Volltext Seite (XML)
dann in ihre Heimath, in das Dorf H. bei Olbernhau, zu ihrem Vater, welcher daselbst Besitzer eines kleinen Gutes ist. Einige Tage lang trug seine Tochter den herben Schmerz der Enttäuschung still und verschlossen, dann aber erwählte sie den Tod, den sie auf eigenthümliche Weise suchte, indem sie nahe an 30 der sog. Schweizerpillen auf einmal verschluckte. Vor einigen Tagen erhielt ihre Logiswirthin zu Annaberg die Mittheilung von dem traurigen Abschlusse der Liebestragödie. In höchst nobler Weise sorgte der von der Nachricht tief erschütterte Angestellte für ein würdiges Be- gräbniß der freiwillig aus dem Leben Geschiedenen. Das Nrtheil der Welt. Original-Roman von Emmy Rossi. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Bald daraus kam Käthchcn mit Lita nack Hause. Wenn man gefragt hätte, wer die vornehmere Erscheinung von den Beiden sei, so hätte Jeder unbedenklich das Kind von der Straße bezeichnet. Die feinen Trauerkleider kleideten sic wundersam gut, die tiefe Schwermuth verflüchtetc sich unter den angenehmen Eindrücken des täglichen Lebens mehr und mehr, ihr Gang war elastischer, ihre zarte Gestalt aufrechter geworden. „Wir waren nicht bei Tante Irene, — Lita fing unterwegs an zu husten, da fuhr ich direct heim! Und nun ist er hier gewesen, das ist schade, nicht Lita?" meinte Käthchen. »Ja," sagte Lita und sah enttäuscht und betrübt aus. „War Herr Benda nicht hier?" frug Käthchen ihre Mutter. „Er ist noch hier, — er wartet auf Dich, — es schien mir, daß er Dir etwas Freudiges mitzutheilen hat, denn er war sehr erregt und warf drei Stühle um, als er hinausging." " Käthchen lachte und fragte: „Ist er in meiner Stube? Lita, willst Du lesen, sonst ruhe Dich aus, — oder willst Du Bilder besehen? ich habe jetzt ein Viertelstündchen zu thun." „Ach, bitte, liebes Fräulein Käthchen, lassen Sie sich nicht abhalten, ich finde schon etwas zu thun," bat Lita und setzte sich zu der Bücher etagere, die Käthchen mit für sie passenden Büchern belegt hatte. „Guten Tag, Herr Benda," rief Käthchen im Betreten des Zimmers. Ein kleiner Mann, der, ohne eigentlich verwachsen zu sein, dennoch solchen Eindruck hervorbrachte, erhob sich von einem niedrigen Puff, auf dem er gesessen hatte, eine Notenrolle ließ aus einen Musiker schließen. „Fräulein Liebermann, eine gute Nachricht! Meine „Lautenschlägerin" ist für die Ausstellung angenommen, — ist das nicht ein Triumph, ein Dilettant, ein Autodidakt, erreicht mit dem ersten Sprung das öffentliche Forum, wohin selbst Zunftmenschen oft erst auf Umwegen gelangen. „Da gratulire ich herzlich," sagte Käthchen, „aber was Sie von Dilet tantenthum sagen, trifft nicht zu. — Sie haben Jahre lang an Ihrer Ausbildung gearbeitet, wenn Ihr eigentlicher Berus auch die Musik ist, und nur ich von allen Bekannten weiß, daß Sie sich zum Maler ausbilden, — haben Sie denn auch Ihre Scheu überwunden und Ihren richtigen Namen angegeben beim Comitee?" „Nein, liebstes Fräulein, und deshalb will ich Sie um tiefste Geheim haltung bitten, ich habe auf meinem angenommenen Malernamen Matti- mowitsch das Bild eingereicht, dementiren Sie mich nicht, nur so kann ich ruhig eine Kritik abwarten." „Natürlich, — aber da fällt mir ein, ich habe Ihnen die Miniaturen noch nicht zurückgestellt, die Sie mich baten, Fräulein Tiefenbachs Urtheil zu unterbreiten. Da ihr Neffe zu portraitähnlich aus der „Frau Syrene" gehalten ist, habe ich cS lieber unterlassen, ich denke, Sie verändern die Köpfe ein wenig, so daß die Bilder