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hervor, daß es das Beste sei, Bulgarien sich selbst zu überlassen. Solche Politik konvenire allen europäischen Staaten unzweifelhaft. England wünsche nur die Freiheit und Unabhänigkeit Bulgariens, Deutschland babe stets erklärt, daß ihm Bulgarien eine gleichgültige Angelegenheit sei, Oesterreich wünsche die Aufrechterhaltung des territoriellen 8tg.tn8 c;uo und Ruß land strebe wohl als höchste Genugthuung für die Tapferkeit seiner Soldaten, welche für die Freiheit Bulgariens geblutet, ein blühendes, zufriedenes Bulgarien an. Auf die jüngste Kaiserbegegnung übergehend, sagte Salisbury der jetzige Kaiser von Deutschland habe vom Anbeginn seiner Herrschaft an den hohen Sinn für den Werth des Friedens nicht nur für die Mensch heit, sondern auch für sein Reich, welchem der Friede ein absolutes Be- dürfniß sei und ohne welchen es alle die herrlichen Ergebnisse, welche es gewonnen, aufs Spiel setzen würde, gezeigt. Er (Salisbury) sei über rascht über die düsteren Erwartungen, welche an die Kaiserznsammenkunft geknüpft wurden. Deutschland habe, wie England, Alles das gewonnen, was es nur gewinnen konnte, und wünsche nur, daß es seinem Volke gestattet sei, seine eigene moralische und industrielle Entwickelung auf der Grundlage der bestehenden territorialen Arrangements zu verfolgen. Dieser Geist beseele den deutschen Kaiser. Er (Salisbury) sei überzeugt, die Unteredung zwischen den beiden Kaisern gebe dem Zaren , der sich stets offen, ehrlich und aufs Höchste dem Interesse des Friedens gewidmet, die Kraft, seinem Volke eine ebensolche Politik aufzulegen und die Bildung einer großen Friedensliga zu empfehlen, die keine andere Macht brechen könne. Frieden zwischen Rußland und Deutschland bedeute Frieden mit Oesterreich und mit allen Ländern, wo die Aufrechterhaltung ver jetzigen Zustände eine gebietrischs Nothwendigket sei, er bedeute aber auch Friede und Ruhe für die, welche auf Grund Englands maritimer Interessen stetts ein hohes Interesse für England haben müssen. Er glaube daher, die jüngsten Ereignisse würden zum Frieden beitragen. Englands Be strebungen seien selbstverständlich auf Erhaltung des Friedens gerichtet. Der Papst ließ den Kirchenfürsten und hohen Würdenträgern ver künden, für den 15. October Vorbereitungen zu treffen, um Kaiser Wil helm bei seinem Besuch im Vatikan mit höchstem Pompe zu empfangen. Die französische Regierung hatte vorige Mittwoch aus Anlaß des Begräbnisses des gewesenen Communegenerals Eudes thatkräftige Maß regeln getroffen, um die weitere Ausdehnung der Gewaltthätigkeiten, die sich an die Streikbewegung geheftet haben, zu verhindern. Sie hatte der Polizei energische Weisungen gegeben, Militär in Bereitschaft gehalten und die Arbeitsbörse geschlossen, die zu einem guten Zwecke gegründet, allmäh lich aber zum Centrum der revolutionären Seite des Streikes geworden war. Die Presse aller nichtsozialistischen Parteien hatte in den letzen Tagen die Regierung immer dringender zu einer kräftigeren Haltung aufgefordert, damit die Verüber von Gewaltthaten nicht mehr meinen könnten, sie dürften auf die Nachsicht oder die Lässigkeit des Ministeriums Flvquet zählen. Diese Aufforderung knüpfte sich an die Wahrnehmung, daß der Streik aus dem Rahmen einer rein ökonomischen Angelegenheit längst herausgetreten und zu einem Versuchswerkzeug aller revolutionären Elemente, der Sozia listen und Communisten nicht blos, sondern auch der Anarchisten geworden ist. Es fehlte auch nicht an Behauptungen, daß hinter den Förderern des Streikes die Monarchisten stimden, ja es wurde sogar angedcutet, die Rädelsführer seien mit fremdem, natürlich deutschem Geld gekauft. Der letztere