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ich, verschiedentlich durch Geräusch erschreckt wurden, welches wir schließlich dem Unwetter zuschrieben; ebenso war's mir auch einmal, als ob sich eine Gestalt durch den Garten bewege, wer konnte auch an ihn dabei denken!" „Nein, das wäre mir selber im Traume nicht eingefallen, giebt aber jetzt einen um so sicheren Anhalt," versetzte Stevenson. Vor allen Dingen müssen Sie sich an der Brandstätte zeigen, um etwaige Verdächtigung zu entkräften, welche auch mich in Mitleidenschaft ziehen könnte, da Ihr Besuch bei mir im Hotel sicherlich die Neugierde schon genug erregt hat. Hm, hm, die Sache könnte schlimm werden, wäre ich dieser Mord nacht nicht glücklicherweise daheim geblieben; so aber vermag ich mein Alibi nachzuweisen, was bei Ihnen, da Sie ganz allein hier wohnen, nicht nöthig ist. Gehen Sie in's Haus und zu Bett, vielleicht weckt Sie ein Bekannter, was um so besser wäre. Ich gehe nach der Brandstätte, um Erkundigungen einzuziehen. Also Muth und Kaltblütigkeit, mein junger Freund, dann ist durchaus keine Gefahr vorhanden." Rudolf stieß einen schweren Seufzer aus und brachte den für ihn so verhängnißvollen Freund zur Gartenpforte, wo er ihm leise den nächsten Weg zur Brandstätte angab. Dann stahl sich der Unglückliche wie ein Verbrecher ins Haus, entkleidete sich hastig und warf sich auf sein Bett, angstvoll und mit klappernden Zähnen auf den aus der Ferne hierher dringenden Lärm horchend. Schon nach ungefähr zehn Minuten ging Stevenson's Wunsch in Erfüllung, da sich rasche Schritte dem Hause näherten und dann hastig die Klingel gezogen wurde. Schwarz blieb eine Weile mit angehaltenem Athem liegen, worauf er sich erhob, seinen Schlafrock überwarf und das Fenster öffnete. „Was giebt's, was soll der Lärm?" fragte er mit zitternder Stimme. „Mensch! Du kannst hier ruhig schlafen?" tönte es zurück, „wäh rend in das Lampert'sche Haus der Blitz eingeschlagen und Deine alte Tante getödtet hat." „Großer Gott!" stammelte Rudolf, ich komme sogleich." Er schloß das Fenster, warf sich rasch in die Kleider und stürzte aus dem Hause, um mit dem Bekannten nach der Brandstätte zu eilen. „Hast Du denn bei dem fürchterlichen Gewitter geschlafen?" fragte jener unterwegs. „Ach, ich befand mich nicht gut und nahm deshalb einen starken Grog zu mir," erwiderte Schwarz mühsam, „es war mir immer so, als ob es donnerte, wußte aber nicht, ob es Traum oder Wirklichkeit war." „Ja, das kenn' ich," lachte sein Begleiter, „ein solcher Schlaftrunk hält in Ketten und Banden, besonders wenn er gut gemischt ist. Na, mein Junge, entschuldige mein Lachen, die Geschichte ist ernst und sonder bar genug. Denke Dir nur, wen man im Hause ebenfalls todt oder ohn mächtig gefunden hat?" „Nun?" fragte Rudolf mit Anstrengung. „Den Herrn von Santen, alle Welt ist erstaunt darüber, weil ihn keiner hat ankommen sehen." „Hm, er wird in der Nacht angekommen und sogleich nach seinem Hause gegangen sein, wo ihn der Blitzstrahl, welcher das Haus getroffen, ebenfalls niedergestreckt hat. Die Erklärung ist doch so einfach als möglich." „Freilich, so wird's sein," gab der Begleiter zu, „na, für ihn, den reichen Erben und Wittwer, wär's aber doch gar zn tragisch, wenn der Blitz ihn erschlagen