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über dem Deutschthum. Die hohe Aristokratie, welche in Oesterreich von der katholischen Kirche in's Schlepptau genommen wird, ist trotz ihrer deutschen Namen und ihrer deutschen Abstammung im höchsten Grade deutschfeindlich. Wir brauchen blos an die leitenden Geister des Wiener Vaterlandes und die hohe Aristokratie Böhmens, wie die Schönborn, die Schwarzenberg und andere zu erinnern, und es wird klar, daß sich der Ultramontanismus in Oesterreich der Herren Aristokraten nur bedient, um mit ihnen das deutsche Element zu vernichten und zu slawisiren. Umge kehrt beweist die Richtung, welche das Organ der Centrumsdemokratie, die „Germania" verfolgt, daß es seinen Namen eigentlich mit Unrecht trägt und vielmehr Polonia genannt werden müßte. Denn in allen Fragen wo es sich um Germanisirung der polnischen Provinzen, um das Zurück drängen des überhandnehmenden Polonismus handelt, um die Bekämpfung, des polnischen revolutionären Geistes durch deutsche Sprache und Gesittung; in allen diesen Fragen stehen die „Germania" und ihre Freunde auf Sei ten der Polen." Der Botschafter der französischen Republick in London, Waddington, ist seit längerer Zeit Gegenstand von Angriffen, «eil er angeblich ein Frankreich angetragenes russisches Bündniß zurückgewiesen habe. Gegen eine bezügliche jüngste Anzapfung im „Matin", die vom Minister Goblet inspirirt sein soll, hat Waddington jetzt eine Ercklärung veröffentlich, in welcher er, und zwar im „Matin" selbst, sagt, er habe niemals General Obrontscheff gesehen, noch irgend welche Mittbeilung durch denselben er halten. Während seines Ministeriums sei niemals und in keiner Weise von einer Allianz zwischen Frankreich und Rußland die Rede gewesen, niemals habe ihm der damalige Botschafter, Orloff, die geringste Eröffnung gemacht, folglich habe er auch niemals dieserhalb von London einen Rath erhalten oder in Berlin Mittheilungen gemacht. Boulanger bleibt der Mittelpunkt der politischen Bewegung in Frankreich. So bemüht sich der Herzog von Aumale den Grafen von Paris zur Verleugnung Boulangers zu bestimmen, dringt jedoch damit nicht durch. Ferner wurde in Toulouse das größte dortige Tageblatt für den Boulangismus erworben. In Limoges wurde der Radikale Perin, als er seinen Wählern Rechenschaft ablcgen wollte, durch Hochrufe auf Boulanger endgiltig am Reden verhindert. Besonders hat aber die Hoch zeit seiner Tochter mit dem Kapitän Driant das ihrige dazu beigetragen, die Person Boulangers wieder in den Vordergrund zu bringen und hat die Patriotenliga unter Führung Döroulsdes bei dieser Gelegenheit geradezu als Leibgarde Boulangers fungirt. Bei der Vermählung sagte der Priester in seiner Rede, daß die religiöse Weihe, welche General Boulanger der Ehe seiner Tochter geben lasse, wie auch die festliche Kleidung, in welcher er zu derselben erschienen sei (in voller Generalsuniform) ein Gewähr dafür seien, daß in nicht mehr allzu ferner Zeit unter ihm die Gewissens freiheit wieder hergestellt werde. — Der Polizeipräfector von Paris hat vier Stadtsergeanten, welche am Tage eines Banketts die Pferde Boulangers am Zügel ergriffen und seinen Wagen eine große Strecke geleiteten, als wäre er eine offizielle Persönlichkeit, ihres Postens entsetzt. Die Zahl der mit Blutvergießen verbundenen öffentlichen Versamm lungen wächst. GesternAbend fielen Anarchisten über eine nach derRue Jussieu berufene Versammlung von Konservativen her Es entspann sich ein heftiger Kampf, in welchem schließlich die Konservativen Sieger blieben. Fünfzehn Personen wurden verwundet. Die Polzei trieb die Menge aus einander. Die Anarchisten zogen in geschlossenen Reihen ab mit dem Rufe: Es lebe die Commune! Petersburg, 6. November. KaiserAlexander