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2 Stöhnen drang an das Ohr der Kammerfrau, die sich jetzt dem Lager näherte und flüsternd sagte: „Sie haben nach mir verlangt, gnädige Frau!" „Ja, Anna — komm' näher," klang es kaum vernehmbar von den Lippen der Sterbenden — daß es eine solche war, die in den spitzenbesetzten Kissen lag, zeigte ein einziger Blick auf das schmerzverzogene, todtenbleiche Gesicht und in die halb gebrochenen Augen. Früher mußten diese feinen Züge von geradezu wunderbarer Schönheit gewesen sein, und den dunklen Augen sah man's an, daß die Sterbende sich nur nach hartem Kampf der überlegenen Kraft des Sensenmannes gefügt hatte. Als jetzt Frau Müller fragend auf. ihre Herrin blickte, flammte die alte Energie nochmals in den dunklen Sternen auf, und leise, aber gebieterisch sagte die Gräfin: „Schiebe den Thür riegel vor — was wir miteinander zu sprechen haben, verträgt keine Zeugen." Die Kammerfrau zuckte zusammen, wagte aber keine Widerrede und that, wie ihr geheißen worden. „So, nun komm' ganz nahe heran." Anna beugte sich über die Sterbende und flüsterte angst voll: „Weiß es der gnädige Herr jetzt, gnädige Frau, haben Sie's ihm gesagt?" „Nein," murmelte die Gräfin, „ich wollte es ihm sagen, aber ich konnte nicht, seine Liebe war mein höchster Schatz, sollte ich desselben in meinen letzten Augenblicken verlustig gehen? Er sprach mit solcher Liebe von dem Kinde, nein, ich war nicht im Stande, ihm den Dolch ins Herz zu stoßen." „Barmherziger Gott," stöhnte die Kammerfrau, „was soll denn nun geschehen?" Zwei schwere Thränen rollten langsam über die bleichen Wangen der Gräfin, die jetzt matt flüsterte: „Die Tropfen, Anna, schnell!" Mit zitternder Hand griff die Kammerfrau nach einer kleinen Flasche, die auf dem Tisch am Bette stand, und einen kleinen Eßlöffel mit der aromatisch duftenden Essenz füllend, bot sie der Sterbenden den schmerzlindernden Trank. „So, jetzt richte mich auf, Anna — still — keine Wider rede — es muß sein. Nun bringe mir mein Schreibgeräth dort vom Mitteltisch —" „Um der Allmacht willen, schreiben Sie nicht, gnädige Frau," flehte Anna schluchzend, „lassen Sie mich die Last weiter tragen bis zu meinem Tode —" „Es kann nicht sein, Anna — mein Gatte muß erfahren, was ich ihm bis jetzt verheimlichte, o, was ist das — es liegt wie ein Scheier über meinen Augen, ich sehe nichts mehr, Anna, nimm die Feder und schreibe an meiner Statt — keine Widerrede! Halt, gieb mir nochmals einige Tropfen, um meine sinkenden Kräfte zu beleben — so, und nun schreibe genau, was ich diktiren werde." Anna mochte einsehen, daß es dieser Energie gegenüber keine Weigerung gab, und ohne weitere Widerrede legte sie die Schreibmappe vor sich auf den Tisch und schrieb unter strömenden Thränen nieder, was die Sterbende ihr mit kaum vernehmbarer Stimme, aber ohne Zaudern und Stocken, diktirte. Jetzt schwieg die Gräfin einen Augenblick, und dann murmelte sie: „Lies mir vor, was Du niedergeschrieben hast, Anna." Frau Müller willfahrte dem Gebot und las das Ge schriebene, welches reichlich zwei Seiten des Briefbogens füllte, der Herrin vor, worauf die letztere die Feder verlangte und nicht nur das Schriftstück unterzeichnete, sondern auch über den Beginn des Diktats die Worte setzte: „An meinen geliebten Gatten." „So — nun setze Deinen Namen gleichfalls hier her, als Zeugin — nein, als Mitschuldige — nun, wird's bald? Schreibe: „Anna Müller, Mitschuldige der Obigen." Gut — nun falte das Papier zusammen und gieb mir noch einmal die Feder!" Mit unendlicher Mühe schrieb die Sterbende auf das zu sammengefaltete Papier die Worte: „An meinen Gemahl, den Grafen Eggerstorf," worauf sie erschöpft in die Kissen zurück sank und eine Weile keuchend nach Athem rang. „Hole die Bibel, Anna," murmelte sie dann, „so, nun lege die Hand auf das heilige Buch und gelobe mir, diese Niederschrift nach meinem Tode meinem Gemahl zu