hätte, während Deine alte Tante —" „Am Ende das gleiche Recht zum Leben hatte wie ker reiche Erbe," fiel Rudolf mit Bitterkeit ein. „Sie hatte mich von Herzen lieb, Grund genug für mich, ihren jähen Tod doppelt zu beklagen." Das energische Einschreiten der Feuerwehr war» von Erfolg gekrönt, die Flamme, welche nur hier und da noch aufloderte, auf ihren Heerd beschränkt worden, und die neugierige Menge schickte sich ^n heimzukehren, zumal der Himmel sich wieder umwölkte und auch sofort einen Regen schauer nicdersandte. „Sieh da, Herr Schwarz, wo in aller Welt haben Sie denn eigent lich gesteckt? Ich sehe Sie zum ersten Male in dieser Schreckensnacht," tönte eine Stimme durch den Lärm. „Ich habe ihn geholt, er schlief wie ein Murmelthier, Herr Doctor!" mischte sich Rudols's Bekannter sofort ein. „Bei dem Gewitter!" meinte der kleine Notar erstaunt, „wissen Sie schon, daß Ihre Tante —" „Vom Blitz erschlagen ist, ja, Herr Doctor!" fiel Rudolf hastig ein, „meine arme, gute Tante, ist sie wirklich todt? Ich kann's gar nicht fassen." „Hm, jawohl, mausetodt," brummte der Notar, den Arm des jungen Mannes ergreifend und ihn mit sich fortziehend, „kommen Sie mit mir, mein lieber Schwarz, ich habe Ihnen noch etwas mitzutheilen." Rudolf zitterte so heftig, daß der Notar sich bewogen fand, ihm Muth einzusprechen, da die alte Sanna nun einmal todt sei und er die unheim liche Geschichte wie ein Mann anhören und ertrage müsse, worauf er ihn so schonend als möglich von dem Mord in Kenntniß setzte. „Gott! — Mein Gott, welche verruchte Hand mag das gethan haben," stöhnte Rudolf, auf die Stufen des Sauer'schen Hauses verzweiflungs voll niedersinkend. „Ja, das ist eine offene Frage, welche unsere Criminalisten bereits beschäftigt," erwiderte der Notar, „wissen Sie, daß Herr von Santen in seinem Hause ebenfalls mit allen Zeichen einer gewaltsamen Erwürg ung aufgefunden worden ist?" „Ich hörte davon," antwortete Rudolf kaum hörbar, „ist er todt?" „Noch nicht ganz, man hat ihn einstweilen in's Krankenhaus ge bracht, mir sagte es vorhin der Doctor Mertens. Zum Henker auch, sie wollten ihn mir in's Haus schleppen, ich habe genug an der alten Sanna —" „Meine Tante ist hier in Ihrem Hause?" stammelte der junge Mann. „Ja, ich hielt sie doch nur für ohnmächtig, sonst hätte ich mich schönstens bedankt. — Nun habe ich die unheimliche Geschichte am Halse — ah" — unterbrach er sich plötzlich, „dort kommen einige Herrn vom Gericht, das ist gut; treten Sie nur mit in's Haus, gehören ja als Neffe der Ermordeten von Rechtswegen dazu." „Ja, ich gehöre dazu," murmelte Rudolf, sich mühsam erhebend, „hätte ich doch diesen Amerikaner niemals gesehen!" Der Notar war den Herren entgegen gegangen und geleitete sie jetzt in sein Haus. „Das ist der Neffe der alten Sanna," sprach er, Rudolf vorstellend, „ich denke, daß er mit eintreten darf, da er sie noch nicht gesehen, über haupt erst soeben von der Katastrovhe unterrichtet worden ist." Emer der Herren heftete einen durchdringenden Blick auf Rudolf, der von dem Fackellicht der Feuerwehr in diesem Augenblick grell beleuchtet war, und folgte dann seinen Kollegen in's Haus. Der Notar trat mit einem Lichte in der Hand zu der Leiche, d^ren Anblick wirklich ein erbarmungswürdiger war. (Fortsetzung folgt.)