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besteiguug Kaiser Wilhelms anzusehen ist. Nachdem das bekannte un- fläthige Flugblatt, womit man den Regierungsantritt Kaiser Friedrichs zu beantworten wagte, der Partei einen folgenschweren Proceß eingebracht hatte, glaubte man diesmal eine weniger gefahrvolle Demonstration in Scene setzen zu können. Man klebte daher die kleinen rothen Plakate mit der Aufschrift: „Antwort: Hoch lebe die Sozialdemokratie!" genau unter die Stelle der kaiserlichen Thronrede, welche die Umsturzbestrebungen berührt. Die Polizei hatte schon vorher Kenntniß von der Sache erhalten und war deshalb zahlreich zu Platze, da sonst die vollständige Vereitelung der Demonstration wohl kaum möglich gewesen wäre. Die Nachrichten von Beleidigungen, denen deutsche Reisende in Frank reich ausgesetzt sind, mehren sich von Tag zu Tag. Am 3. d. M. erschien, wie die „Nordd. Allg. Ztg." mittheilt, vor dem Grenzpolizeikommissar zu Deutsch-Avricourt der Spediteur Franz Dietsche aus Freiburg, um über die Behandlung, welche ihm auf der Reise von Paris nach der deutschen Grenze zutheil geworden war, Klage zu führen. Nach dem vor dem ge nannten Beamten aufgenommenen Protokoll hat sich Dietsche während der Fahrt mit einem mitreisenden Herrn in deutscher Sprache unterhalten. Als der Zug in Frourard ankam, sprang der dritte Insasse des Coupees, ein Franzose, auf, trat mit geballten Fäusten zwischen die Reisegefährten und beschimpfte dieselben, nachdem er sie als „Preußen" bezeichnet hatte, in Ausdrücken, welche sich ihrer Unftäthigkeit halber der Wiedergabe ent ziehen. Unter Wiederholung dieser Beschimpfungen verließ der Franzose das Coupee. Da sich in dem Waggon viele französische Soldaten befan den, ließen Dietsche und Genosse aus berechtigter Furcht vor Mißhandlung jene Beleidigung ruhig über sich ergehen. Sie sahen sich sogar veranlaßt, die Unterhaltung in deutscher Sprache aufzugeben. Dieser Vorfall zeigt die Art der Gastfreundschaft unserer Nachbarn Deutschen gegenüber aus's Neue in Hellem Lichte. Es genügt, deutsch zu reden, um sich den schimpf lichsten Beleidigungen auszusetzen. Solche Erfahrungen beweisen aber auch, daß Reichsangehörige es vermeiden sollten, den französischen Boden zu betreten. Sicher wäre es das Weiseste, jene Leute mit ihrem wilden Deutschenhasse sich selbst zu überlassen und, wenn möglich, gar nicht mit ihnen in Verbindung zu treten. Paris. Ein angebliches Wiener Telegramm des „Matin" erregt Besorgniß. Danach werde Kaiser Wilhelm dem Czaren nachweisen, daß Frankreich als Herd der Revolutionen und Revanche-Ideen eine bestän dige Bedrohung des Friedens sei. Er werde eine theilweise Abrüstung sämmtlicher Mächte Vorschlägen. Frankreich werde gezwungen werden, eudgiltig ans die Reichslande zu verzichten, die Revanche-Gesellschaften aufzulösen und die Armee zu entlassen. Nur Eolonialtruppen und Gen darmerie würden ihm gelassen. Rußland würde nur in seinen europäi schen Besitzungen abrüsten. Die Zustimmung des Czaren sei gesichert. Auch in den Deputirtenkreisen coursirt die Nachricht, Graf Herbert Bis marck werde hierher kommen, um Frankreich zur theilweisen Abrüstung zu nöthigen, nachdem der deutsche Kaiser hierzu die Zustimmung des Czaren erlangt hat. Die Regierung soll darüber in der Kammer interpellirt