Unsinn fand allerdings wenig Glauben, aber er durfte nicht fehlen, sonst hätte die Weisheit der Pariser Presse nicht in vollem Glanze gestrahlt. Daß in Paris revolutionärer Zündstoff genug vorhanden ist und es der Brandlegung durch auswärtige Hände nicht bedarf, leuchtet jedem Kundigen ohnehin ein. Es ist freilich dem Ministerpräsidenten Floquet mit seiner plötzlichen Entschlossenheit nicht gelungen, Blutvergießen zn verhüten, und so ist „General" Eudes ebenso begraben worden, wie er gelebt hat und gestorben ist: uuter dem blutigen Hader seiner Mitbürger. Es wird sich zeigen, ob Floquet für die Zukunft erfolgreicher ist, und ob er in dieser schwierigen Zeit seine Hauptaufgabe zu lösen vermag: Jedermann, auch den Arbeitern, die freie Bewegung, auch auf dem wirthschaftlichsn Gebiete zu wahren, aber auch jeden Versuch zu Gewaltthaten zu unterdrücken und überhaupt die Ordnung aufrecht zu erhalten. In einem politisch so freien Staate, wie die französische Republik es ist, kann schon der Gedanke an Gewaltthaten ein Verbrechen genannt werden. Die Regierung Floquets muß freilich jetzt auch für den Umstand büßen, daß bisher so wenig für die arbeitenden Klassen geschehen ist, und die Last dieser Verschuldung der Republik ist keine geringe. Wateeländis-cheH. — Wilsdruff Sich dafür interessirenden Landwirthen diene zur Notiz, daß auf den Rittergutsfeldern zu Limbach diese Woche eine neue Mäh- und Bindemaschine in Weizen arbeitet. Herr Rilicr- gutspachter Andrä ist recht gern bereit, sich vorher auf dem Ritterguts hofe Meldenden die Besichtigung dieser Maschine während der Arbeit auf dem Felde zu gestatten. — Ein Taubstummer, Namens Karl Döring, hat die behördliche Erlaubniß zur Kolportage einer Brochüre erhalten, betitelt: „Ueber Ath- mung" nebst Anleitung zum Betriebe der wichtigsten und heilsamsten Uebungen für die Athmungsorgane, ein kleiner Beitrag zur Gesundheits lehre für Jung und Alt, Preis 60 Pf. Der Reingewinn aus dem Ver kaufe soll einem Fond für unglückliche und bedürftige Taubstumme über wiesen werden. Es ist deshalb zn wünschen, daß Viele um des guten Zweckes willen, das Loos der unglücklichen Taubstummen zu lindern, das Schriftchen kaufen werden. — Das Ministerium des Innern giebt bekannt, daß das ReichSge- sctz über die Unfall- und Krankenversicherung der in land- und forst- wirthschaftlichen Betrieben beschäftigten Personen gleichzeitig mit dem cin- schlagenden sächsischen Landesgesetz am 1. Januar 1889 in Kraft tritt. — Ein 15 Jahre alter Fortbildungsschüler, der im Jahre 1873 in Mülsen St. Micheln geborene, in Rödlitz wohnhafte Fleischer lehrling Franz Emil Gehlert benahm sich in der Schule seinem Lehrer Thust gegenüber thätlich und wörtlich in gröblichster Weise, so daß die Zwickauer Strafkammer den Knaben zu sechs Monaten Gefängniß verurtheilte. — Einer unverzeihlichen Rohheit machte fick am 6. d. M. ein Fleischer in Olbernhau schuldig, als beim Heueinfahren von einer Wiese am Armenhauswege das Pferd den beladenen Wagen nicht auf den Weg heraus ziehen konnte. Zunächst traktirte er das ausgespannte Pferd unbarmherzig mit dem umgekehrten Peitschenstocke durch Schläge auf den Kopf und trieb es dann aus dem Weg zu schnellster Gangart, bis das erschöpfte Thier nach kaum 40 Schritten hinstürzte, wobei es sich die Beine total zerschlug. Das von Blut triefende Thier vermochte sich nicht wieder zu erheben und mußte getödtet werden. Diese Thierquälerei wird ihre verdiente Strafe finden, da bereits Anzeige erstattet ist. — Eine große Sonderfahrt wird Sonntag den 19. August von Chemnitz aus stattfinden. Die Arbeiter der dortigen Werkstätten der Staatsbahn werden an diesem Tag mii ihren Angehörigen in Stärke von etwa 4000 