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schwer werden, das Gespenst zu bannen, so lange er gleichzeitig der Todten gräber der gemäßigten Ministerien bleibt. Der französische Senat hat sich mit 220 gegen 27 Stimmen für das Princip der Erhebung einer Militärsteucr von denjenigen aus gesprochen, welche von der Militärdienstpflicht befreit werden. Boulanger hat seine Kollegen in der Kammer die „500 Faulenzer- Könige" genannt. Kollege Aröne giebt ihm den Ehrentitel zurück; denn er sei seit langer Zeit nicht znm Arbeiten in die Kammer gekommen und thue nur dreierlei: schimpfen, wühlen und lügen. Die russische Regierung geht nunmehr mit der Ausweisung der Deutschen energisch und schnell vor. So sind vor Kurzem zunächst den vielen deutschen Pächtern und Administratoren in Polen Ausweisungsbe fehle zugegangen, wonach dieselben binnen sechs Wochen Haus und Hof zu verlassen haben. Alle Versuche, dieser Maßregel zu entgehen, wie z. B. durch Eintritt in den russischen Unterthanenverband, scheitern, da die rus sische Regierung jede Naturalisirung von Deutschen verweigert. Ungeheures Elend wird dadurch in jenen Kreisen hervorgerufen, und zahllose Familien, von denen manche bereits 50 Jahre lang dort ihre Wirthschaft betreiben, werden an den Bettelstab gebracht. Ein großes Unglück hat am zweiten Pfingstfeiertage die Stadt Au- gustowo (Rußland) betroffen. Etwa um 2 Uhr Nachmittags brach in einem Hause am Marktplatze Feuer aus, das sich bei dem heftigen Westwinde schnell weiter verbreitete und im Verlaufe von etwa vier Stunden gegen 200 Gebäude in Asche legte. An ein Retten der Habseligkeiten war kaum zu denken, da das Feuer zu schnelle Fortschritte machte. Das Militär leistete bei der Rettung hervorragende Hilfe. Die Soldaten verdienen das höchste Lob, denn sie haben für einige Millionen Waaren, Möbel und Vieh dem sicheren Untergange entrissen. Leider sind auch Menschenleben zu be klagen. Soweit bis jetzt bekannt, sind 6 Personen in den Flammen ge blieben und etwa 10 beim Retten mehr oder weniger beschädigt. Da keine Bewachungsmannschaften vorhanden waren, so wurde natürlich ein guter Theil der geretteten Sachen gestohlen. Von Gold- und Silbersachen haben die Abgebrannten fast nichts zurück erhalten. Ein Uhrengeschäft ist voll ständig geplündert worden. Fast ganz Schottland wurde am 19. Mai von furchtbaren Ge wittern heimgesucht. In Glasgow wurden zwei Knaben und eine erwachsene Person und in Closeburn, unweit Dumfries, ein Mann, der in einem Wagen fuhr, sammt 2 Pferden vom Blitz getödtet. Fast gleichzeitig schlug der Blitz in die Irrenanstalt von Fifeshire, unweit Cupar, ein und steckte das Gebäude in Brand. Die dreihundert Insassen beiderlei Geschlechtes wurden mit großer Schwierigkeit in Sicherheit gebracht. Vaterländisches. — Wilsdruff. Am gestrigen Sonntag fand im Adlersaale allhier die Generalversammlung des „Conservativen Vereins für Wilsdruff und Umgegend" statt. Nach Begrüßung der zahlreich erschienenen Mitglieder durch den Vorsitzenden Herrn von Schönberg-Pötting, hielt derselbe einen kurzen Ueberblick über die letzte zweijährige Thätigkeit des Vereins, hob dabei namentlich als wichtigsten Moment die im städtischen und ländlichen Wahlkreise zu Gunsten des Vereins stattgefundenen Reichs- und Land tagswahlen hervor, gedachte des Hinscheidens des Heldenkaisers Wilhelm und der Thronbesteigung durch Kaiser Friedrich und brachte ein Hoch auf Allerhöchstdenselben aus, in das die Versammlung freudig einstimmte. Nach Vortrag des günstig lautenden Kassenberichtes durch Herrn Stadt kämmerer Harder