ist eine feste, oft rauhe Natur, wenig geneigt zu Gefühlsausbrüchen. Das Eisenbahnunglück von Borki hat jedoch einen so erschütternden Eindruck auf den Kaiser ge macht, daß er bis heute noch sichtbar unter demselben leidet. Schon bei seinem neulichen Einzug in Petersburg war allen, die ihm näher traten, sein gegen sonst so mildes Wesen aufgefallen und Augenzeugen versichern, daß er jetzt auch bei sich zu Hause sehr verändert und fortwährend in Ge danken mit dem Unfall beschäftigt ist, namentlich aber mit den unglücklichen Opfern desselben und mit dem Schicksal der Hinterbliebenen der Verun glückten, für die er übrigens in großartiger Weise gesorgt hat. Ist es seiner Umgebung gelungen, ihn auf andere Gedanken zu bringen, so fällt ihm, sowie er sich an seinen Arbeitstisch setzt, wieder der Unfall mit allen Einzelheiten ein, denn er vermißt seinen treuen Gefährten „Kamt schatka", einen besonders schönen großen Hund, der sonst, während er arbeitete, immer zu seinen Füßen lag. Während jenes Unglücksfallcs saß der Hund im Speisewagen zwischen dem Kaiser und der Kaiserin und wurde später unter Wagentrümmern todt hervorgezogen. Thatsache ist es auch, daß der Kaiser persönlich darauf bestanden hat, auf jener durch ihre Unsicherheit des Bodens bekannten Bahnstrecke schnell zu fahren, und daß er den Verkehrsminister Possjct, der ihm ernstlich abrieth, mit den Worten hart anließ: „Es ist doch eine Schande, wenn nicht einmal ich in meinem Rußland so rasch fahren kann, wie wo anders überall und von Jeder mann gefahren wird." Die Quetschung, welche der Zar am rechten Ober schenkel erlitten hat, ist doch recht bedeutend und schmerzhaft. Ein starkes silbernes Cigarrenetui, welches der Kaiser in seiner rechten Bein kleidertasche trug, wurde fast platt gedrückt. Der Verlauf der Wahl eines Präsidenten der Vereinigten Staaten von Nordamerika ist ein von den Meisten unerwarteter. Man nahm mit ziemlicher Gewißheit an, daß der jetzige Präsident Cleveland mit nicht unbedeutender Mehrheit wiedergewählt werden würde. Nun meldet aber der Telegraph, daß bei der Wahl der Wahlmänner aus den ver schiedenen Staaten die republikanische Partei den Sieg über die demokra tische davon getragen hat und zweifellos Harrison gewählt und künftiges Jahr als Präsident der Vereinigten Staaten in das Weiße Haus zu Washington einziehcn werde. Die Republikaner sollen über eine Mehr heit von 60 Stimmen zu Gunsten Harrison's verfügen. Wir bemerken hierzu, daß bei der eigentlichen Präsidentenwahl durch die Delegirten der 38 einzelnen Staaten der Union 401 Stimmen abgegeben sind. Jeder Staat sendet soviel Delegirte, als er Vertreter im Repräsentantenhause hat. Die absolute Mehrheit besteht also aus 201 Stimmen. Nach den unter dem jetzigen Präsidenten Cleveland getroffenen neuen Bestimmungen treten die Wahlmänner erst im ersten Monat des folgenden Jahres zur Wahl zusammen, nachdem inzwischen Streitigkeiten über die Giltigkeit ihrer Wahl von zuständigen Gerichten entschieden sind. Es soll dadurch den bisher üblichen Wahlschwindcleien thunlichst vorgebeugt werden. Die Zählung der von den Wahlmännern abgegebenen Stimmen erfolgt dann in gemeinschaftlicher Sitzung beider Häuser unter dem Vorsitz des Senats präsidenten am ersten Mittwoch des Februar. Vaterländisches. Wilsdruff. Wir gestatten uns auch an dieser Stelle auf den morgen Mittwoch Abend 8Uhr im „Adlersaale" stattfindendcn Vortrag unseres Herrn Landtagsabgeordnetcn Franz Müller aus Frei berg aufmerksam zu machen. Der Herr Abgeordnete wird über seine in früheren Jahren unternommenen großen Reisen in ferne Länder, zum Beispiel nach Palästina u. s. w. sprechen; gewiß ein Thema, welches Je dermann interesstren wird. Dem Wunsche des Herrn Abgeordneten ge mäß werden