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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.04.1908
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-04-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080421019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908042101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908042101
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-04
- Tag 1908-04-21
-
Monat
1908-04
-
Jahr
1908
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Amtsblatt des Mates und des Molizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Psei» für Inserate au» teivzig uno Umgebung die stgelvalkene Petitzeile 2:, Pi., iinan,teste Anzeigen 30 Pi., Ncklamen lÄ-, von auswärts 30 Pf., Reklamen I.2T M-: vom Ausland Si)Pi., finant. Anzeigen 7S Pl. Reklamen i.S>i M. Inserate v. Behörden i t amtlichen Teil 40 Pi. Betlagegebübr 5 M. p. Tausend exkl. Post gebühr. tbeschästsanzeigen an bevorzugter Stelle im Presse erhöht. Rabatt nach Tart Iesterteilte Au'träge können nicht zurück gezogen werden. hür da» t-rfchcinen an bestimmten Tagen uno Platzen wird keine Garantie übernommen Anzeigen-Annadme: Lugustusplatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annonrcn- Exxeditionen des In- und Auslandes. Haupt-Filiale ivrrlin: Carl Duncker, Herzogs. Baqr. Hosbuch- handlung, Pützowitrahe ll). <Telephon VI, Nr. 4603). Haupt-Filiale LrcSden: Secstraße 4,1 (Telephon -l02I). Nr. 11«. Dienstag 21. Zlpril 1908. 102. Jahrgang. Das wichtigste vom Tage. * Die Vorlage über eine Vereinheitlichung der Arbei- terversichernng soll dem Reichstag in der nächsten Session zu gehen. (S. Dischs. R.) * spürst Bülow getroffen und wird sich mit Gemahlin ist gestern in Venedig ein vier Tage dort aufhalten. * Die holländische Regierung setzte einen Landesver- reidigungsrat ein, der die Pläne für die Verteidigung des Lan des prüfen ioll; der Rat besteht aus höheren Offizieren und Zivilmit- gliedern. * Russische Truppen haben die persische Grenze über schritten und dort ihr Lager aufzeschlogen. (S. Ausl.) * Der türkische Botschafter in Rom hat gestern dem italienischen Minister des Aeußern wegen des türkisch, italienischen Streitfalles eine Note überreicht. Der italienische Minister hat, wie es heißt, seiner hohen Genugtuung über eine „gerechte Lösung des Streitfalles" Ausdruck ge geben. (S. Letzte Dep.s * Gestern fand in Beerwalde die merzienrates Niethammer statt. (S. Beerdigung des Geh. Kom- d. des. Art.) * Der Prix du President de la Republique (50 000 Frankens, der gestern in Auteuil zur Entscheidung kam, wurde von Mons. E. Fischhoss „Dandolo" unter Parfrement gewonnen. lS. Sport.) wichern. Die protestantische Kirche feiert in diesen Tagen das Gedächtnis ernes ihrer größten Söhne, Johann Hinrich WichernS, der am 21. April 1808 geboren wurde. Sie nennt den „Vater der Inneren Mission" mit Recht einen Reformator, dessen Werk ergänzend und bahnbrechend an die Seite der Reformation Luthers trat. Und dieses Werk war so vielseitig, daß neben der kirchlichen Bedeutung WichernS, von der an anderer Stelle berichtet werden mag, auch von einer politischen Bedeutung WichernS gesprochen werden darf. Das mutet auf den ersten Blick befremdend an. Denn Wichern ist niemals das gewesen, was man gemeinhin einen Politiker nennt, ein Parteiführer, ein Parlamentarier, ein Agitator, ein politischer Schrift steller. Nein — in der eigentlichen Werkstätte der Politik sncht man Wichern vergebens. Und er würde sich bei seiner Eigenart wahrscheinlich selbst dagegen ernstlich verwahren, ein Politiker genannt zu werden. Und doch hat er, ohne Politiker