und nach stattgefundener Neuwahl des Gesammtvorstan- des, erstattete der Herr Landtagsabgeordnete Horst-Rothschönberg seinen Wählern Bericht über die letzte Landlagssession. Aus demselben wollen wir nur die ziffermäßig nachgewiesene höchst günstige Finanzlage unseres Sachsenlandes hervorheben, Redner glaubte die Behauptung aus sprechen zu können, daß Sachsens Finanzlage gegenwärtig wohl die günstigste von ganz Europa sei; ferner gedachte der Herr Abgeordnete weiter der theilweise hochwichtigen Gesetze, welche die Hohe Staatsregierung den Kammern zur Berathung und Beschlußfassung vorgelegt habe und ging dann auf die große Menge von Petitionen über, welche dem Landtage vorgelegen, kam dabei namentlich auf die Petitionen um Eisenbahnlinien zu sprechen und betonte, daß cs ihm trotz aller angewandten Mühe nicht gelungen sei, die Linie Wilsdruff-Mohorn-Noffen weiter als zur Kennt- nißnahme der Hohen Staatsregierung zu bringen und diese Gegend wohl noch eine Reihe vvn Jahren auf Verwirklichung ihrer Wünsche sich werde gedulden müssen. Am Schluffe seiner Darlegungen nahm der Herr Ab geordnete noch Gelegenheit der Hohen Stastsregierung rühmend zu gedenken, knüpfte die besten Wünsche für das Wohl des theuern Sachsenlandes an und schloß mit einem Hoch auf Seine Majestät unsern allgeliebten König Albert, in das alle Anwesenden begeistert einstimmten.. — Ein wahres Meisterstück von Bildhauerarbeit, ein Grabdenkmal, aus canarischem Marmor gearbeitet, hat jetzt der hiesige Bildhauer Schmidt sertiggestellt und wird dasselbe in den nächsten Tagen auf dem Friedhöfe zu Kesselsdorf ausgestellt werden und eine Zierde desselben bilden. Das Grabdenkmal wurde vorgestern im Auftrage des Bestellers von zwei Pro fessoren aus Dresden besichtigt und geprüpft, und hören wir, daß diese Herren dem Herrn Bildhauer Schmidt das ehrendste Zeugniß ausgestellt haben. — Eine außerordentliche übersichtliche Karte des Amtsgerichtsbezirkes Nossen mit dem Zellaer Wald nebst Theilen der angrenzenden Bezirke Meißen, Wilsdruff, Freiberg, Hainichen, Roßwein und Döbeln, entworfen von Albert Lochner, verpfl. Geometer, ist soeben im Verlag von Emil Hensel-Nossen erschienen. Diese Karte, die für 40 Pfennige käuflich ist, wird Allen, welche die Nossener Gegend durchwandern wollen, erwünscht kommen. Sie enthält sich der genaueren graphischen Angabe der Terrain verhältnisse, bezeichnet aber die Höhe der Triangulirungspunkte, und be schränkt sich darauf, dem Wanderer durch genaue Angabe der Wege an die Hand zu gehen. Waldbestand ist grün, die Wasserläufe sind blau vermerkt, ein rasches Zurechtfinden wird auch dem Laien, der Karte zu lesen nicht gelernt hat, leicht werden. — Der Stadtgemeinderath zu Meißen gewährte in seiner letzten Sitzung Herrn Bürgermeister Schiffner in Anerkennung seiner bisherigen erfolgreichen Amtöthätigkeit eine Zulage von 600 Mk. und wählte ihn zugleich auf Lebenszeit. Durch eine Deputation wurde dem Genannten dieser Beschluß mitgetheilt. — Superintendent Dr. Ackermann in Meißen ist zum Consistorial- rath ernannt worden und tritt am 1. September d. I. seine neue Stellung in Dresden an. — Auf Hundshübler Staatsforstrevier wurden zwischen Burkhardts grün und Wolfsgrün ca. 15 Ar 20jähriger sehr schöner Fichtenbestand durch Waldbrand vernichtet. Kaum hatten die Waldarbeiter den Brand gedämpft, entdeckte man 400 Meter davon entfernt wieder einen Waldbrand, dem 60—80 Ar 16jähriger Fichtenbestand zum Opfer fiel. Zweifellos liegt bei diesen Bränden böswillige Brandstiftung vor. — Im Stadttheil Crottensee bei Eibenstock brannte