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streitkraft des BerdanLrs im Liurmangebiet aus 30 000 Eng länder, 800 Franzosen, 5000 Serben und 300 russische Überläufer. In Murmansk befinden sich das englische Linienschiff „Glory" und drei Minenzerstörer, in Petschenga der Kreuzer „Kokri^n", der französische Kreuzer j„Amiral Aube" und der amerikanische Kreuzer „Olympia". LLachsende Macht der Sozialrevolutionäre. Nach Moskauer Berichten verlieren die Bolschewisten' in den Gouvernements Fiatka, Ural und Twer an Boden. In Fiatka wurde nach einem kurzen Kampf im Rathause der Sowjet verhaftet. Die Verwaltung des ganzen Gouvernements haben die Sozialrevolutionäre über nommen. Der Sowjet des Ural-Gouvernements ver mochte sich noch zu halten, aber sein Sturz steht bevor. Nene großrussische Republik? Aus Moskau wird gemeldet, daß in Kaluga eine neue Regierung der sogenannten großrussischen Republik ge gründet worden ist. Die Regierung hat vorläufig den Namen eines großrussischen Verbandes angenommen und hat besonders großen Einfluß unter der Bevölkerung in den Bezirken von Kaluga, Kostroma, Jaroslau und Nischni Nowgorod gewonnen. In Kaluga wurde ein Kongreß er öffnet, an dem sich 38 Vertreter der gröberen Semstwos und Städte beteiligt hatten. Binnen kurzem soll ein all gemeiner großrussischer Kongreß stattfinden, um die Mög lichkeit zu beraten, Rußland zu retten und eine neue Re gierung zu gründen. Der großrussische Kongreß gibt bekannt, daß er unparteiisch ist und daß sich ihn, von der äußersten Linken bis zur Rechten alle, die an eine Erlösung Rußlands glauben, anschließen können. Zasans Ziele im fernen Osisv. Keine Spitze gegen Deutschland. Zürich, 21. August. Ausführliche Aufschlüffe über die Lage im fernen Osten veröffentlicht das „Berner Tagblatt". Man habe dem Präsidenten Wilson lange zusetzen müssen, ehe er seine Zustimmung zu einem Vorgehen gab. Japan traf seine Vorbereitungen, ohne die übrigen Ententestaaten zu unterrichten. Die Japaner besetzten Lie Forts von Wladiwostok und führten Befestigungen längs der Bahnlinie bis Charbin, zu denen den fremden Offizieren Ler Zutritt verboten wurde. Ferner wurde eine Feldbahn von Mukden bis Girin angelegt. Girin ist der Schlüssel zur nordöstlichen Mandschurei. Japans Ziele sind Wladiwostok, die Mandschurei und das Amur gebiet. Bei keinem dieser Ziele ist eine Richtung gegen Deutschland erkennbar, trotzdem Japan vorläufig mit dessen offenen Gegnern zusammengeht. Kein Mensch in Tokio denkt daran, gegen Deutschland den Kampf aufzunehmen. Man weiß in Japan zu gut, welche Schwierigkeiten die Versorgung des Heeres machen würde und daß die Truppennachschubslinie zweimal so lang wäre als die des Gegners. Auf dem hier ge schilderten Standpunkte steht ganz Japan. Schwieriger Nachschub für die Tschecho-Slowaken. Die inneren Verhältnisse Japans und Chinas erschweren, nach einer Pariser Darstellung, die Truppen nachschübe für die hartbedrängten Tschecho-Slowaken.! Die nächste Versailler Konferenz wird sich mit dieser dringenden Frage befassen. Der Zar als Kerenskis Gefangener. Aus oem Tagebuche Nikolaus ll. Die Veröffentlichungen aus dem Tagebuche Nikolaus II. werden in der „Jswestija" mü Aufzeichnungen aus den ersten Tagen nach de, Abdankung fortgesetzt. Da beiß« es u. a.: F^Itag. 3. Mürz. 8,2» Uhr in Mogilew angekommen. Der ganze Stab erwartete mich auf dem Bahnsteig. Alerejew kam mit den neuesten Nachrichten von Rodzianko. Also