geben." Mechanisch brachte Anna die Bibel herbei, und das Buch vor die Sterbende auf deren Bettdecke legend, kniete sie nieder, " hinab war i stehen des Zin scheint, Frau Müller hat Nerven, sie sieht ja aus, Hauderr R Stöh zu Bett, Frau Müller Später, wenn Nein, nein schreckend und den Arzt verwirrt anblickcnd; daB "R Sie giftig; „wenn sie sich unbeobachtet glaubt, schmäht ^bundc' welche mein wahr, wenige gewc Mgema Ae Anti wieder legte die Rechte auf den schwarzen Sammetcinband kummervoll auf ihre Herrin, die jetzt mit theatralisch sagte: „Zuerst schwöre mir, daß Du dieses Papier ni Tode nicht vernichten wirst, Anna." „Ich schwöre es," nickte die Dienerin. Nach ihrer Gewohnheit begann sie jetzt laut zu mit matter Stimme murmelte sie vor sich hin: „3^ den Brief nicht geben — er ist ein so guter Gebieter' soll ich ihm den Schmerz bereiten? Sie hat's g'ü- und nun soll ich allein das schwere Geheimniß aufathmend: „Gottlob, daß die Arme erlöst ist, sie' bar gelitten, ich werde jetzt dem Herrn Grafen mitß ^chen n ihr auf un Zimme gangen und hat die Thür hinter sich verriegelt." , „Eine sonderbare Person," sagte der Doktor kW ^sollte si "Echkeit il arm «s! dem ll ohnmächtig werden wollte." „In der That, der Tod ihrer Herrin hat sie schüttert," nickte der Arzt mitleidig, und seine Hand den Arm der Kammerfrau legend, bemerkte er: / sic! ^Mrsto die em 5 erfahre! verstohlen mit der herabhängenden Rechten über n tasche, welche das DoknitNit barg und sagte wie „Ja, ja — ich muß zu Bette gehen — ich bin damit schritt sie schwankend der Thüre zu. „Folgen Sie ihr, Frau Robert," flüsterte de Wärterin zu, „sie sieht aus, als ob sie unterwegs brechen könnte." Ziemlich widerwillig folgte die Wärterin denn Arztes; nach etiva zehn Minuten kehrte sie zurück mürrisch: „Sie ist schleppenden Schrittes in ihr § — iä Zm an Zvorl, Zs nur n ^ker zu '"ne m -Nnüln k auch 'diel- n fl auch no der arn der Tod eingetreten ist." ' kA^en Die Wärterin hatte inzwischen nicht eben freund!, auf die Kammerfrau, die, einer Ohnmacht nahe, am > i s lehnte, geworfen, und jetzt sagte sie spöttischen To' Ä 2. Kapitel. Die Wärterin hatte wahrheitsgetreu berichtet: ff war in ihr Zimmer gegangen und hatte den Thm h < T geschoben; sodann hatte sie den Brief aus ihrer Taschh. und, das Papier entfaltend, legte sie es vor -- Tisch und starrte regungslos ans die Worte, die sie». - Verwirrende, betäubende Gedanken jagten sich in ' und dann plötzlich ging es wie eine erlösende- durch ihr fieberndes Hirn — der Tod der Herri" getreten, bevor sie geschworen, auch den dritten, Befehl zu erfüllen, wer wollte sie zwingen, deniM Folge zu leisten?" Müller — Sie scheinen der Ruhe z» j Später, wenn Sie sich erholt haben, berichten Re und Grafen über die letzten Augenblicke seiner Gemahls- , sie noch mit Ihnen gesprochen hat —" lj. - kein Wort," rief Anna Müller i Eine unheimliche, gefährliche Person," sagte d's hin, und seit ich sie zum ersten Mal gesehen habe Eggas ich ihr — o, ich weiß ganz wohl was ich sage, und Sic sollen sehen, es nimmt kein gutes Ende» ,Jch schwöre es," klang cs erstickt von Aii^ vz- " - - - - - . . > „v i . _ "re Ruk Haftes Zucken über das bleiche Gesicht, ruckweise ra« Athem von den Lippen, und nur mit äußerster N „Zum zweiten schwöre mir, daß Du, wemn meinem Tode dies Haus verläßt, dies Papier nichtt -h , . wirst." ' „Zum dritten schwöre, daß —" hier ging B vermochte die Sterbende noch wenige, unzusanuBi^ < Worte zu stammeln, „gieb — es — Deinem - schwöre es — An —" Entsetzt erhob sich die Knieende, sie warf f auf die Herrin, und den Brief hastig eiusteckend, eZz Thür, schob den Riegel zurück und stieß einen gelle"' ruf aus, worauf sie wieder zu der Todten zurück! regungslos am Bette stehen blieb. Jetzt erschienen Hilferuf der Arzt und die Wärterin, die sich in ei" gelegenen Zimmer befunden hatten, ein Blick auf t*. - zeigte ihnen, was geschehen war, und der Arzt