sein zu wollen, politische Wirkungen ausgciibt, die bis in die Gegenwart reichen. Sie sind auf das engste mit der Volksbewegung des Jahres 1848 verknüpft. Wichern war ein Feind der Revolution. Sie war für ihn ganz nach dem Gcdankengang einer kirch- lich-konservativcn Weltanschauung das Werk „satanischer Mächte". Und zwar nicht nur um ihrer einzelnen Exzesse wüten, sondern weil sie die Auflehnung gegen die „gottgewollte Ordnung" war. Aber diese Ver- urteilung war auch das einzige, was ihn mit den Vertretern eines kon- scrvativ-kirchlichcn Regimes und des politischen Feudalismus verband. Ihrem politischen Egoismus, mit ihrem bis zur Gegenwart immer wieder angewandten Versuch, die „begehrlichen Massen" mit der Religion als einem geistigen Polizeimittel nicderzuhalten, stand er ablehnend gegenüber. Die Religion war ihm nie Mittel zum Zweck. Wohl aber glaubte er, in der Religion die sittlichen Kräfte zu finden, die geeignet wären, eine geistige und sittliche Erneuerung des deutschen Volkes herbeizuführen. Das Evangelium sollte die Geistcsmacht sein, die alle Stände und Berufe durchdringt, und damit, daß sie Liebe, Wahrheit. Gerechtigkeit verbreitet, für gesunde Verhältnisse auf staatlichem, politischem, wie wirtschaftlichem und sozialem Gebiet sorgt. Das war der Grundgedanke der berühmten „Denkschrift" WichernS an die deutsche Nation. Und sie war die mnxna c-haistn für die Arbeit der Inneren Mission. „Ein religiöser Schwärmer" wird man auf der einen Seite sagen und auf der anderen wird man Wichern für einen Vertreter des KlcrikaliS- mus halten, der den Staat unter die Herrschaft der Kirche bringen wollte. Das aber war Wichern nicht. Kaum einer hat wie er in kirch lichen Kreisen damals die Selbständigkeit des Staates von der Kirche betont, und wieder in der Kirche den Klcrikalismus bekämpft. Ihm schwebte die Wiederbelebung des Volkes ohne pfarrhcrrliche Führung und kirchliche Leitung aus der Gedankenwelt des Evangeliums vor. Wie er ja darum auch unabhängig von der Kirche, aber auch ohne die Tendenz der Sektenbildung, Verkündigung dieses Evangeliums durch freiwillige Kräfte in Wort und Schrift und in der Ausübung humanitärer Werke verlangte. So wollte er auch, daß im staatlichen und sozialen Leben die reli giös-sittlichen Ideen des Christentums sich Bahn brechen, nicht indem eine Art von Kirchenstreit entsteht, bei dem im letzten Grunde der Kleri» lalismuS herrscht, sondern indem die Menschen diese wahrhaft humanen Ideen, die das Evangelium enthält, freiwillig in die Tat umsetzcn, über- zeugt von ihrer Güte. So utopistisch diese Idee war, so hat sie doch ihre politische Wirkung ausgeübt. Und zwar vorzugsweise auf sozialpolitischem Gebiet. Auch Sozialismus und Kommunismus erschienen Wichern in den Stürmen des roten Jahres bei ihren ersten revolutionären Bewegungen religionSfeindlichc Mächte. Aber wie er in seiner Denkschrift ausführte, „in dem, was Sozialismus und Kommunismus im tiefsten Sinn seines Strebens und Bewegens verbirgt", sind „die entstellten, aber doch Wahr- beit tragenden Züge des Angesichtes einer tiefgebeugten, schmerzerfüllten Menschheit" zu sehen, „die sich in sozialer Beziehung nach Erlösung und Wiedergeburt sehnt". Hier müßten darum heilbringende Nenschöpsnn- gen auf dem Wege christlicher Reorganisation entstehen, um der „anti- christlichen Verbrüderung" der Arbeiter entgegcnzuwirkcn. Und zwar gelte cS dabei gegenüber der drohenden Nivellierung der Stände, wie sie im kommunalen Programm vorgcschlagcn sei, in echt christlicher Weise die einzelnen Standcsbesonderhciten anzuerkennen, durchzubilden und zu verklären. Man sieht, WichernS