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Beilage zu Nr. 34 des Wochenblattes für Wilsdruff re. (Fortsetzung aus dem Hauptblatte.) Kaiser. Kaum weniger neu und unerhört ist die theilnahmvolle Sorge, mit welcher die Völker diesseits und jenseits des Ozeans auf das Kranken lager des Nachfolgers, des Kaisers Friedrich, Hinblicken. Davon giebt die Presse des Auslandes täglich Zeugniß, und nicht selten tritt dies unge wöhnliche Interesse für die Person eines fremden Herrschers sogar in den parlamentarischen Verhandlungen hervor. Es ist wohl nie vorgelommen, daß im britischen Unterhause ein Minister über den Gesundheitszustand eines nichtbritischen Fürsten befragt wurde und Auskunft ertheilte. Wohl ist die politische Sorge dieser ausländischen Theilnahme nicht ganz sremd, aber eine große Rolle spielt dabei doch auch das rein menschliche Gefühl, welches die hohen und liebenswürdigen Eigenschaften des Kranken und die grausame Prüfung in der er so heldenhaft fick bewährt, überall erwecken. Die anscheinend unmögliche Aufgabe, den vom Kaiser Wilhelm leer gelassenen Platz voll zufüllen, ist von Kaiser Friedrich, ohne daß er sich darum bemüht hat, gelöst worden, lediglich durch den Adel seines Wesens und die Tragik seines Schicksals. — Politischen Spekulationen sich hinzugeben, wähend das Leben des Kaisers in Gefahr schwebt, das erschwert dem Deutschen die Pietät. Es wäre so, bemerkt die „Wes. Ztg.", wie wenn am Krankenlager eines geliebten Vaters die Kinder sich mit Erbschaftsbe rechnung beschäftigen wollten. Den Engländern, Oesterrcichern, Franzosen kann man es nicht Übel nehmen, wenn sie, bei Mitgefühl für den Dulder, doch auck der weltlichen Interessen gedenken, die sich an die Erhaltung des bedrohten Lebens knüpken, und daß sie diesen Gedanken lauten Ausdruck geben. Für uns Deutsche liegt sogar eine schmerzliche Genugthung darin, wenn wir sehen, wie in der Meinung Europas der deutsche Kaiser ge wissermaßen als der Träger der Weltschicksale erscheint. Im Auslande hat man fast eine höhere Vorstellung von der Bedeutung der keuschen Krone als in Deutschland selbst; vorwiegend tritt uns die Ausfassung entgegen, als ob von der Person des Kaisers Friedrich die Erhaltung des Weltfriedens abhinge, als ob wir in ihm vor Allem den Bürgen und Schirmer des Friedens zu verehren hätten. Der „National Zeitung" zufolge beträgt Kaiser Wilhelm'« hinterlassenes Vermögen 24 Millionen Mark; hiervon erhalten Kaiserin Augusta 3, die Großherzogin von Baden, der Kronprinz und die Kronprinzessin, sowie Prinz Heinrich je 1 Million, Letzterer außerdem ein für ihn gekauftes Gut. Von 1 Million Ersparnisse, über welche Se. Maj. der Kaiser Anfang der sechziger Jahre verfügte, erhalten Kaiser Friedrich 3 Achtel, die Großherzogin von Baden 2 Achtel. Dem Krontresor sind 12 Millionen überwiesen, der Rest ist für Legate bestimmt. Dem Berliner Magistrat ist durch den Minister Grafen Stollberg die Mittheilung gemacht worden, daß der verstorbene Kaiser Wilhelm durch ein seinem Testamente hinzugefügtes Kodizill vom 19. Juli 1882 der Stadt Berlin die Summe von 100,00 Mark zu Armen-Unterstützungen oder auch zur Verwendung für eine besondere Stiftung ausgesetzt habe. Der Magistrath hat beschlossen, zur Annahme dieser Schenkung die kaiserliche Genehmigung nachzusuchen. Von der Elbüberschwemmung in den