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von einer dichtgedrängten Menschenmenge mit Hurrahrufen und dem Ab singen der Volkshymne begrüßt. Der Kaiser, welcher die Generalsuniform trug, begab sich nach der Rückkehr in den Park und mackte dort eine noch malige Rundfahrt mit dem Ponywagen. Das Allgemeinbefinden des Kaisers während des ganzen Tages war sehr gut. Berlin. Die Gesammteinnahmen des Ausschusses für die Ueber- schwemmten betrugen bis zum 12. Mai 2 760 426 Mark. Hiervon ge langten neuerdings 60 000 Mk. an den Hilfsausschuß in Wittenberge, 30 000 Mk. an den in Lüneburg, 180 000 an den für die Provinz West preußen, 13 000 Mk für die Ueberschwemmung der Elbniederung in Schwerin und 10 000 Mk. an den Magistrath zu Schneidemühl zurVer- theilung. Welche Correspondenz täglich unser Kaiser erhält, darüber geht aus zuverlässiger Quelle dem „Berl. Lokal-Anz." folgende Mittheilung zu. Die Durchschnittszahl der täglich nach dem Geh. Civil-Cabinet zu Händen des Kaisers gelangen sollenden Briefe beträgt etwa 900—1050 Stück. In die Bestellung derselben theilen sich vier Briefträger, welche die per Post eingelaufene Correspondenz des Kaisers nur einmal täglich, und zwar Vormittags, nach dem Civil-Cabinet brmgen. Die Beförderung der Briefe dorthin geschieht in kastenartigen ledernen Behältern; natürlich theilen sich in die Durchsicht der umfangreichen eingelaufencn Lecture, die zumeist aus Bittgesuchen besteht, mehrere Geheim-Secretäre, welche nach dem Inhalt des bett. Briefes bestimmen, ob derselbe dem Kaiser vorgelegt werden soll oder nicht. Es mag hierbei erwähnt werden, daß für sämmtliche könig liche Schlösser eigens dazu angestellte Briefträger verwendet werden. So wird Stadtschloß Charlottenburg täglich von zwei Briefträgern bestellt, welche zu diesem Ehrendienst vom General-Post-Amt alljährlich erwählt werden und welche in der Regel aus den tüchtigsten und zuverlässigsten Beamten rekrutiren. In russisch Polen wurde vor einigen Tagen ein österreichischer Offi zier, welcher in Rußland reich begütert ist und den Grafentitel besitzt, mit seiner ganzen Familie in Haft genommen, weil die russische Negierung gegen denselben Verdacht hegt, er sei einer von mehreren österreichischen Offizieren, die während der letzten 6 Monate in den mannigfachsten Ver kleidungen in Rußland Aufnahmen machten, mit deren Hilfe sie eine Dis- locationskarte herstellten, welche vor etwa 10 Tagen erschienen ist und welche die Stellung aller russischen Truppenkörper an den Grenzen von Oesterreich und Deutschland bis ins kleinste Detail anführt. Es hieß zwar, der Offizier sei, nachdem er sich auf sein österreichisches Offizier- Patent berufen, wieder freigelassen worden: aber dem scheint nickt so zu sein: denn an ihn gerichtete Telegramme blieben bisher unbeantwortet, so daß es den Anschein gewinnt, als sei derselbe auf dem Wege nach Si birien. Boulanger scheint sich jetzt schon völlig als Staatsoberhaupt zu fühlen. So richtet er sich in dem Hause, welches er demnächst zu beziehen gedenkt, verschiedene, den staatlichen Centralbehörden entsprechende eigene Ministerialbureaux mit einem gesonderten Wirkungskreise für das Aus wärtige, für den Krieg, für die Justiz rc. ein. Für jedes derartige Mini sterium werden drei Beamte angestellt. — Ein weiterer Schritt Boulangers ist ebenfalls recht bezeichnend. Während nämlich, wie gemeldet, jüngst die französische Regierung dem Pariser Municipalrath die Genehmigung zur Unterstützung der streikenden Glasarbeiter versagte, übersandte der Ex-General soeben dem „Jntransigeant", dem Organe Rochefort's, zu demselben Zweck 500 Francs. Der Dankesbricf, den Rochefort an Boulanger deshalb richtete, schließt mit den Worten: „Es lebe die sociale Revolution!" Ueber den