Standpunkt blieb bei allem sozialen Verständnis aristokratisch-konservativ. Jeder Demokratisierung war er abhold, ein so warmes Herz er auch für alle Leidenden und Hilfsbedürftigen hatte. Was Wichern von hier aus vorschlug an sozialrcformerischen Mitteln, war mehr Selbsthilfe als Staatshilfe, gemeinsame Arbeit von Reichen und Armen. So plante er, ganz ähnlich wie Viktor Aime Heber, „wirt schaftliche Vereine", den jetzigen Konsumvereinen ähnlich, bei denen aber wohlhabende Leute mit ihren Mitteln helfend eintretcn sollten. Be- achtenswerter war der andere Gedanke WichernS, der auf eine „christ liche Assoziation der Hilfsbedürftigen selbst für deren soziale Zwecke" abziclte. Hier wurde der damals in Deutschland noch ganz unbekannte Gewerkschaftsgedanke zuerst ausgesprochen, den dann Hirsch und Duncker auf der einen, die Sozialdemokraten auf der anderen Seite weit später realisiert haben. Nur daß Wichern den christlichen Gesichtspunkt dabei betonte, der erst 40 bis 50 Jahre später von den christlichen Gewerkschaften durchgeführt wurde. Aber nicht diese einzelnen sozialen Hilfsmittel kommen bei WichernS politischer Bedeutung in Betracht, sondern die Kraft seines gesamten so- zialen Weckrufs aus dem Jahre 1848, die sich in politischen Wirkungen gc- zeigt hat. Zunächst blieb die Regierung, und zwar die preußische, nicht un- berührt von ibm. Die Gefängnisrcform, die sic durchführte, war durch- aus auf WichernS Einfluß zurückzuführen. Das Interesse, das sic mehr und mehr Fragen der Sonntagsruhe, der Jugendfürsorge, der Für sorge für die wandernde Bevölkerung, dem Anstaltswesen für Kranke besonderer Art in Gesetzgebung und Verwaltung zuwandte, wurde von Wichern und dem von ihm angeregten Zentralausschutz für Innere Mis sion gewollt und gefördert. Ja — der ganze Wichernschc Gedanke von der Aufgabe des Staates, praktisches Christentum zu treiben, wurde eine der Triebfedern, die die Regierung zu der Ersten kaiserlichen Botschaft, zu der sozialen VersicherungSgesetzgcbung des Reiches be wogen haben. WichernS sozialer Weckruf hat aber auch parteipolitisch gewirkt; bat organisatorisch aus sozialpolitischem Gebiet angeregt. Der christliche So- zialiSmuS Stöckers wie der Friedrich Naumanns, der persönlich aus WichernS HauS die ersten starken Anregungen zu sozialer Tätigkeit empfing, haben bewußterweise ihren Ausgang von Wichern genommen, und der Evangelisch-soziale Kongreß, wie die kirchlich-sozialc Konferenz haben, einen so verschiedenen Standpunkt sie vertreten, immer wieder "ns der Gedankenwelt WichernS geschöpft. Ja — man kann sagen, daß auch in den Kreisen der konservativen Partei, soweit sie bis heute nicht vorwiegend argrarisch beeinflußt sind und sich, wie z. B. der um den „Reichsboten" gescharte Kreis, vorzugsweise gern „christlich-konservativ" nennen, ein Stück Wichernscher Erbschaft fortlebt. Sein soziales Empfinden, seine kraftvolle Art, auf die sittlichen Im- pulse hinzuweisen, die das Evangelium enthält zur Betätigung einer sozialen Gesinnung, waren ebenso überaus reich, daß von ihnen Männer der verschiedensten politischen und kirchlichen Stellung Anregung emp fingen, und daß so von Stöcker bis Harnack und darüber hinaus in nicht kirchlichen Kreisen Wichern zu einem Lehrmeister geworden ist, dessen auch an dieser Stelle um solcher politischer Bedeutung willen an seinem 100. Geburtstag gedacht sein mag. Der Vorbericht -er wahlrechts-sputation. i. Am 13. Dezember 1907 war die außerordentliche Deputation der Zweiten sächsischn Kammer zur Vorberatung des Hohenthalschen Wahl- rcchtsentwurfs gewählt worden. Am 16. desselben Monats konstituierte sie