deshalb auch alle lieben Wilsdruffer Nebst Frauen dazu cingeladen, damit der Abend gewissermaßen einem großen Familicnabend gleiche. Möge der ausgesprochene Wunsch zur Wahrheit werden. — Der Herr Hotelier Gietzelt wird für einen gutgeheizten Saal Sorge tragen. — Das unbefugte Betreten des Bahnkörpers der Secundärbahnen wird nach neuerlicher Bekanntmachung der Königlichen Amtshauptmann schaft Dresden mit Geldstrafe bis zu 30 Mark oder entsprechender Haft- strafe geahndet. Da für Kinder die Eltern und Erzieher zur Verantwor tung gezogen werden, so dürfte die Mahnung an dieselben, ihre Kinder und Pflegebefohlenen von dem Verbote zu unterrichten, ganz am Platze sein. — Dresden, 10. November. Das 25jährige Jubiläum der Land tagsabgeordneten Seydel, Uhlemann und Schreck wurde heute auf dem königl. Belvedere durch einen feierlichen Actus und ein animirtes Festmahl gefeiert. Mindestens 50 Mitglieder der Zweiten sächsischen Kammer, mit dem Präsidenten, Geh. Rath Dr. Haberkorn, an der Spitze, ehrten die Jubilare durch ihre Bethciligung an der seltenen Feier. Das älteste Mit glied der Zweiten Kammer, Präsident Dr. Haberkorn, überreichte den Ju- bilaren mit einer herzlichen Ansprache und unter einer warmen Anerkennung pflichtgetreuer Wirksamkeit je ein Album mit den Portraits der gegenwär tigen Mitglieder der Zweiten Kammer. Während des Festmahls feierte Vicepräsident Streit Se. Maj. den König anläßlich seiner Verdienste um das Deutsche Reich in schwungvollen Worten und den begeisterten Hoch rufen auf den allverehrtcn Landesherrn folgte ein Trinkspruch des zweiten Vicepräsidcnten, Georgi, welcher der speciellen Thätigkeit der Jubilare in den beireffenden Deputationen gedachte. Hierauf bezog sich auch ein zweites Geschenk, drei grüne, mit Silber gepreßte Maroquinbände, aus welchen ein getreues Bild der Wirksamkeit der Jubilare während ihrer ganzen Thätig keit als Landtagsabgeordnete ersichtlich war. Hofopernsänger Tempesta sang ein von Schulrath a. D. Hager gedichtetes Lied und in den weiteren, zum Theil von einem köstlichen Humor durchwehten Trinksprüchcn gaben sodann auch die Jubilare ihren Gefühlen für die Heimath, für das engere und weitere Vaterland neben den herzlichsten Dankesbezeugungen Ausdruck. — Das Ergebniß des Monats October d. I. ist bei der Königlichen Altersrentenbank zu Dresden (KönigJohannstr., Landbaus) gegen das des gleichen Monats im vorigen Jahr wiederum ein günstiges gewesen. Es wurden in diesem Monate 330 878 Mk. in 559 Einlagen eingezahlt und ward damit der Monat October des vorigen Jahres mit 62 607 Mk. und 43 Einlagen überholt. Die meisten Einzahlungen geschahen mit Ka pitalvorbehalt zur Erwerbung aufgeschobener Altersrenten. Hierauf entfielen 362 Einlagen, während in allen übrigen Abtheilungen nur 197 Einzahl ungen geleistet wurden, von denen wieder die meisten zur Erlangung von Renten derselben Art, aber mit Verzicht des Kapitals erfolgten. Sofort beginnende Altersrenten wurden durch 58 Einlagen erworben. Für die meisten derselben ist die erste Ratze bereits am 31. October fällig, da sie gegen Entrichtung geringer Verzugszinsen in den ersten 5 Tagen des Mo nats gemacht wurden. Zur Erwerbung von Zeitrenten dienten 6 Einlagen. — Seit längerer Zeit bemerkte eine Bürgersfrau in einem kleinen Provinzstädtchen, daß bei ihrer Ziege, wenn sie dieselbe melken wollte, die Milch fehle und kam auf allerhand Vermuthungen, auf welche Weise wohl ein Unberufener in den Stall gelangte und sich auf billige Weise seine Kafieemilch verschaffte. Als nun besagte Frau dieser Tage in den Stall trat, sah sie zu ihrem Erstaunen, daß ihre beiden Läuferschweine die ge suchten Diebe seien. Dieselben entwichen jedesmal Nachts ihrem engen Behältnisse und ersparten so der Frau das