das Vogel'sche Wohnhaus mit Scheune nieder. Die Bewohner, sieben arme Familien! mit dreiunddreißig Köpfen, konnten nichts als das nackte Leben retten und auch letzteres in einigen Fällen nur durch schleunige Flucht durch das Fenster. — Der in Frankfurt a. M. tagende deutsche Lehrcrtag hat u. A. auch folgende Thesen angenommen: Die weit verzweigte Organisation des Staates und der Gesellschaft, das allgemeine Wahlrecht und die Selbst verwaltung erheischen die Erthcilung des Unterrichts über die wichtigsten Lehren der Gesetzeskunde und Volkswirthschaftslehre in der Schule. In der Volksschule der Gegenwart kann dieser Unterricht nur in beschränkter Weise im Anschlusse an die übrigen Lehrfächer ertheilt werden. Der eigentliche Ort für den Unterricht in den fraglichen Gegenständen ist die Fortbildungsschule. Der Unterricht bezweckt: Den Schülern den Aufbau des staatlichen und wirthschaftlichen Organismus darzulegen; den Schülern die Bedeutung der Stelle klarzulegen, welche sie selbst in Staat und Ge sellschaft jetzt einnehmen, resp. später einnehmen werden, schließlich in den Schülern den Sinn für Gesetzlichkeit zu schärfen und das Verständ- niß für ein wirithschaftlich richtiges Schaffen zu vermitteln. Der Unter richt ist ohne jede Parteifärbung und in möglichst anschaulicher Weise zu ertheilen." Endlich wurde noch beschlossen: „Die Gesetzeskunde und die Volkswirthschaftslehre sind als Unterrichtsgegenstände in den Scmi- narien einzuführen." — In Cainsdorf b. Zwickau ertrank am ersten Feiertag beim Baden in einem Teiche der 16jährige Fortbildungsschüler Berndt. Er versank vor den Augen seines Bruders, ohne daß ihm Hilfe gebracht werden konnte. — In Lindenau hat der Kürschner R. seiner Frau mit einem Messer Stiche in die Brust, in den Hals und am Kopfe beigebracht. Er glaubte Beweise von der Untreue der Frau zu haben. Der unbesonnene Ehemann hat sich unmittelbar nach der That der Polizei in Leipzig gestellt. — Im Zwickauer Steinkohlenrevier ereigneten sich in den letzten vier Wochen nicht weniger als über 100 Betriebsunfälle, bei denen Arbeiter mehr und weniger verletzt wurden. — Zur Warnung! In Frohburg pflückte ein 10jähriger Knabe, Namens Sachse, auf einer Wiese Blumen. Plötzlich fühlte er einen Stich in einem Finger. Um den Schmerz zu stillen, nahm er den Finger in Mund und alsbald bekam er ein dickes, blasiges Gesicht, auch die Hand und der ganze Arm schwollen an. Durch sofort angewendete Hilfe hofft man das Kind, welches von einer Kreuzotter gebissen worden ist, am Leben zu erhalten. — Die Braunkohlenwerke in der Umgebung von Zittau haben durch Unterwühlung des Bodens schon verschiedene Unfälle herbcigeführt. So sind auch dieser Tage bei Zittel die Pferde des Bergwerkbesitzer Krause beim Ackern auf einem Felde in der Nähe des dortigen Braunkohlenwerkes in die Erde versunken. Das Erdreich gab plötzlich nach und die Thiere stürzten hinab. Erst nach angestrengter mehrstündiger Arbeit gelang es, die beiden Pferde, wovon das eine bereits todt war, wieder heraufzubefördern. Auch das noch lebende Pferd dürfte kaum zu retten sein. — Am Freitag wurde in Leipzig der Monstre-Prozeß gegen die schon früher erwähnten 29 Personen, welche am Abend des 17. März d. I. sozialdemokratische Flugblätter in den oberen Stockwerken verbreitet hatten, verhandelt. Die Angeklagten, Gesellen der verschiedensten Handwerke, gaben fast sämmtliche die Verbreitung der Flugblätter zu, bestritten dagegen, von dem Inhalt derselben Kenntniß gehabt zu haben und wollen auch (bis auf einige von ihnen, welche die Nennung derjenigen