sich, und am folgenden Tage wurden der Berichterstatter, Abg. Dr. K ühlmorgen-Blasowitz (Äons.) und der Mltberichterstatter Abg. H e t t n c r - Dresden (Natl.) ernannt. Die Weihnachtspauw hatte zur Folge, daß die eigentlichen Verhandlungen der Deputation erst am 13. Januar dieses Jahres beginnen konnten. Sie wurden bekanntlich vertraulich geführt, und erst am 17. März gelangt ein Antrag des nationalliberalen Abg. G o n t a r d-Leipzig zur einstimmigen An nahme, daß die Geheimhaltungspflicht aufzuheben sei. In derselben Sitzung wurde auch ein Antrag Dr. S ch a n z - Oelsnitz i. V. (Konf.) angenommen, daß über die bisherigen Verhandlungen und deren Gang und Ergebnisse durch Referenten, Schriftführer und Regierungs kommissar ein offizieller Bericht hergestellt werden sollte. Dieser Bericht liegt nunmehr, wie schon telegraphisch kurz gemeldet, vor, am Sonnabend abend ist das 43 Druckseiten Folio umfassende Aktenstück im Landtage ausgeaeben worden. Lange genug hat es frei lich gedauert, bis der Bericht erschienen ist, bei den umfangreichen Unterlagen, die durch die Deputationsprotokolle gegeben waren. Eine Forderung erfüllt der Bericht: er gibt ein streng objekives Bild der Deputationsverhandlungen, entbehrt freilich der Lebendigkeit. Bei eiiligem Darstellunastalent hätte sich der Bericht, ohne irgendwie die Obrektivität zu verletzen, zu einem der interessantesten Aktenstücke der sächsischen Vcrfassungsgeschichte gestalten lassen, wenn er auch sachlich nichts wesentlich Neues mehr bringen konnte. Statt dessen hat Dr. Kühlmorgen ein Opus geliefert, das recht trocken anmutet. Der Ver- fasser hat auch die einfachsten typographischen Hilfsmittel verschmäht, die den Bericht hätten etwas lebendiger gestalten können, in den ganzen 43 Seiten findet sich keine einzig durch den Druck hervorgehobene Zeile, nur die Anträge und Regierungserklärungen sind durch Ein rücken kenntlich gemacht, und zwar keineswegs besonders deutlich. Dabei lag es so nahe, die Anträge der Teputationsmitylicder etwa durch Antiguaschrift, die Regierungserklärungen durch Kursivlettern von der Eicero-Fraktur des eigentlichen Bcrichttertes abzuhebcn. Wollte der Referent aber aus Anhänglichkeit an das liebe alte Schema!' aus die erwähnten Hilfsmittel verzichten, so wäre es das Mindeste ge- wc'en, daß er Marginalien angebracht und lo die Ucbersicht über den Inhalt wenigstens etwas erleichtert hätte. Das hätte nicht gegen das Althergebrachte verstoßen, ist vielmehr in dem ebenfalls von Dr. Küblmorgen verfaßten Bericht der Zwischendeputation über den Ent wurf eines Wallergesetzcs geschehen, allerdings erst in der Zusammen- stcllnng am Schlüße und nach dem Muster der Regierungsvorlage. Wenden wir uns nunmehr zum Inhalte des Berichtes selbst, so ist zunächst anssällim wie dürftig die Generaldebatte der Deputation darin behandelt ist. Sie war vom Berichterstatter selbst cingcleitet worden. Er hatte angeregt, sich zunächst schlüssig zu machen über: l) Die ver fassungsmäßige Stellung der Zweiten Kammer, 2l den Charakter des subjektiven Wahlrechts, 3) die Oesfentlichkeit der Stimmabgabe, ft den Einfluß der Neugestaltung des Wahlrechts auf die Verfassung. Dabei gehörte die Frage der öffentlichen Stimmabgabe überhaupt nicht in die Generaldebatte, sondern in die Spezialdeoatte zu ß 10 bzw. 8 20 der Regierungsvorlage, und an eine Aenderung der verfassungsmäßigen Stellung der Zweiten Kammer hat überhaupt kein Mensch gedacht. Die beiden anderen Fragen find vollends rein akademischer Natur, und es war durchaus gerechtfertigt, wenn ein Redner ihre Erörterung in der Deputation als entbehrlich bezeichnete. Weit