Mischa lder Großfürst Michael) bat abgedankt Sein Manifest schließt mit einem Schweifwedeln vor der Konstituante, die in sechs Monaten gewählt werden soll. Weiß Gott, wer ihn geheißen hat, solchen Quatsch zu unterschreiben. In Petersburg haben die Unruhen aufgehvrt — wenn sie doch lieber länger fortgedauert hätten! Sonntag, 18. März. Empfing heute morgen nach dem Tee General Iwanow, der von der Kommandierung zurückkam. Er war in Zarskoje Sselo und hat Alice gesehen. Was ist mit dem armen Grafen Frederiks und Woieskow ge worden, deren Anwesenheit hier alle erregt. Mittwoch, 21. März. Der letzte Tag in Mogilew. Schrieb '/-I1 Uhr Abschiedsbefeh! an die Armee. Ging v-ii Uhr zum Haus des Offiziers vom Tage, wo ich mich vom Stab und der Verwaltung verabschiedete Zu Hause Abschied von Offizieren und Kosaken des Geleites und Les freien Regiments. — Das Herz wollte mir brechen. V45 Uhr Kote Rolen. Roman von H. Courihs-Mahlsr. 82; Iostas Tagebuch. „Zuweilen, ja. Aber in diesem Falle gehörte kein Scharfsinn Lazu. Wenn du so tränmerisch sehnsüchtig in die Ferne siehst, kannst du doch nur an deine Braut denken," sagte sie scheinbar in schelmischer Heiter keit, während doch ein grollender Schmerz an ihrem Herzen fraß, und eine wilde Eifersucht. „Wenn du nicht du wärst, Gerlinde, dann würde ich jetzt eine galante Lüge auftischen und dir antworten, daß man in Gegenwart einer schönen Frau doch nur an diese denken darf. Aber zu einer solchen Phrase stelle ich dich diel zu hoch. Ich dachte wirklich au Josta und fragte mich, ob ihr kastanienbraunes Haar >0 gut zu diesem Königsblau stimmen würde wie dein blondes." Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Joh verstehe dich vollkommen, Rainer, vielleicht besser in dieser Sache, als du selbst. Josta hat wundervolles Haar, ist überhaupt eine ganz entzückende Persönlichkeit, und wenn meine Wünsche Macht hätten, dann müßtest du mit ihr sehr glücklich werden. Aber — aber! Wünsche sind leider machtlos." Ein wenig beklommen sah er sie an. „Dies „aber" hat einen so sel-samen Nachdruck, Gerlinde. Zweifelst du daran, daß ich mit Josta glück- lich werde?" Sie sah ihn sonderbar an. Dann machte sie eine hastig abwehrende Bewegung. „Frage mich nicht — sprechen wir von etwas anderem," sagte sie schnell. Aber sie wünschte, daß er weiter in sie dringen möge, denn sie wollte reden, wollte Zweifel in sein Herz streuen. Und er tat, was sie begehrte. „Wenn ich dich nun bitte, mir diese Frage zu beantworten, Gerlinde?" 1 Sie zuckte die Achseln und warf ihre Zigarette in die Aschenschale. Abfahrt von Mogilew. Rührend die Volksmenge, die mich begleitete. Vier Mitglieder (des Petersburger Arbeiter- fowjets) in meinem Zuge. Schwer, web und sehn suchtsvoll. Donnerstag. 22. März. Rasch und wohlbehalten um V-12 Uhr in Zarskoje Sselo angekommen. Gott, welch ein Unterschied! Auf der Straße und rings um Las Schloß, selbst im Park Schildwachen. Ging hinauf und sah Alice, mein Seelchen, und die lieben Kinder. Sie blickte tapfer , und gesund drein. Alle waren in einem dunklen Zimmer wegen der Masern. Aber fühlten sich wohl, außer Marie, bei der die Maiern kürzlich anaefanaen haben. Freitag, 23. März. Ungeachtet der Bedingungen, unter denen wir hier leben, freut und tröstet der Gedanke, daß wir. alle zusammen sind. Sah Papiere durch, ordnete und ver brannte viele. Ging mit Dolgoruki spazieren, begleitet von Fähnrichen: sie waren heute liebenswürdiger. Sonnabend, 