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z. Beilage M Nr. 8» des Wochenblattes für Wilsdruff re. TageSgeschichte. Wohin immer Se. Maj. der Kaiser seinen Fuß setzte bei seiner Reise durch die süddeutschen Lande, schallt ihm der lauteste, herzlichste Jubel des Volkes entgegen. In Württembergs Hauptstadt, wie in den nur im Fluge berührten Städten und Dörfern Schwabens, in badischen Lande am Bodensee und im Schwarzwald, bei der Fahrt durch Bayern und in seiner kunstsinnigen Residenzstadt München — überall ist es dasselbe, des Patrioten Herz erwärmende Schauspiel; überall begrüßt die Bevölkerung den Erben der Reichskrone mit Huldigung, die, aus dem Herzen kommend und zum Herzen gehend, kaum glänzender und wärmer gedacht werden können. In dieser Thatsache drückt es sich, so schreibt die „Nordd. Allgem. Ztg." aus, wie fest im Herzen des deutschen Volkes die 1870 begründeten Institutionen des Deutschen Reiches und des deutschen Kaiserthums wurzeln. Diese Thatsache bietet nicht nur der Gegenwart schwerwiegende Garantieen, sie enthält auch für unsere Zukunft erfreuliche Bürgschaften, und dessen dürfen sich unsere Freunde mit uns erfreuen. München, 1. Oktober. Se. Mas. der Kaiser Wilhelm ist unier den Salutschüssen der aufgestellten Geschütze heute Abend 9 Uhr hier eingetroffen und auf dem Bahnhof von dem Prinzregenten, der von sämmt- lichen hier anwesenden Prinzen des königlichen und herzoglichen Hauses umgeben war, empfangen worden. Die Begrüßung war eine äußerst herzliche. Zum Empfange waren außerdem anwesend: sämmtliche Minister, die Generalität, die zum Ehrendienst bei Sr. Maj. dem Kaiser befohlenen Officiere, die Mitglieder der preußischen Gesandtschaft und die beiden städtischen Kollegien mit dem Oberbürgermeister von Widcnmayer an der Spitze. Auf dem Bahnhof war eine Ehrencompagnie mit der Fahne und Musik aufgestellt, welche letztere die preusische Volkshymne spielte. Der Oberbürgermeister hieß in einer kurzen Ansprache Se. Maj. den Kaiser im Namen der Stadt willkommen, worauf der Kaiser alsbald huldvoll erwiderte. Hierauf begaben sich der Kaiser und der Prinzregent, beide in einem Wagen Platz nehmend, welchen eine Schwadron des ersten schweren Reiterregiments begleitete, unter unausgesetzten enthusiastischen Kundgebungen der Volksmassen, von denen alle Plätze und Straßen dicht besetzt waren, nach der königl. Residenz. Auf die Begrüßungsrede des Oberbürgermeisters v. Widcnmayer erwiderte Se. Maj. der Kaiser etwa Folgendes: Er sei erfreut, auf seiner Reise Gelegenheit zu haben, die bayrische Hauptstadt zu sehen, die Hauptstadt jenes Landes, das in der Geschichte des Deutschen Reiches eine so bedeutende Rolle gespielt habe und dessen Fürstenhaus eines der bedeutendsten sei im Deutschen Reiche. Er hoffe die Kraft zu besitzen, im Geiste seines hochseligen Großvaters die Geschicke des Reiches zu lenken. Se. Majestät sprach alsdann seinen herzlichen Dank für den ihm zutheil gewordenen schönen Empfang aus, bat den Oberbürgermeister, diesen Dank der gesammten Bevölkerung Münchens mitzutheilen und drückte dem Oberbürgermeister die Hand. Wien, 1. Oktober. Zum Empfange M. Maj. des Kaiser Wilhe lmS werden sich über speziellen Wunsch des Kaisers sämmtliche Erzherzöge hier versammeln. Kaiser Wilhelm trifft mit einem Gefolge von 40 Personen präzise um 9 Uhr Vormittags ein. Die Truppen der Wiener Garnison werden nicht auf den Straßen Spalier bilden, sondern in