mehr den Charakter einer Generaldebatte trug die Spezial- debatte über 8 1 der Regierungsvorlage. Es heißt darüber in dem Bericht: „Dabei wurde in Anregung gebracht, da man sich sonst sofort auch über das Prinzip der Kommunalwahlen entscheiden müße, die Beratung auf die Art der Wahlen und die Abgrenzung der Wahlkreise zu beschränken. Setze man zunächst die Wahlkreise fest unter Ausscheidung der eventuell kür die Kommunalwahlen zu be stimmenden, so werde man bezüglich der Verhältniswahlen leichter zu einem bestimmten Ergebnis gelangen. Die Wahlkreise möchten so bestimmt werden, und zwar durch Gesetz, daß die exemten Städte für sich, die mittleren Städte ebenso kür sich und die kleineren Städte zusammen mit dem platten Lande besondere Wahlkreise bildeten. Dieser Vorschlag stieß in der Deputation auf mehrfachen Wider spruch. Von verschiedenen Rednern wurde gewünscht, daß man über die 1 bis 6 zunächst hinweggehe und sofort den Abschnitt des Gesetzentwurfes, der die Wahlen durch Kommunalverbände be handelt, in Beratung ziehe. Von anderer Seite wurde gewünscht, daß man zuvörderst über das Prinzip, ob direkte oder indirekte Wahl sich schlüssig mache, von dritter Seite, daß man in erster Linie den Gesetzentwurf als Ganzes behandle. Von noch anderer Seite wurde als zweckmäßig empfohlen, daß mit § 1 begonnen, die Zahl der Mgeordneten, deren Erhöhung in Aussicht zu nehmen, offen gelassen und bestimmt werde, daß die Kommunalwahlen au» die großen Städte beschränkt würden, im übrigen aber im ganzen Lande allgemeine Wahlen stattfinden sollten. Nachdem sich die Deputation dahin entschieden, daß es zunächst bei der Beratung über 8 1 bleiben solle, und man sich dahin ge einigt, daß eine Erhöhung der Zahl der Abgeordneten gegenüber der von dem Entwürfe in Aussicht genommenen Anzahl wünschens wert sei. die Regierung sich auch damit im Prinzip einverstanden erklärt hatte, brachte Mg. Langhammer nachstehenden Antrag für die Fällung von § 1 ein: Die Zweite Kammer der Ständeveftamm- lung wird ans 96 Abgeordneten gebildet, die auf Grund nachstehen der Vorschriften gewählt werden." Wie der Bericht weiter besagt, wurde dieser Antrag einstimmig angenommen. Damit war der HohentHalsche Entwurf, der die Amtshauptmannschgftcn als Grundlage für die Wahlkreiseinteilung Vorsatz, gleich zu Anfang gefallen. Die 2—6 der Regierungsvor lage brachten nur insofern eine Aenderung des bestehenden Rechts, alS stets nach Ablauf von sechs Jahren die gesamte Kammer neuaewählt werden sollte, während jetzt nach § 71 Abs. 1 der Verfassung alle zwei Jahre ein Drittel der Abgeordneten ausscheidet. Diele Päragrapben wurden von der Deputation fast einstimmig angenommen. Es folgte nun der Haupt kam Pf, die Debatte über den Ab- schnitt (Wahlen durch Kommunalverbändej und 13 (Verhältniswahlen) des Rcgierungsentwurfs. Darüber beißt es in dem Deputationsbericht: „Nebercinstimmung herrscht bei allen der Deputation als Mit glieder angehörenden Abgeordneten darüber, daß das gegenwärtige Wahlgesetz unhaltbar geworden und daß das neue Wahlgesetz da ür Vorsorge treffen müsse, daß zwar eine Anzahl Sozialdemokraten in die Zweite Kammer gelange, daß aber keine Ueberflutuug der Kammer durch staatsfeindliche Elemente eintrete." Dieser Satz kann unmöglich zutreffend sein, es sei denn, daß der Abg. Goldstein in der betr. Sitzung nicht anwesend gewesen ist. Denn kein vernünftiger Mensch wird von einem sozialdemokratischen Ver treter erwarten können, daß er selbst in einem Gesetzentwürfe Man- regeln verlangt, die seiner Partei die Erlangung von Mandaten er schweren sollen. Wahrscheinlich hat sich aber der