werden. Chicago, 18. Juli. Bei einer gestern hier vorgenommenen Haus suchung wurden ein Dutzend Dynamitbomben, ein Revolver und ein Dolch aufgefunden und 3 Personen in Haft genommen. Nach der Angabe des Polizeikommissärs Bonfield hätte schon seit längerer Zeit eine Verschwörung bestanden, die gestern habe zum Ausbruch kommen sollen. Gegen 20 von den Theilnehmern an dem Komplot hätten beabsichtigt, gestern Abend die Wohnhäuser der Richter Gary und Grinnel uud anderer an dem jüngsten Anarchistenprocesse betheiligten Personen zu zerstören. Nach ander weitigen Mittheilungen wäre die Zerstörung des Gerichtssaales, anderer öffentlicher Gebäude und der Redactionslokale gewisser Zeitungen beabsichtigt gewesen. Unter den drei Verhafteten befindet sich ein bekannter Führer der Anarchsten. Vaterländisches. — Riesa. Am vergangenen Freitag Abend ereignete sich beim Nachtschießen auf dem Schießplätze in Zeithain leider ein sehr beklagens- werther Unglücksfall. Beim Laden eines Geschützes der 2. Batterie der reitenden Artillerie entlud sich das Geschoß (eine Granate) nach hinten und traf den Kanonier Uhlig so unglücklich an die Brust und an die Stirn, daß derselbe sofort todt niedersank. Dem Obergefreiten Hantzschman wurde der Zeigefinger der rechten Hand weggerissen und die Hand selbst erheblich verletzt, während ein Dritter nur einige leichte Verletzungen davontrug. — Eine sehr beachtenswerthe Einrichtung hat der Blechwaarenfabri- kant Reiche in Plauen bei Dresden für den Verkehr mit seinen Arbeitern getroffen. Um Fühlung mit denselben aufrecht zu erhalten und persönlich auf sie einwirken zu können, hat er eine sogenannte Arbeiter-Commission gebildet, in welcher die Arbeiter aller Abtheilungen seiner Fabrik durch gewählte Abgeordnete vertreten sind. Diese Commission tritt regelmäßig alle 14 Tage in des Unternehmers Beisein zu Besprechungen zusammen, um Wünsche in Bezug auf Einrichtungen, Beschwerden der Arbeiter gegen Arbeiter und auch gegen Meister und umgekehrt zu erledigen. Auch werden, wenn erforderlich, Vergehen gegen Sittlichkeit erörtert und den Betreffenden Strafen zuerkannt. Nack des Unternehmers Aussage sind die Wirkungen dieser Einrichtung sehr erfreuliche, insofern dadurch unmittelbare Erörter ungen zwischen ihm und den Arbeitern ausgeschlossen werden, gleickzeitig aber ein Weg zur Ausgleichung von Wünschen und Beschwerden offen steht. Auf diesem sehr zu empfehlenden Wege dürfte auch Arbeitseinstellungen am nachdrücklichsten vorgebeugt werden. — Für nächsten Sonntag steht die Eröffnung der Gewerbe- und Industrie-Ausstellung in Riesa bevor. Die Beschickung der Ausstellung wird sehr mannigfaltig und reich sein und ein lebendiges Bild über Er zeugniß und Handel von Riesa bieten, auch verschiedenartig größere und kleinere landwirthschaftliche Maschinen und Geräthe sind vertreten und dürfte Jederman, besonders aber für Landwirthe, ein Besuch recht interessant sein. Viele Gewerbevereine haben bereits ihren Ensemble-Besuch angemeldet und werden sicher die herrlich aufblühende Stadt, welche viele einzig dastehende Etablissements und Anlagen besitzt, lange in angenehmer Erinnerung be halten, denn für wen sollten nicht die Schiffswerft, die Marmorschleiferei, die Oelfabriken, Schneidemühlen und Eisenwerke, deren Besichtigung von Seiten