Personen in ausschließlich für dieselben bestimmten 3 bis 4 Sonderzügen nach Dresden zum Besuche der Sehenswürdigkeiten fahren. Die König!. General-Direction hat diesen ihren Arbeitern den außerordentlich billigen Fahrpreis von 1 Mk. für die Hin- und Rückfahrt zugebilligt. In Dresden sind den Theilnehmern an dieser Fahrt sämmtiche Museen, sowie der Zoologische Garten re. frei bez. zu bedeutend ermäßigten Ein trittspreisen geöffnet. — Plauen. In der letzten Sitzung der hiesigen 1. Ferienstraf kammer wurde der Ceme-twaarenfabrikant Kern in Plauen wegen ver suchter Beamtenbestechung zu 2 Monaten Gefängniß verurtheilt. Derselbe hatte, als im Jahre 1885 seitens des hiesigen Stadtrathes die Ueberdcckung des Syrabaches geplant war, wiederholt mit Stadtbauinspector Knöfel auf dem Stadtbauamt wegen Uebertragung von Material zu der genannten Ueberdeckung gesprochen. Es ist nun Kern zur Last gelegt wor den, daß er bei einer dieser Unterredungen sem Portemonnaie gezogen, aus demselben ein Päckchen Banknoten heraus genommen und dasselbe dem Stadtbauinspector hingehalten, also angeboten habe, und zwar zu dem Zwecke, denselben zu bestimmen, beim hiesigen Stadtrathe seinen technischen Enfluß zu seinen (Kern's) Gunsten geltend zu machen. — Der durch den Schuß eines böhmischen Wilderers verwundete und seitdem schwer darniederliegende Waldheger Jacubasch in Steinbach bei Jöhstadt ist nun doch seinen Verletzungen erlegen, und am 9. d. M. fand unter zahlreicher Betheiligung seiner Berufsgenossen die Beerdigung des Verstorbenen statt. Der diesem vorgesetzte Oberforstmeister legte in einer markig herzlichen Ansprache rühmlich Zeugniß ab von dem Diensteifer und der Berufstreue des Verstorbenen und versicherte daß man dessen An denken als das eines Ehrenmannes allezeit in Ehren halten werde. Der Verewigte hinterläßt 5 kleinere Kinder in tiefem Elende. — In der Nacht vom Dienstag zu Mittwoch ereignete sich in dem unmittelbar an der sächsischen Grenze liegenden Forstrevier von Platten ein bedauerlicher Unglücksfall. Ein dortiger Forstbeamter sah einen auf Patrouille befindlicher österreichischen Gendarm in der Dunkelheit als einen Wilddieb an und gab auf ihn einen Schrotschuß ab, welcherden Unglück lichen in den Kopf traf. Man hat wenig Hoffnung, den Verwundeten am Leben zu erhalten, da ihm nicht weniger als 13 Schrotkörner in den Kopf gedrungen sind. — Bisckofsweroa, 10. August. Gestern Abend 6 V» Uhr ging auf der Flur des Ritterguts Putzkau ein großer Luftballon nieder. Ein gezogene Erkundigungen ergaben, daß es der Nachmittags 1 Uhr in Berlin abgelafsene Ballon st des daselbst stationirten Lustschifferbataillons war. Zwei Officiere und ein Mann bildeten die Besetzung der Gondel. Dieselben kehrten mit dem Abends 9 Uhr 35 Minuten von Neukirch abgehenden Zuge über Bischofswerda und Dresden nach Berlin zurück. Der Ballon wurde in Neukirch als Frachtgut aufgeben. Die Landung war ohne alle Schwierigkeiten vollzogen worden und die Fahrt vom schönsten Wetter begünstigt. Man hätte von leichtem Nordwind getrieben, die Fahrt auch noch verlängern können, wenn nicht die Nähe der österreichischen Grenze ein Herablassen geboten hätte. Für den Beobachter war es ein interessanter Anblick, als Ler Ballon zunächst in der Größe des Mondes, von der Sonne hell beleuchtet, am nördlichen Himmel erschien, sich langsam vorwärts bewegte und dann nach Oeffnung des Ventils sich allmählig senkte. Die Gondel war anfangs mit bloßen Augen nicht erkennbar. Dem Vernehmen nach hatte man eine Höhe von 3000 Metern erreicht. — Zur Nachachtung für Gast- und Schankwirthe. Die Redaction des „Sächsischen Wochenblattes beantwortet eine Anfrage betreffs der Zu lässigkeit des Zumessens von Bier beim Bierverkauf über die Straße mit Biergläsern in folgender Weise: Das Gebühren eines Gast- oder Sckank- wirthes beim Abholen von Bier über die Straße, solches mit dem Bier glas statt des geaichten Maßes zuzumessen, erscheint unzulässig und nach 8 369,2 des Reichsstrafgesetzbuches strafbar; denn zum „Zumessen" im öffentlichen Verkehr dürfen nur solche Maße angewendet werden, welche von den Aichungsämtern gehörig abgestempelt sind (Art. 14 und 15 des R.