Kaiserlichen" mit Hilfe der Engländer in die herrliche Stadt gedrungen seien und alle Baudenkmäler zerstört hätten. Auch der berühmte Porzellanthurm, der eine Zierde der Stadt war und eine Sehenswürdigkeit, von der alle Welt gesprochen, sei threr Zerstörungswuth zum Opfer gefallen. „Fluch ihnen, und ihren Helfern," fügte er erregt hinzu. „Diese Feiglmge auf dem Throne haben uns die Fremden ins Land gebracht; die Hunde von Engländern, die Raubthiere, die' Gott verdammen möge. Mit der