der Directoren in zuvorkommender Weise gestattet ist, von Interesse sein. Ebenso sind die bedeutend erweiterten, Quaianlagen mit ihren un unterbrochenen arbeitenden 8 Dampfkrahnen, die Elbbrücke, der neuerbaute Winterhafen und der einzig in seiner Art dastehende Stadtpark mit seinen uralten Baumriesen des Sehens werth, sodaß sich ein Ausflug nach Riesa in jeder Weise lohnen dürfte. — Das Directorium des Landesobstbauvereins für das Königreich Sachsen, an dessen Spitze der Geheime Regierungsrath von Bosse in Dresden steht, gedenkt auch in diesem Herbst von Mitte September bis Ende October, durch den Vereinsgeschäftsführer, dem Garteninspector Lämmerhirt, Obstverwerthungscurse in der Weise abhalten zu lassen, daß die Obst- und Beerenweinbereitung, das Dörren von Obst und Gemüse, die Musbereitung, sowie das Conserviren (Einlegen von Obst und Gemüse) theoretisch erläutert und practisch ausgeführt wird. Jeder dieser Curse dauert vier Tage, und finden in den Vormittagsstunden die theoretischen Erläuterungen und in der übrigen Zeit die practischen Vorführungen statt. Mähend der Landesobstbauverein die erforderlichen Apparate und Maschinen liefert und den Vereinsgeschäfsführer kostenfrei zur Verfügung stellt, haben die Bezirksobstbauvereine für Beschaffung des nöthigen Lokales und des verarbeitenden Materials zu sorgen und die Frachtspesen für den Hintransport der Apparate zu tragen. Anmeldungen unter Angabe der in Aussicht stehenden Theilnehmerzahl sind bis Ende Juli bei dem Direc torium des Landesobstbauvereins seitens der Vorstände der Bezirksvereine zu bewirken. — Vom 12. bis 14. August begeht die Schützengesellschast in König stein das Fest ihres 350jährigen Bestehens. Bei dieser Gelegenheit er folgt auch die Uebergabe und Weibe der von Sr. Majestät dem Könige verliehenen neuen Fahne. Zu diesem Doppelfeste sind gegen 30 auswärtige Schützen-Gesellschaften in Corporationen und Deputationen eingeladen worden und herrscht schon jetzt in der Gesellschaft die größte Rührigkeit, um durch Veranstaltung eines großartigen Festzuges sowie Feststellung eines gewählten Programms die Feier würdig zu gestalten. — Eine heitere Scene spielte sich dieser Tage auf dem Wochenmarkte zu Meißen ab. Eine Frau hatte bei einem Händler neue Kartoffeln ge kauft, sie mit nach Hause genommen und einen Theil davon gekocht. Die Kartoffeln blieben aber nach dem Kochen noch ganz seifig, waren also un reif und deshalb packte die resolute Hausfrau die Kartoffeln wieder in den Korb, nahm den Topf mit den Kartoffeln mit und machte dem Händler auf dem Markte den richtigen Standpunkt klar. Dabei entlud sich ein förmliches Gewitter über den verdutzt dreinschauenden Händler und derselbe mußte wohl oder übel seine gekochten und ungekochten Kartoffeln wieder zurücknehmen und das Geld herauszahlen. Triumphirend wandte die schnei dige Einkäuferin dem Händler den Rücken und deckte ihren Bedars an anderer Quelle. Das ist ganz nachahmenswcrth. — Ein Akt von Rohheit wurde in der Nacht zum Sonntag in Schöneck verübt. Als der Wirthsckaftsbesitzer G. am Sonntag früh in den Stall kam, fand er. daß einem Ochsen am Unterleib 2 circa 30 Centi- meter lange Schnitte, von einem Messer herrührend, beigebracht worden waren; nach näherer Untersuchung fanden sich noch mehrere Messerstiche