-F. vom 17. August 1868). Die nur mit einem „Füllstrich" ver sehenen „Schankgefäße" sind nur für die „Verabreichung" (in und mit dem Gefäße) zulässig, nicht aber zu sonstigem Zumessen im öffentlichen Verkehr, da die Anbringung des Füllstriches ohne aichamtliche Mitwirkung und Beglaubigung erfolgt. R.-G. vom 20. Juli 1881, Sächs. V. v. 16. März 1883.' — Ueber die Entfernung von fremden Körpern aus dem Auge theilt ein amerikanischer Arzt folgendes mit: Derselbe befand sich auf einer Lo komotive, als ihm ein Stückchen Asche in's Auge flog, welches sogleich den heftigsten Schmerz verursachte. Durch Reiben mit der Hand versuchte er dasselbe zu entfernen, als ihm der Führer der Lokomotive den Rath gab, nicht das betroffene Auge, sondern vielmehr das andre Auge zu reiben. Der Arzt befolgte nun den Rath, und nach minutenlangem Reiben bewegte sich das Aschkorn nach dem inneren Augenwikel zu, wo es leicht entfernt werden konnte. Der betreffende Arzt hat diese einfache Weise nachher oft angewendet und versichert, niemals einen Mißerfolg gehabt zu haben, wenn nicht der fremde Körper so scharf war, daß er den Augapfel geritzt hatte und nur mittelst Operation entfernt werden konnte. Ein Kleeblatt. Skizze aus Berlin von Ludwig Habicht. (Schluß.) Langsam wanderte der Beamte jetzt auf der andern Seite der Straße auf und ab. Er hatte die Brille abgcnommcn, sein Gang war jetzt leb hafter, und er zeigte nunmehr das Ansehen eines Liebhabers, der zu einem Rendezvous bestellt worden und ungeduldig zu den Fenstern seiner Ange beteten hinaufsteht; denn er drehte immer bald wieder um und blickte auf merksam zum ersten Stock des Nachbarhauses empor, während seine Augen heimlich zum Keller schweifen, der für ihn solch' theure Insassen barg. Er sah mehrmals nach der Uhr und wurde ungeduloig. Die herbei gerufene Hilfe mußte schon da sein, und noch immer ließ sich Niemand blicken. — Wenn uun der nichtswürdige Dienstmann den Zettel dennoch nicht abgegeben hatte? Vielleicht wäre es besser gewesen, gewartet zu ha ben, bis sich ein Schutzmann sehen ließ. Konnte dem Burschen der Auf trag nicht bedenklich erschienen sein? Solche Leute wittern immer für sich selbst irgend ein Unheil, wenn sie mit der Polizei in Berührung kommen, und am Ende hat der Mensch den Zettel geöffnet und gelesen. Freilich mußte ihm sein Inhalt dunkel genug sein, denn der Commisfär hatte nur geschrieben: „Erwarte einige Freunde sofort, um das Wiedersehen der Joppe zu feiern. Rendezvous in der Mitrailleuse. Telegraphiren Sie dies augenblicklich an's Hauptamt." — Wie die Gaunerwelt sich ihre besondere Sprache erfunden, so ist auch die Polizei zum Theil ihrem Beispiel gefolgt und sucht ihre gegenseitigen Mittheilungen gern in Schleier zu hülftn. Besonders erhalten die ver dächtigen Lokale Bezeichnungen, die nur wieder der Polizei bekannt sind, und so war dieser Keller von ihr „Mitrailleuse" genannt worden. Länger als zwei Stunden waren verstrichen, und noch immer ließ sich Niemand sehen. Zum Glück blieb das mächtige Haupt des „starken August" noch immer an seinem Platze, und so waren auch gewiß noch seine Kameraden vorhanden, die der Commisfär freilich bei seinem Vorüber wandern nicht bemerken konnte. Schwerlich hatten sie daran gedacht, sich