Boulangismus und die Bedeutung desselben für England äußert sich der bekannte englische Politiker und frühere Unter- Staatssecretär des Aeußeren, Charles Dilke in einem Artikel folgender maßen: „Während ich nicht glaube, daß der Boulangismus für Deutschland gefährlich ist, befürchte ich, daß er die Gefahr eines französisch-russischen Bündnisses gegen uns vermehrt. Gleich vielen andern Ausländern mit englischem Blüt in den Adern liebt Boulanger England nicht, und da er den Militärgeist darstellt und wohl nicht geneigt sein dürfte, die Verant wortung für den gefährlichen Krieg gegen Deutschland zu übernehmen, so wird er wahrscheinlich, falls er Gelegenheit hat, die Heereskraft Frankreichs zur Unterstützung der russischen Politik außerhalb Europas verwenden, das heißt also gegen uns. Die „Kokarde" (bekanntlich ein Hauptorgan Bou langers) hat schon ihre anti-englische Politik verkündet. Werden also fran zösische und russische Schnellkreuzer in riesiger Anzahl zu einem anderen Zwecke gebaut, als zum Angriffe gegen unseren Handel für den Kriegsfall, den beide Mächte als möglich ansehen? Haben wir uns also nicht vor zubereiten?" Sir Charles Dilke zieht daraus den Schluß, daß die eng- l lische Flotte so zu stärken ist, daß sie der vereinigten französisch-russischen gewachsen sei. Boulangers „Deutsche Invasion" wird als das wichtigste Agi- : tattonsmittel eifrig vertrieben. An allen Straßenecken und Mauern von ! Paris sieht man den Soldaten Boulanger hängen, wie er gen Osten nach ! dem Schwarzwald und dem Straßburger Münster kampfbereit späht. In aller Leute Händen sieht man die von Zeitungsverkäufern unentgeltlich ver theilte erste Lieferung des Hetzwerks. 17 Buchdruckmaschinen, von denen die größte 200,000 Bogen in 24 Stunden fertigzustellcn vermag, sind unaufhörlich Tag und Nacht im Gange, um den riesigen Bedarf zu decken. Eine Stelle, die in Deutschland viel Heiterkeit erregen wird, sei hier er wähnt. Boulanger hat nämlich herausgeklügelt, daß die Pariser Weltaus stellung von 1867 Mitschuld an jenem Kriege trägt, und schreibt: „Wie viele unserer Nachbarn sahen in der großen friedlichen Kundgebung von 1867 nichts anderes als eine gegen ihre Armuth gerichtete Herausforderung! Haben einige unter ihnen sich nicht verschworen, uns mit den Waffen in der Hand zu überfallen und zu berauben, nachdem sie sich durch eigenes Sehen überzeugt hatten, daß wir keine Vorkehrungen getroffen hatten, um unsere Ersparnisse gegen ihre Begehrlichkeit zu schützen? Wußte man nicht, daß der erste Besuch des Königs von Preußen der Buttes Chau mont gegolten hatte, von deren Höhe er als Jüngling in 1814 der Er oberung von Paris und dem Einzuge der Verbündeten beiwohnte? Wußte man nicht, daß durch ein auffälliges Zusammentreffen bei jenem großen Wettkampf der civilisirten Nationen, zu dem wir die ganze Welt cinge- laden hatten, das Hauptstück der preußischen'Industrie jene Riesenkanone war, die ihre Mündung auf den Trocadero richtete, wie auf ein Fort, das sie bombardircn will?" Nach und nach enthüllt sich das Bild, welches die am 6. ds. voll zogenen Gmeindewahlen in Frankreich bieten. Nach dem Einge- ständniß liberaler, d. h. wesentlich opportunistisch Blätter sind dieselben, wenn auch nicht positiv „boulangistisch", so doch für die „blaue Republik" wenig günstig ausgefallen, indem einestheils die Monarchisten, anderseits die Radikalen und Sozialisten an Boden gewonnen haben, d. h. die Un zufriedenheit mit dem herrschenden System ist, wenn auch vielfach nur unbewußt, zum Ausdruck gekommen. Schon damit aber muß einem Mann wie Boulanger, der vor allem mit der Unzufriedenheit rechnet, gedient sein. Wenn die Liberalen also viel Wesens davon machen, daß Boulanger bei er letzten Ersatzwahl im Departement Jsöre nur 