am Kopfe des Thieres vor. Die Verletzungen sind glücklicher Weise nicht lebensgefährlich. Die Entrüstung über dieses Bubenstück ist eine allgemeine. Vermischtes. * Wie die Mode entsteht. Vor einigen Tagen hatte in Trouville die sehr hübsche Herzogin von F. bei einen« Wohlthätigkeitsfeste iin Kasino ihr Erscheinen zugesagt: leider verspätete sich die Dame beim Ankleiden und legte die Handschuhe während der Fahrt an. Als sie in den vollen Saal trat, bemerkte sie voll Entsetzen, daß sie zu ihrem schwarz-weißen Kleide einen weißen und einen schwarzen Handschuh angelegt hatte. Die Kammerjungfer hatte nämlich zur Auswahl zwei Paar Handschuhe vor bereitet, die Herzogin aber hatte in Eile von jedem Paar einen genommen. Sie war nickt wenig ärgerlich ob ihres Mißgeschicks, doch siehe da, ihr Erscheinen in zweifarbigen Handschuhen machte Aufsehen und seither tragen in Trouville die Damen zweierlei Handschuhe, deren Farben dem Kleide und dem Aufputz entsprechen müssen. * Verbrauch an Südfrüchten. 118 000 Centner Apfelsinen und 27 000 Centner Citronen sind, der „Volks-Zeitung" zu Folge im ver gangenen Jahre nach Berlin eingeführt worden. * Im Zuckthause Kloster Ebrach bei Bamberg erbrachen am Sonnabend Nacht zwei Sträflinge die Hauptkasse der Verwaltung, stahlen das vor handene Geld, sowie aus der Kleiderkammer Civilkleider und flüchteten. Die massenhaft aufgebotene Gendarmerie erwischte indeß beide Gauner schon Tags darauf. Fest-Programm zum Schützenfeste. Sonnabend, den 21. Juli, Abends 8 Uhr Zapfenstreich. Sonntag, den 22. Juli, früh 5 Uhr Reveille; Bormittags V2II Uhr Wachtparade, wozu Stellung am Hotel Adler, und Concert auf dem Marktplatze; Nachmittags 3 Uhr Festauszuq vom Rathhause ab, wozu Stellung der uniformirten Mannschaften ^3 Uhr ain Hotel goldner Löwe; gegen 4 Uhr Beginn des ScheibcschießenS. Montag, den 23. Juli, Vormittags 9 Uhr Rapport im Rathhaussaale; Nachmittags 2 Uhr Festauszug vom Wehnert'schen Restaurant ab; 3 Uhr Beginn des Schießens nach der Königsscheibe; Abends 8'/, Uhr Einführung des neuen Schützenkönigs in die Stadt. Dienstag, den 24. Juli, Nachmittags 7 Uhr Gewinnauszahlung im Restau rant zur Tonhalle. Mittwoch, den 25. Juli, Vormittags 10 Uhr Königs-Frühstück imSchieß- haussaale; Nackmittags 3 Uhr Concert auf der Schiebwiese und Abends 8 Uhr Tanzkränzchen im Schießhaussaale. «Kirchennachrichten ans Wilsdruff. Am 8. Trinitt-Sonntag: Vorm. V28 Uhr Beichte. Vorm. 8 Uhr Gottesdienst. Predigt über Matth. 9, 9—13. Nach der Predigt heil. Abendmahl. Man verlange in den Apotheken die verbesserten, Schweizer ¬ pillen von Ms'LLMMy erhältlich in Schachteln zu 6b Pf. nnd 1 Mark. Eisenbahn-Fahrplan. Giltiq ab 1. Juni 1888. —— ^VUsäruü'- kotsokaxM. kotsokappsl - ^VUsäruff. An selunen - Ingenieur - 8edil1e ''Veukmsjsler - 8cdu1e. Anschlußverbindung von Dresden Böhm. Bahnhof 6.55 früh, 12.05 Mitt., 3.55 Nachm., 9.10 Abends. S Paar Malteser (weiß u. rothfahl) sind «ntffohen; gegen Belohnung an Uniuui»» abzugeben. „ 715 1120 3 00 750 Abf. Wilsdruff . . Ank. 820 120 510 1020 623 1128 308 758 Grumbach . . . 813 113 503 10l3 635 1140 320 8l0 KesselSdorf . . . 801 101 451 1001 651 1156 336 826 Niederhermödorf 745 1245 435 945 657 1202 342 832 Zauckerode . . . 739 1239 429 9Z9 605 12«0 350 840 Ank. Wotschappel. Abf. 730 1230 420 930