allgemein werden dürfen, — die Satyre schadet den sonst so vorzüglichen Bildern, — ändern Sie doch die Züge und stellen Sie sie ebenfalls mit aus. Der kleine Benda zog s:inen Kopf tief zwischen die Schultern, wie er bei tiefem Nachdenken oder verdrießlicher Laune zu thun pflegte. „Mal sehen, mal sehen," brummte er, als er die Bilder in Empfang nahm. Sein glühender Blick ruhte mit einem wahrhaft wollüstigen Haß auf dem Ant litz der schönen Syrenc, und Käthchen fand plötzlich die Lösung zu seinem Haß, der nur verschlagene Liebe war. „Herr Benda," rief sie halb verwundert und ebenso belustigt aus, „ich glaube Ihnen nicht mehr, daß Sie Ihre schöne Musikschülerin, Frau Syrene, hassen, — nein, im Gegentheil, Sie sind verliebt in die reizende Frau, ohne wieder Sympathie zu finden." Benda sah Käthchen vorwurfsvoll an. „Käthchen, wenn ich Sie nicht von frühester Jugend auf kennen würde, und Ihr goldenes Herz, ich müßte glauben, auch Sie höhnten den armen Mann, weil sein heißes Herz in einem verwachsenen Körper schlägt." „Auch ich?" Käthchen war bewegt. „Nein, lieber Freund, Sie wissen, wie stolz ich aus die Auszeichnung bin, allein Ihr Vertrauen zu besitzen, Ihre einzige Freundin zu sein. Das dürfen Sie also nicht sagen! Und wenn eine Andere Sie verhöhnt hat, so beweist das nur, wie ober flächlich die große Menge urtheilt, der eine schlanke Gestalt, ein glattes Gesicht besser gefällt, als ein reich begabtes Innere. Alles, was äußerlich blendet, ist für den Salon geschaffen, Sie dürfen sich also nicht wundern, wenn eine so hohle Salondame, wie Frau von Zedwitz, Schein mit Sein verwechselt." „Aber ihr Mann, ist der schöner wie ich, — ich habe natürlich keine Ursache, eitel zu sein, aber so häßlich wie Caliban bin ich nicht. — Auch ich habe, als sie noch das arme Fräulein von Gleichen war, ihr meine Hand, mein Herz geboten, — weshalb zog sie den ordinären Menschen vor." Das kluge Käthchen lächelte: „Aber, lieber Freund, Fritz von Zedwitz trägt ja eine Maske von Bankbillets vor dem ordinären Gesicht, — wie konnten Sie mit solchen Rivalen in die Schranken treten? Sie sind ein Künstler, ein Pianist von Ruf, man ladet Sie als Gast in die Gesell schaften der Reichen, — aber Sie sind doch kein würdiger Nebenbuhler eines millionenreichen Bankiers." Benda brütete noch immer vor sich hin, — da klopfte es leise an die Thür, Lita trat ein. „Ihre Frau Mama läßt fragen, ob Herr Benda zu Mittag bleiben möchte." „Speisen Sie mit uns, ja?" bat Käthchen den Sonderling, „Lita, sage der Mama, Herr Benda bliebe, wir musiciren nach Tisch ein wenig, nicht wahr?" Max Benda nickte zusagend, während seine großen Augen sich in Betrachtung des reizenden Kindes versenkt hatten. „Eine kleine Freundin, die bei uns zu Besuch ist," sagte Käthchcn, die Kleine näherbittend, Feli citas — Herr Benda, Du liebst ja die Musik so sehr, Lita, da wirst Du eine große Freundin von Herrn Benda werden, der außerordentlich schön Clavier spielt." Der Künstler reichte dem Kind die Hand und Lita legte die ihrige freundlich hinein. Sein ausdrucksvolles Gesicht war zu tiefem Grübeln verzogen, als ob eine Erscheinung aus Traumland in Wirklichkeit getreten wäre, oder eine Erinnerung lebendig geworden, die er nicht zu placiren wußte. Als Lita wieder gegangen war, sagte Benda: „Wenn ich doch nur wüßte, wo ich die Augen schon einmal gesehen habe; das ist ja ein wun dersames Gesicht, — eine Mensch geworbene Rosenknospe, — Sie haben ja noch nie von diesem schönen Mädchen eine Silbe verlauten lassen." „Eine