14000 Stimmen er- alten hat, so ist das ein kahler Trost; der Süden Frankreich ist von jeher besonders feurig republikanisch gewesen, es ist also ganz natürlich, daß eiue antircpublikanischc Bewegung dort nicht so rasch um sich greift, wie im mehr monarchisck gesinnten Norden und Osten des Landes. In beiden Häusern des englischen Parlamentes haben in den letzten Wochen lange Debatten über den Zustand der englischen Wehrmachtstatt gefunden. Dieselben ließen erkennen, daß man sich in allen englischen Parteien der Erkenntniß von der militärischen Schwäche Englands nickt verschließt, aber mit allem Dcbattiren ist das Parlament der Lösung der dringenden Frage, auf welche Weise England für einen großen europäischen Krieg aktionssähig zu machen sei, nicht näher gekommen. Man schlägt halbe Maßregeln vor, aber keine durchgreifenden Reformen und schließlich wird jenseits des Kanals Alles beim Alten bleiben! Vaterländisches. Wilsdruff. Am 25. Mai wird in Weistropp in Vereinigung mit der Postagentur daselbst eine mit Fernsprecher versehene Telegraphcn- Betriebsstelle mit beschränktem Tagesdienst eröffnet werden. — In den ersten Morgenstunden des 19. d. M. ist in Herzogs walde der dortige Gasthof nebst Gutsgebäuden nicdergebrannt. — Sieben lehn. Die bevorstehende Gewerbe- und Industrieaus stellung in unserer Stadt, verbunden mit Ausstellung landwirthschaftlicher Maschinen, letztere vom 3. bis 6. Juni, erstere vom 3 bis 18. Juni, nimmt den Anmeldungen nach eine größere Ausdehnung an als ursprünglich geplant wurde. Es sind bis jetzt etwa 100 Aussteller angcmeldet. Da Siebenlchns Umgegend reich an Naturschöuheiten ist, die Stadt auch jetzt durch die neue Straße, Zollhaus-Reinsberg gute Verbindung besitzt, ist für Jeden ein Besuck der Ausstellung leicht und empfehlcnswerth. An mehreren Ausstellungstagen findet öffentliches Concert statt. — Ueber die Entstehungsursacke der verhängnißvollen Explosion in der Zinke'schcn Zünderfabrik zu Meißen hat jetzt bei der amtlichen Unter suchung lediglich fcstgestellt werden können, daß eine der tödtlich verun glückten Arbeiterinnen, und zwar diejenige, bei deren Maschine die Explo sion entstanden ist, kurz vor Eintritt des Unfalles anläßlich des Reißens der Zündschnur einen Theil ihrer Maschine eigenmächtig selbst herausge nommen und wieder eingesetzt hat, anstatt in Gemäßheit der erlassenen Vorschriften den Werkführer herbeizurufen, und daß hiernach feiten der bei der Unfalluntersuchung betheiligten Sachverständigen vermuthet wird, daß das Einsetzen jenes Maschinentheils nicht mit der erforderlichen Genauig keit bewirkt worden und in Folge dessen eine Reibung entstanden sei, welche die Veranlassung zur Explosion gewesen sein könne. — Die postalische Gebühr für die Ueberwcisung einer Zeitung von einem Postort zum anderen beträgt innerhalb des Deutschen Reichs gebietes, einschließlich Bayern und Würtembcrg, 50 Pfg. und nach Oester reich-Ungarn 1 Mk. Bisher wurde diese Gebühr bei Ueberweisungen im Orte, also in Dresden von einem Postamte zum anderen nicht erhoben. Durch Verfügung der kaiserl. Oberpostdirektion wird von nun an auch in diesem Falle die vorschriftsmäßige Ueberweisungsgebühr zur Erhebung gelangen, ein Umstand, auf welchen die Bezieher von Zeitungen bei Woh nungswechsel von jetzt an Bedacht zu nehmen haben. — Das Gerücht von einem Doppelmord durcheilte am Donners tag die Stadt Dresden. Leider ist dasselbe nicht ganz unbegründet, doch beschränkt es sich auf folgende Thatsachen. Auf der Kreuzstraße hat gestern Vormittag der Küster der hiesigen reformirten Kirche, Elstermann, ein 48 Jahre alter, in guten Verhältnissen lebender Mann, nach seiner Ehefrau und dann nach sich selbst geschossen. Beide sind schwer am Kopfe verletzt und hat man sie dem