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Prinz-Regenten von Braunschweig und am 29. Oktober wird bekanntlich der Kaiser zu den Festlichkeiten in Hamburg erwartet. Ob und in welcher Weise der geplante Besuch des Kaisers an den norddeutschen Höfen zur Ausführung kommt, ist wohl noch weiteren Bestimmungen Vorbehalten. Se. Maj. Kaiser Wilhelm hat den Armen Wiens 2000Guloen gespendet. Um 12 Uhr in der Nacht zum 15. Oktober ist der Anschluß Ham burgs und Bremens an das Zollgebiet des Reichs erfolgt; die Zollgrenze, welche die beiden größten deutschen Seehandelsstädte von den sie umgebenden deutschen Gebieten trennte, ist gefallen und dafür ge gen das Ausland neu aufgerichtet worden. Die Zeitungen der beiden Städte erörtern die für diese so bedeutungsvolle Veränderung in zuver sichtlicher Hoffnung, daß dieselbe trotz der Bedenken, welche den Zollan schluß ursprünglich sowohl in Hamburg, als in Bremen entgegenstanden, das Gedeihen der beiden Städte fördern werde. Neapel. Der Fremdenzufluß ist ein gewaltiger. Von Rom sind allein 60 000 Personen theils eingetroffen, theils noch unterwegs. Alle Bahnhöfe, die der kaiserliche Extrazug passirte, sind festlich geschmückt, der Zug wurde überall mit unbeschreiblichem Jubel begrüßt. Das Wetter ist schön. Der Einzug des Kaisers hierselbst übertraf noch den in Rom durch den auflodernden Enthusiasmus. Alle Balkone der sechsstöckigen Häuser sowie die Toledostraße waren mit Menschen überfüllt. Es herrschte eine unbeschreibliche Begeisterung, der südländische Jubel war unsteigerbar. Die Lazzaronis schwenkten jauchzend ihre Rothmützen. Der deutsche Kaiser hat solchen Empfang noch nie erlebt. Die Schiffe im Hafen gaben Kanonen salven ab, alle Straßen waren mit Fahnen geschmückt, die Arbeitervereine bildeten Spalier. Der deutsche Kaiser, König Humbert, Prinz Heinrich und der italienische Kronprinz erschienen auf dem Balkone des Königs schlosses, begrüßt unter den, Jubel des Volkes. Der Kaiser war in Garde- du-Corps-Uniform, die unbeschreiblich imponirte. Festberichte wurden in den letzten Tagen in reichem Maße aus Italien durch den Telegraphen übermittelt. Allein das Stück Weltge schichte, welches sich am Freitag im Vatikan und Quirinal abspielte, nimmt sich desto imposanter aus, je knapper der Rahmen telegraphischer Bericht erstattung gehalten ist. Den politischen Schwerpunkt des 12. Oktober wird man mit Recht in den zwischen dem Könige Humbert und unserem Kaiser ausgetauschten Tafelgesundheiten, sowie in vem Depeschenwechsel der leitenden Staatsmänner beider Reiche erkennen. Was in der Seele ihrer Völker lebt und webt, das verkündete der Mund der Monarchen in Worten, wie sie der Augenblick gebar, die eben in ihrer frischen Unmittel barkeit schlagender, überzeugender wirkten, als etwa eine von langer Hand vorbereitete Kundgebung zu thun vermöchte. Wenn König Humbert des Kaisers Anwesenheit in Rom als ein neues Pfand der für den Frieden Europas und für die Wohlfahrt beider Völker geschlossenen Allianz feierte, so betonte Kaiser Wilhelm die Gleichartigkeit der Geschichte beider Staaten, welche bedinge, daß die Völker stets zusammenstehen würden zur Aufrecht erhaltung dieser Einheit, welche die sicherste Garantie für den Frieden bietet. Den potenzirtesten Ausdruck ihrer lebendigen Volkskraft aber be sitzen sowohl Deutschland, als Italien in ihrer Wehrorganisation, daher es nur als eine Verstärkung der friedlichen Accente und als nichts Anderes betrachtet werden darf, wenn beide Monarchen Zeugniß ablegten für die deutsch-italienische Waffenbrüderschaft, indem König Humbert „auf das deutsche Heer, den Schutz und Ruhm Deutschlands" trank, Kaiser Wilhelm aber in italienischer Sprache nächst den Majestäten „das so sehr brave italienische Heer" leben ließ. Derselbe Geist höchster wechselseitiger Werth- schätzung und Freundschaft, den die Tafelkundgebungen athmen, beseelt auch vc» z»vischc» vc» nullcrUscyen Mlttlstcrprasioenlen unv un>erem Reichskanz ler gepflogenen telegraphischen Gedankenaustausch. Die Freundschaft und Bundesgenoffenschaft der Völker zum Zweck der Verbürgung des Friedens von Europa, tritt uns aus dem zwischen Rom und Friedrichsruh stattge habten Depeschenwechsel als leitender Grundgedanke der deutsch-italienischen Politik wiederholt mit plastischer Greifbarkeit entgegen. Crispi macht sich zum Dolmetscher der herzlichen Liebe Italiens für das deutsche Reich, welches durch die Rathschläge seines Kanzlers zu solchem Ruhm und sol chen Ehren gelangte. Fürst Bismarck acceptirte den Wunsch Crispi's, „daß unser Bündniß stets ein so herzliches und intimes bleiben möge, zum Ruhme der beiden Völker, zum Besten des Friedens von Europa, aus vollem Herzen, und setzte für Jeden, der cs hören will, vernehmbar hinzu, daß beide Staatsmänner an der Befestigung der gegenseitigen Freund schaft ihrer Souveraine und ihrer Länder gearbeitet haben und daß es ihr fester Wille ist, diese Freundschaft aufrecht zu erhalten und sie immer in timer zu gestalten. Aus den Kundgebungen beider Autoritäten, bemerkt die „Nordd. Allg. Ztg.", spricht eine so augenfällige Gleichartigkeit der Anschauungsweise, Mittel und Ziele ihrer auswärtigen Politik, wie sie von allen, an der Erhaltung und Befestigung der gegenwärtig bestehenden inter nationalen Ordnung interessirten Seiten nur irgend gewünscht werden kann. Ueber die Unterredung zwischen Kaiser Wilhelm und dem Papst gehen die Nachrichten gewaltig auseinander. Zugestanden wird von allen Seiten nur, daß der Papst den Kaiser sehr herzlich empfing und daß den Haupt inhalt die Klagen des Papstes über die Politik der italienischen Regierung bildeten. Nach der einen Lesart hat der Kaiser sehr deutlich erklärt, er könne sich in diese innere italienische Angelegenheit nicht einmischen, nach der anderen soll er zu verstehen gegeben haben, daß er den Papst persön lich stets als Souverän anerkennen werde. Kardinalstaatssekretär Ram- polla hatte daraufhin auch Telegramme an die Vertreter des heiligen Stuhles im Auslande gesandt, worin cs heißt, daß der Besuch des deut schen Kaisers im Vatikan kurz nach seiner Ankunft in Rom die Aner kennung der vollen Souveränetät des Papstes bedeute. Eine authentische Darlegung wird vielleicht bald gegeben werden. Richtig ist, daß Graf Herbert Bismarck die Thür zu dem päpstlichen Gemach öffnete, um dem Prinzen Heinrich von Preußen Eintritt zu gewähren, als der Majordomus des Vatikans den Prinzen ersuchte, noch etwas zu warten, bis der Kaiser und der Papst ihre Unterredung beendet hätten. Die Enttäuschung der Ultramontanen über das Ergebniß der Unterredung des Kaisers mit dem Papste eine allgemeine. Das zeigt sich deutlich in einem Privattelegramm der „Germania" aus Rom, welches über eine „verhältnißmäßig lange Be sprechung" des Papstes mit dem Grafen Herbert Bismarck, die am 13. Oktober vor dem Empfange auf dem Kapitol stattfand, Nachstehendes be richtet: „Graf Herbert Bismarcks Audienz dauerte anderthalb Stunden. Den vatikanischen Journalen ist untersagt, davon zu sprechen. Der Papst setzte die ganze Lage des Papstthums und der katholischen Kirche Preußens auseinander. Es verlautet aus sicherer Quelle, daß der Papst eine klare feste Sprache führte wegen der Verdemüthigung des Papstthums durch Italien vermöge des Dreibündnisses. Die Eindrücke sind überall ver schieden, allgemeiner ist der ungünstige Eindruck." Paris. Der Ackerbauminister hat dem Ministerrathe angezeigt, daß die