geschlossener Front sormirt Aufstellung nehmen, so daß dem Kaiser Gelegenheit geboten wird, dieselben zu besichtigen. Bei günstiger Witterung erfolgt die Fahrt in die Hofburg in offenen Equipagen, und zwar fahren die Wagen im Schritt. Die Kaiserin begrüßt Kaiser Wilhelm, welcher dieselben Appar tements bewohnen wird, die der Vater vor mehreren Jahren innehatte, in der Hofburg. Um 11 Uhr Vormittags ist Dejeuner in den Departe ments des deutschen Kaisers, welche bereits seit 14 Tagen in Stand ge setzt sind. Se. Maj. König Albert von Sachsen nimmt in Schönbrunn Wohnung, da die Räume in der Hofburg nicht ausreichen. Zum Gala diner wurden alle Staats- und kirchlichen Würdenträger, das diplomatische Corps und Nuntius Galimberti geladen. Beim Hofkonzert und beim Thee beim Erzherzog Karl Ludwig wird die Dienerschaft in spanischen Galatrachten seviren. Die aus dem Regiment Nr. 34 (Deutscher Kaiser) gebildete Ehrenkompagnie trifft morgen aus ihrer Garnison Leutschau hier ein. Mit der Minute war der kaiserliche Sonderzug auf dem Wcstbahn- hof angelangt. Kaiser Franz Joseph schritt sofort auf dcn Hoswagen zu, auf dessen Tritt Kaiser Wilhelm stand. Mit besonderer Lebhaftigkeit wechselten die kaiserlichen Freunde Freundschaftsküsse und dann erst folgte der Handschlag; während der ersten getauschten Worte blieb Hand in Hand ! ruhen. Kaiser Wilhelm ging nun auf die Gruppe der Erzherzoge zu und ; küßte sich mit den Kronprinzen Rudolph und den Erzherzögen Carl Ludwig ! und Albrecht, welche gleich dem Erzherzoge Wilhelm in preußischer Uniform ! erschienen waren. Den anderen Erzherzögen drückte der hohe Gast freund schaftlichst die Hand und nahm dann die Vorstellung der erschienenen Deputationen der Reichsdeutschen, des Statthalters, des Polizeipräsidenten und des Bürgermeisters entgegen, dem er für den herzlich gebotenen Will kommengruß der Stadt Wien die Hand zum Danke reichte. Als die Begrüßung und Vorstellung der Suiten zu Ende, verließen Arm in Arm die beiden kaiserlichen Freunde, umgeben vom Kronprinzen und den Prinzen des Kaiserhauses, sowie von den vornehmen zahlreichen Gefolge das Bahn hofsgebäude, begleitet von stürmischen Zurufen der auf dem Perron An wesenden. Als sich die hohen Herrschaften in die Equipagen begaben, nahmen die Ovationen der Bevölkerung ihren Beginn, welche in ihrem Enthusiasmus die Fahrt der beiden Kaiser zu einem Triumphzuge gestaltete. Tausende Hurrah- und Hochrufe durchbrausten die Lust, aus den Fenstern und von geschmückten Balkonen schwenkten schöne Damen leuchtenden Auges Tücher und unter diesen Freudenbezeugungen langten beide Herrscher vor der Bellaria an. Kaiserin Elisabeth erwartete hier die Ankunft des deutschen Kaisers, um ihn als Gast ihres hohen Hauses willkommen zu heißen. Erst nachdem Kaiser Wilhelm die Kaiserin und die Kronpinzessin Stephanie gesehen, zog er sich in seine Gemächer zurück, um bald darauf die Be grüßungs-Visiten der Mitglieder der kaiserlichen Familie entgegenzunehmen. Soweit bis jetzt bekannt, gedenkt Se. Maj. der Kaiser in Wien, bezw. zum Besuche am österreichischen Hofe bis zum 10. Oktober zu ver bleiben und hierauf seine Reise nach Italien fortzusetzen. Wien. Kaiser Joseph hat bet dem Zusammentreffen mit dem Grafen Herbert Bismarck sich lebhaft nach dem Befinden des Reichskanzlers er kundigt und auf die Erwiderung des Sohnes, daß Fürst Bismarck sich vollster Gesundheit erfreue, seiner Freude hierüber Ausdruck gegeben.