Personen, von denen sie mit der Vorbereitung beauftragt worden, überhaupt ablehnten) die Auftraggeber nicht gekannt haben. Diese Angaben glichen in dieser Hin sicht denen derjenigen Angeklagten, welche wegen Vorbereitung verbotener Flug schriften in zahlreichen früheren Prozessen zur Aburtheilung gelangt waren und die den Instruktionen entspringen, welche in den sozialistischen Par teiorganen über das Verhalten im Falle gerichtlicher Verfolgung rc. wieder holt ertheit worden sind. Diese Erscheinung hat vaher auch durchaus nichts Befremdendes mebr, sie beruht auf der Thatsache, daß die Leiter der Sozialdemokratie deren Anhänger systematisch zur Lüge verleiten. Verurtheilt wurden in der um ^10 Uhr Abends beendigten Verhandlung drei zu je 6 Monaten; zweiundzwanzig zu je 4 Monaten; einer zu 4 Monaten 2 Wochen und einer zu 2 Monaten Gefängniß. Zwei Angeklagte sprach das Gericht mangels Beweisen frei. Das Urtheil der Welt. Original-Roman von Emmy Rossi. (Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) „Wie geht's Peppi, wo ist sie? weshalb ist sie nie wieder zu den Eltern gekommen? Wie ich Ihnen ansehe, ist es Ihnen doch immer wohl gut ergangen, wie konnte sie solange trotzen, nun ist mein guter Bruder und meine arme Schwägerin darüber weggestorben. Das war unrecht von Peppi, sehr unrecht." „Urtheilen sie nicht zu hart, Tante Resi, — und klagen Sie Niemand an, der schon vor seinem Richter steht. Tante Resi verstand nur langsam, aber plötzlich brachen ihr die Kniee ein und sie sank auf einen Stuhl nieder. „Todt, todt, Alles stirbt!" schluchzte sie in bitteren Thränen auf, „so jung ist Peppi gestorben, — und wo sind die Kinder?" Er zuckte schwermüthig zusammen und senkte den Kopf, „ich bin ganz allein geblieben, Tante Resi." Nun siegte ihr Mitleid mit dem vereinsamten über eigenes Leid: „Sie Aermster, Sie Aermster," rief sie unaufhörlich, während ihm der Boden unter den Füßen brannte. Einen Moment der Ruhe war flüchtig der Gedanke in ihm aufgetaucht, Felicitas zu der alten Großtante zu schicken, — aber, einerseits war Therese Tücher zu alt, um ein krankes Kind zu übernehmen, und dann hätte Lita auch wohl verrathen, was ihre Mutter so früh in's Grab gebracht. „Sie fühlen sich jetzt auch wohl recht einsam in Wien, Tante Resi," hob er endlich in bedauerndem Ton an, „oder haben Sie hier noch Verwandte, Schwester oder Brüder?" „Nein, nein, ich bin ganz allein," seufzte sie unter neuen Thränen. „Irre ich denn, oder hatten sie nicht noch einen Bruder Fritz, — mir ist doch, als hätte Peppi von einem Onkel Fritz gesprochen?" „Da irren Sie, — einen Fritz gab es, so lange ich denken kann, in der ganzen Familie nicht, aber Poldi war sehr befreundet mit einem Herrn, der bei mir wohnte, — das war bald, nachdem Peppi heirathete, die hat ihn gar nicht gekannt, den nannte Poldi immer „Onkel Fritz." „Dann verwechselte ich es wohl, — wie hieß der Onkel Fritz denn mit Familiennamen?" „Ja, Du lieber Himmel. Die Unmenge Herren, die bei mir gewohnt haben, bei meinem schlechten Gedächtniß. Da können Sie mich dreist erwür gen, ehe ich mich darauf besinne." Und Benares hätte sie am liebsten erwürgt, diese Tuchers waren wirklich Alle zu beschränkt, — der Vater Leopolds hatte die Briefe in Händen gehabt, ohne sich um das ferne Schicksal der Erfindung zu kümmern? Er stand vor einem Räthsel, aber es sollte ihm bald gelöst werden." „Es ist wohl wenig zu erben da," sagte Resi, mit dem Poldi war Alles zu Ende. O Herrgott, als von Berlin die Nachricht kam, der Poldi sei beim Baden verunglückt, — er ist zu heiß ins Wasser gegangen