Waise, — die mir durch einen lieben Freund nahe getretm ist, — aber nicht wahr, man kann nicht ungerührt an ihrer heiligen Schönheit vorübergehen?" Die Dienerin bat die Herrschaft zu Tisch, — Benda sah mehr auf Lita, als auf seinen Teller, — man plauderte gemüthlich, denn der Haus herr, ein noch jugendlicher Vierziger, war der heiterste und belebendste Mann seines ganzen Bekanntenkreises. Gegen seine achtzehnjährige Tochter war er galant wie ein Verehrer, und das verwaiste Mädchen, dessen Schön heit unb Anmuth ihre niedrige Herkunft quitt machte, hatte er in der kurzen Zeit sehr lieb gewonnen und seine angeborene Liebenswürdigkeit fand mühe los den Ton, auch ihren tiefen Kummer zu lindern. Ohne eine Don-Juan-Natur zu sein, liebte er das weibliche Element in seiner Umgebung, und das schöne Gesicht im Hause gefiel ihm außer ordentlich. Bei minder gut gearteten Naturen, wie Frau und Tochter, hätte diese Bevorzugung eines fremden Mädchens, trotz der Kindlichkeit Litas, vielleicht eine gewisse neidische Besorgniß Hervorgemfen, aber hier theilten Alle sich in dem gleichen Gefühl der Zuneigung für dies außerordentlich liebe Wesen. Nach Tisch musicirte Max Benda, mitten in einem Chopin'schen Walzer hörte er auf und nickte Lita zu, die unter dem Zauber der Töne regungs los in ihrem Sessel kauerte. »Jetzt weiß ich's doch, — derselbe Ausdruck, dieselben Augen hatte er als Kind, — freilich sieht er heute anders aus und doch, — die Aehn- lichkeit ist frappant." „Wer denn?" frug Käthchen interessirt. „Der ältere Bruder von Bankier Lionel Alvers, Benno Alvers, mein intimster Jugendfreund. Ich habe ihn kürzlich erst gesprochen, — wie heißt denn die Kleine mit Familiennamen?" „Möllendorf," — sagte Käthchen und nickte Felicitas, die erblaßt war, aufmunternd zu, „hörst Du, kleine Fee, Du siehst einem vornehmen Manne sehr ähnlich, bist vielleicht eine verkappte Prinzessin ? Aber Lionel Alvers ist doch alles Andere wie schön?" spottete Käthchen. „Ja, Lionel ist das Ebenbild seines Vaters, wie Benno das der Mutter, die eine sehr schöne Engländerin war." — (Forts, folgt.) Vermischtes. x Der musikalische Ehemann. Junge Frau (weinend zu ihrer Mutter): „Ach Mama, wie unglücklich ich bin. Mein Mann läßt mich nicht auf den Ressourceball und kaust mir kein neues Kleid dazu!" — Mutter: „Du mußt recht kosen und schmeicheln." — Junge Frau: „Nützt nichts! Da setzt er sich lächelnd ans Klavier und spielt: Du hast Diamanten, hast Perlen." — Mutter: „So Versuchs damit, daß Du ihn zum Zanke reizest, in Thränen zerfließest und dann ihn zur Versöhnung zwingst." — Junge Frau: „Hab' ich vergeblich versucht. Da spielt er: „Mach' mir keine Wippchen vor!" Mutter: „Nun so drohe mit mir, daß ich ihm den Kopf zurechtsetzen würde." — Junge Frau: „Das zieht erst recht nicht mehr! Da holt er den Klavierauszug des „Siegfried" und spielt mir den Kampf mit dem Drachen vor. Entsetzlich!" — * Ertrunken. Am Himmelfahrtstage ereignete sich in de la Mare einem Dorf bei der kleinen Stadt Angelis in Frankreich, ein schrecklicher Unglücksfall. 