Kreisen Dannenberg und Blecken sind nach der amtlichen Darstellung 50 Ortschaften mit etwa 1000 Wohnhäusern betroffen worden. In einem am Deiche bei Durchs» gelegenen, von den Fluthen «eggerissenen Wohnhaus haben 9 Personen den Tod gefunden. Auch sind in jenem Hause 36 Kühe ertrunken. Die Gaben für die Ueberschwemmten fließen noch immer reich lich. Die Gesammtziffer der bei der Hauptstiftungskasse in Berlin einge laufenen Summe ist 1836 000 Mk. Gleichzeitig quittirt der Vaterländische Frauenverein über nahezu 300 000 Mk. Unter Hinzurechnung der an anderen Stellen eingegangenen, bereits bekannten Beträge ergiebt sich, daß bis jetzt an freiwilligen Beiträgen im Ganzen nahezu drei Millionen M ark eingegangen sind. Es ist begründete Aussicht vorhanden, daß dieser Betrag sich noch wesentlich erhöhen wird. Allerdings ist das auch nöthig, denn die Klagen hören noch immer nicht auf. Aus Sofia wird gemeldet, daß Fürst Ferdinand von Bulgarien die wichtigsten Städte Nordbulgariens in Begleitung Stambulow's und Stoilow's bereisen werde, und daß für diesen Zweck eine einmonatliche Abwesenheit des Fürsten von Sofia in Aussicht genommen sei. Man darf insofern hierin ein günstiges Zeichen erblicken, als die inneren Verhältnisse zufriedenstellende sein müssen, wenn sich der Fürst und seine Minister für längere Zeit aus der Hauptstadt entfernen könnm. Allein die Versuche, die von außen gemacht werden, das Land durch die Bildung von Banden, die zum Einbrüche auf bulgarisches Gebiet bestimmt sind, zu beunruhigen, nehmen immer größere Ausdehnung an. Die Regierung sieht sich genöthigt, längs der Landesgrenzen eine verschärfte Ueberwachung und eine Verstär kung der hierzu bestimmten Truppenabtheilungen eintreten zu lassen. Vaterländische». Wilsdruff. In unserer Stadt lebt noch ein alter Artillerie- Veteran, der pens. Steuer-Einnehmer Frenzel, welcher am 23. April vor 60 Jahren, also am Tage der Geburt Sr. Maj. des Königs Albert, als Unteroffizier den Salut von 101 Kanonenschüssen kommandirt hat; ebenso lebt in Bischofswerda noch ein Veteran, welcher die Freudenschüsse mit ab gegeben hat. Beide erinnern sich gewiß und zwar namentlich an Königs Geburtstag dieses für sie denkwürdigen frohen Ereignisses. — Der Geburtstag unseres allverehrten Königs Albert ist auch in unserer Stadt diesmal dem Ernst der Zeit entsprechend gefeiert worden. In früher Morgenstunde erklang eine Reveille zu Ehren des Tages durch die Straßen der Stadt seitens unseres Stadtmusikchores, bald darauf legten öffentliche sowie viele Privathäuser Flaggenschmuck an; 10 Uhr Vormittags fand mit den obersten Schulklassen und in Anwesenheit des Gesammtlehrerkollegiums sowie einer Anzahl Bürger Schulaktus statt, bestehend in Gesang, inbrünstigem Gebet und in einer wohldurchdachten formvollendeten Rede des Herrn Oberlehrer Weise; Deklamationen mehrer Schüler und Schülerinnen, wiederholter Gesang und Gebet schlossen diesen ernsten Aktus, welcher gewiß allen Besuchern die rechte Fcststimmung ge geben hatte. Schon in früher Stunde war seitens des Stadtgemeinderaths durch Herrn Bürgermftr. Ficker ein Glückwunschtelegramm an Se. Maj. König Albert abgesandt worden, worauf bereits um 11 Uhr Vormittags telegraphisch der herzlichste Dank Sr. Maj. des Königs eintraf. In den Abendstunden vereinigten sich in ihrem Vereinslokale die Mitglieder