Melken. Wie doch oft nur der Zufall Licht in unheimliches Dunkel bringt. — Aus Oschatz schreibt man: In die Collection des Herrn A. R. Jedicke hier fiel am dritten Ziehungstage der Landeslotterie ein 15 000 Mark-Gewinn. Als Curiosum sei Ihnen mitgetheilt, daß die glücklichen Gewinnerinnen des einen Zehntels zwei Negermädchen aus Kamerun sind, welche im Juni d. I. hier zum Schützenfeste Vorstellungen gaben und sich ein Loos in obenerwähnter Collection kauften. Warum soll die Glücks göttin Fortuna nicht auch mit schwarzen Menschenkindern schäkern? — Ein schreckliches Unglück ereignete sich in Hohenelbe am ver flossenen Montag. Ungefähr um 6 Uhr Abends zersprang in der Holz- schleiserei des Ferdinand Kühnel der Trockencylinder der Papiermaschine. Hierdurch wurde der Werkführer Karl Franke so schwer verletzt, daß er kurz nach der Explosion starb. Der Arbeiter Adolf Wenzel wurde von den Maschincntrümmern erschlagen und todt unter den Eisentheilen heraus gezogen. Dem Arbeiter Erben zerschmetterte ein Eisenstück die Kinnlade und der ausströmende Dampf verbrühte ihn derart, daß an seinem Auf kommen gezweifelt wird. Ein vierter Arbeiter wurde gleichfalls stark ver brüht und ein fünfter kam mit leichten Verletzungen am Kopfe davon. Ueber die Ursachen, welche das Zerspringen des Cylinders herbeigeführt, wird erst die eingeleitete Untersuchung Ausschluß geben. — Dieser Tage wurde in Frankenberg einem Fleischerladen durch einem in demselben Hause wohnenden Appreturarbeiter ein Besuch abgc- stattet, um an den vorhandenen Eßwaaren sich gütlich zu thun. Der hungrige Mann wurde aber dabei durch das Luftloch im Laden gesehen, so daß es gelang, später seine Persönlichkeit festzustellen. Wahrscheinlich aus Furcht vor der seiner wartenden Bestrafung hat der Appreteurarbeiter den Tod in den Wellen der Zschopau gesucht, aus welcher seine Leiche am Donnerstag bei Ortelsdorf gezogen worden ist. Vermischtes. * Am Tage des großen Brandes in Hünfeld brach zu gleicher Zeit in dem nahe gelegenen Orte Großenbach in der Scheune des Bauers I. Gensler Feuer aus, welches aber schnell durch die zurückgekehrten Feuer wehren gelöscht werden konnte. Der Urheber dieses Brandes ist in einem 10jährigen Schuljungen ermittelt und verhaftet worden. Derselbe sah das große Feuer in Hünfeld und ein böser Gedanke trieb ihn, auch in Großen bach ein solches Feuer anzumachen. Erlas etwas Reisig zusammen, nahm Stroh dazu und zündete nun in der benachbarten Scheune des genannten Gensler dasselbe an. Die Folgen dieses' Bubenstreiches sind auch für Hünfeld vcrhängnißvoll gewesen. Denn da die drei Spritzen und ein Theil der Feuerwehr von der dortigen Brandstätte nach Großenbach eilen mußte, entstand Verwirrung und Mangel an Löschkräften und nahm der Brand in Hünfeld die fürchterliche Ausdehnung an, wodurch nun der größte Theil der Stadt in Asche liegt. * Ein schreckliches Unglück hat sich in Liebenwcrda am 9. Nov. zugetragen. Kurz nach 4 Uhr weckte Feuerlärm die Bewohner. Das Mühlenbesitzer Kunert'sche große Wohnhaus stand in vollen Flammen. Zur Hilfe herbeieilende Personen fanden vor dem Hause den im Oberstock wohnenden Kreisphysikus Dr. Meyer mit zerschmettertem Kopf, neben ihm stehend sein ältestes 5jähriges Töchterchen. Der Unglückliche hat wohl auf den das Wohnhaus und die Stallgebäude verbindenden Balkon springen wollen, verfehlte aber denselben und stürzte mit dem Kinde im Arm auf das Pflaster, sodaß der Tod sofort erfolgte. Das Kind hat außer Ver renkung eines Armes allem Anscheine nach keine weiteren Verletzungen davongetragen. Dagegen hat man von der Frau Kreisphysikus, dem vier jährigen Töchterchen und den beiden Dienstmädchen (zwei Schwestern) nichts gesehen und nichts gehört; dieselben sind verbrannt. Das Feuer