24. März. Empfing morgens Denkendorf; erfichr von ihm, daß wir hier ziemlich lange bleiben. Das ist ein angenehmes Bewußtsein. Verbrannte wieder Briefe und Papiere. Anastasia hat ein Ohrenleiden — dasselbe wie die übrigen. - Ehren -Tafel der in den Kämpfen um Deutschlands Ruhm und Fortbestehen gefallenen Helden aus Wilsdruff und den Orten der Umgebung. Armin Glathe aus Wilsdruff. Paul Schirmer aus Wilsdruff. Bruno Emil Wagner aus Wilsdruff. Walter Maiwald aus Wilsdruff. Bruno Hermsdorf aus Kaufbach. Martin Schulze aus Klipphaufen. Dr. phil. Alfred Stange aus Röhrsdorf. Curt Mehlig aus Lampersdorf. Alfred Amold aus Lotzen. Erwin Naundorf aus Schmiedewalde. Ehre den Tapferen! Sie ruhen sanft, die ausgerungen Nach tapfrem Kampf in deutscher Treu, Der Schlachtsnlärm ist nun verklungen, ' Auf ihren Gräbern grünt's einst neu. Was ihr getan, wird ewig leben Im Vaterland bei alt und jung. Und stille wird ihr Grab umschweben Der Engel der Erinnerung. Es folgen eine Reihe ähnlicher Eintragungen, die erftune» lasten, daß die Tage bis Anfang April ziemlich eintönig ver liefen. Aufmerksamkeit verdient das Blatt vom 5. Wn! mtt dem Hinweis daraus, daß der Zar sich zur Abreise nach England vorbereitet. Die Hoffnung auf die Möglichkeit einer hindernislosen Abreise erhielt er durch die Regierung Lwow-Kerenski. In den Papieren findet sich ein chiffrierter Brief des Fürsten Lwow an den Zaren, worin der Fürst ver spricht, ibn nach Murman zu bringen. Kerenski har vor dem Volk und selbst vor dem Petersburger Arbeiterrat diese Über einkunft mit dem Zaren verborgen gehalten. Donnerstag, S. April. Sachen und Bücher in Ordnuns gebracht, begann alles herauszulegen, was ich mit mir nehme,, will, wenn es zurLieise nach England kommt. Freilag, v. April. Mrensn oeriuml, uwere FreweNen zu verkürzen, und bezieht sich zu seiner Rechtfertigung auf den Arbeiter- und Soldatenrat. Montag, 9. April. Begannen zu fasten, aber das Fasten begann nicht mit Freude. Nach -er Mittagsmeste ivar Kerenski hier und bat, unsere Begegnungen auf die Zeit der Mahlzeiten zu beschränken und mit den Kindern gesondert zu sitzen: das wäre für ihn gewissermaßen notwendig, um den berühmten Arbeiter- und Soldatenrat in Ruhe zu halten. — Zur Ver meidung irgendwelcher Gewalt muß man sich fügen. . »irinrmMiMlM Wini cmiMWW,»,! 1 „rziever Freuno, wie wir zusammen stehen, kann ich dir nur ehrlich auf solch eine Frage antworten. Mit einer Phrase kann ich dich nicht abfinden. Aber antworte ich dir ehrlich, dann müßte ich dich beun ruhigen, und das will ich nicht." Jedes ihrer Worte war schlau und bedachtsam gewählt. Er richtete sich straff empor. „Wenn ich beruhigt werden könnte, Gerlinde, dann müßten es schon deine Worte tnu. Jetzt mutzt du mir ehrlich und rückhaltlos antworten! Zweifelst du, daß ich mit Josta glücklich werde?" Eine Weile zögerte sie wie im Kampf mit sich selbst. Und doch brannte sie darauf, ihn unruhig zu machen und an der Scheidewand zwischen ihm und Josta zu bauen. Stein um Stein wollte sie achtsam und geduldig aufbauen, bis die Mauer so hoch war, Latz die beiden Menschen sich darüber nicht einmal diH Hände mehr reichen konnten. Ihr Zögern galt nur noch dem Bedenken, wie sie am besten ihre Wort« wählen konnte, um ihren Zweck zu erreichen Sens',end legte sie endlich die Hände zusammen. Dann sagte sie halblaut: „Lieber Vetter, eigentlich ist es unrecht von dir, mich so zu zwingen. Aber du willst Offenheit — und