Stadtkrankenhause zugesührt. Der Mann soll schon seit längerer Zeit sich schwermüthig gezeigt haben und mag in einem wiederkehrenden Anfalle die That begangen haben, da sonst ein Grund für die That nicht vorhanden ist. Die Ehefrau hat dies auch in dieser Weise noch bestätigt. Der Mann hat 5 Kinder, von denen das älteste 9 Jahre alt ist. Während der entsetzlichen That liefen die Kinder nichtsahnend im Garten umher. — Tabakrauchen im Walde ist verboten! Bei dem Frühlings wetter, daß gar Viele in die Natur hinauslockt, sei darauf htngewiesen, daß Zuwiderhandlungen gegen das Verbot unnachsichtlich und oft recht empfindlich, bei entstehenden Bränden auch mit Gcfängnißstrafe bestraft werden. Wenn man bedenkt, wie leicht und oft es vorkommt, daß ein achtlos weggeworfenes Streichholz einen Brand verursacht, der schönste Waldungen zerstört, so wird man auch ein strenges Verbot am Platze finden. — Auf der Schönlinder Höhe bei Adorf wurde am Freitag der Vieh- und .Holzhändler Georg Jakob von Rehau todt aufgefunden. Er hatte sich, (wie man sagt, in der Aufregung über einen auf 12000 bis 18000 Mk. bezifferten Vermögensverlust, den er durch den Zusammenbruch des Geschäftes eines Verwandten erlitten hat) durch Messerstiche in Hals und Brust selbst den Tod gegeben. — Seit Anfang voriger Wocke macht in Plauen i. V. ein Dieb stahl von sich reden, der die Verhaftung zweier Handlungsgehilfen, eines Handlungslehrlings, eines Markthelfers, dessen Frau und Schwiegermutter, sowie mehrerer Unterhändler zur Folge hatte. Es handelt sich um Gar dinen von bedeutender Menge und hohem Werth, welche einem Fabrikanten seit etwa Jahresfrist von seinen eigenen Leuten nach und nach gestohlen und von diesen theils direkt, theils von Helfern verkauft worden sind. — Ein schwerer Unfall ereignete fick am Mittwoch Mittag gegen 12 Uhr auf Bahnhof Roßwein. Der dort stationirte Briefträger Hempel fuhr mit einer Post-Packctkarre auf dem Freiperron zwischen zwei sich um diese Zeit kreuzenden Personenzügen hin, als er durch eine bis jetzt noch nicht aufgeklärte Ursache in den nach Nossen zu fahrenden Zug so unglücklich hineinkam, daß beide Beine gänzlich zermalmt wurden. Der Aermstc hatte sich jüngst erst verheirathet. — Am 16. d. M. fanden Frauen beim Sammeln von Reisig auf dem Hutberg bei Herrnhut in einer Buchhecke den Leichttam eines neu geborenen Kindes männlichen Geschlechts. Derselbe war in blaues Papier und in ein buntes Tuch eingewickclt und schon stark in Verwesung über- gegangen. Nach Aufhebung seitens des Gerichts wurde der Leichnam behufs ärztlicher Untersuchung in die Leichenhalle, geschafft. — Aus Annaberg schreibt man Folgendes: Ein „Roman aus dem Leben". Bis vor wenigen Wochen war in einer Restauration ein hübsches 20jähriges Mädchen als Kellnerin angestellt. Das schmucke Ding mit seinem > anmuthigen, bescheidenen Wesen erwarb sich schnell bei den Gästen allge meines Wohlgefallen, in besonderer Weise aber das eines in dem Restau rant verkehrenden ledigen Mannest. Der Betreffende, ein geachteter Ange stellter in einem dortigen Etablissement, ließ die Neigung zu dem hübschen Mädchen derart Oberhand gewinnen, daß er den Entschluß faßte, demselben die Hand zu reichen. Um sich für die Zukunft vorzubereiten, gab das Mädchen den Stand als Kellnerin auf und nahm vorerst Unterricht im Schneidern. Aber der Leichtsinn der Jugend siegte über den Ernst, der sie unterstützende Angestellte glaubt^ Veranlassung zu Aussetzungen mancherlei Art zu haben, und als er schließlich, gewarnt durch einen anonymen Brief, Nachtheiliges aus der Vergangenheit der Erwählten erfuhr, schrieb er ihr den Absagebrief. Schon damals machte das Mädchen einen Vergiftungs versuch, brachte einige Tage im.. Krankenhaus zu Annaberg zu und reiste