15 Personen, meistens junge Burschen und Mädchen, die zum Fest im Dorfe gewesen, wollten gegen Mitternacht in einem Kahn aufs andere User der Seine hinüberfahren. Unterwegs spritzten die jungen Burschen die Mädchen mit Wasser; diese drängten sich auf eine Seite zusammen und der Kahn schlug um, alle Insassen außer dem Schiffs mann ertranken. * Der Mississippi ist, wie aus New-Jork berichtet wird, über seine Ufer getreten und verursacht zwischen Illinois und Jawo eine ungeheuere Neberschwemmung. Das Wasser steht, dem „Times" zu Folge, so hoch, wie noch nie zuvor. Die Ueberschwemmung erstreckt sich auf 450 Kilo meter von St. Louis bis Cairo, wo der Ohio in den Mississippi fällt. Bei Rock Island haben sich zwei ungeheuere Ströme gebildet, welche sich mit einer Geschindigkeit von 15 Kilometer in der Stunde fortbewegen. Ein 500 Fuß langer Theil eines Walles am Regierungsarsenal ist fort gerissen worden. Die Eisenbahnen und Niederungen sind überfluthet, und die Einwohner haben sich auf die benachbarten Hügel geflüchtet. Bei Quincy, Illinois, ist der Fluß 15 Kilometer breit. * Zu einem Frankfurter Rechtsanwalt kam dieser Tage Mittags ein zerlumprer Kerl, sagte „Guten Tag," gab dem Rechtsanwalt eine Ohrfeige und enteilte mit den Woren: „Das ist dafür, daß Sie mich so schlecht vertheidigt haben und ich 8 Monate Gefängniß bekommen habe. Seit gestern habe ich sie abgesessen! Fort war er. * Eine Heldenthat eines Mädchens wird aus Perry in Tennessee gemeldet. Miß Julie Green, Lehrerin in einem Mädchen-Institut, unter richtete in ihrer Klasse, als ein großer wüthender Hund in das Lehrzimmer stürzte. Der Hund irrte schon seit Tagen in der Gegend umher und setzte die Bewohner in Schrecken. Er wollte auf eines der Kinder zustürzen; aber die Lehrerin, blos mit einem Lineal bewaffnet, warf sich zwischen das wüthende Thier und das Kind und befahl dem Mädchen, sich durch das Fenster der ebenerdig gelegenen Schule zu retten. Ein schrecklicher Kampf entspann sich zwischen dem Hund und der Lehrerin. Das Kleid derselben wurde in Stücke zerrissen, der Hund sprang ihr wiederholt an die Kehle; aber jedes Mal wehrte das muthige Mädchen das Thier ab und vcrtheidigte sich so geschickt, daß sie nicht verwundet wurde. Die Kinder hatten inzwischen Lärm geschlagen und die Bewohner des Orts eilten der Lehrerin zu Hilfe, deren Kräfte schon gänzlich erschöpft waren. Der Hund wurde getötet und das wackere Mädchen, die erst neunzehn Jahre zählt, wurde gerettet. Die dankbaren Eltern leiteten eine Subfcrip- tion ein und übergaben der Lehrerin eine Summe Geldes und ein pracht volles Reitpferd. * Trauriges Ende. Der Pester Millionärssohn Pista v. Kegl hat sich, wie das „N. W. T." berichtet, wegen enormer Wettverluste bei den letzten Rennen das Leben genommen. Er hatte bei den Wiener Früh jahrsrennen beim Buchmacher hundertzwanzigtauscnd Gulden verloren, die er sich beim Wucherern verschaffte. Um dies wettzumachen, ging er bei den Mairennen Wetten bis zu 300000 Gulden ein. An den beiden erstm Tagen verlor er, am dritten Tage hätte er zahlen sollen. Er ging daher zu seinem Vater, dem Abgeordneten Georg v. Kegl, nach Csala, um von diesem, der Besitzer mehrer Millionen ist, Geld zu erhalten. Der Vater aber hielt ihm vor, wie viele hunderttausende er bereits für ihn geopfert; er habe noch einen anderen Sohn und vier Töchter, könne also nicht noch mehr opfern. Pista erschoß sich darauf. Der Großvater Pista's war als armer Pächter aus Württemberg eingewandert, der Vater des Pista's hatte viel Glück mit Staatsgüterverpachtungen, so daß er eine eigene große Herrschaft kaufen konnte. Er erhielt erst vor sieben Jahren den Adel und das Prädikat von Csala. Der Sohn wurde in Genf erzogen und absolvirte seine Studien in Berlin und Paris. Während der Vater immer der einfachen Lebensführung treu bl eb, wollte der Sohn mit den reichsten Aristokraten wetteifern. In Sansibar jagte er seiner Zeit in Gesellschaft Gsrard's, des berühmten Löwentödters.