so sollst du sie haben. Ich habe mir in diesen! Tagen selbst ein Urteil gebildet über dich und Jvstq und über euer Verhältnis zueinander. Du liebst Josta, das weiß ich nun. Jene alte Neigung ist in Sir er storben. Ich möchte fast sagen — leider. Wäre diese Neigung noch nicht erloschen, dann "wärst du imstande mit ruhigen Gefühlen neben deiner jungen Gattin dahin zu leben und mit dem zufrieden zu sein, was sie dir bietet. Aber da du sie liebst, wirst du Liebe fordern — und Josta liebt dich nicht. Sie sieht in dir den guten alten Onkel Rainer und wird ihn immer in dir sehen. Ihre Jugend kann sich nicht mit heißen Gefühlen zu dir finden — wird es nie tun. Ich glaube, sie würde zu Tobe erschrecken, merkte sie, daß du anders an sie denkst als der gute Onkel Rainer. Ja — wärst du jung, — wie dein Bruder Henning! — Die weiteren Auszeichnungen zeigen, wie sich Kerenski immer mehr zum Herrn des Schicksals des kaiserlichen Gefangene» machte. Am 3. Juni. Nach dem Morgentee kam unerwartet Kerenski im Auto aus der Stadt. Er blieb bei mir nicht lange: er bat mich, der Untersuchungkommission irgendwelche - Papiere oder Briefe zu schicken, welche sich auf die innere Politik beziehen. Und dann kommt der innerliche Zusammenbruch. Der Zar ist ohne Hoffnung, daß sich sein Schicksal wendet. Am 9. Juli. Es sind genau drei Monate, daß ich aus Mohilew gekommen bin, und daß wir hier wie Gefangene leben. Es ist schwer ohne Nachrichten von der lieben Maurn ill sein. Im übrigen ist mir alles gleichgültig. Erfahrungen eines äeulleben Auslauscb-Gefangenen. Briefen eines aus Frankreich ausgetauschten, in der Schweiz internierten deutschen Kriegsgefangenen, Sohn eines schlesischen Druckereibesitzers, entnehmen wir trostlose Schilderungen über die Niederträchtigkeiten, denen die deutschen Kriegsgefangenen bis zum letzten Augenblick, namentlich auf dem Transport nach der Schweizer Grenze, ausgesetzt waren Wörtlich heißt es u. a: „Während unser Transport von Boyardville nach Moulins einigermaßen organisiert war, wurden wir auf der Fahrt nach Moulins geradezu wie das Vieh behandelt. . . . Die Verpflegung bestand für jeden von uns aus vier Sardinen, einem kleinen Stückchen Brot und einem winzigen Stück Käse für die zwanz.ßstündige Fahrt. Das Mitführen von Wein war verboten und bei der Leibesuntersuchung Vorgefundenes wurde ohne weiteres eingezogen. Trotzdem der Transport führer von jedem vsn uns seinen Barbestand mitführts, wurde uns nicht erlaubt, irgendwelche Einkäufe zu machen. Wasser erhielten wir erst nach vielen Beschwerden. Da gegen war es uns strengstens verboten, während der ganzen Fahrt zur Verrichtung unserer Notdurft auch nur ein einziges Mal auszusteigen, auch wenn der Zug längeren Aufenthalt hatte. Und als man darauf drang mit dem Bemerken, daß dieser Luruszug nicht einmal Aborte enthalte, würbe uns geantwortet: „Für euch dreckige Boches sind Schweine wagen gut genug." Nachdem der Schreiber ausführlich die unwürdige und jeder Menschlichkeit hobnsprechende Behandlung in der Gefangenschaft selbst beschrieben hat, liefert er in weiteren Ausführungen den Beweis dafür, einen wie unauslösch lichen Haß die an unsern unglücklichen Kriegsgefangenen verübten Grausamkeiten hervorgerufen haben. Wenn sich ein gebildeter junger Deutscher zu arg beschimpfenden Aus drücken des Gegners Hinreißen läßt und Sätze schreibt wie: „Von ihrer Kultur und Zivilisation hat uns diese Hunde nation einen schlagenden