Weinernte ausgezeichnet sei und nahe an 40 Millionen Hektoliter er- geben werde. Vaterländische». Wilsdruff. Am 17. d. M. hielt im Gewerbeverein in einer von über 200 Personen besuchten öffentlichen Versammlung Herr Schuldirektor Richter aus Freiberg einen sehr interessanten Vortrag über: Was kann man alles ohne Buch von einer Wandkarte ablesen. Der Vortrag währte ca. 2'/2 Ciunde und war von hoher volkswirthschaftlicher Bedeutung. Alle Anwesenden hörten den Vortrag mit spannendster Aufmerksamkeit zu, und spendeten begeistert dem geehrten Herrn Redner den wohlverdienten Beifall. — Nächsten Montag, den 22. Oktober, verkehrt auf der Linie Wi ls druff-Potsch appel ein Personensonderzug, welcher oen Besuch der Dresdner Theater, Konzerte rc. ermöglicht. Dieser Sonderzug schließt wie gewöhnlich an den Tharandter Lokalzug, welcher 11 Uhr 10. Min. vom Böhmischen Bahnhofen in Dresden abfährt, an, verläßt 11 Uhr 35 Min. Potschappel und trifft 11 Uhr 44 Min. inZaukeroda, 11 Uhr 50 Min. in Niederhermsdorf, 12 Uhr 6 Min. in Keffelsdorf, 12 Uhr 18 Min. in Grumbach und 12 Uhr 25 Min. in Wilsdruff ein. Ge wöhnliche Fahr- und Rückfahrkarten berechtigen zur Mitfahrt. — Am Dienstag Abend in der siebenten Stunde brannte in Lotzen das früher Müller'sche jetzt Triebe'sche Haus vollständig nieder; leider haben die Bewohner von ihrer Habe so gut wie nichts retten können. Entstehungsursache des Brandes ist bis jetzt unbekannt. — Nach der von dem Statischen Bureau des königl. sächsischen Ministeriums des Innern zusammengestellten Uebersicht über die bei den Sparkassen im Königreich Sachsen im Monat August d. I. erfolgten Ein- und Rückzahlungen wurde in 207 Kassen auf 103 835 Posten 9130 024 M. ein- und in 48 853 Posten auf 7 242 430 M. zurückgezahlt, der Baar bestand dieser Kassen bezifferte sich am Schluffe des Monats auf 5127157 M. In den Monaten Januar bis mit Oktober wurden überhaupt in 984633 Posten 85814491 M. ein- und in 546 490 Posten 72201 646 M. zurückgezahlt, im Vergleich mit der gleichen Zeit des Vorjahres sind in diesem Jahre 5126 065 M. mehr eingezahlt worden. — Bei der Königlichen Altersrentenbank zu Dresden (Landhaus, König-Johannstraßc) sind im vergangenen Vierteljahr 1524 Rentenan wartschaften in einem Jahresbctrage von 85 402 M. erworben worden. Warmes hauptsächlich Altersrenten, welche gekauft wurden, so ist doch auch den Zeitrenten Zuspruch zu Theil geworden. In der That ist für viele Lagen des Lebens die Erwerbung von nur auf einige Jahre laufenden Renten geradezu ein Bedürfniß. Abgesehen von der Zeit, in welcher die Kinder die Schule besuchen, und wo schon mancher Vater über hohe Kosten des Unterrichts und der Schulbücher klagt, denke man an die Jahre, wo viele Familien ihre Töchter in Pensionate und höhere Töchterschulen, ihre Söhne auf Universitäten und Akademien schicken und letztere überdies noch auf eigene Kosten militärisch ausbilden lassen. In allen derartigen Fällen, wo größere Ausgaben auf wenige Jahre an die Familie herantreten, kann die Altersrcntenbank durch Auszahlung von Zeitrenten das Beschaffen der Kosten sehr erleichtern. Zur Erwerbung von Zeitrenten müssen die Einlagen mit Verzicht geschehen, die Renten selbst sind aber von hohem Betrage. Auf eine z. B. im ersten Kindesalter gemachte einmalige Ein lage von 100 M. zahlt die Altersrentenbank nach vollendetem 18. Jahre des Versicherten eine einmalige Jahresrente von 254 M. 10 Pfg. oder 3 Jahre hindurch eine jährliche Rente von 88 M. 31 Pfg. aus. — Auch in Leipzig wurden auf Requisition der Staatsanwaltschaft in Duisburg 40 000 Exemplare der Mackenzie'schen Entgegnungsschrift wegen Beleidigung beschlagnahmt. — Nach einem Erkenntniß des 2. Strafsenats des Reichsgerichts wird