Berichterstatter hier in dem Bestreben, kurz zu sein, nicht genügend präzis ausgcdrückl. Sollte das der Fall sein, so würde uns das mißtrauisch gegen den ganzen Bericht machen, da es nicht ausgeschlossen wäre, daß sich auch noch andere Ungenauigkciten darin finden. lieber den Gang der Beratung sagt der Bericht weiter: „Aus der einen Seite wurden die vorgeschlagenen Kommunal- wählen, wenn schon sie mehrere Redner anders gestaltet zu sehen wünschten, als Mittel zu diesem Zwecke (Vorbeugung gegen sozial demokratische Ueberflutuug der Kammer. Red.) bezeichnet und an erkannt. Es wurde insbesondere angeführt, daß man auch von wissenschaftlicher Seite mit dem gemischten System sich befreundet habe, und daß man durch Aenderung in der Form, durch Herab setzung der Zahl der durch Körperschaften zu Wählenden einer Eini gung sehr wohl näher kommen könne. Beide Berichterstatter waren darin einig, daß die Wahl durch Kommunalvcrbände nichr als in direkte Wahl anzusehen sei. (Was ist sie denn anders? Red.i Von anderer Seite wurde ein solcher Weg als völlig ungangbar bezeichnet. Namentlich wendete man sich gegen die Heranziehung von kommu nalen Körperschaften als Träger von Wahlrechten und betonte, da»; das einen völligen Bruch mit der historischen Entwicklung dcS Wahl rechts bei uns bedeuten würde. Es wurde auch bervorgcbobcn, das; man durch Einräumung eines solchen Rechts die Politik rn die Ge meindevertretungen, deren Ausgaben lediglich wirtschaftlicher Natur seien, hincintrage und daß man dadurch zwei Klassen von Abgeord neten sckfaffen würde, von denen die durch die kommunalen Körper schaften gewählten sicher als die minderen Rechts angesehen werden würden. Ein befriedigendes Resultat ließe sich nur erreichen, wenn das Wahlgesetz auf einem System beruhe. Ais solches cmf- sehle sich ein mäßiges Pluralsystem unter Beibehaltung der Ver- hältniswahl in engeren Kreisen und Einführung der freien Liften wahl. Ferner sei eine organische Neuordnung der Wahlkreise ein unbedingtes Erfordernis." Graf Hohcnthal verteidigte die Kommunalwahlcn, erklärte ferner, nicht darauf bestehen zu wollen, daß die Hälfte der Abgeordneten nach dem Kommunalprinzip gewählt werde, wildern sich mir einem Drittel zu begnügen. Er verwerfe aber sowohl ein plutokratischcs System, wie fades andere System, das zu einer Majorisierung von Bildung und Besitz durch die Malle führen würde. Hieran schloß sich eine Icbba'te. jedenfalls sehr ausgedehnte Debatte, in der folgende Vorschläge gemacht wurden. Abg. Dr. Küblmorgcn l Konst) wollte 30 Abgeordnete durch gommunalverbände wählen lallen, und zwar durch Stadl- räte und Stadtverordnete in Städten mit Revidierter Stadtc- ordnuna. durch Gemeindekolleqien in ländlichen Gemeinden bei beson derer Wahlkreiseinteilung. Aba. Andrä lKons.) emp'akl als Ersatz iür die Kommunalverbandswahlen das lwru'sständi'che Wahlwltem, ebcuio tat das der Abg. Ulrich sKons.st der die Landtagswahlcn ähnlich organi siert sehen wollen, wie es jetzt in Dresden und Chemnitz mit den Stadtvcrordnetenwahlcn der Fall ist. Tg alle diese Vorschläge aber nicht allein in der Deputation be kämpft, sondern auch vom Minister Grafen Hohcntbal als unanncbm- bar bezeichnet wurden, io machte schließlich Abg. Dr. Vogel lNatl.I, nm nicht die Verhandlungen schon damals völlig scheitern zu lassen, den Vorschlag, den Abschnitt .V (Kommiinalwahlens vorläu'ig ganz bencrte zu lallen und sich der Beratung des Abschnitt) ft lVerhänniswadlcni zuzuwenden und zu vcr'uchcn, ob man auf dickem Wege zu einer Eini gung kommen könne. Dieser Antrag wurde angenommen.
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