Beweis gegeben!", „den Leuten, die ich einmal zur Ausbildung unter die Finger bekomme, will ich einen Haß gegen dieses Gesindel in ihre Herzen pflanzen, daß ihnen die Zornesröte ins Gesicht steigt und sie die Fäuste ballen, wenn sie nur den Namen Franzose hören", „was diese verfluchte Hundenation unseren armen Kriegsgefangenen gegenüber auf dem Gewissen hat, das wird wohl zum großen Teile erst nach dem Kriege in weiten deutschen Kreisen bekannt werden", „darum, fort mit dem naiven Märchen vsn der Ritterlichkeit des Frpnzosen! Vor den Staatsanwalt mit jedem, der dieses billige Schlag wort noch einmal gebraucht, das den Gefühlen eines Kriegsgefangenen mit Fäusten ins Gesicht schlägt!" — dann ist wohl am deutlichsten die bedauerliche Tatsache dargetan, wie sehr die deutschen Kriegsgefangenen unter den Qualen ihrer Peiniger gelitten haben. Me <Ler Krieg verlängert wircl. Im englischen Unterhaus hat ein Vertreter Ler pazi fistischen Gruppe die Regierung gebeien, alle FrieLensmög- lichkeiten zu erwägen. Balfour aber sah als Vertreter Lieser Regierung seine Aufgabe Larin, vor einem FrieLen mit Deutschland gruselig zu machen. „Das wahre Hinder nis für Len Frieden mit Deutschland ist der deutsche Mili tarismus. . . . Wenden 5ie nur den Blick nach Polen, Belgien und der Ukraine. Die deutschen Heere haben aus diesen Ländern Wüsten gemacht. Diese Länder zeigen, was ein deutscher Frieden bedeutet." Stanoe nicht dies alte Gewohnheitsgefühl zwischen euch — dann wäre das etwas anderes. Hättest du sie wenigstens lange Jahre nicht gesehen und trätest gleich sam als Neuerscheinung in ihr Leben — dann' wäre es wohl möglich, sie lernte dich lieben. Aber so mein lieber Freund, wirst du in deiner Ehe nur das er reichen, daß du immer für sie Onkel Rainer bleibst. Und ich kann nur aus tiefstem Herzen wünschen, Latz in ihrem jungen Herzen niemals eine große Leiden schaft für einen Andern erwacht. Dann wird ja eure Ehe immerhin eine relativ harmonische sein können. Und das will ich dir von ganzem Herzen wünschen." Graf Rainer sah mit zusammengepreßten Lippen starr vor sich hin. Der charakteristische Zug um seinen ausdrucksvollen Mund vertiefte sich zu einer herben Linie. Er war nur zu sehr davon überzeugt, daß Gerlinde recht hatte. Waren es doch Zug um Zug« seine eigenen grübelnden Gedanken, die sie aussprach'. Aber es ist immerhin ein Unterschied, ob man etwas in einer unbestimmten Unruhe selrst denkt, oder ob uns ein Anderer in klaren Worten die eigenen Gedanken gleichsam lebendig macht. Wenn er sich auch selbst in seiner neu erwachten Liebe zu Josta so jung vorkam, wie er sich seit Jahren nicht gefühlt, wenn sein Blut auch noch so stürmfich fordernd und ungestüm durch die Adern rollte — Josta würde nicht an seine Jugend glauben. Die siebzehn Jahre, die zwischen ihnen standen und die seine junge Liebe kühn übersprungen hatte, würden sich in Iostas Augen verdoppeln. Für sie war er alt — z« aktt So dachte er. Und am tiefsten traf ihn in Gerlindes Worte» zweierlei: „Wärst du jung, wie dein Bruder Henning", und „ich kann nur aus tiefstem Herzen wünschen, Latz in ihrem jungen Herzen niemals eine große Leidenschaft für einen Anderen erwacht." O, Gerlinde hatte ihre Worte gut gewählt. Wie ihn das quälte und folterte, wie ihn eine heimliche Angst glühend packte und ihn nun nicht mehr losließ. Hatte er selbst Nicht seinen Bruder um seine Jugend beneiden müssen, als er ihn Josta gegenüber sah?