ein sogenannter „blinder Passagier" auf der Eisenbahn wegen Betrugs bestraft. Steigt ein Reisender in einen Personenwagen eines zur Abfahrt stehenden Eisenbahnruges ohne giltiges Villet und ohne (un aufgeforderte) Meldung beim Schaffner oder Zugführer und verschafft sich so eine freie Fahrt, so begeht er damit einen Betrug. Diese Hand lung verliert dadurch nicht den Charakter einer betrügerischen, wenn er etwa dabei im Einverständnisse mit dem die Billetkontrole ausübenden Schaff ner handelt. — Welchen Aufschwung der Handel mit lebenden Gänsen von Jahr zu Jahr nimmt, — so schreibt man aus Freiberg —zeigt sich recht deutlich bei uns in Sachsen. Während z. B. vor 4—5 Jahren in jedem Herbst nur gegen 8—10,000 Stück Gänse auf dem hiesigen Bahnhofe zur Ent ladung kamen, waren es im vergangenen Jahre bereits 16,000, welche hier verblieben. Für dieses Jahr jedoch ist diese Zahl noch um die Hälfte überschritten worden; denn etwa 24,000Gänse sind indenletzvergangenen Wochen in Freiberg ausgeladen und nach allen Richtungen hin verhandelt worden. Die Thiere kommen meist aus Pommern, Brandenburg und Niederschlesien. — Es giebt noch edle, gute Menschen. So erhielt dieser Tage in Pulsnitz ein an der Bahn bediensteter Mann von einem ungenannten Herrn aus Dresden brieflich einen Hundertmarkschein als Geschenk. Das bcigefügte Schreiben lautet: „Ich und meine Frau haben von dergroßen Anzahl Kinder gehört, welche Ihnen der Himmel bescheert hat, zugleich aber auch, daß Sie und ihre Frau rechte tüchtige, ordentliche und rührige Leute sind. Da nahmen wir uns vor — ich kenne Sie übrigens seit langen Jahren — Ihnen und Ihrer Frau eine rechte Freude zu machen. Möchte der Inhalt dieses Schreibens — 100 Mk. — recht segensreich für Ihre Familie werden. Fragen Sie nicht nach, woher das Geschenk kommt; beten sie für die Gesundheit meiner Frau, dies wäre der schönste Dank, den Sie uns geben können. — In Glauchau wurde am 13. d. M. ein 68jähiger Mann Namens G., der rasch noch vor einem umlenkenden Lastwagen vorüber springen wollte, tödtlich überfahren. — Unter Bezugnahme auf die Mittheilung in unserer letzten Num mer über den vermißten Kaufmann aus Leipzig wird aus Schandau berichtet, daß der Betreffende, nachdem er zwei Nächte im Bereiche der Schrammsteine verbracht, wieder wohlbehalten im „Hotel zum Engel" eingetroffen ist und alsdann zu den Seinen nach Leipzig zurückgekehrt. — Am Freitag Mittag brach in Mylau auf dem Spitzboden eines Hauses an der Gollestraße Feuer aus und brannte der Dachstuhl voll ständig ab. Drei Schulknaben im Alter von 9, 8 und 6 Jahren haben gemeinschaftlich mittelst Streichhölzchen das auf dem Boden befindliche Heu angezündet und somit den Brand verursacht. Das ältere Kind hat sich beim versuchten Löschen arg verbrannt und ist dann mit dem mittleren davongelaufen. Das jüngste Kind wurde 2 Stunden später als halb ver kohlte Leiche aufgefunden. — Markneukirchen. Großes Aufsehen erregte in unserer Stadt die am Montag gegen Abend erfolgte Verhaftung des hiesigen Todten- bettmeisters Roßbach und seiner Ehefrau, der Heimbürgin Roßbach. Aus Anlaß dieser Verhaftung und der am Montag Abend erfolgten Durchsuchung der Wohnung der Verhafteten durchschwirren die Stadt die sonderbarsten Gerüchte. Inwieweit solche begründet sind, dürfte die weitere Untersuchung seitens der königl. Staatsanwaltschaft bald ergeben. -- Die Redaktion der „Sächs. Schulzeitung" wendet sich in einem warmen Aufrufe an die vaterländischen Lehrer, sich bei der Verwirklichung des Unternehmens, ein Ludwig Richter-Denkmal in Dresden zu errichten, dem Manne zu Ehren, der durch seine Kunst ein Erzieher des Volks, ein treuer Mitarbeiter der Lehrer war, durch Beiträge zu betheiligen.